DIE TOTEN AUGEN VON LONDON

„Mein Schutz als Bürger ist Ihre Pflicht als Polizist!“

Die toten Augen von London ~ BRD 1961
Directed By: Alfred Vohrer

Wieder wird ein vermeintlich Ertrunkener am Themseufer angeschwommen und wieder war der Betreffende bei der „Greenwich Insurance“ versichert. Ein investigativer Besuch von Inspektor Holt (Joachim Fuchsberger) und Sergeant Harvey (Eddi Arent) vor Ort bei Stephan Judd (Wolfgang Lukschy), dem Chef von Greenwich, bleibt jedoch erfolglos. Es kristallisiert sich jedoch eine Verbindung zu einer Bande blinder Ganoven heraus, die vor Jahren ihr Unwesen in der Stadt trieb. Der Gefürchtetste darunter, „der blinde Jake“ (Ady Berber), scheint ebenfalls wieder aktiv zu sein. Dessen Spur führt in das Blindenheim des Reverend Dearborn (Dieter Borsche), verliert sich dort jedoch. Die in der Betreuung von Blinden erfahrene Nora Ward (Karin Baal) lässt sich als Spitzel bei Dearborn einschleusen und schließt bald Bekanntschaft mit Jake. Dieser jedoch ist nicht der Kopf hinter den Verbrechen, sondern ein längst Totgeglaubter…

Und passenderweise gleich die Neuverfilmung von der Rialto hinterdrein, einer der sicherlich schönsten und besten Beiträge zu der mehr als gut bestückten Wallace-Reihe jener Tage. Auch wenn hier nicht der großartige Peter Thomas, sondern Heinz Funk seine glucksenden Partituren beisteuerte, auch wenn man hier anstelle des großen Siegfried Schürenberg noch mit dem etwas farblosen (und unwitzigen) Franz Schafheitlein in der Rolle des Sir John Vorlieb nehmen muss, so dürfte „Die toten Augen von London“ quintessenziell für das stehen, was die Wallace-Adaptionen unter Horst Wendlandt zu ihren besten Zeiten ausmachte: Spätestens mit diesem Film erweist sich Alfred Vohrer für mich als der hervorstechendste Regisseur der Serie, der jedem einzelnen seiner Filme eine ganz spezifische Signatur zu verleihen vermochte und seinen Kameramann Karl Löb zu immer lustigeren Sperenzchen anstiften konnte. So gibt es einmal mittendrin zwei Einstellungen, die Hans Paetsch beim Zähneputzen zeigen – aus der Zungenperspektive! Ady Berber wird man zwangsläufig mit Wilfred Walter aus der 39er-Verfilmung vergleichen müssen, wobei ich mir nicht sicher bin, wen ich schauerlicher finden soll. In jedem Falle sind Berbers Kontaktlinsen und das aufgeklebte Fell an Armen und Händen nicht zu unterschätzen. Leider muss er zu früh aus dem Film scheiden, ebenso wie die weiteren Finsterlinge Harry Wüstenhagen und Klaus Kinski übrigens, die den Facettenreichtum der Londoner Unterwelt wie immer ganz ausgezeichnet repräsentieren. Wenngleich ich Heinz Drache Blacky Fuchsberger leicht vorziehe: ein fabelhafter Film und ein noch besserer Wallace!

8/10

THE DARK EYES OF LONDON

„But… where’s your friend Lou?“

The Dark Eyes Of London (Der Würger von London) ~ UK 1939
Directed By: Walter Summers

Immer wieder ertrinken in der Themse wohlhabende Geschäftsleute aus Übersee, die allesamt etwas gemeinsam haben: Sie waren durchweg bei der „Greenwich Insurance“ lebensversichert. Deren Vorsitzender, ein retirierter Mediziner namens Dr. Orloff (Bela Lugosi), bestreitet jedwede böswillige Absicht hinter den Todesfällen und leugnet diese als Koinzidenzen ab. Inspector Holt (Hugh Williams) vom Yard ist sich jedoch sicher, dass Orloff mehr über die Vorkommnisse weiß. Eine Spur führt in das Blindenheim des Professor Dearborn, in dem auch Orloff ein- und ausgeht und zudem ein Behandlungszimmer betreibt. Holt schleust Diana (Greta Gynt), die Erbin des just auf die bekannte Weise verstorbenen Henry Stuart (Gerald Pring) als Sekretärin bei Dearborn ein. Dort macht die junge Dame bald die Bekanntschaft des ungeschlachten Jake (Wilfred Walter)…

Zwischendrein mal ein anderer Wallace, einer nämlich, der nicht aus Preben Philipsens Rialto-Produktion stammt und der darüberhinaus sogar zwanzig Jahre zuvor und in Wallaces Heimatland entstanden war. Natürlich bestand der eigentliche Clou des Films zumindest zu dessen Entstehungszeit weniger darin, einen Roman des vielgelesenen Kriminalautoren adaptiert zu haben, als vielmehr im Engagement des Horrorstars Bela Lugosi für die Rolle des Schurken. Einmal mehr agiert Lugosi hier als der große Aristokrat des Irrsinns, indem er eine Mixtur aus gewöhnlichem Verbrecher und verrückt gewordenem Mediziner mit sadistischen Neigungen vom Stapel lässt. Wie es sich für einen ordentlichen mad scientist gehört, hat Orloff/Dearborn natürlich auch ein entstelltes Faktotum, das ihm den Großteil der Drecksarbeit abnimmt Und Wilfred Walter als Jake ist wirklich eine Schau: In seiner Maske, die durch schlurfenden Gang und grunzende Rudimentärsprache ergänzt wird, gleicht der Mann eher einem Werwolf denn einem wehrlosen Blinden, übermäßiger Haarbewuchs und Spitzohren inbegriffen. Neben den Auftritten Lugosis sind es also besonders die von Walter, die diesem leicht angestaubten, aber keinesfalls überfälligen Schätzchen ein eindeutiges Übergewicht in Richtung Horror bescheren.

7/10