THE LAVENDER HILL MOB

„I propagate British cultural depravity.“

The Lavender Hill Mob (Einmal Millionär sein) ~ UK 1951
Directed By: Charles Crichton

Der kleine Bankangestellte Henry Holland (Alec Guinness), der den Transport nagelneuer Goldbarren im Fond eines kleinen Lieferwagens überwacht, träumt von einem geschickt durchgeführten Raubzug, der ihn finanziell ans Ziel seiner Wünsche bringen könnte. Die Möglichkeit, denselben in die Tat umzusetzen, bietet sich Holland schließlich in der Person seines neuen Mitmieters Pendlebury (Stanley Holloway): Dieser stellt internationale Kitsch-Souvenirs her, darunter Eiffeltürme aus Blei. Mithilfe zweier eilends aufgetaner Profi-Ganoven (Sidney James, Alfie Bass) ziehen Holland und Pendlebury ihren Coup durch, müssen im Folgenden jedoch einigen der nunmehr aus Gold gegossenen Eiffeltürme hinterherjagen, was einige unvorhergesehene Komplikationen mit sich bringt…

Charles Crichtons liebenswerter „The Lavender Hill Mob“ deklariert den Gangster aus Versuchung zum menschenfreundlichen Schelm: niemandem soll oder darf weh getan werden, lediglich das Bedürfnis, auch einmal ein großes Stück von dem Kuchen abzubekommen, den sich sonst andere pfundweise und unverdientermaßen in den Rachen schaufeln, ist der verständliche Vater der Aktion. Einmal reich sein, einmal tun und lassen können, was man will, ohne auf den Schilling schauen zu müssen. Mehr will Henry Holland gar nicht vom Leben. Er und sein Freund und partner in crime Pendlebury erweisen sich als zwei unbedingt feine, durchweg sympathische Menschen und Zeitgenossen, die trotz ihrer kriminellen Ambitionen (welche sich ohnehin in einer singulären Aktion manifestieren werden) jeder Zuschauer gern haben muss. Enthusiastisch wie kleine Jungs beim Räuberspiel realisieren sie mit leuchtenden Augen Stück für Stück Hollands minutiös ausgearbeiteten Clou, nur um dann – das große, böse Los vieler Filmhalunken – am Ende zu Opfern unvorhersehbarer Umstände zu werden. Der Eine etwas früher, der Andere etwas später. Zumindest Holland hat immerhin eine Zeitlang dem heiß begehrten Müßiggang an der Copacabana frönen dürfen, bis er dann, wie die letzte, fast wie eine brutal-hyperrealistische Zäsur daherkommende Einstellung zeigt, doch wieder auf den Boden der gesetzlichen Tatsachen zurückgeholt wird. Möglicherweise sind jene Tatsachen auch bloß moralische oder gar zensorische: wenn es jemals einen Kinoganoven gegeben hat, dem die Flucht hätte glücken müssen, schlicht, weil er es menschlich verdient hätte, dann ist dies Henry Holland, der Träumer, König für einen Tag.

9/10

EIN UNBEKANNTER RECHNET AB

„Listen, why don’t I trust you, and you trust me?“ – „The famous last words?“

Ein Unbekannter rechnet ab ~ BRD/UK/I/F/E 1974
Directed By: Peter Collinson

Eine Gruppe von zehn Personen folgt der Einladung eines gewissen „Mr. Owen“ in ein mondänes Domizil inmitten der persischen Wüste. Obschon man ausgezeichnet bewirtet wird, bleibt der Gastgeber unsichtbar. Einzig eine Cassette mit erschütterndem Inhalt bildet eine Spur zu Mr. Owen: Jeder der zehn Gäste wird eines bislang ungesühnten Verbrechens angeklagt, für das in den folgenden Stunden die gerechte Strafe erfolgen soll. Getreu dem Kinderreim „Ten Little Indians“ wird die Gruppe umgehend immer weiter dezimiert, bis nur ein Schluss übrigbleibt: Mr. Owen muss einer der verbliebenen Anwesenden sein…

Grundsolides Fernsehniveau überschreitet Peter Collinsons Inszenierung des berühmten Agatha-Christie-Romans „Ten Little Indians“ – nebenbei bereits die sechste Adaption (diverse „echte“ TV-Filme inbegriffen) des Stoffs – nicht. Glanz und Glamour erhält der primär unter deutscher Produktionsägide entstandene „Ein Unbekannter rechnet ab“ jedoch durch sein internationales, ungewöhnlich zusammengestelltes Ensemble: Dabei sind mit Richard Attenborough und Oliver Reed zwei gestandene Briten, Stéphane Audran und der gleich als erster abtretende Charles Aznavour repräsentieren Frankreich, Alberto de Mendoza und Adolfo Celi Italien, aus Österreich geben sich Herbert Lom und Maria Rohm die Ehre und Elke Sommer und Gert Fröbe verteten das deutsche Stardom. Sorgfältigst aufgeteilt, möchte man meinen, und dazu ein in punkto Genrefilm-Erfahrung gestandenes Dezett, das zusammengenommen auf einen wundervollen Wust an cineastischen Querverweisen zurückblicken kann. Bei ansonsten mittelmäßiger Aufgelegtheit sind insbesondere die DarstellerInnen mit viel screentime gut aufgelegt, wobei insbesondere Fröbe und Attenborough sich ein weiteres Mal als Titanen ihres Fachs präsentieren. Ansonsten müht sich Collinson hier und da spürbar mit seinen eingeschränkten Ressourcen ab; der Film spielt beinahe ausschließlich in überdachten Räumen, was dem gewohnheitsmäßig eher aktionsorientierten Regisseur offenbar recht mühselig gestimmt haben muss. So entsteht bald der Eindruck, die wenigen Außenszenen hätten Collinson förmlich erleichtert aufatmen lassen. Dass die Figuren angesichts ihrer recht dramatischen Situation durchweg gefasst, um nicht zu sagen: entspannt bleiben und sich in Ruhe den gebotenen weltlichen Genüssen des Hauses widmen, muss indes der sehr britischen Herkunft des Sujets geschuldet sein. Ein exorbitantes Maß an Spannung darf man somit nicht voraussetzen.

6/10