„Welcome to the family.“
Escobar: Paradise Lost ~ E/F/BE/PA 2014
Directed By: Andrea Di Stefano
In Kolumbien lernt der kanadischstämmige Aussteiger und Surfer Nick (Josh Hutcherson) die hübsche Maria (Claudia Traisac) kennen. Diese offenbart sich ihrem jungen Galan bald als Nichte des Drogenbarons Pablo Escobar (Benicio Del Toro), der sich Nick schon bald als freundlicher und herzlicher Mensch präsentiert und zudem als Wohltäter für die darbende Provinzbevölkerung auftritt. Immer mehr wird Nick infolge des ihm entgegengebrachten Vertrauens bald in die tieferen Falten von Escobars Unternehmungen gezogen, die deutlich ungemütlicher sind, als es die sonnige Oberfläche vermuten lässt: Escobar ist Herr eines selbsterschaffenen Terroregimes, das kein einziges potenziell fragiles Mosaikstückchen duldet und das auf Blut und Tod errichtet ist. Als Nick klar wird, dass er selbst zu einer redundanten Schachfigur degradiert wurde, ist es für ihn bereits zu spät.
Der Ansatz des Films ist ein ganz ähnlicher wie bei Kevin Macdonalds „The Last King Of Scotland“ von vor acht Jahren: Rein zufällig gerät ein ausländischer Naivling in den Machtradius eines berüchtigten Drittwelttyrannen. Wenngleich Idi Amin und Pablo Escobar auf den ersten Blick kaum zu vergleichen sind, so lassen sich gewisse Parallelen hinsichtlich ihrer späteren Biographien, vor allem betreffs des rücksichtslosen Ausbaus und der gnadenlose Präservierung ihrer jeweiligen Einflussbereiche, kaum leugnen. Wenngleich Escobar kein Politiker war, so genoss er doch innerhalb vor allem sozial niedriggestellter Teile der Bevölkerung seines Heimatlandes eine gewisse Popularität als Vorbild; als einer, der von ganz unten gekommen war, um sich zu einem der reichsten Männer der Welt hochzuarbeiten. Freilich diente sein soziales Engagement vor allem dem Aufbau einer funktionalen Fassade. Escobar war der Erste, der Drogenhandel in industrieller Größenordnung betrieb und auf seinem Höhepunkt an achtzig Prozent des globalen Kokainhandels beteiligt. Um sich einem aus rationaler Perspektive kaum mehr fassbaren, zwischen Megalomanie und Märchenprinz oszillierenden Großverbrecher wie ihm zu nähern, mag sich der Blick durch die naiven Augen eines unbedarften Außenseiters als hilfreich erweisen. Dennoch fand ich es gerade in Anbetracht des wie immer formidablen Benicio Del Toro schade, dass der Film lediglich fragmentarische Einblicke in die Spätphase aus Escobars Biographie gewährt, da mir scheint, die ursprünglich intendierte Geschichte büße dadurch etwas an Zugkraft und Wirkmacht ein. Dennoch würde ich Di Stefanos Film insgesamt unter „sehenswert“ subsummieren, wenngleich die große, umfassende Kinobiographie über den Monstermenschen Pablo Escobar nach wie vor aussteht.
8/10