BAMBI

„If you can’t say something nice… don’t say nothing at all.“

Bambi ~ USA 1942
Directed By: David Hand

Der junge Hirsch Bambi verliert seine Mutter durch den tödlichen Schuss eines Jägers. Sein stattlicher Vater nimmt sich des Halbwaisen an und zieht ihn auf. Jahre später, Bambi ist just selbst im Begriff, eine Familie mit der Hirschdame Feline zu gründen, bedrohen wieder Jäger die sich erholende Idylle. Ein außer Kontrolle geratenes Feuer zerstört große Teile des Waldes, doch Bambi kann sich und seine Gefährtin retten. Von nun an ist er der König des Waldes.

„Bambi“, ursprünglich geplant als direkter „Nachfolger“ zu „Snow White And The Seven Dwarfs“, musste seiner Veröffentlichung noch mehrere Jahre harren und den drei zwischengeschobenen Projekten „Pinocchio“, „Fantasia“ und „Dumbo“ den Vortritt lassen. Zudem war er ursprünglich als Realfilmprojekt der MGM geplant, was der verantwortliche Regisseur Sidney Franklin jedoch bald als künstlerischen Missgriff erkannte und an Walt Disney herantrat, um eine animierte Adaption der Geschichte in Auftrag zu geben. Als Herzensprojekt Disneys wurde ganze sieben Jahre an „Bambi“ gearbeitet, zudem war er der einzige Film, dessen Entstehungsprozess durch den Kriegseintritt der USA nicht behelligt oder gar komplett eingestellt wurde.
Das Resultat gab Disney Recht: Eine ebenso reizende wie bittersüße Allegorie über den Lauf der Natur, über den Kreislauf von Leben und Sterben und den ökologischen Störfaktor ‚Mensch‘ verleiht „Bambi“ bald gemeingültige, didaktische und pädagogische Qualität – mehr sicherlich als jedem anderen Disney-Film. Wie bei „Dumbo“ sind manche Szenen von einer dermaßen suggestiven Stimmung geprägt, dass man die Tränen kaum zurückzuhalten vermag. Der Tod von Bambis Mutter etwa lässt sich kaum trockenen Auges „überleben“. Doch auch hier gibt es die kleinen Herzlichkeiten, die das insgesamt doch sehr majestätische Flair des Films infantilisieren – da sind etwa die Figuren des Hasen Klopfer und des Stinktieres Blume, Bambis beste Freunde und allesamt garantiert putziger als jedes nicht gezeichnete Tier. Dennoch muss ich zugeben, dass der emotionale impact, den dieser (und einige andere) Disney-Film(e) in ungebrochener Form auf mich haben, es mir bei aller Ehrerbietung für ihre technische Brillanz oft nicht leicht machen, sie durchzustehen. Danach muss ich dann regelmäßig erstmal durchatmen.

9/10

SNOW WHITE AND THE SEVEN DWARFS

„The heart of a pig! Then I’ve been tricked!“

Snow White And The Seven Dwarfs (Schneewittchen und die sieben Zwerge) ~ USA 1937
Directed By: David Hand

Weil die ebenso böse wie eifersüchtige Königin die Konkurrenz seiner Schönheit fürchtet, lässt sie sein Stieftöchterlein Schneewittchen vom Jäger in den Wald führen, auf dass er es erschieße. Dieser bringt die Tat jedoch nicht fertig und lässt Schneewittchen laufen. Bald stößt sie auf die sieben Zwerge, die in der Nähe eine Edelsteinmine bewirtschaften. Man lebt glücklich zusammen, doch die Stiefmutter erfährt von Schneewittchens Fortleben. Als altes Weib verkleidet bringt sie ihr einen giftigen Apfel, der Schneewittchen in ein Koma versetzt. Erst ein staatlicher Prinz kann sie daraus wieder wachküssen.

Disneys erster abenfüllender Zeichentrickfilm gilt, bezogen auf seine rein filmhistorische Bedeutsamkeit, als ein Kunstwerk der Superlativen – ganz gleich, was man ansonsten von ihm halten mag. Fast achtzig Jahre ist das Werk nun alt und hat von seinem spezifischen Glanz nichts eingebüßt, ganz abgesehen davon, dass es die künftige Erfolgsgeschichte seines Studios elementar lenkte. Mit „Snow White And The Seven Dwarfs“ hielt der Animationsfilm, der zuvor allein die Funktion als flott unterhaltendes Kurz- und Vorspielprogramm besaß, Einzug in die Hauptvorstellungen der Kinos, ein zunächst unerhörter Schritt, der die ihn begleitenden, vorbehaltsschwangeren Stimmen jedoch sehr rasch zum Verstummen brachte.  Dem hyperrealistischen Zauber des Märchens um das unschuldige Mädchen, seine bösartige Stiefmutter und die sieben sorgsam durch Gestaltung und Charakterisierung individualisierten Zwerge konnte sich kaum jemand entziehen. Die Animationsabteilung Disneys legte indes den formalen und methodischen Grundstein für ein künstlerisches Konzept, das noch heute, wenngleich mehrfach modifiziert, Gültigkeit besitzt. Romantik und düstere Abgründe, überbordernder Humor und musikalische Nummern mit Gesang und Tanz zählen seither zu den unverzichtbaren Ingredienzien eines jeden (von Disney in aller Bescheidenheit selbst so getauften) „Meisterwerks“ des Studios. Natürlich trägt gerade „Snow White“ auch die bereits keimenden Wurzeln zur zunehmenden Versüßlichung und Verniedlichung der Stoffe in sich, deren sich die Animateure in den kommenden Jahrzehnten annahmen und die später sogar mit der Verfilmung von Erwachsenenliteratur einhergingen, was dann wiederum den beinharten Kritikern Disneys, die die Entwicklung des Unternehmens zur seelenlosen Spaßfabrik verdammen, Wind in die Segel blies (und bläst). Man mag von Disney und seiner späteren Entwicklung halten, was man will – „Snow White“ ist und bleibt ein untadeliger Meilenstein des amerikanischen Kinos und des Animationsfilms darüber hinaus.

9/10

NORTHVILLE CEMETERY MASSACRE

„This is no police action.“

Northville Cemetery Massacre (Das Northville Massaker) ~ USA 1976
Directed By: William Dear/Thomas Van Dyke

Als die Bikergang „Spirits“ das Kleinstädtchen Northville nahe Detroit passiert, um dort im Park eine Hochzeit abzuhalten, ist dies nur der Beginn eines Kleinkriegs zwischen den Rockern und ein paar wildgewordenen Bürgern. Der korrupte Deputy Putnam (Craig Collicott) „nutzt“ die allgemeine Verwirrung, um die junge Lynn (Jan Sisk) in einer Scheune zu vergewaltigen und die Tat hernach den Spirits in die Schuhe zu schieben. Zusammen mit Lynns aufgebrachtem Vater (Herb Shaples) und dem konservativen Jäger Armstrong (Len Speck) versucht Putnam zunächst, die Spirits und einen gegnerischen Club gegeneinander aufzuwiegeln, was jedoch misslingt. Tatsächlich weiß man bald um den wahren Schuldigen. Schwer bewaffnet ziehen die Rocker gen Northville, zur letzten Schlacht um die Freiheit.

Mancherorts als „Schwanengesang“ des Rockerfilm-Subgenres bezeichnet, erweist sich diese auf 16mm gefilmte und mit bescheidensten Mitteln finanzierte Indie-Produktion tatsächlich als so etwas wie ein ideologischer und künstlerischer Schlusspunkt. Abermals wurden echte Biker (die Detroiter „Scorpions“) zur Interpretation ihrer Filmpendants herangezogen, die der Gattung seit jeher inhärente politische Aussage, die hinter „Northville Cemetery Massacre“ (dessen Titel sicher nicht von ungefähr Assoziationen zu einem zwei Jahre zuvor entstandenen Horror-Meisterwerk von Tobe Hooper weckt oder wecken soll) prangt, wurde jedoch selten so konsequent formuliert wie hier. „Freedom: R.I.P.“, das ist nicht nur der ursprünglich avisierte Name dieses wütend-anarchischen Kunstwerks, es ist nach dem erschütternden Ende auch als schriftlicher Markstein vor die End-Credits gemeißelt. Formal höchst ungestüm macht „NCM“ keinen Hehl aus seiner Botschaft: Wer sich nicht in die Form amerikanisch-kleinstädtischer Bürgerlichkeit pressen lässt, wer stattdessen dagegen aufbegehrt mit langen Haaren, dicken Bärten, einer speckigen Clubjacke und einem Chopper als mobilem Zuhause, der passt weder zu der sorgsam kultivierten Fassade dieses sich selbst verratenden Landes, noch besitzt er überhaupt noch die Vorzüge freiheitlich-demokratischer Grundrechte. Dagür sorgt in diesem Falle der Repräsentant der Staatsmacht, der Polizist. Allein seine Uniform verleiht ihm Würde und Glaubwürdigkeit, dabei erweist er sich als der erste aktiv handelnde Schwerkriminelle innerhalb des Films, indem er seinen exekutiven Status missbraucht und befleckt. Dass die Rocker sich mit Waffengewalt zur Wehr setzen, nutzt ihnen am Ende kaum mehr etwas – sie sind in der moralischen und personellen Minderheit im Angesicht von Bigotterie und Heuchelei. Die finale Schlacht auf dem Northville-Friedhof, auf dem sie eigentlich bloß ihre Toten bestatten wollen und dann zusammengeschossen werden, zeigt sie als Märtyrer des Amerikanischen Traums: Als Indios und Indianer, als aufständische Sklaven, als Einwohner von My Lai vielleicht, als die letzten großen Büffel auf ihrer finalen  Wanderung. Was Amerika nicht passt, wird weggeräumt – außen, vor allem aber auch innen. Nur so pflegt der Riese seinen Bestand.

9/10

AFTERSHOCK

„Back in line!“

Aftershock ~ USA/CL 2012
Directed By: Nicolás López

Ein Trip nach Valparaíso in Chile entwickelt sich für die sich unterwegs begegnenden Beteiligten, darunter Einheimische und Touristen aus Kalifornien und Osteuropa, zu einem veritablen Horrortrip, als sie zunächst von einem massiven Erdbeben überrascht und dann auch noch von einer Gruppe überaus gewaltaffiner, entflohener Sträflinge gejagt werden.

„Aftershock“ funktioniert gewissermaßen wie ein inoffizielles Präludium zu Eli Roths ein Jahr später entstandenem „The Green Inferno“, wenngleich oberflächliche Gemeinsamkeiten, bis auf die Mitwirkung des nahezu identischen Teams, nicht unbedingt prompt augenfällig sind. Spätestens beim zweiten Hinschauen jedoch erweisen sich eindeutige strukturelle Parallelen: Eine en gros betont selbstsicher agierende Gruppe teils Landesfremder wird zunächst im Zuge einer ausführlichen Exposition eingeführt und vorgestellt, wobei mancherlei humorige Elemente Sympathien und Identifikationspotenzial für die Protagonistenschar wecken. Dann kommt es im dramaturgischen Gewebe zu einer gewaltigen Zäsur und es geht nurmehr ums nackte Überleben, wobei diverse der zuvor so empathisch angeleuchteten Heldinnen und Helden mit teils spektakulärem Einfallsreichtum dem Jenseits überantwortet werden. Die Grundidee weiß zu gefallen und ist ebenso narrensicher wie innovativ; werden doch diverse Elemente des klassischen Katastrophenfilms der Siebziger mit modernen Mitteln renoviert, um dann schlussendlich zu einem lupenreinen Horrorfilm der härteren Gangart zu avancieren. Nach der besagten, sorgfältigen Bekanntmachung mit den sechs eigentlich durch die Bank sympathischen Hauptpersonen schlägt das Erdbeben ein wie ein narratives Haubitzengeschoss. Wo vorher sanfte Techtelmechtel, Schwesternrivalität und Partys das Bild bestimmten, gibt es auf einmal zerquetschte Leiber, abgetrennte Gliedmaßen und pures Chaos. Damit nicht genug, wartet die wesentliche Prüfung erst noch auf unser heroisches Sextett: Urplötzlich findet man sich als zufällige Jagdbeute einer Gruppe brutaler Knackis wieder, die die öffentliche Auflösung als willkommenen Anlass für Vergewaltigung und Mord missbrauchen. Dass es dabei zu einigen Radikalismen auf beiden Seiten kommt, sollte nicht weiter überraschen.

7/10

BELOVED

„It ain’t evil. Just sad.“

Beloved (Menschenkind) ~ USA 1998
Directed By: Jonathan Demme

Viele Jahre nachdem es der hochschwangeren Sklavin Sethe (Oprah Winfrey) einst gelungen ist, von Kentucky nach Ohio zu fliehen und dort mit ihren bereits zuvor entkommenen Kindern im Hause ihrer Großmutter Baby Suggs (Beah Richards) sesshaft zu werden, steht plötzlich ihr früherer Schicksalsgefährte Paul D (Danny Glover) vor der Tür, der sich die ganze Zeit über als Tramp und Tagelöhner durchgeschlagen hat. Von Sethes einst vier Kindern ist nurmehr die Jüngste, Denver (Kimberly Elise), bei der Mutter. Ihr Haus scheint von einem Poltergeist heimgesucht zu werden. Paul bietet sich Sethe und Denver trotz anfänglicher Ängste wegen der übernatürlichen Vorgänge als Ersatzvater an und will für sie sorgen. Nach einigem Zögern akzeptiert Sethe sein Angebot. Kurz darauf erscheint eine junge, offenbar geistig verwirrte und amnesische Frau (Thandie Newton) auf Sethes Grundstück, die den Namen ‚Beloved‘ trägt. Sethe und Denver nehmen Beloved wie ein weiteres Familienmitglied auf, nur Paul D empfindet in ihrer Gegenwart Unbehagen. Nach einigen Wochen wird Beloved für Sethe mehr und mehr zur Belastung, doch sie kann und will das Mädchen aus einem sehr sensiblen Grund nicht fortschicken…

Oprah Winfrey hatte die Verfilmungsrechte an Toni Morrisons gefeiertem Roman bereits seit Jahren in ihrem Besitz, als „Beloved“, inszeniert zwar von Jonathan Demme, jedoch vornehmlich unter Winfreys Schirmherrschaft, entstand. Anders als ethnische Selbstfindungsdramen vom Schlage eines „The Colour Purple“ wählt „Beloved“ einen sehr viel metaphorischeren Ansatz für seinen Schicksalsbericht. Der Film (das Buch ist mir leider unbekannt) lässt sich auf multiple Weise betrachten: als die Geschichte einer Heimsuchung, einer Rache, oder auch als eine von Buße und Erlösung. Was dem Betrachter im Grunde bereits parallel zu Beloveds rätselhafter Einführung in die Ereignisse schwant, erweist sich bald als dräuende Gewissheit: Sie ist niemand Geringere als die ältere Manifestation von Sethes vor rund 18 Jahren von ihr eigenhändig getötetem Baby. Als ihr vormaliger Besitzer (Jude Ciccolella), von dem Sethe stets nur als „Schoolteacher“ berichtet, plötzlich in Ohio auftauchte, sah sich die verzweifelte Mutter dereinst gezwungen, ihren Kindern das Leben zu nehmen, bevor sie wieder in die Hände des grausamen Weißen gelangten. Sie schnitt dem älteren Mädchen die Kehle durch und versuchte, den beiden Jungen (die die mütterliche Attacke schwer verletzt überleben sollten), die Schädel zu zertrümmern. Einzig die kleine Denver blieb körperlich unversehrt und bei der Mutter, während die Jungen ihr weggenommen wurden und seither nichts mehr von ihr wissen wollen. In der seltsamen Beloved, die aus dem Jenseits (einem zwischenbereichlichen offenbar, in dem es finster und heiß ist und sich die Geister drängeln) zurückkehrt, symbolisiert sich zugleich der Wunsch Sethes zu sühnen für ihre einstige Bluttat. Und sühnen wird sie: Nachdem Beloved ihre tatsächliche Identität kundgetan hat, nimmt sie Sethe nach und nach alles, was sie noch besitzt, einschließlich ihres Verstandes.
Via diesen oftmals mysteriösen, schwer verdaulichen Hergang der Geschehnisse wählt „Beloved“ einen ungewohnten Perspektive auf die Schrecken der Sklaverei. Über Generationen hinweg bleiben deren Folgen für die Leiber und Seelen ihrer Opfer akut; sie taugen dazu, deren schlimmste Abgründe als Verzweiflungstaten lichtbar zu machen und sie auch Jahre später noch zu zertrümmern. Sethe glaubt längst, durch ihre entbehrungsreiche Flucht über den Fluss die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben und in der Lage zu sein, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch dem ist mitnichten so. Ihr erzwungener Blutakt hängt ihr in mehrerlei Form nach; sei es als Geist, der ihr Haus bewohnt, als Schuldkomplex, in den Augen ihrer einsamen Tochter Denver oder in allem was da noch kommen mag. Sethe ist nicht frei, auch Jahre später nicht. Ihre Freiheit ist nur eine vergängliche Illusion.

9/10

THE VICTORS

„Don’t tell anyone or hope we’ll never invade your country.“

The Victors (Die Sieger) ~ USA/UK 1963
Directed By: Carl Foreman

Einige befreundete amerikanische G.I.s, darunter Sergeant Craig (Eli Wallach), Corporal Trower (George Hamilton) und Corporal Chase (George Peppard), erleben den Zweiten Weltkrieg in Europa und dessen Nachspiel an unterschiedlichsten Fronten, sowohl im Kampf als auch privat. Von Sizilien geht es über England und die Normandie, über die Ardennen und den Rhein bis hinein in die US-Besatzungszone. Nicht jeder von ihnen wird seine Haut heil nach Hause tragen können.

Es war nicht der gewohnte US-Kriegsfilm nach etabliertem Schema, den Carl Foreman 1963 im Zuge seiner einzigen Regiearbeit und im selben Jahr wie etwa John Sturges sein buntes Spektakel „The Great Escape“ mit „The Victors“ auf das Publikum losließ – ganz im Gegenteil. Der Entscheidung, eine hochbudgetierte, bald monumentale Produktion wie diese dazu noch in schwarzweiß zu filmen, haftete zu jener Zeit bereits ein gewisser Ruch des „Kunstgewerblichen“ an und tatsächlich entwickelte sich durch diverse Faktoren, darunter die Mitwirkung einer Vielzahl wohlfeil etablierter europäischer Akteurinnen und Akteure in jeweiligen „Landesrollen“, ein für Kriegsfilme dieser Zeit und Provenienz ungewöhnlicher Effekt „erhöhten Anspruchs“. Basierend auf dem Roman von Alexander Baron erzählt „The Victors“ seine Geschichte in episodischer Form. Manchmal stehen alle drei Protagonisten gleichrangig im Zentrum eines Segments, manchmal nur zwei von ihnen oder einer und manchmal auch gar keiner. Wir werden Zeugen der Befreiung eines sizilianischen Felsendörfchens, ereleben, wie die Männer sich in einem verlassenen Weinkeller volllaufen lassen, wohnen scheiternden Affären und Beziehungen mit oftmals bizarrem Anstrich bei und auch den sich auseinanderdividierenden Charakterentwicklungen: Wo einer seine Menschlichkeit sorgsam hütet wie ein privates Kleinod und beibehält, bezahlt ein anderer deren sukzessiven Verlust mit dem Leben. Wenngleich hier und da ein kurzer Moment des Schmunzelns die bedrückende Last der Kriegswirren durchbricht – die meisten Anekdoten sind oder enden todtraurig und bitter. Einmal, bereits im letzten Drittel des Films, kommt Peter Fonda als junger Rekrut Weaver zu Trowers Gruppe, nachdem dieser zum Sergeant befördert wurde. Weaver, noch grün hinter den Ohren, nimmt sich eines verwaisten Hundewelpen an. Obwohl man ihm mehrfach klarmacht, dass er das Tier wegjagen soll, nimmt er es immer wieder auf, bis es ihm durch Matsch und Pfützen nachläuft. Weavers Mitprivate Grogan (Jim Mitchum) knallt es daraufhin mit Wonne ab. Damit ist der „Neue“ sogleich ethisch defloriert worden. Man kann sich vielleicht denken, dass diese Szene mich geschafft hat wie sonst nur wenig bisher in diesem Jahr.
Doch bleibt auch das Gesamtbild dieses Films mir trotz seiner episodischen, manchmal collageartig gehaltenen Struktur als ein immens kompaktes und homogenes; tatsächlich würde ich bereits nach dieser Erstbetrachtung sagen, er gehört zu den besten US-Kriegsfilmen, die ich kenne. Ganz sicher ein Meisterwerk, dessen Nachhall mir in Anbetracht etlicher sehr viel lauteterer und populärer gewordener Kandidaten allzu sehr in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

9/10

DR. GOLDFOOT AND THE GIRL BOMBS

„AC, DC!“

Dr. Goldfoot And The Girl Bombs ~ USA/I 1966
Directed By: Mario Bava

Der mitnichten verblichene Dr. Goldfoot (Vincent Price) plant diesmal nichts Geringeres als die Heraufbeschwörung eines Atomkriegs. Dafür paktiert er mit den Chinesen und operiert von Rom aus, wo einige hochgestellte NATO-Generäle ihr Treffen abhalten. Goldfoot schickt erneut seine Robotermädchen los, die diesmal bei Kontakt mit ihren Opfern explodieren, und kann darüberhinaus jede beliebige Person mit seiner Maschine duplizieren. Er selbst will sich als sein Ebenbild General Willis (Vincent Price) verkleiden und eine Wasserstoffbombe über Moskau abwerfen. Doch der Agent Bill Dexter (Fabian) und die beiden römischen Trottel Franco (Franco Franchi) und Ciccio (Ciccio Ingrassia) fahren Goldfoot empfindlich in die Parade…

Die Entstehungsgeschichte des „Dr. Goldfoot“-Sequels ist eher unleidlich. Ursprünglich als italienisches Vehikel für das Komikerduo Franco & Ciccio, rerspektive als Fortsetzung zu deren „Due Mafiosi Contro Goldginger“ geplant, schaltete sich die AIP als Co-Financier ein unter der Prämisse, das Ganze zu einem neuen „Goldfoot“-Film umzugestalten. Mario Bava als Auftragsregisseur musste den Film gegen seinen Willen inszenieren und am Ende gab es, nicht ungewöhnlich in einem solchen Fall, zwei Versionen für das italienische und das amerikanische Publikum, wobei in ersterer Franco & Ciccio und in zweiterer eben Vincent Price und der Schlagersänger Fabian, der den nunmehr absenten Frankie Avalon ersetzte, im jeweiligen Zentrum posierten. Price bezeichnete „Dr. Goldfoot And The Girl Bombs“ später als „grässlichsten Film“, in dem er je mitgespielt habe, „bei dem alles nur Denkbare schiefgegangen“ sei.
Die Wahrheit liegt wie so häufig irgendwo dazwischen – zumindest meine Wahrheit. Ist schon der erste „Goldfoot“ nicht eben ein Quell intellektueller Grandezza, so darf man von der Fortsetzung, zumal möglicherweise in Unkenntnis der sie umwabernden Widernisse, natürlich ebenfalls keinen solchen erwarten. Der Clash von italienischem Slapstick und dem sehr amerikanisch geprägten Humor der Story versandet recht kläglich und mit Bava scheinen irgendwann die Pferde durchzugehen, wenn er schlicht gegen etliche Regeln konventioneller Dramaturgie verstößt und er seine Inszenierung aus nicht immer ersichtlichen Gründen irre Volten schlagen lässt. Da wird das Ganze plötzlich zum Stummfilm mit Zwischentiteln oder gleitet immer wieder hemmungslos in surrealistische Sphären ab. Ein vormals exponiert eingeführtes Piranhabecken verliert später jegliche Bedeutung und so fort. All das mag zurückzuführen sein auf die Umschnitte der amerikanischen Produktionsseite; ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß, ist, dass Price noch besser ist als im Vorgänger; im scheinbaren Wissen um das kreative Versagen des Films scheint er jegliche Scheuklappen ad acta gelegt zu haben. Oftmals durchbricht er die vierte Wand und „spricht“ direkt zum Publikum. Er hat ein paar famose Oneliner und bildet den Herzschlag und Rhythmus des Films. Die schöne Laura Antonelli bereitet dem Auge Freude und im Grunde ist man am Ende des Tages auch kaum schlechter bedient worden als beim Vorgänger, zumindest, wenn man bereit ist, die diversen künstlerischen Missgriffe als Zeugnis anarchischer Filmherstellung in Kauf zu nehmen. Von Bava ist ohnedies nichts zu spüren; dass er an dem Film in vordringlicher Position mitgewirkt haben soll, vermag man nurmehr eigentlich allein den Überlieferungen entnehmen.

5/10

DR. GOLDFOOT AND THE BIKINI MACHINE

„This time you definitely reached the bottom.“

Dr. Goldfoot And The Bikini Machine (Dr. Goldfoot und seine Bikini-Maschine) ~ USA 1965
Directed By: Norman Taurog

Der verrückte Wissenschaftler Dr. Goldfoot (Vincent Price) hat sich einen ganz besonderen Plan ausgedacht, um seinen Reichtum zu potenzieren: Er stellt hübsche Robotermädchen in goldenen Bikinis her, die darauf programmiert sind, sich den reichsten Männern der Welt an den Hals zu werfen und sie im Lust- und Liebestaumel ihr Hab und Gut überschreiben zu lassen. Der etwas unbeholfene Agent Craig Gamble (Franke Avalon) alias „oo 1/4“ und der bereits avisierte Nachwuchstycoon Todd Armstrong (Dwayne Hickman) gehen gegen den Doktor und seinen vertrottelten Assistenten Igor (Jack Mullaney) vor.

Taurogs von der AIP produzierte, überdrehte Slapstick-Comedy fungiert zugleich als Bond-Spoof und als Parodie auf die Poe-Adaptionen von Roger Corman jener Jahre. Die Handschrift des Regisseurs lässt sich durchweg gut identifizieren, wobei sich gelungenere Gags mit eher flauen Scherzchen die Klinke reichen. Ein versierterer Komiker vom Schlage eines Tony Randall oder gar Jerry Lewis stand Taurog diesmal leider nicht zur Verfügung, was die allgemeine darstellerische Präsenz über weite Strecken schmälert. Dafür genießt Price jedoch ganz offensichtlich die eher rare Gelegenheit, einmal in einer durchweg humorvoll angelegten Rolle zu glänzen. Prices üblicherweise kultivierte Diabolik, die ja ohnehin häufig hart an der Grenze zur Selbstparodie kratzte oder diese hinter sich ließ, verwandelt sich hier in das tuckig-übersteigerte Porträt eines typischen Agenten-Antagonisten, der am Ende vor allem deswegen scheitert, weil er es einfach nicht fertigbringt, seinen unfähigen Adlatus Igor, der ihm einfach jede Tour vermasselt, in die Wüste zu jagen. Es bedarf keines großartigen Interpretationswagemuts, jenen von Mullaney gespielten Igor, der von seinem Boss offenbar schon einmal von den Toten wiedererweckt wurde, als Goldfoots Lebensgefährten zu erkennen und Prices Möglichkeit, einen mit dem gleichen Geschlecht liebäugelnden madman gleichfalls als einen von ihm ausgekosteten inoffiziellen Befreiungsschlag hinsichtlich seiner persönlichen Sexualität zu werten.
Wenn Goldfoot schließlich seinen Gefangenen durch den heimischen Folterkeller führt, gibt es an den Wänden lustige Porträts seiner Vorfahren, die Prices Charakteren aus den Poe-Filmen nachempfunden sind und er selbst darf in einer Reprise nochmals als Nicholas Medina mit dem Todespendel herumalbern. Die finale Verfolgungsjagd auf wechselnden Vehikeln durch die Hügel des innerstädtischen San Francisco ist vom Standpunkt der Actionsequenz aus betrachtet eine reife Katastrophe, aber in einem solch exaltierten Mummenschanz darf sowas sein.

6/10

LOS DESESPERADOS

Zitat entfällt.

Los Desesperados (Um sie war der Hauch des Todes) ~ E/I 1969
Directed By: Julio Buchs

Als der Konföderiertensoldat John Warner (George Hilton) erfährt, dass seine Geliebte Maria, die Tochter des mächtigen Ranchers Don Sandoval (Ernest Borgnine), ein Kind zur Welt gebracht hat, desertiert er kurzerhand und sucht Sandovals Haus auf. Dieser erklärt Warner, dass Maria bei der Geburt gestorben sei, übergibt ihm den kleinen Jungen und jagt ihn fluchend von dannen. Mithilfe seines Freundes Lucky (Albert de Mendoza) und eines unterwegs kennengelernten Wanderpredigers (Leo Anchóriz) flieht Warner Richtung Grenze, doch niemand mag ihnen helfen, weil alle glauben, das Trio sei cholerakrank. Das Baby muss qualvoll verhungern und Warner schwört furchtbare Rache. Zusammen mit drei weiteren Outlaws (Gustavo Rojo, José Manuel Martín, Antonio Pica) begibt er sich auf einen Privatfeldzug gegen alle, die ihn im Stich gelassenhaben – allen voran Sandoval.

Dieser höchst dramatisch beginnende Western, der Ernest Borgnine bei einem seiner  Ausflüge ins europäische Kino zeigt, verschießt sein anfangs noch so bewegendes Pulver leider allzu schnell, um durchweg interessant bleiben zu können. Was sich zu Beginn noch wie eine involvierende, dramatische Rachestory ausnimmt – immerhin gibt es ein denkbar tragisches Verzweiflungsopfer in Form eines toten Säuglings – verebbt irgendwann zur Beliebig- und Episodenhaftigkeit. Der gerechtfertigte biblische Zorn des zum Outlaw avancierenden Deserteurs John Warner hätte das Zeug gehabt, einen gewaltigen und vor allem blutvollen Italowestern zu befruchten. Stattdessen verirrt sich die Story in Belanglosigkeiten und verkauft sich weit unter Wert; die Inszenierung erschöpft sich in schleppender Routine und „Los Desesperados“ bleibt, hinsichtlich seiner Naturalistik insbesondere in Anbetracht traditioneller Gattungsmaßstäbe, langweilig maßvoll. Die internationale Handhabung dieser Form spricht Bände. So wurde die deutsche Fassung etwa, und dies sicherlich nicht ganz von ungefähr, gleich um einen ganzen, im Prinzip tatsächlich irrelevanten Nebenstrang erleichtert, in dem Warner und seine Männer auf einen Nordstaatenoffizier nebst weiblicher Begleitung (Annabella Incontrera) treffen und darum hadern, ihnen beizustehen. Die für das Authoring der jüngst erschienenen DVD genutzten, unterschiedlichen Bildmaster erzählen da mancherlei Wissenswertes. Ein frühes Treffen zwischen Warner und Sandoval mitten in der Einöde endet abrupt und ohne Sieger, was dem Film wiederum weitere, nicht immer konzentriert genutzte oder gar sinnstiftende Erzählzeit abringt. Erst das Finale vermag dann wieder an die Intensität der ersten Viertelstunde anzuknüpfen: Sandoval wird von einem wilden Stier getötet und Warner und seine Männer sehen sich inmitten einer Arena einer Übermacht mexikanischer Soldaten gegenüber. Dazwischen liegt eine sechzigminütige Durststrecke. Für einen guten Film (oder einen, der’s sein will) nicht eben probat.

5/10

DADDY’S HOME

„The step-king has had enough of the king’s bullshit!“

Daddy’s Home ~ USA 2015
Directed By: Sean Anders

Für den Radioredakteur Brad Whitaker (Will Ferrell) ist es alles andere als leicht, sich bei seinen zwei kleinen Stiefkindern Megan (Scarlett Estevez) und Dylan (Owen Vaccaro) als „echter“, vollwertiger Vaters zu etablieren, obschon er sich dafür, unterstützt von Gattin und Mutter Sara (Linda Cardellini), jede nur denkbare Mühe gibt. Als sich endlich erste Beziehungsfortschritte abzuzeichnen beginnen, lädt sich urplötzlich der biologische Vater der beiden Kids bei den Whitakers ein, der Draufgänger Rusty Mayron (Mark Wahlberg). Mit seiner Harley, seinem jugendlichen Impetus und dem bodybuilding-gestählten Leib ist Rusty bei seinen Kindern recht schnell obenauf und schafft es mit nicht immer ganz fairen Mitteln, Brad in der just erworbenen Vatersgunst wieder ganz schnell auf die Plätze zu verweisen. Als Brad dann nach einem zusehends zermürbenden Duell der Dads zu drastischen Methoden greift, um Dusty auszubooten, geht dieser Schuss gehörig nach hinten los…

Nach „The Other Guys“ darf man das sich in humorigen Angelegenheiten bereits bestens etablierte Duo Ferrell/Wahlberg nun nochmal in gemeinsamer Aktion erleben. Wenngleich Adam McKay diesmal den Regisseursstuhl räumte, um nurmehr als Co-Produzent zu fungieren, bleibt das klassische Ferrell-Komödienschema weitgehend unverändert: Der Komiker setzt wie immer auf die Rolle eines menschlichen Verlierers, wobei zumindest diese Typisierung halbwegs gemäßigt ausfällt. Brad Whitaker ist zwar ein ausgesprochener Spießer und Softie (er arbeitet bei einem Radiosender namens „Panda Smooth Jazz“), in seiner etwas erbarmungswürdigen Art jedoch, anders als etwa ein Ron Burgundy, durchaus sympathisch und liebenswert. Mark Wahlberg als diametral angelegter Charakter erfüllt gleichermaßen die Funktion als Antagonist (mit dem sich am Ende natürlich in Güte arrangiert werden kann) wie als Stichwortgeber Ferrells, der ja stets (s)einen ihm spektral entgegengesetzten Gegenspieler braucht, um ihn zu Weißglut und Einsicht zu treiben. Die Gags fallen im Vergleich zu den mitunter derberen Scherzkanonaden von früher vergleichsweise familienfreundlich und moderat aus und Ferrells gewohnte Späße zwischen gezielter Fremdschamevozierung und redundanter, emotionsbetonter Verbalisierung ohnehin ersichtlicher Herausforderungen („Oh no! Here’s a bear and it wants to kill and eat me!“) reduzieren sich auf wenige Momente wie den, als er sich bei einem Basketball-Spiel besäuft und daneben benimmt. Dennoch freut man sich über derlei rar gesäte Späße. Hinzu kommen mit Thomas Haden Church als Ferrells väterlichem Vorgesetzten Holt und Hannibal Buress als Handwerker Griff noch zwei exzellente Nebenclowns, deren oftmals absurde Einsätze „Daddy’s Home“ ein gutes Stück seiner Komik verleihen.
Anders‘ Film erfindet ergo nichts neu, sondern setzt auf Bewährtes in sanfter Variation. Das kann manchmal überaus tröstlich sein.

7/10