SICARIO

„You will not survive here. You are not a wolf, and this is a land of wolves now.“

Sicario ~ USA 2015
Directed By: Denis Villeneuve

Nachdem die junge FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) mit ihrem SWAT-Team einen umfangreichen Leichenfund gemacht hat, der mit dem Drogenkrieg zwischen Arizona und Mexiko in Zusammenhang steht, wird sie zusammen mit ihrem Freund und Kollegen Reggie (Daniel Kaluuya) für eine neu gegründete CIA-Taskforce angeheuert, die dem larmoyanten Matt Graver (Josh Brolin) untersteht und an der auch der mexikanische Ex-Staatsanwalt Alejandro (Benicio Del Toro) beteiligt ist. Schon bald muss Kate erkennen, dass die ihr vertrauten Bundespolizei-Regeln bei Macer keinerlei Gültigkeit mehr besitzen. Inoffizielle Einsätze jenseits der Grenze, Gefangenenfolter, unmoralische Allianzen und die bewusste Zurückhaltung von Informationen gehören jetzt ebenso zum Alltag wie die Aufdeckung korrupter Beamter. Es gilt, einen geheimen Grenztunnel ausfindig zu machen, der als Kokain-Pipeline des Drogenzars Fausto Alarcón (Julio Cedillo) in die USA dient und diesen stillzulegen. Doch Alejandro verfolgt noch eine ganz andere, höchst private Agenda und auch Gravers eigentliches Ziel nimmt sich höchst zweifelhaft aus.
Am Ende steht für die einst idealistische Kate die erschütternde Erkenntnis, dass sie der wahren Realität des Drogenkriegs mitsamt all seinen unfassbaren Auswüchsen nicht gewachsen ist.

Ah, kurz vor Weihnachten dann doch noch der bisher ausgebliebene, eine Super-Film des Jahres, mit dem ich schon nicht mehr gerechnet hatte. Mit „Sicario“ ist Denis Villeneuve, dessen beide letzten Filme „Prisoners“ und „Enemy“ jeweils in Ordnung gingen, aber sicherlich keinerlei Tendenzen in Richtung „bahnbrechendes Filmemachen“ aufwiesen, nun doch noch (s)ein makelloses Meisterwerk gelungen.
Der scheinbar ewigwährende Verzweiflungskrieg der Staaten gegen die lateinamerikanischen Drogenkartelle bietet grundsätzlich ein sehr frucht- und dankbares Filmsujet, ebenso wie die Grenzscharmützel zwischen den USA und Mexiko, die, sei es aufgrund der kaum kontrollierbaren Rauschmitteleinfuhr oder auch der illegalen Migrationen wegen bereits ein klassisches Thriller-Subgenre konstruiert haben. In „Sicario“ läuft beides auf kommensurabler Ebene zusammen. Villeneuve präsentiert sich hier nach meiner Wahrnehmung erstmals als ein wirklich brillanter, formvollendeter Regisseur von höchster Geschliffenheit, dessen geschlossener Stil es mit den großen amerikanischen Erzählern aufnehmen kann. Seine Inszenierung unterliegt einer permanent aufrecht erhaltenen, inneren Spannung, die ihrer stets vagen, von knappsten Erläuterungen getragenen Atmosphäre nicht selten die Grenzen zum Horrorfilm tangiert. Damit steht sie in kongenialer Konnexion zum Script von Taylor Sheridan, einem literarischen Glücksgriff, wie es ihn in jüngsten Hollywood-Zeiten wohl nurmehr alle Jubeljahre zu geben scheint. Sheridans Erkenntnisse hinsichtlich der kaum mehr fassbaren, für den Normalbürger nur schwerst nachvollziehbaren Maßnahmen sind dabei ebenso heftig zu schlucken wie konsequent. „Sicario“, der wie beiläufig auch eine ebenso intime wie knüppelharte Rachegeschichte erzählt, konfrontiert uns nämlich mit Folgendem:  Der Krieg gegen die Drogen ist längst verlorenen, nunmehr geht es um Kontrolle. Weil die unzähligen, mexikanischen Dealer für einen völlig aus der Bahn geratenen Wildwuchs sorgen, verbrüdern sich die US-Geheimdienste mit dem Medellín-Kartell, da zu Escobars Zeiten wenigstens überschaubarer Monopolismus waltete. Diesen wünscht man sich zurück und knipst daher zugunsten der Kolumbianer die grenznahe Konkurrenz aus – mit höchsten Regierungsweihen sozusagen. Das gilt es ersteinmal zu rationalisieren. Dann sind da die Menschen, die für solcherlei Aktionismus herangezogen werden: nihilistische Zyniker wie Matt Graves, oder von unbeirrbaren Rachegelüsten gänzlich vergiftete und wesensbestimmte Einzelgänger wie der mysteriöse Alejandro, der dem Titel seinen Film gebende „Sicario“. Dass das keine Männer sind (und es ist eine reine Männerwelt, in der sie verkehren, das macht der thanatisch formulierte Schluss nochmal nachhaltig bewusst), mit denen man guten Gewissens ein Bier trinken ginge, muss man zur Kenntnis nehmen; dass sie allerdings, wie alle Soldaten, ihre zwangsläufige Daseinsberechtigung haben, ebenso. Was schlussendlich zurückbleibt, ist ein weiterer, vaterlos gewordener Junge, der vielleicht auch eines Tages seine Rache suchen und bekommen wird, auf welche Weise auch immer.
So hartschalig und stachelig er auch ist, „Sicario“ hat mich glücklich gemacht. Gänzlich untadelige Filme wie dieser sind mittlerweile eine Rarität. 2016 kann kommen.

10/10

THE CURSE

„Nathan, what is wrong with your chickens?“

The Curse ~ USA/I 1987
Directed By: David Keith

Tennessee, tiefste Provinz. Nachdem in Grundtsücksnähe des erzpuritanischen Farmers Nathan Crane (Claude Akins) eine Art Meteorit heruntergegangen ist, beginnen sich Grün, Tiere und Menschen auf schreckliche Weise zu verändern. Schuld daran ist die sukzessive Verseuchung des Brunnens, aus dem die Cranes sämtliches benötigtes Wasser beziehen. Nur Cranes Stiefsohn Zack (Wil Wheaton) scheint sich der zunehmenden Gefahr bewusst und beginnt, sich Wasser und Lebensmittel von außerhalb zu verschaffen.

Die zweite Adaption von H.P. Lovecrafts grandioser Kurzgeschichte „The Colour Out Of Space“ nach Daniel Hallers 65er „Die, Monster, Die!“, die ehedem das ursprüngliche Neu-England-Setting der Story nach Europa verlegte und die Vorlage allgemein recht stiefmütterlich behandelte.
Diese jüngere Version, die ihren literarischen Ursprung in den Credits unerwähnt lässt, ist deutlich ansprechender geraten und dürfte Lovecrafts verschrobener Phantasie trotz neuerlicher Modifikationen durchaus gut zu Gesicht stehen. Produziert von Ovidio G. Assonitis und inszeniert von dem hauptberuflich als Schauspieler tätigen David Keith verlagert sich der Plot nach Tennessee, was das Script zum Anlass nimmt, seine Horror- und SciFi-Elemente um ein gepfeffertes Stück Südstaaten-Satire anzureichern.
Berichtete Lovecrafts Geschichte ihre schrecklichen Vorkommnisse noch aus der auktorialen Perspektive eines Außenstehenden von den grauenhaften Ereignissen um die betroffene Farmerfamilie, steht hier der damals prominente Nachwuchsdarsteller Wil Wheaton als Stiefsohn im Zentrum des Geschehens. Jener bildet mit einer leiblichen Mutter (Kathleen Jordan Gregory) und seiner kleinen Schwester Alice (Amy Wheaton) eine Patchwork-Familie um den traditionsverhafteten Farmer Crane und dessen tumben Sohn Cyrus (Malcolm Danare). Verläuft das Leben auf der Crane-Farm für den armen Zack ohnehin schon an der Grenze des Erträglichen, rächt sich die Bigotterie des verklemmten Stiefvaters durch den bösen, extraterrestrischen Einfluss des Meteors: die gesamte Ernte ist bald ungenießbar und von Maden durchsetzt, die Tiere drehen durch und verenden qualvoll, die Familie fällt, mit Ausnahme von Zack, physischer und mentaler Mutation anheim. Auch der hilfsbereite Nachbar Doktor Forbes (Cooper Huckabee) kann trotz seines Engagements nichts für Zack tun und so nimmt das Schicksal den von Lovecraft bekannten, quälenden Verlauf. Durch seinen gekonnt schwarzhumorigen Einschlag auf der einen und die durchaus involvierende, niederschmetternde Verfallsstudie auf der anderen Seite ist Gelegenheitsregisseur Keith ein properer, sorgfältig inszenierter Gattungsbeitrag geglückt nebst allen nötigen Eigenschaften, den geneigten Lovecraft- und Genrefreund frohgemut zu stimme und von dem ich mich nunmehr frage, warum er bisher stets an mir vorübergegangen ist. Lediglich der Score von Franco Micalizzi wirkt hier und da ein wenig verloren und nicht immer passend.
Ansonsten sehr fein und offenbar sträflichst unterbewertet.

8/10