THE LAST SAMURAI

„What do you want for yourself?“

The Last Samurai ~ USA/J/NZ
Directed By: Edward Zwick

Um 1870: Der Sezessions- und Indianerkriegs-Veteran Nathan Algren (Tom Cruise) ist ein ausgebranntes, daueralkoholisiertes Wrack, seit er unter General Custer und dessen Adlatus Bagley (Tony Goldwyn) an einigen Massakern gegen die indianische Zivilbevölkerung beteiligt war. Just Bagley versucht, im Auftrag des machthungrigen Politikers Omura (Masato Harada), Algren als Militärberater für die kaiserlich-japanische Armee zu gewinnen. Diese verharrt in Verteidigungsstellung gegen den in Rebellion befindlichen Samurai-Stand, der ihr kampftechnisch und strategisch völlig überlegen gegenübersteht. In Japan angekommen, gerät Algren gleich nach einem ersten Scharmützel in die Gefangenschaft des Samurai Katsumoto (Ken Watanabe). Über Monate hinweg lernt Algren die japanische Art zu leben und zu denken kennen und lieben und schlägt sich auf Katsumotos Seite. Zusammen mit seinen neuen Freunden zieht Algren in eine nahezu aussichtslose Schlacht gegen die mittlerweile mit modernen Bajonetten, Gatling-Geschützen und Haubitzen ausgerüsteten Soldaten des Kaisers Meji (Shichinosuke Nakamura). Algren überlebt das Massaker und kann Meiji, dessen treuer Diener Katsumoto einst war, schließlich davon überzeugen, dass die kulturwirtschaftliche Öffnung Japans wie sie Männer wie Omura verfolgen, zum Untergang der Nation führen würde.

Obschon ich Edward Zwicks Hang zum unverhohlenen Pathos manchmal als mehr denn grenzwertig empfinde, kann ich nicht verleugnen, dass mir zumindest seine historisch kolorierten Epen infolge ihrer erlesenen Bildpracht und ihrer ausufernden Detailfreude regelmäßig einige Freude bereiten. „The Last Samurai“, der ein relatives Maß an Ausgewogenheit hinsichtlich Zwicks stets übergut geölten Kitschradwerks vorweisen kann, ist vermutlich sein bisher schönster Film. Natürlich ist die Geschichte um den ungehobelten, ausgebrannten Okzidentalen, der im Land der aufgehenden Sonne seine Liebe zum Leben wiederentdeckt, alles andere als innovativ, bleibt bezüglich ihrer historischen Akkuratesse überaus schwammig und erinnert nicht zuletzt an etliche Vorbilder, deren Aufzählung an dieser Stelle müßig wäre. Durch seine wirklich leidenschaftliche Herangehensweise an jenen Kulturclash, den Zwick mittels der ihm eigenen Naivität auflöst und der im Grunde auch inter-amerikanisch und als Indianerwestern funktioniert hätte, kann der Regisseur sich zumindest von den teils doch allzu grob vorgetragenen Klischeenäpfchen der Vergangenheit emanzipieren. Der Hauptgrund dafür ist offensichtlich: Die vordringlichen Sympathieträger des Films stehen nämlich auf japanischer Seite, allen voran der großartig aufspielende Ken Watanabe und die bezaubernde Koyuki. Der hier vergleichsweise zurückhaltend agierende Tom Cruise könnte dennoch kaum repräsentativer für das laute, stinkende, vulgäre Nordamerika (nicht nur) des späten 19. Jahrhunderts stehen: Erst das andere Ende der Welt ist für ihn ausreichend, um Leib und Seele von Grundauf zu reinigen und ihn neuen Lebensmut schöpfen zu lassen. Dass ausgerechnet Cruise, der Watanabe – zumindest aus dem Blickwinkel der Zuschauerperspektive besehen – niemals den Rang abläuft, am Ende als Erretter der altehrwürdigen japanischen Kultur antreten und den Tennō davon überzeugen muss, der von seinem Beraterkabinett angestrebten, drohenden „Verwestifizierung“ des altehrwürdigen Kaiserreiches entgegenzusteuern, gerät indes wieder so altbacken und reaktionär wie nur was – der damit einergehende Unterton spricht nämlich die undeutliche Sprache von käsigem Altimperialismus und ranzigem Weltpolizeigebahren. Unter wohlwollender Ignoranz dieser geradezu unflätigen dramaturgischen Redundanz (man hätte Algren, wie es der von Timothy Spall gesprochene Off-Kommentar wahlweise anbietet, auch einfach sterben lassen können) bleibt „The Last Samurai“ ein hervorragend ausgestatteter und somit ordentlicher Film mit wenigen wirklich überragenden Momenten.

7/10

INHERENT VICE

„Motto panukeiku!“

Inherent Vice ~ USA 2014
Directed By: Paul Thomas Anderson

Gordita Beach, 1970: Der Privatschnüffler Doc Sportello (Joaquin Phoenix), der seine Spliffs in Kettenformation inhaliert, trauert seiner verflossenen Liebe Shasta (Katharine Waterston) nach. Diese hat Doc für den Baulöwen Wolfmann (Eric Roberts) verlassen, der selbst seine Liebe zu halluzinogenen Substanzen entdeckt hat und, wie Shasta Doc eröffnet, von seiner Gattin Sloane (Serena Scott Thomas) in eine psychiatrische Anstalt abgeschoben werden soll. Kurz darauf sind Wolfmann und Shasta wie vom Erdboden verschluckt. Fast zeitgleich trudeln noch mehrere Aufträge für Doc ein, die seltsamerweise alle bei Wolfmann und einer als zahnärztliche Zunft veräußerten Drogenmafia namens „Golden Fang“ zusammenzulaufen scheinen. Immer wieder kreuzen sich Docs Wege mit denen von Detective Bigfoot Bjornsen (Josh Brolin), der mit seinen Ermittlungen stets zwei Schritte hinter Doc her tapert. Als Doc unheilige Verbindungen zwischen Golden Fang und dem LAPD offenlegt, soll er selbst aus dem Weg geräumt werden, kann sich dank seiner hart erarbeiteten Toleranz bezüglich diverser Rauschmittel jedoch rechtzeitig befreien. Zudem weiß er die ihm hinterrücks untergeschobenen 20 Kilogramm Heroin strategisch einzusetzen: Mithilfe der Drogen erkauft er die Freiheit des Ex-Junkies und Polizeispitzels Coy Harlingen (Owen Wilson), der damit zu seiner Familie zurückkehren kann. Die Beziehung zu der unbeschadet wieder aufgetauchten Shasta bleibt vage.

Diese erste Hollywood-Adpation eines Romans von Thomas Pynchon (von dem ich zu meiner größten Schande noch immer nichts gelesen habe) nimmt sich, wie man es von den jüngeren Arbeiten P.T. Andersons gewohnt ist, zunächst verhältnismäßig unsubordiniert aus. Gut, die mit dem Kriminalfilm liebäugelnden Drogengrotesken der neunziger Jahre und demzufolge auch das um New Hollywood aufflackernde Faible für verschwurbelte hard boiled stories offerieren einen nicht zu übersehenden Inspirationspool für „Inherent Vice“. Dennoch bleibt Andersons Film mitsamt erhobenem Mittelfinger anders und eigen. Die Geschichte um Doc Sportello gibt sich vorsätzlich unübersichtlich aufgebaut und in ihrer diverse Rauchfragezeichen aufsteigen lassenden Inhärenz (da haben wir sie) beinahe schon eine Chandler-Parodie. Zumindest den breiten Anstrich der Groteske kann und will „Inherent Vice“ nicht verhehlen, wie sein von dem mit den Jahren immer besser werdenden Joaquin Phoenix gespielter Protagonist bereits verspricht. Wo sich die Markanz und Exaltiertheit etwa eines Philip Marlowe in dessen eiserner Coolness konzentrieren sowie in seiner Fähigkeit, den allermeisten Situationen völlig souverän zu begegnen, ist Doc Sportello eher ein unfälliger Privatschnüffler, der seinen Job wohl primär deshalb ausübt, weil die Arbeitszeiten unregelmäßig sind und es fürderhin der einzige ist, der es ihm gestattet, rund um die Uhr und ungestraft Pot zu rauchen. Dennoch behält Doc, sein Berufsstand verpflichtet nämlich zumindest intrakulturell, den Überblick und schafft es schließlich, alle losen Enden zusammenzuführen und sogar halbwegs geschickt zu verknoten. Immerhin müssen ihm Mafia und Polizei zugestehen, dass er gefährlicher ist, als sein schlurriges Auftreten ihn zunächst veräußern mag. So verspricht „Inherent Vice“, ohne das permanente Gekiffe seiner Vorzeigefigur je pubertär zu überhöhen, vor allem gelebte Lässigkeit. Er hinterlässt nie den Eindruck, sich bei irgendwem anbiedern zu wollen und erwirtschaftet sich gerade durch seine katatonische Trockenheit und seine gepflegte Rotznäsigkeit Sympathiepunkte. Somit Andersons flächigster Film seit dem großmächtigen „Punch Drunk Love“.

8/10