FLUCHT NACH BERLIN

„Da! Der gehört zur VoPo!“ – „Ein Kommunistenhund!“

Flucht nach Berlin ~ BRD/CH/USA 1960
Directed By: Will Tremper

In der Nähe von Dessau, 1960: Als er sich hartnäckig weigert, sich von dem aggressiven SED-Schergen Baade (Christian Doermer) für die LPG anwerben und somit zwangskollektivieren zu lassen, sieht Bauer Hermann Gueden (Narziß Sokatscheff) für sich und seine Familie nurmehr einen Weg aus der zunehmend unerträglichen Bredouille – raus aus der DDR und rein nach West-Berlin. Gueden flieht unabhängig von Frau und Sohn mitten durch die Wälder, die Schweizerin Doris (Susanne Korda) im Schlepptau, die ihn eigentlich nur ein Stück mitnehmen wollte. Doch auch Baade selbst bekommt Ärger mit der Parteispitze: Sein Versagen wird ihm als persönliche Inkompetenz ausgelegt, was ihn dazu treibt, bei Ulbricht persönlich vorstellig zu werden. Doch auch der Weg nach Ost-Berlin erweist sich für den seiner Papiere entledigten Baade als gefährliches Hindernisrennen. Am Ufer der Havel angekommen, treffen er und Gueden ein letztes Mal aufeinander…

Will Trempers Regiedebüt muss ohne Wenn und Aber einen festen Platz in jedem Kanon des Deutschen Kinos bekleiden. Tremper traut sich, Zeitgeschichte ungeschönt und ohne Angst vor dem Vorwurf des Tendenziösen kraftvoll und unterhaltsam aufzubereiten und präsentiert sein Werk dabei, wenngleich sicherlich wechselseitig beeinflusst, als Produktion von internationalem Qualitätsstandard. Immerhin gehört der Topos „Jagd & Flucht“ in all seinen multiplen Variationen zu den traditionsverhaftetsten des Genrefilms; wenn damit dann auch noch zeitgenössische Politik verwoben wird, dann obliegt dem Filmemacher eine ziemliche Verantwortung. Tremper schreckt vor diesem großen Anspruch nicht zurück; er scheut zwar nicht davor, die Ostrepublik als von staatlicher Willkür pevertiertes, gewaltiges Volksgefängnis, das sein ideologisches Fundament auf der systemkritischen Nachkriegsgeneration (hier repräsentiert durch den brillant spielenden Christian Doermer) aufbaut, zu denunzieren, begeht dabei jedoch ebensowenig den Fehler, den Westen unkritisch als Paradies der Freiheit zu verkaufen: Die „West-Berührungen“, die „Flucht nach Berlin“ sich gestattet, sind nicht sonderlich sympathisch. Beginnend mit der aus unerfindlichen Gründen in der „Ostzone“ herumrasenden schweizer Journalistin, deren Zivilcourage erst durch die Aktivierung ihres schlechten Gewissens geweckt wird und die sich später für Gueden, anders als geplant, als greinender Klotz am Bein herausstellt und fortgesetzt mit einer verstrahlt-dekadenten Party-Gesellschaft, die auf einer Miniyacht auf der Havel herumschippert und dabei das von Nina Westen gewisperte Easy-Listening-Stück „High Snobiety“ spielt, erlebt Trempers deutsch-deutscher Clash seinen Höhepunkt im Zuge eines geradezu fürstlich erdachten Bildes: Ein Spürhund der Volkspolizei durchschwimmt bei der Verfolgung von Baade die Havel bis zum gegenüberliegenden Weststrand, wird von den dortigen Badegästen wie ein unpassender Fremdkörper beäugt und beschimpft (s. Zitat) und tritt schließlich, ängstlich und verwirrt, die Rückreise durchs Wasser an. Einen treffenderen Kommentar zur innerdeutschen Entfremdung jener Jahre habe ich selten gesehen.

8/10

BILLY ELLIOT

„Like electricity.“

Billy Elliot ~ UK/F 2000
Directed By: Stephen Daldry

Durham, 1984: Während die Kumpel gegen die regierenden Tories unter Margaret Thatcher im Dauerstreik liegen, beschäftigen den von seinem verwitweten Dad (Gary Lewis) alleinerzogenen Arbeitersohn Billy Elliot (Jamie Bell) ganz andere Dinge: Dieser liebt es nämlich, zu Musik zu tanzen, speziell in seiner ganz individuellen Ausdrucksform aus Step und Ballett. Das passt allerdings überhaupt nicht zum just um Billy herum kultivierten Männerbild des eisenharten Malochertypen; gleichaltrige Jungs gehen lieber zum Boxtraining, derweil Ballett was für Mädchen oder allerhöchstens „für Schwule“ ist. Billys Faible fürs Tanzen hat allerdings nichts mit seiner wie auch immer gearteten Sexualität zu tun, was schließlich auch sein Vater und sein älterer Bruder Tony (Jamie Draven) einsehen. Immens gefördert von der Ballettlehrerin Mrs. Wilkinson (Julie Walters) schafft es Billy schließlich zu einem Vortanzen an einer renommierten Londoner Musikakademie.

Noch viele Jahre später beschäftigte die elfjährige Regierungszeit Maggie Thatchers das britische Kino wie nur wenige andere polithistorische Strömungen im Großraum Empire, das Wirken und Verwirken der IRA vielleicht einmal ausgenommen. Einige der schönsten Dramödien der englischen Filmgeschichte sprangen zwischen den Achtzigern und heute dabei heraus, deren Aufzählung mir an dieser Stelle müßig vorkommt. „Billy Elliot“, wenngleich verhältnismäßig spät das Licht der Leinwand erblickend, darf jedenfalls als besonders rührendes und poetisches Beispiel jener Strömung gelten, denn in ihm dient der große Bergarbeiterstreik nicht nur als periodischer Hintergrund, sondern zugleich als Steilvorlage für eine ganz besondere Persönlichkeitsentwicklungsgeschichte: Obschon die arbeitende Bevölkerung gerade ganz andere existenzielle Probleme umtreibt, hat hier ein ganz normaler Junge mit elementaren Genderfragen zu kämpfen, muss verzweifelt seine hochempfindsame Künstlerseele durchbringen und seiner Familie und allen anderen klarmachen, dass er, würde er den an ihn gestellten Erwartungen widerspruchslos entsprechen, hier auf Dauer verkümmern würde. Das ist natürlich ein Weltklassestoff für Film, der von Daldry mit aller gebührenden Sensibilität und Finesse so auf Zelluloid gebannt wurde, dass ihn jeder begreifen und wohl auch lieben können muss. Ganz schön ist zudem der Einsatz einiger T.-Rex-Songs, die gewissermaßen sogar den musikalischen Rahmen von „Billy Elliot“ bilden und tragen. Dass diese, rein auf die Authentizität des Films bezogen, im Grunde genauso anachronistisch daherkommen wie Billys Bemühungen, seine große Liebe Ballett seinen Liebsten nahezubringen milieufremd sind, ist nurmehr konsequent: „You won’t fool the children of the revolution…“

9/10

KISS OF DEATH

„You should give yourself an acronym… cause it helps you visualize your goals.“

Kiss Of Death ~ USA 1995
Directed By: Barbet Schroeder

Jimmy Kilmartin (David Caruso) hat Familie, ist auf Bewährung und will mit seinem früheren Milieu, der New Yorker Automafia, nichts mehr zu tun haben. Dann lässt er sich von seinem schmierigen Cousin Ronnie Gannon (Michael Rapaport) aber doch überreden, bei einer nächtlichen Verschiebungsaktion einen Transporter zu fahren. Es kommt, wie es kommen muss: Die Sache fliegt auf, Jimmy wird erwischt, angeklagt und wandert ein. Während seines Knastaufenthalts stirbt seine Frau Bev (Helen Hunt) bei einem Unfall, den indirekt auch Ronnie mitverschuldet hat. Jimmy rächt sich auf spezielle Art, ist jedoch noch lange nicht aus dem Schneider: Als Preis für seine Freiheit soll er dem ehrgeizigen Staatsanwalt Frank Zioli (Stanley Tucci) als V-Mann dienen und den brutalen Gangster „Little Junior“ Brown (Nicolas Cage) überführen. Doch wieder wird Jimmy gelinkt und muss auf seine eigene Cleverness setzen, um Zioli auszutricksen.

Der überaus seltene Fall eines seinem Vorbild mindestens ebenbürtigen Remakes, und dies aus mehrerlei Gründen: da wäre vorrangig der Verzicht auf eine allzu sklavische Betrachtung und Behandlung von Hathaways großartigem Original zu nennen. Dieses war und ist im Kontext seiner Ära und Gattung ein vordringliches Meisterwerk, das besonders das Motiv des in der Zwickmühle sitzenden V-Mannes kristallin herauszuarbeiten vermochte und mit dem von Richard Widmark gespielten Soziopathen Tommy Udo einen der diabolischsten Gangster des Kinos entwickelt hatte. Legendär die derbe Szene, in der Widmark/Udo eine alte Dame im Rollstuhl die Treppe herunterstößt, um dadurch ihre verzweifelten Bemühungen, ihren Sohn vor Udo zu schützen, zu kommentieren. Schroeders Neuverfilmung befindet es erst gar nicht für notwendig, diese Sequenz zu readaptieren; wiederum ein klares Signal zugunsten dessen Autarkie. „Kiss Of Death“ 95 verpflichtet sich eher dem just von Quentin Tarantino etablierten Stil der markanten Unterwelttypen, derer er dann auch gleich eine ganze Phalanx bereithält und nicht zuletzt mit der Besetzung der beiden „Pulp Fiction“-Recken Samuel L. Jackson und Ving Rhames noch zusätzlichen Respekt zollt. Glücklicherweise vermeidet Schroeder auch in diesem Falle jedoch eine allzu offensichtliche Anbiederung oder gar den Versuch eines möglichen Gleichziehens: Jackson gibt jetzt einen eher biederen, wortkargen Polizisten mit persönlicher Agenda, eine durchaus traditionsbewusste Figur also, derweil Rhames eher als lustiger, vollbekokster Knallcharge in einer eher schmückenden, kleinen Nebenrolle zu sehen ist. David Caruso, wie eh und je glaubwürdig-gut als harter, irischstämmiger Knochen ist ebenfalls eine Bank. Die klar überstrahlenden Momente allerdings sind jene mit Nicolas Cage, der fast unmittelbar danach in „Leaving Las Vegas“ eine vollkommen diametral angelegte Rolle übernehmen und nicht zuletzt deshalb von (s)einer gewaltigen Bandbreite künden konnte. Als Little Junior Brown ist er zwar kein zweiter Tommy Udo, verleiht der zunächst unmöglich anmutend kompilierten Figur eines annähernd imbezilen Vatersöhnchens, neurotischen Asthmatikers, bodybuildenden Proleten, sadistischen Psychopathen, Gewaltverbrechers und Nachfolgegangsterbosses jedoch ein prächtiges Antlitz zwischen Wucht und Wahnwitz. Darin, einen solch klassisch aufgeladene Part nicht einfach wiederaufzulegen, sondern geschickt zu aktualisieren, liegt ja dann doch wieder ein Stück ernstzunehmende Eherbietung.

9/10

LEGENDS OF THE FALL

„Forever turned out to be too long.“

Legends Of The Fall (Legenden der Leidenschaft) ~ USA 1994
Directed By: Edward Zwick

Montana, um 1914: Der alternde Veteran William Ludlow (Anthony Hopkins) lebt mit seinen drei Söhnen Alfred (Aidan Quinn), Tristan (Brad Pitt) und Samuel (Henry Thomas) auf einer abgelegenen Ranch. Nach seinen Erfahrungen in den Indiaerkriegen hat Ludlow den Vertrauen in Staat und Recht verloren und sich mit seinem alten Freund, dem Cree-Krieger One Stab (Gordon Tootoosis) und seiner Familie in die Einöde zurückgezogen. Als Samuel, der Jüngste, von seinem Studium im Osten zurückkehrt, bringt er seine Verlobte Susannah (Julia Ormond) mit, in die sich auch Tristan und Alfred verlieben. Susannah selbst hat bald nur noch Augen für den wildwüchsigen Tristan, einen rechten Naturburschen. Doch alle drei Brüder folgen, zum höchsten Unwillen des Vaters, dem Ruf des in Europa ausgebrochenen, Ersten Weltkriegs und finden sich bald in den französischen Schützengräben wieder. Tristan kann seinen privaten Eid, Samuel wieder gesund heimzubringen, nicht erfüllen: Der Junge stirbt im MG-Gewitter der Deutschen. Anstatt wieder daheim seinen Gefühlen nachzugeben und Susannah zu heiraten, flüchtet sich Tristan in Schuldkomplexe und zieht fortan für viele Jahre als ruheloser Abenteurer um die Welt. Alfred baut sich derweil daheim im Städtchen Helena einen Namen und ein Vermögen auf und gewinnt Susannah für sich. Als Tristan endlich nach Hause zurückkehrt, findet er den Vater von einem schweren Schlaganfall gezeichnet und verarmt. Tristan wird Alkoholschmuggler und gründet mit der Halbindianerin Isabel (Karina Lombard) eine Familie. Doch das Glück ist nicht von Dauer, denn die Ganovenkonkurrenz paktiert mit der Polizei.

Jesus H. Christ, diese gewaltige Kitschoper von Edward Zwick ist ja mal nichts Geringeres als der „Showgirls“ des Neowestern! Erst einmal vor rund zwanzig Jahren gesehen, hatte ich, der ich ja ein unbedingter Liebhaber von – gern auch extraspeziell campigen –  Hollywood-und/oder Historien-Epen bin, Lust, diese großatmige Familienchronik und Americana wieder aufzufrischen. Was ich vorfand, war so ziemlich das Unverfrorenste und Geistesärmste an Klischeetransport, das ich, zumindest in dieser monetären Größenordnung, auf Monate, wenn nicht Jahre zurückblickend zu vergegenwärtigen vermag. Unglaublich! Selbst jeder deutsche Wirtschaftswunder-Heimatfilm veräußert seine Figuren und deren Geschicke subtiler als es Edward Zwick und seine Autoren in „Legends Of The Fall“ praktizieren; selbst Höhlenmalerei erzählt ihr Sujet nunancierter als dieses Pilcher-/Roberts-/Steel-Konglomerat. Die betont pompöse Geschichte gibt sich garantiert mit keiner Verringerung eines ihrer Aspekte zufrieden; jeder einzelne Charakter muss gleich ein Archetypus sein, jede Einstellung ein Gemälde, jede Score-Okatve (Komponist James Horner ist vielleicht sogar der größte Schurke auf diesem opulenten Schurkenbasar — Jessas!) eine Sinfonie, jeder historische Bezug ein Stück Welterläuterung, jeder Racheakt ein Manifest der Vergeltung! Hier wird so dermaßen geklotzt, der Rezipient so überwältigt und durch durch die Mangel gedreht, dass jener sich im Nachhinein dreifach gehirngewaschen wähnt. Größte Attraktion der hochromantischen Liebestunnelfahrt ist natürlich Brad Pitt, der seinen späteren Ruhm, auch, wenn er sich deswegen hoffentlich noch heute in Grund und Boden schämt, vor allem der vorliegenden Schmonzette verdankt. Dieser Tristan Ludlow, den er hier spielt, ist so schön, so männlich, kernig, stark und gefühlvoll, dass selbst die Götter im Olymp noch neidisch zu ihm aufblicken müssen. Ätherischer noch als Rhett Butler, Rick Blaine und Robert Jordan in einer Person durch(sch)reitet und durchleidet er diesen Film, dass jeder andere männliche Mensch, der sich hierher verirrt, nur noch beschämt zu Kreuze kriechen kann. Natürlich hat er auch ein weibliches Äquivalent in der Person der armen Susannah Fincannon (Julia Ormond), der es trotz all ihrer wollüstigen, aber moralisch verdammenswerten Leidenschaft nicht vergönnt ist, den existenziellsten Auftrag der Frau auf Erden zu erfüllen: nämlich ein Kind zu bekommen. Dass sie sich am Ende, im Angesicht des kompletten Versagens, nurmehre eine Kugel durchs Haupt jagen kann, steht außer Frage. Die Beziehung der Brüder zueinander hat ebenfalls Bilderbuch-Charakter, findet sich in ihr doch samt und sonders jedweder Aspekt, der eine Brüderbeziehung wahlweise auszeichnen und zur Privathölle machen kann. Auch der alte Patriarch (und, ganz wichtig, Veteran!), der den Menschen liebt und den Krieg verabscheut, ist der denkbar schmuckste Vertreter seines Figurenstandes. Als Hopkins dann allerdings den vom Schlaganfall Gezeichneten spielen muss, sein Gesicht wie von einer albernen Grimasse verzehrt und ein Täfelchen um den Hals, über das er (auf dem Kopf schreibend) mit seiner Umwelt kommuniziert, da kann man einfach nicht mehr ernst bleiben, dann ist einer der vielen Momente dieses Films erreicht, indem er jede Lächerlichkeitsgrenze erbarmungslos hinter sich lässt und einfach weiter in sein Verderben rennt.
Natürlich macht gerade jene bombastisch dreiste Unverfrorenheit dieses unikale Stück, ebenso wie etwa den erwähnten „Showgirls“, besonders sehenswert. Filme wie diese scheitern so brachial auf ganzer Linie, sind so dermaßen missglückt und voller Fremdschampotenzial, dass es wiederum gleichermaßen Wagnis, Folter und Freude ist, sich auf sie einzulassen. Insofern prallt hier auch einmal mehr die abschließende Punktwertung gegen die Wände der Vernunft: man weiß, dass es totale Scheiße ist, einen Platz im Herzen belegt es aber dennoch, man stellt es sich gar gern ins Regal. Das ändert am Ende aber alles nichts daran, dass es totale Scheiße bleibt.

3/10

THE SHOUT

„Do you think it’s morally indecent to kill your own children?“

The Shout (Der Todesschrei) ~ UK 1978
Directed By: Jerzy Skolimowski

Im Zuge eines Cricket-Spielnachmittags auf dem weitschweifigen Grundstück einer psychiatrischen Klinik hört sich der Besucher Robert Graves (Tim Curry) eine höchst merkwürdige Geschichte an, die ihm der selbst zu den Patienten zählende Punktrichter Charles Crossley (Alan Bates) über den ebenfalls zugegenen Anthony Fielding (John Hurt) erzählt: Der Avantgarde-Musiker und Klangwissenschaftler Fielding lebte dereinst mit seiner Gattin Rachel (Susannah York) an der beschaulichen Küste von North Devon, als Crossley in der Gegend auftaucht. Nach 18 Jahren bei den Aborigines im australischen Outback hatte sich Crossley selbst einige mystische Fähigkeiten und vor allem die archaische Weltanschauung der Eingeborenen angeeignet. Tatsächlich hat Crossley es einzig und allein auf Rachel abgesehen, die er dann auch mittels eines speziellen Zaubers gänzlich für sich gewinnt. Anthony beginnt, Crossley zunächst zu belächeln, dann zu hassen und schließlich zu fürchten; zumal der myseriöse Fremde im Besitz einer gefährlichen Körperwaffe ist: Des Todesschreis, der, einmal ausgestoßen, alles Leben im Umkreis von Kilometern zum Stillstand bringen kann…

Mysterienkino, für mein Dafürhalten zumindest stellenweise etwas zu kunstgewerblich und exzentrisch, um mich wirklich in seinen Bann zu ziehen. Dabei ist Vieles durchaus unverkehrt an „The Shout“, das großartige (und großartig aufspielende) Ensemble, die zum zusätzlichen Protagonisten deklarierte und entsprechend vorrangig abgelichtete Dünen-Landschaft Nord-Devons, der Klingenritt zwischen ernstem Horror und absurder Ironie. Allein das Ganze ist viel zu umständlich erzählt und derart vollgepfropft mit allenthalben unschlüssigen Wendungen und Abzweigungen, fehlgeleiteten Symbolismen und Interpretationsfreiräumen, dass es irgendwann zu viel wird und der Film seine eigene, potenzielle Qualität mit Füßen tritt. Ich möchte meinen, der auf einer Kurzgeschichte des renommierten Autors und Mystizisten, im Film von Tim Curry verkörperten Robert Graves basierende Stoff war bei einem eher exaltierten Filmemacher wie Solimowski nicht unbedingt in den allerbesten Händen. Skolimowskis Interesse an allzu unterschiedlichen Aspekten des Sujets, die sich in meiner Wahrnehmung am Ehesten als Gesellschafts- und Ehe-Satire veräußern, sorgen dafür, dass die basale Story, in der es schlicht darum geht, dass eine gelangweilte Ehefrau sich an einen wildwüchsigen Herumtreiber verliert und völlig von ihm vereinnahmen lässt, derweil der gehörnte Gatte sich buchstäblich in die Wüste geschickt findet, stark an Zugkraft und Spannung einbüßt. Etwas mehr straightness wäre ratsam gewesen, wo Skolimowski es vorzieht, sich einen verschmitzten, wenngleich imposant exekutierten, Leinwandscherz zu gestatten.

6/10

DESTINATION MOON

„The first country that can use the Moon for the launching of missiles will control the Earth. That, gentlemen, is the most important military fact of this century.“

Destination Moon (Endstation Mond) ~ USA 1950
Directed By: Irving Pichel

Der große Traum von Dr. Charles Cargraves (Warner Anderson) und seinem Freund General Thayer (Tom Powers) ist es, erfolgreich eine selbstkonstruierte Rakete ins All zu schicken und die ersten Menschheitsverteter auf dem Mond zu sein. Nach einem derben Fehlschlag gibt es keine weiteren Regierungssubventionen und so obliegt es den Männern, Privatinvestoren für Ihr ehrgeiziges Ziel zusammenzutrommeln. Mithilfe des Visionärs Jim Barnes (John Archer) gelingt das Vorhaben und die Rakete kann, bemannt von Cargraves, Thayer und Barnes selbst sowie dem etwas einfältigen Funker Joe Sweeney (Dick Wesson), früher als erwartet starten. Die Reise gelingt trotz einiger gefährlicher Zwischenfälle und selbst das unerwartete Problem des mangelnden Treibstoffs für den Rückflug zur Erde kann das Quartett mit einigem Erfindungsgeist lösen.

Einer der ersten wirklich bedeutsamen Science-Fiction-Filme, dem sogar die ursprüngliche Genrebezeichnung, anders als seinen vielen Nachzüglern, in denen Flüge zu Nachbarplaneten, Alien-Invasionen und anderer Zukunfts-Kokolores bestimmende Elemente sein würden, noch vollends zukommt. Insbesondere eine ganz wunderbare Szene, in der Jim Barnes sämtliche potenziellen Sponsoren in der Person der wichtigsten US-Großmogule aus allen möglichen Wirtschaftssparten versammelt hat und sie mithilfe eines selbst für Kleinkinder verständlichen „Woody-Woodpecker“-Cartoons für sein Vorhaben gewinnen kann (Spielberg hat diesen charmanten Kniff des Herunterbrechens kompliziertester wissenschaftlicher Zusammenhänge auf begreifbares Grundschulniveau für „Jurassic Park“ wieder aufgegriffen), spricht Bände über den damals im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg aufkommenden ‚race for space‘ der Supernationen und formuliert grassierende Ängste und Visionen: Wer den Weltraum beherrscht, hat größtmögliche strategische Vorteile und beherrscht somit auch die Erde. Dass jenes Interesse speziell den reichsten – und demzufolge hervorstechendsten – Nutznießern der kapitalistischen West-Ordnung zukommt, im Prinzip sogar noch viel mehr als Politik und ökonomischem Mittelstand, ist nur eine der hellsichtigen Überlegungen des Scripts zu „Destination Moon“. Natürlich gilt es gerade jene für das Projekt ‚Zukunft‘ zu begeistern, wenn ihre Imperien auf lange Sicht Bestand haben sollen. Dass zudem mit relativ bescheidenen Mitteln ordentliche Effektarbeit geleistet wurde und trotz aller technischen Naivität (die sich hierbei im Vergleich zu „phantastischeren“ Artgenossen allerdings noch in gesundem Rahmen bewegt), passt wiederum auf ganzer Linie zu diesem intelligenten Genre-Repräsentanten.

8/10

STAR IN THE DUST

„The Sun’s setting for me. It’d be a shame to miss it.“

Star In The Dust (Noch heute sollst du hängen) ~ USA 1956
Directed By: Charles F. Haas

Der Revolverheld Sam Hall (Richard Boone) wird zum Tode durch den Strang verurteilt, nachdem er drei Farmer in der Nähe des Städtchens Gunlock erschossen hat. Sheriff Jorden (John Agar) weiß allerdings, dass Hall im Auftrag der hiesigen Viehzüchter handelte, die um ihr Weideland fürchten und eine Prämie für jeden erschossenen Farmer ausgesetzt haben. Hall jedoch hält dicht, trotz seiner prekären Situation. Derweil rotten sich die Rancher, allen voran der reiche George Ballard (Leif Erickson), zusammen, um Sam Hall die Flucht zu ermöglichen. Jorden bereitet sich auf den Angriff der Übermacht vor, denn Halls Hinrichtung ist für Sonnenuntergang angesetzt.

In der Western-Super-Doppelsaison 1956/57 konnte jedes der großen Studios mindestens einen Achtungserfolg landen, der sich zudem oftmals vom Gros des Genreausstoßes abhob. Psychologische Momente hatten sich im Western bereits als tragfähige Narrationszugabe etabliert und so vermochte selbst die für einen inflationären Konfektionsausschuß berüchtigte Universal mit Glanzlichtern wie „Star In The Dust“ Vortreffliches zu kredenzen. Aus dem Œuvre des B-Filmers und später vor allem für TV-Serien aktiven Routiniers Charles Haas sticht der Film außerdem hervor. Nicht nur, dass hierin ein aktives genealogisches Bindeglied zwischen den beiden Contrawestern „High Noon“ und „Rio Bravo“ zu finden ist, schafft es „Star In The Dust“ dennoch, als eigenständiger, formaltechnisch durchaus innovativer Film zu überzeugen. Der Rahmen der Erzählten Zeit ist als zwischen Morgen- und Abenddämmerung angesiedelte Episode bewusst gesteckt beziehungsweise korsettiert und wird darin auch sorgfältigst ausgespielt; die Kamera (John L. Russell) zeigt ein eindrucksvolles, sehr frisches Gespür für Farbe und Licht, das besonders innerhalb des verhältnismäßig ungewöhnlichen Kadrageformats (exakt 2:1) hervorragend zur Geltung kommt. Natürlich muss auch der Protagonist scharf konturiert werden: Bill Jorden wird von den Bürgern Gunlocks nicht allein infolge seiner Jugend noch nicht recht ernst genommen. Dereinst war sein Vater Sheriff der Stadt und bekannt sowie beliebt dafür, dass er alles und jeden im Griff hatte und Interessenskonflikte stets mit straffer Hand aber friedlich zu regeln pflegte. Große Stiefel, in die Bill erst noch hineinwachsen muss, was er denn auch mit einiger Verbissenheit nachhält. Dabei gestaltet sich der von Richard Boone gespielte Charakter des Sam Hall [der von einem inmitten der Szenerie herumlungernden Gitarrero (Terry Gilkyson) ähnlich einem antiken Kommentatoren-Chor besungen wird] wohl noch als wesentlich interessanter – ein gebildeter Dandy und Connaisseur der feinen Lebensart ist er, der keinen Hehl daraus macht, dass er dem Kuhdorf-Sheriff Jorden in jeder Hinsicht überlegen ist, der sogar als romantischer Held glaubhaft bestehen kann [Halls love interest (Coleen Gray) ist denn auch zigmal reizvoller und interessanter als Jordens platinblondes Dummchen (Mamie van Doren)] und lediglich den Fehler hat, als Auftragskiller am falschen Ende des Moralspektrums zu stehen. Natürlich gewinnt Sheriff Jorden am Ende alle gegen ihn eingegangenen Wetten und sieht Hall doch noch baumeln. Wie schön hätte ich es gefunden, wenn dieses eine Mal alles anders gekommen wäre…

8/10

MADONNA OF THE SEVEN MOONS

„Rosanna! You’re back!“

Madonna Of The Seven Moons (Madonna der 7 Monde) ~ UK 1945
Directed By: Arthur Crabtree

Infolge einer Vergewaltigung während ihrer Jugendjahre entwickelt die Italienerin Maddalena (Phyllis Calvert) eine Persönlichkeitsspaltung, die sie immer wieder in ihr „paralleles Ich“, die in Unterweltkreisen umtriebige Rosanna, treibt. Für ihren Ehemann, den wohlhabenden Geschäftsmann Giuseppe Labardi (John Stuart), sind und bleiben die Phasen von Maddalenas Abwesenheit, nach denen sie stets völlig amnesisch zurückzukehren pflegt, ein großes Mysterium, das er jedoch mit großer Nachsicht geschehen lässt. Als Angela (Patricia Roc), die Tochter des Ehepaars, aus ihrer Internatszeit in England zurückkehrt, bricht sich Maddalenas Störung erneut Bahn: Wieder flieht sie in ihr zweites Leben, nach Florenz, wo ihr Liebhaber Nino (Stewart Granger), ein Kleinganove, sie bereits sehnsüchtg erwartet. Doch Angela spürt ihr nach und findet sie, nach eifriger Suche, im Banne ihrer Zweitidentität…

Larmoyantes Psychodrama des Genre-Allrounders Arthur Crabtree, der später ein zweites Heim im Phantastischen finden und einige seiner schönsten Arbeiten vorlegen sollte. Zu diesen gehört allerdings auch „Madonna Of The Seven Moons“, dessen sich bedeutungsschwanger ausnehmender Titel gar nicht mal weit hergeholt ist. Phyllis Calvert, witzigerweise genauso alt wie ihre „Filmtochter“ Patricia Roc, ist absolut wunderbar als Dame der feinen Gesellschaft, die sich ganz ohne mystisches Reagenz allenthalben in eine „Ms. Hyde“ verwandelt und nach Florenz abdampft, wo im wildromantischen Unterweltslum bereits der fesche Stewart Granger ihrer harrt und wo sie all die Beschwerlichkeiten und Zugeknöpftheiten ihres Standes vergessen kann. Als Rosanna, die es so gar nicht mit Christus und Kirche hat (natürlich, weil der Katholizismus eigentlich ihr größtes moralisches Standbein ist), kann sie wild, losgelöst und triebgesteuert agieren; Eigenschaften, die ihr in ihrer Rolle als Maddalena vor allem infolge ihrer persönlichen Maßgaben strikt untersagt sind. Ich mag nicht recht beurteilen, ob dieser Darstellung von zwangsdomestizierter Weiblichkeit eine reaktionäre Dimension innewohnt, aber wenn, dann äußert diese sich zumindest überaus geschmackvoll formuliert. „Madonna Of The Seven Moons“ ist wahrscheinlich einer der wenigen echten europäischen films noirs der frühen Periode; ein Erwachsenenmärchen, in dem die Nacht die wahre Tageszeit ist und das echte Leben gänzlich unbelastet und ausschließlich im Schatten pulsiert.

8/10

THE RIVER

„You made it real. I didn’t want it to be real.“

The River (Der Strom) USA/F/IND 1951
Directed By: Jean Renoir

Mit der Ankunft des innerlich wie äußerlich kriegsversehrten, beinamputierten Soldaten John (Thomas E. Breen) beginnt für drei westlichstämmige Mädchen, die in behüteten Verhältnissen am Ufer des Ganges aufwachsen, der Weg in die Erwachsenenwelt: Harriet (Patricia Walters) lebt in einer Welt der romantischen Märchen und Mythen und pflegt ihre Gefühle beim Tagebuchschreiben auszudrücken. Valerie (Adrienne Corri) ist etwas älter, wilder und ungestümer als Harriet und bekundet ihre Gefühle für „Captain“ John in deutlich aggressiverer Art und Weise; Melanie (Radha) schließlich, deren Mutter, eine Einheimische, bereits verstorben ist, müht sich noch, ihre Identität zwischen den Welten zu finden. John schließlich profitiert von dieser „femininen Dreifaltigkeit“, indem er den Weg ins Leben zurückfindet.

Renoir hat sein spätes Meisterwerk, zudem seine erste Farbregie, im Alter als seinen liebsten, wichtigsten Film bezeichnet. Der Grund ist einleuchtend: „The River“ ist definitives Kino, ‚a movie to end all movies‘. Mit nichts weniger als dem Lebenszyklus selbst beschäftigt sich die nach (und mit der Unterstützung von) Rumer Godden entstandene Geschichte, dem ewigen Kommen und Gehen. Die Menschen von Bengalen leben am Fluss, mit und von ihm; für sie ist er existenzielles Symbol und Kraft zugleich. Harriet, obschon eben erst in der Pubertät angelangt, begreift dieses Kausalitätsschema bereits auf ihre eigene, spätkindlich-poetische Art, profitiert doch ihr Vater (Esmond Knight) selbst als Fußmattenfabrikant, der Jute weiterverarbeitet, von dem Fluss und „seinen“ Menschen (was ihn jedoch keinesfalls zum kolonialistischen Ausbeuter stempelt; er ist im Gegenteil ein absoluter Philanthrop). Hier, am Strom, folgt seit Jahrtausenden alles dem unumstößlichen Regelwerk der Natur, unbelastet von weltlichen Problemen wie Politik und Ökonomie. In einem umfangreichen, unbedingt sehenswerten Videoessay berichtet Jean Collet, Renoir habe sich geleistet, „sich irgendwann nicht mehr für Politik interessieren zu müssen“: obwohl Indien zu jener Zeit immense strukturelle Umwälzungen zu durchleiden hatte, bleibt in „The River“ alles am Platze und gehorcht basalsten Daseinsregeln. Für jeden Tod entsteht ein neues Leben und jeder Verlust ist zugleich ein Neubeginn. Dabei plätschert der Film sanft, sacht und magisch dahin, kommt, getragen von geheimnisvoller Sitarmusik einer hypnotischen, bald bewusstseinserweiternden Erfahrung gleich. Mittels minimalster Aktion wird alles gesagt, was es zu sagen gibt und ergibt alles ein vollendetes Ganzes. Symbol- und Bedeutungsebene verschmelzen bis hin zur vollkommenen, wechselseitigen Identifikation und am Ende bleibt ein Film, kostbar und reichhaltig wie das Leben selbst.

10/10

THE RETURN OF THE MUSKETEERS

„The people of England will permit anything – except cruelty to horses and a rise in the price of beer.“

The Return Of The Musketeers (Die Rückkehr der Musketiere) ~ UK/F/E 1989
Directed By: Richard Lester

Zwanzig Jahre nach ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer sind die vier Musketiere D’Artagnan (Michael York), Athos (Oliver Reed), Porthos (Frank Finlay) und Aramis (Richard Chamberlain) nicht nur lokal betrachtet in alle vier Himmelsrichtungen versprengt. D’Artagnan arbeitet als belächeltes Fossil nach wie vor im Dienste des Königshauses, Athos hat mit dem verkopften Hobbyastronomen Raoul (C. Thomas Howell) einen wenig zu ihm passenden Adoptivsohn und sich aufs Land zurückgezogen; Porthos, immerhin reich geworden, bietet sich bei seinen ihn aus standesdünkelnder Ignoranz heraus missachtenden, adligen Nachbarn an und Aramis ist klerikaler Seelsorger der Königin (Geraldine Chaplin). Mit ihrem elfjährigen Filius Louis XIV (David Birkin) steht bereits der naseweise Sonnenkönig in den absolutistischen Startlöchern. Und selbst Planchet (Roy Kinnear) schlägt sich mit halbseidenen Gaunereien durch. doch es drohr neuerliches Unheil. Mit dem Kardinal Mazarin (Philippe Noiret) hat der verblichene Richelieu einen nicht minder intriganten Nachfolger erhalten und die mittlerweile erwachsene, uneheliche Tochter (Kim Cattrall) der Milady de Winter und des mitnichten toten Rochefort (Christopher Lee) befindet sich auf einem privaten Rachefeldzug. Derweil beginnt der Pöbel gegen das Königshaus zu wettern, ganz nach dem Vorbilde England, wo Oliver Cromwell (Alan Howard) gerade gegen Charles I (Bill Paterson) zu Felde zieht. Auf D’Artagnan und seine Freunde warten neue Missionen.

Wo Alexandre Dumas zwanzig Jahre vergehen ließ, benötigte Richard Lester lediglich gute fünfzehn, um seine mehr oder weniger gut sichtbar ergrauten Helden wiederzuversammeln. Erstaunlicherweise gelang es, wiederum das Gros aller an den beiden „Originalfilmen“ beteiligten Mitarbeiter zusammenzutrommeln und, ob vor oder hinter der Kamera, ihre bewährten Rollen erneut einzunehmen. Keine Figur, die nicht von ihrem vormaligem Akteur bzw. ihrer vormaligen Aktrice gegeben würde. Für die zeitgemäß zu bedienende „Generation Brat Pack“ springen C. Thomas Howell und Kim Cattrall in die Bresche und ermöglichen Lester somit einen  – gerade aufgrund jener etwas zwanghaft anmutenden Generationsdurchmischung etwas holprig anmutenden – Brückenschlag zwischen dem Connaisseur von einst und dem zeitgenössischen Kinogänger-Nachwuchs. Die wesentlichen Elemente, die „The Three Musketeers“ und „The Four Musketeers“ auszeichneten, sind auch in diesem Spät-Abschlag noch vorhanden: Trotz geschrumpften Budgets (die ehedem produzierende Salkind-Familie war nicht mehr an Bord) ist immer noch größte visuelle Akkuratesse zu vermerken, sind die Darsteller sichtlich erfreut an ihrem Jahrestreffen und haben Lesters satirische Spitzfindigkeiten kaum etwas an Biss eingebüßt. Dennoch hat der Film das um die Spätachtziger in einem Falle wie dem seinen fast zwangsläufig hervortretende Problem, hoffnungslos anachronistisch zu wirken: Seine Entstehungszeit tat ihm schlichterdings keinen Gefallen. Mantel- und Degenkino (oder swashbuckler) gehörten hier wahlweise nicht her oder bedurften, wie etwa Rob Reiners „The Princess Bride“, schon einer ans Genialische grenzenden Exklusivität und Eigenständigkeit, um ihren Sonderstatus zu festigen. Keine Frage: dieses Wiedersehen macht Freude und Vergnügen; in etwa wie ein Familienfest mit Verwandten, die nach vielen Jahren extra aus Übersee angereist kommen. Dass allein sein Anlass gleichfalls und nichtsdestotrotz vollkommen obsolet ist, kann es letztlich kaum verbergen.

6/10