MÄDCHEN MIT GEWALT

„Bringt ihr mich jetzt bitte nach Hause?“

Mädchen mit Gewalt ~ BRD 1970
Directed By: Roger Fritz

Werner (Klaus Löwitsch) und Mike (Arthur Brauss) sind beste Kumpel und arbeiten in derselben Firma. Vor allem jedoch haben sie ein ganz gewaltiges Problem: Sie beide sind gleichermaßen unfähig zu einer normalen, gesunden Beziehung mit einem Mädchen. So misogyn wie erotoman veranlagt suchen sie sich daher ausschließlich junge Damen, die sie mal mehr, mal weniger drängend zum Koitus nötigen müssen. Ihr jüngstes Opfer ist die naive Alice (Helga Anders), die just aus der Provinz nach München gezogen ist. In Alices Clique kommen die beiden aufdringlichen Männer nicht an, also trennen sie das Mädchen mittels einer geschickten List von seinen Freunden und fahren mit ihm nächtens in eine abgelegenen Kiesgrube. Es dauert nicht lang, bis Alice bemerkt, welche eigentlichen Pläne Werner und Mike mit ihr verfolgen. Von Werner vergewaltigt, sind sämtliche Versuche Alices sich zu wehren oder zu entkommen sinnlos. Als sich auch Mike an ihr vergehen will, kommt es zwischen ihm und Werner zu Handgreiflichkeiten.

Ein perfides Kammerspiel hat Roger Fritz da mit einem großartig aufspielenden Schauspielertrio inszeniert. Spätere, ähnlich klaustrophobisch gelagerte Vergewaltigungsdramen wie Cravens „The Last House On The Left“ oder Deodatos „La Casa Sperduta Nel Parco“ antizipierend, hinterlässt „Mädchen mit Gewalt“ vor allem einen immens progressiven Eindruck: Fritz‘ Film wirkt kein bisschen veraltet und scheint kein Quäntchen Wirkungsverlust eingefahren zu haben. Die sich betreffs ihrer inhärenten Bedrohlichkeit und unangenehmen Ausweglosigkeit immer weiter zuspitzende Atmosphäre des Films, der stets mit dem Schlimmsten rechnen lässt und der den Betrachter vor allem durch seine kalkulierte Ungewissheit martert, macht „Mädchen mit Gewalt“ zu einem der spannendsten und nachhaltigsten bundesdeutschen Werke seiner Zeit. Vor der musikalischen Untermalung von Can entwickeln sich die immer intensiver berserkernden Löwitsch und Brauss zu zunehmend fehlgeleiteteren Testosteronbestien, derweil Helga Anders, damals Ehefrau des Regisseurs, trotz ihrer schlimmen Opferrolle als Alice und trotz herber Erniedrigungen und Angst ihre Menschlichkeit und Würde stets präserviert und sogar am Schluss noch weitaus besonnenere und bewundernswertere Reaktionsmuster an den Tag legt als jene, zu denen Mike und Werner auch nur ansatzweise imstand wären. Wenn man zu philanthropischer Utopie neigt, könnte man vielleicht sogar orakeln, dass Werner und Mike nach diesen letzten Stunden vorläufig von ihrer unsäglichen Paraphilie geheilt sind. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
„Mädchen mit Gewalt“ ist somit ein stark feministisch angelegtes Werk, das auf beschämende Weise die beinahe schon universelle Überlegenheit der Frau hinsichtlich etlicher existenzieller Facetten widerspiegelt. Man sollte sich von dem etwaigen Bahnhofskino-Ruch, den der Filmtitel womöglich assoziieren möge, nicht täuschen lassen: Dies war, dies ist deutsches Kino auf höchstem Niveau!

9/10

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