RUSH

Zitat entfällt.

Rush ~ I 1983
Directed By: Tonino Ricci

Nach dem Großen Knall: Eine skrupellose Führungspartei lässt die Überlebenden für sich auf einer Plantage arbeiten, wo ein die Menschen gefügig machendes Rauschgift angebaut und verarbeitet wird. Es ist unter Todesstrafe verboten, selbst Kulturpflanzen zu züchten. Der rebellische Einzelkämpfer Rush (Conrad Nichols) schert sich darum jedoch nicht und landet prompt im Arbeitslager des Ministers Yor (Gordon Mitchell). Dort wähnt man in Rush den lang ersehnten Organisator des überfälligen Aufstands und tatsächlich fackelt Rush nicht lang und tut, worum man ihn bittet. Unter einigen Verlusten macht Rush Lager und Bösewichte dem Erdboden gleich.

Italienisches Endzeitkino aus den Achtzigern mit Plagiatsbukett zählt mit zum Schönsten, was man sich bis heute aus der mediterranen Filmregion angedeihen lassen kann. Nahezu jeder dort ansässige, namhafte und im kommerziell(er)en Fach werkstätige Regisseur hatte während dieser Ära irgendwann mindestens einmal mit postapokalyptischen Szenarien zu tun. Die meisten der entsprechenden Arbeiten sind toll bis sagenhaft, manchmal beeindruckend liebevoll gestaltet und manchmal inbrünstig vor die ungläubige Visage des Zuschauers gerotzt. In beiden Fällen gibt es stets massenhaft zu staunen und zu prusten, wobei Tonino Riccis „Rush“ ganz klar letztere genannte Kategorie bedient. Bereits das Script, das neben den üblichen Vorbildern zusätzlich großzügig beim just erfolgreich gelaufenen „First Blood“ einklaufen geht (sogar das Filmplakat ist bloß geringfügig abgewandelt worden), spricht die komplexitätsreduzierte Sprache eines Zweitklässlers beim Cowboy-Spielen. Conrad „Nicht vergessen, ich bin Einzelkämpfer!“ Nichols, ein vormaliges Fotomodell, das unterdessen wahlweise unter den Namen Luigi Mezzanotte oder Bruno Minitti firmiert, hätte man gern einmal im Dubbel mit Mark Gregory / Marco Di Gregorio gesehen – die beiden hätten sich bestimmt eine Menge zu erzählen gehabt. Nun, hier erschöpft sich die partenerschaftliche Prominenz in dem nicht mehr ganz taufrischen Cinecittà-Heroen Gordon Mitchell sowie dem hackfressigen Riccardo Pizutti, den bewanderte Zeitgenossen flugs als Abruf-Punching-Ball von Bud Spencer identifizieren dürften. In „Rush“ wird er zwar auch nach Strich und Faden verkloppt, darf am Ende jedoch ausnahmsweise einmal sogar blutig durchsiebt werden und hernach den Heldentod mit zwei Handgranaten sterben. Die obligatorischen Damen werden von Laura Trotter und einer gewissen Bridgit Pelz gespielt und sehen weniger lieblich aus als von cineastischen Artgenossen her gewohnt. Über die Dramaturgie, so man von einer solchen überhaupt sprechen mag, gehört derweil das wohlweisliche Mäntelchen des Schweigens gebreitet; zumindest der Showdown, in dem Rush eine gefühlte Ewigkeit per gekapertem Jeep durch ein vermeintlich komplexes Höhlensystem laviert, ist dann irgendwann auch nicht mehr lustig. Doch selbst dieser kann bei aller epischen Breite diesem Kleinod nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Ganz vorzüglich natürlich die Berliner Synchronfassung, die den Protagonisten beständig teutonisiert als „Rasch“ veräußert, bezüglich derer der gute Christian Keßler sich in seinem eigens für die deutsche DVD abgefassten und ansonsten wie gewohnt fachkundigem sowie sehr diskursiv gefärbtem Audiokommentar allerdings ausnahmsweise auch mal irrt: Der Off-Erzähler ist nämlich nicht Hans Korte, sondern Joachim Nottke. Ätsch, Herr Keßler. Ansonsten alles eine dufte Angelegenheit, eine Wolke, eine Wucht gar!

6/10

THE ACCIDENTAL TOURIST

„I don’t really care for movies; they make everything seem so close up.“

The Accidental Tourist (Die Reisen des Mr. Leary) ~ USA 1988
Directed By: Lawrence Kasdan

Macon Leary (William Hurt) hat einen eigenartigen Beruf: Er schreibt Reiseführer für Menschen, die das Reisen hassen. In seinen Ratgebern stehen Tipps, wie man auch in der Ferne kaum bemerkt, dass man von zu Hause weg ist, wie man es möglichst vermeiden kann, sich an fremde Lokalitäten zu adaptieren und was man tun muss, um nicht mit anderen Leuten ins Gespräch zu kommen. Seit Macon vor über einem Jahr seinen kleinen Sohn Ethan (Seth Granger) infolge eines Raubüberfalls verloren hat, schlummert auch die Ehe mit seiner Gemahlin Sarah (Kathleen Turner) nahe des Gefrierpunkts. Eine Trennung scheint unausweichlich. Da lernt Macon die unkonventionelle Hundetrainerin Muriel Pritchett (Geena Davis) kennen, die ein ungemeines Interesse an ihm zeigt. Trotz ihres Einsatzes schafft sie es jedoch zunächst nicht, Macon aus der bleiernen Lethargie seiner Trauer herauszuholen. Da meldet sich Sarah wieder und bietet Macon an, ihrer Beziehung noch eine Chance zu geben.

In seiner vierten Regiearbeit in direkter Folge des angemessen spektakulären Retrowesterns „Silverado“ wiedervereint Lawrence Kasdan William Hurt und Kathleen Turner, die beiden Hauptdarsteller seines Regiedebüts, des erotischen neo noir „Body Heat“, und versetzt sie in ein immens differentes Szenario. „The Accidental Tourist“ lokalisiert sich im herbstlichen Neuengland, passend zu der generalisierten Depression seines Protagonisten. Abgesehen von zwei oder drei Ausbrüchen, die dann erfolgen, wenn Macon Leary sich von seinen Partnerinnen allzu weit in eine emotionale Ecke gedrängt fühlt, spielt William Hurt seine Rolle mit ganz wunderbar stoischer Teilnahmslosigkeit und Lakonie. Die ersten Minuten lassen ein schweres Verlustdrama von ähnlichem Format wie Redfords „Ordinary People“ erahnen, dann vollzieht Kasdan jedoch eine Wende hin zu leiser Komödie: Nachdem Sarah weg ist, zieht Macon zu seinen drei spleenigen Geschwistern Porter (David Ogden Stears), Charles (Ed Begley Jr.) und Rose (Amy Wright), die innerhalb einer Zweckgemeinschaft leben, in der sich ihre infantile Verhaltensschemata und Neurosen irgendwann so fest verwurzelt haben, dass sie niemandem von ihnen mehr auffallen oder seltsam vorkommen. Selbst Macon fällt es, obschon er als einziger des Quartetts den Ausbruch mitsamt Familiengründung geschafft hat, nicht schwer, in den geschwisterlichen Schoß mit seinem vollständig ritualisierten Alltag zurückzukehren. In der ebenso sensiblen wie witzigen Porträtierung der Learys liegt dann auch die größte Qualität des Films; Macons Unentschiedenheit zwischen dem altvetrautem Beziehungstrott mit Sarah und einem Neuanfang mit der quirligen Muriel bremsen ihn derweil fast schon ein wenig aus, wenngleich Geena Davis in einer ihrer schönsten Rollen zu bewundern ist. Dass Filme, in denen Hunde in prominenter Rolle zu sehen sind, wie in „The Accidental Tourist“ der knuffige Corgi Edward, sich häufig ohnehin einen eher umweglosen Zugang in mein Filmherz erwirtschaften, wird mancher, der diese Zeilen liest, wissen. So…

8/10