THE LUSTY MEN

„I can get in out of the rain. That’s about all.“

The Lusty Men (Arena der Cowboys) ~ USA 1952
Directed By: Nicholas Ray

Für den Ex-Rodeo-Weltmeister Jeff McCloud (Robert Mitchum) liegen die besten Tage lange zurück, seit er sein sauer verdientes Vermögen durchgebracht und sich vom Geschäft zurückgezogen hat. Eine zufällige Begegnung mit dem jungen Eheppar Merritt, Wes (Arthur Kennedy) und Louise (Susan Hayward), verspricht jedoch neuen Auftrieb. Wes ist begeisterter Fan von Jeff und bittet ihn, ihn als eine Art Mündel unter seine Fittiche zu nehmen. Louise indes hält vom Rodeo-Geschäft, bei dem die Teilnehmer jedes Mal ihre Knochen riskieren, überhaupt nichts. Dennoch lässt sie sich auf die Wünsche ihres enthuisiastischen Gatten ein und begleitet ihn und Jeff zu einer Reihe von Turnieren und Veranstaltungen. Das Rodeo-Geschäft stellt sich als seltsame Parallelkultur heraus, bei dem die Frauen um ihre Männer fürchten und diese im Gegenzug zu Spielern, Trinken oder psychischen Wracks werden. Auch Wes schlägt bald über die Strenge, während Jeff sich mehr und mehr zu Louise hingezogen fühlt…

Eines von Nick Rays weniger hoch besungenen Kunstwerken und dennoch einer seiner vordringlichsten und schönsten Filme. Zwischen dem denkwürdigen Trio Mitchum/Hayward/Kennedy entspinnt sich eine beinahe schon als sexuell libertinär zu erachtende Dreiecksgeschichte, diefreilich nicht in all ihrer detaillierten Gänze ausformuliert wird, für ihre Zeit jedoch einigen Zündstoff beinhaltet. Immerhin ist davon auszugehen, dass Jeff McCloud, der stets ein sehr von allen Konventionen losgelöstes Leben geführt hat, mehr denn Louises beiläufiges Interesse weckt. In Wes Merritt hat sie vormals einen soliden Ehemann gefunden, das „Beste am Markt“, sozusagen. Einen treusorgenden, sie umschwärmenden Arbeiter mit klarer Vision von einem Heim und einem bis zwei Stück Rind im Stall. Als McCloud auftaucht, ist es daher nicht nur um Wes geschehen. Auch Louise erkennt zu ihrem Leidwesen, dass sie sie mit Wes im Grunde nicht mehr als eine Vernunftehe führt; McCloud schürt bei ihr ein sehr viel erotischer gefärbtes Feuer.
Dann die Zeichnung der Rodeo-Subkultur: Eine merkwürdig anachronistische Präservierung alter Wildwest-Romantik mit höchst eigenen Regeln, deren Gemeinschaft zugleich verschworener nicht sein könnte: Da gibt es den nach einer Stierattacke böse gezeichneten Buster Burgess (Walter Coy), der seine immer akuter werdenden Angstneurose mit Whiskey bekämpft und dennoch nichts anderes kann als in den Sattel zu steigen oder den alten Booker Davis (Arthur Hunnicutt), der als eine Art Faktotum mitläuft und für seine lustigen Anekdoten beliebt ist. Die Frauen spielen die Rollen der hoffnungsvollen Stütze, säubern die Wunden und leiden unter den Marotten ihrer Männer. Auch Wes Merritt, dessen Talent für das Rodeo unbestreitbar ist, lässt sich von der faszinierenden Ungebundenheit dieses Lebens in Mitleidenschaft ziehen und pflegt bald wesentlich mehr schlechte Angewohnheiten denn gute; Louise kann bald gar nicht anders als in McClouds Arme zu flüchten. Dennoch ist diese „Illegale“ Beziehung nicht von Dauer und sie kann selbiges auch gar nicht sein, denn irgendwo jenseits des Rodeo-Universums existiert nach wie vor der grundgute, uramerikanische Konservativismus und genau jener ist es, der das Ehepaar Merritt im Innersten und aller Unbill zum Trotz zusammenschweißt. Möglicherweise erkennt McCloud dies, ebenso wie die Tatsache, dass Typen wie er kein Platz mehr zusteht in der Moderne und dass sich mit Louise gewissermaßen auch seine letzte Chance von ihm abwendet. Somit trifft er gegen Ende eine mehr oder minder bewusste Entscheidung.
„The Lusty Men“: der Beitrag zum Subgenre des Rodeo-Western, an dem sich sämtliche Nachfolger bis heute zu messen haben.

10/10

THE BIG SHORT

„Saints don’t live on Park Avenue.“

The Big Short ~ USA 2015
Directed By: Adam McKay

Im Jahre 2006 steuert das Bankenwesen bereits zielstrebig auf seinen längst unabwendbaren Super-GAU zu. Doch hier und da gibt es clevere Analysten, die bereits um die nahende Explosion ahnen, darunter den verschrobenen Fonds-Manager Michael Burry (Christian Bale), der eine Hauptursache der dräuenden Finanzkrise erkennt: die Immobilienblase. Dahinter steht der unbeirrbare Drang selbst klammster US-Bürger, in Immobilien zu investieren, die sie niemals werden abbezahlen können. Die Banken zeigen sich davon unbeeindruckt und verschachern immer weiter und immer mehr hochdotierte Darlehen und Hypotheken, obwohl die Schuldner in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein werden, diese weiterhin regelmäßig zu tilgen. Burry entwickelt daraufhin die Idee, aus den kommenden Schuldenausfällen Kapital zu schlagen, indem er bei den großen Wall-Street-Banken sogenannte „Shorts“ erwirkt, eine Art Wetteinsatz gegen fallende Aktien und Vermögenswerte, die in Form von sogenannten CDSs bare Gewinne versprechen. Auch der gestresste Investment-Banker Mark Baum (Steve Carell), der Bankangestellte Jared Vennett (Ryan Gosling) und die beiden Nachwuchs-Privatiers Jamie Shipley (Finn Wittrock) und Charlie Geller (John Magaro) bekommen durch unterschiedliche Zufälle Wind von Burrys Riecher und springen auf den CDS-Zug auf. Am Ende profitieren sie alle aus ebenjener globalen Krise, die viele Millionen Existenzen forderte.

Nachdem Adam McKay sich zumeist vorrangig als Kollaborateur und Erfüllungsgehilfe von Will Ferrell und seinen grandiosen Albernheiten hervorgetan hatte, avanciert er nun mit „The Big Short“ zum auch außerhalb des Komödienkarussells anerkennenswerten big player. Seine bitterböse Finanzkrisen-Satire „The Big Short“ kann man sich in etwa so vorstellen wie eine modifizierte Version von Sidney Lumets Meisterwerk „Network“, bloß eben gute vierzig Jahre in die Zukunft versetzt und mit der Hochfinanz anstelle der medialen Überfrachtung als Zielscheibe seiner messerscharfen Polemik. „The Big Short“ gerät zum umfassenden, kaleidoskopartigen Amerika-Porträt; er zeigt ein Land, das vor lauter Überfrachtung aus allen Himmelsrichtungen gar nicht anders konnte als zu kollabieren. Die bahnbrechende Erkenntnis der unumstößlichen Tatsache, dass die Träume etlicher Kleinbürger ohne geregeltes Einkommen und ohne soziale Absicherungen eigentlich das bleiben sollten, was sie sind – nämlich Seifenblasen -, scheint urplötzlich jeder zu ignorieren, selbst renommierte Finanzinstitute, die Darlehen an jeden noch so unzuverlässigen Kreditnehmer zu für diesen unabsehbaren Zinskonditionen vermitteln. Ein Geschäft, dass zunächst beide Seiten zu breitem Grinsen anstimmt, nach seiner forcierten Überlastung jedoch zwangsläufig implodieren muss wie eine überhitzte Mikrowelle. Dass „The Big Short“ mit allerlei Bankerlatein hantiert, sollte niemanden abschrecken, alternative, verständlichere Termini lassen sich dafür nämlich schlicht keine finden. Außerdem erklärt das Script jedwede etwas schwieriger zu nehmende Hürde so hinreichend und pointiert, dass die gebotene Aufmerksamkeit ausreichen sollte, um zumindest halbwegs zu begreifen, mit welchen Bandagen Michael Burry und seine Nacheiferer frohgemut in Richtung des monetären Armageddon ziehen. Es bleibt ja zudem noch ein überaus spannender Film mit dem glamourösesten Hollywood-Herren-Ensemble der jüngeren Zeit (Brad Pitt hatte ich bis jetzt noch gar nicht erwähnt), der wohl zum Erlesensten zählt, was das letzte bzw. das aktuelle Kinojahr zu bieten haben.

9/10

STEVE JOBS

„Musicians play their instruments. I play the orchestra.“

Steve Jobs ~ UK/USA 2015
Directed By: Danny Boyle

14 Jahre im Leben des Apple-Mitbegründers, Multimillionärs, Egomanen und Mitarchitekten der digitalen Vulgarisierung Steve Jobs (Michael Fassbender), konzentriert auf drei seiner Karrieremarksteine: Die offizielle Vorstellung des Macintosh-Computers 1984, die offizielle Vorstellung des NeXT-Cube 1988 und schließlich, nach Jobs Rückkehr zu Apple, 1998 die offizielle Vorstellung des ersten iMac.

Ob ich mir im Regelfall die Filmbiografie eines kapitalistischen Humanwahrzeichens wie Steve Jobs anschauen würde, möchte ich dieserorts durchaus in Abrede stellen – zumal ich von Computern und allem was damit zu tun hat einerseits null Ahnung habe und IT etc.pp. mich andererseits auch nicht im Mindesten interessieren. Zahlen, Technik und Mikrochips sind und waren mir zeitlebens ein kaltes Gräuel und dass es vor zwei Jahren bereits ein Jobs-Biopic mit Ashton Kutcher gab, habe ich, um es wohlwollend zu formulieren, „zur Kenntnis“ genommen. Allerdings habe ich ein privates Abo auf Danny Boyle, von dem ich eigentlich jeden Film mag und die meisten sogar sehr. Wirklich enttäuscht hat Boyles Œuvre mich noch nie, wenngleich sein ewiges und unangefochtenes Meisterwerk „Trainspotting“ nun schon ins zwanzigste Jahr geht und mir dessen beide Nachfolger „A Life Less Ordinary“ und  „The Beach“ mir zumindest jeweils ein Stück Ratlosigkeit bescher(t)en. Seither war zwischen mir und Boyles Schaffen aber eigentlich immer „alles tutti“, wie man so lapidar zu sagen pflegt. „Steve Jobs“ bildet da, zu meiner, wie ich feststellen durfte, gelinden Überraschung, keine Ausnahme. Dabei lässt sich der Film teils durchaus befremdlich an, immerhin besitzt er die Chuzpe, sich auf drei Episoden binnen des erzählten Zeitraums zu beschränken, die im Prinzip tatsächlich kaum mehr denn – wenngleich vorrangige – Karrierestationen des Titelcharakters umreißen. Nichtsdestotrotz gelingt es Boyle, eine kompakte, psychische Kartographie von Jobs (oder zumindest von seinem artifiziellen Fassbender-Abbild) zu erschaffen. Dafür stehen erwartungsgemäß die zumeist konfliktträchtigen Dialoge mit seinen mehr oder minder freiwilligen Wegbegleitern: da ist seine ewige Privatsekretärin Joanna Hoffman (Kate Winslet), die ihren Brötchengeber umsorgt wie eine Glucke und daher seine Marotten und Beschränkungen besser kennt als jeder andere Mensch; da ist sein früherer, nerdiger Freund und Firmenmitbegründer Steve Wozniak (Seth Rogen), dem es an Ehrgeiz und Unterkühlung fehlt, um Jobs Multimillionenschwere zu erreichen; da ist sein Management-Rivale John Sculley (Jeff Daniels), der ebenfalls nicht mit Jobs‘ Eisenhärte und dessen unbeirrbarem Nachtragungsradius rechnet und schließlich ist da Lisa Brennan (Makenzie Moss / Ripley Sobo / Perla Haney-Jardine), Jobs‘ von ihm zunächst nicht anerkannte, uneheliche Tochter und, zumindest im gesteckten Rahmen dieses Films, die einzige Person, die nachhaltigen Einfluss auf Jobs‘ ehernen Kurs auszuüben vermag. Wie jener Mensch Steve Jobs sich seinen unbeirrten Weg bahnt, das artet bei Boyle lobenswerterweise niemals zu irgendeiner Art von Verklärung aus, noch stellt es an den Rezipienten die Erwartung unbeirrten Authentizitätsglaubens. Das Leben eines realen Menschen wird hier ohne faule Kompromisse zu einem reinen Interpretationsgegenstand, an dessen Enden der Zuschauer noch individuell weiter feilen kann. Hier und da meint man, phasenweise Iñárritus  „Birdman“ durchscheinen zu sehen, der ja einen nicht unähnlichen Charakterisierungsansatz wählte. Kann aber auch bloß Zufall sein.

8/10

ANTHROPOPHAGUS

Zitat entfällt.

Anthropophagus [Man-Eater – (Der Menschenfresser)] ~ I 1980
Directed By: Joe D’Amato

Während eines Herbsturlaubs in der griechischen Ägäis trifft eine kleine Reisegruppe auf die nette amerikanische Touristin Julie (Tisa Farrow), mit der man sich gut versteht und die man daher mit der gecharterten Yacht zu deren Freunden auf einer der vielen bewohnten Inseln bringen möchte. Dort angekommen, macht sich bereits am Hafen eine merkwürdige Stimmung bereit: Keine Menschenseele lässt sich blicken, das angrenzende Städtchen scheint entvölkert. Im etwas abseits gelegenen Haus von Julies Freunden angekommen, trifft man dann auf die völlig verstörte, blinde Henriette (Margaret Mazzantini), die von einem monströsen Menschenschlächter berichtet, der alles tötet, was ihm in die Quere kommt. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich bei jenem „Wesen“ mitnichten um ein übernatürliches Etwas, sondern den infolge eines Schiffsbruches zum Kannibalen und darüberhinaus wahnsinnig gewordenen, einst wohlhabenden Geschäftsmannes Nikos Karamanlis (George Eastman), der sich seither, körperlich und geistig derangiert, nurmehr von Menschen ernährt.

Als hierzulande in den frühen Achtzigern der berüchtigte „Gewaltparagraph“ 131 zu greifen begann und mittelbar dafür sorgte, dass vielen Genrefilmen unter dem bürgerbevormundenenden Siegel der „bundesweiten Beschlagnahmung“ ein komplettes Aufführungsverbot zuteil wurde, gewannen einige mehr oder minder spektakuläre Werke in teils vielleicht unverhältnismäßiger Weise an Reputation und kursierten in immer abgenuldeteren Zweit-, Dritt- und Viertkopien vor allem dort, wo man sie am wenigsten sehen wollte: auf den Schulhöfen. Insbesondere der durch die zuständigen Amtsgerichte angefeuerte Reiz des Verbotenen, ein völlig offensichtliches, entwicklungspsychologisches Beschaffungsmotiv, trug dem Rechnung. Zu den ganz speziellen Schmutzfinken, deren Klang allein bereits pädagogische Besorgnisreflexe auszulösen pflegten, zählte Joe D’Amatos „Man-Eater“. Wer seinerzeit „mitreden“ wollte, musste den gesehen haben, oder er hatte nichts gesehen. Dabei rekurriert die damals noch ominpräsente Anrüchigkeit dieses zeitweilig nur hinter vorgehaltener Hand geflüsterten Titels aus gerade mal drei, vier Sequenzen binnen seiner knapp 88 Minuten Laufzeit, von denen wiederum im Grunde nur eine einzige für seine angeblich kaum mehr fassbare Perfidie stand und noch steht: Jene, in der George Eastman als titelstiftender Menschenfresser einen Fötus aus dem Leib einer zuvor gekidnappten und in seiner Höhle versteckten, hochschwangeren Frau (Serena Grandi) reißt, um ihn vor den Augen des hilflosen Gatten (Bob Larson) und Kindsvaters zu verspeisen. Tatsächlich war D’Amato im Nachhinein offenbar selbst der Auffassung, hier hätte er seine „eigenen Grenzen überschritten“ (zit. nach Schifferle: „Die 100 besten Horror-Filme“, unter denen der Autor „Man-Eater“ völlig zurecht einen Platz einräumte) und nach wie vor streiten sich selbst abgebrühte Aficionados darüber, ob sowas denn nun wirklich nötig gewesen sei. Dereinst wurde gar über eine potenzielle Körperverletzung des Publikums debattiert und somit quasi ein „lebendes Objekt“ zur Argumentation wider die bedingungslose Kunstfreiheit gefunden.
Was viele Jahre später hinter all der aufgescheuchten Aufgeregtheit bleibt, ist ein in seiner unzensierten Fassung nach wie vor beschlagnahmter Film, der ein Musterbeispiel für in jeder Hinsicht gelungenes italienisches Exploitationkino bietet. Joe D’Amato/Aristide Massaccesi und sein oftmaliger Kollaborateur George Eastman/Luigi Montefiori schufen ein herausragendes Genrestück, das gleich von Beginn an mit einer omnipräsenten Bedrohlichkeit hausieren geht. Das ultimative Böse wartet in den Schatten, nicht greifbar, aber sich doch unmissverständlich ankündigend in der unheilvollen Synthesizer-Musik (Marcello Giombini), in den erschrockenen Weissagungen einer Tarotkarten legenden Mitreisenden (Zora Kerova), in der vergeisterten Stadt auf der handlungsortstiftenden Insel mit ihren leerstehenden, feudalen Gebäuden. Der über zwei Meter große George Eastman schließlich ist eine echte Schau als in jeder Hinsicht verwilderter „Regressionsmensch“, der sich nach seinen schrecklichen Erlebnissen auf hoher See vom respektierten Oberklasse-Bürger zu einem entstellten Troglodyten und wandelnden Atavismus zurückentwickelt hat und anstelle teurer Austern nurmehr rohe Eingeweise schlürft. Wo man die Ägäis als Mitteleuropäer vor allem mit antiker Hochkultur, Sonne und mediterraner Schönheit assoziiert, wirkt sie bei D’Amato mit ihren von den Nordwinden zerklüfteten, bewölkten, bald kargen 16mm-Bildern wie ein Vorhof des Hades, in dem D’Amato und Eastman ihre Todgeweihten zum Diner laden. Dass „Anthropophagus“ ganz gewiss nicht für jedermann ist, steht außer Frage, aber wer ihn schätzt, schätzt ihn dafür umso leidenschaftlicher.

8/10

LA BATTAGLIA DEI MODS

Zitat entfällt.

La Battaglia Dei Mods (Siebzehn Jahr, blondes Haar) ~ I/BRD 1966
Directed By: Franco Montemurro

Wie jeden Abend spielt der Beat-Gitarrist Ricky (Ricky Shayne) in einer Liverpooler Mod-Kneipe, um sich ein paar Brötchen zu verdienen und wie so oft kreuzen die gegnerischen „Rockers“ auf, um die rivalisierende Subkultur aufzumischen. Diesmal wird jedoch ein Messer gezückt, das versehentlich im Unterleib von Rickys Freundin Mary (Cristina Gaioni) landet. aus Angst vor einer Mordanklage flieht der junge Mann über London, Paris und Genua nach Rom, wo sein gesellschaftlich etablierter Vater Robert Fuller (Joachim Fuchsberger) als Ingenieur in gehobener Stellung tätig ist und kurz davor steht, seine Verlobte Sonia (Elga Andersen) zu ehelichen, die ihrerseits sogleich ein Auge auf den rebellischen Ricky wirft. Dieser bevorzugt jedoch Sonias nicht halb so verruchte, jüngere Schwester Martine (Eleonora Brown), die eine verfängliche Situation zwischen Sonia und Ricky natürlich falsch interpretiert. Ricky spielt sich seinen Frust bei einem Non-Stop-Rekord-Versuch in einem Beatclub von der Seele, als Martine dort auftaucht. Ricky lässt die Gitarre Gitarre sein und verfolgt Martine und ihre elitären Freunde bis zu Martines Haus, wo man sie gerade zu einem Striptease nötigt, als Ricky im letzten Moment auftaucht und die ganze Bande verprügelt. Der Weg in eine rosige Zukunft steht ihm und Martine nun endgültig offen.

Die Ersinner von „La Battaglia Dei Mods“ hatten wohl eine mäßige Ahnung von den in England keimenden, jugendlichen Subkulturen und versuchten, diese für ihr etwas wirres Jugenddrama auszubeuten. Da auch Luggi Waldleiners Roxy-Film ihre produzierenden Finger mit im Spiel hatte, wurde sogleich der Versuch unternommen, einen möglichst breiten, international zugkräftigen „Zielgruppen“-Konsens zu erzwingen, was dazu führte, dass man gleich zwei bei den Kids angesagt Schlagerträllerer für den Film verpflichtete: Ricky Shayne, ein französisch-libanesischer Rock’n’Roll-Rebell und Mädchentraum mit wildem Schopf (von dem meine Mutter mir berichtete, mit 14 einen BRAVO-Starschnitt in Lebensgröße an der Kinderzimmerwand gehabt zu haben), der just dabei war, in der Bundesrepublik mit englisch-, italienisch- und natürlich deutschsprachigen Schmalzrockern die Erfolgsleiter zu erklimmen, bekleidete die (freilich von Claus Jurichs nachsynchronisierte) Hauptrolle und Udo Jürgens stand für zwei Auftritte (als reisender Barde Udo) bereit, in denen er keinen Sprechtext aufzusagen, sondern lediglich zwei Ohrwürmer zum Besten zu geben hatte: das deutsche Titelstück natürlich und „Merci, Chérie“. Wie es im deutschen Unterhaltungsfilm jener Tage üblich war, werden diverse noch so hanebüchene Drehbuchstellen als Anlass missbraucht, einen weiteren Schlager zu präsentieren. Dass Ricky Shaynes Akustikklampfe dabei plötzlich unter Strom steht oder eine ganze Band zu hören ist, wo man gar keinen sieht, dürfte das unbedarfte Publikum ebensowenig gestört haben, wie Shaynes oftmals asynchroner und im Verhältnis zum Tonspurgebrüll völlig emotionsentleerter Gesang. Herrlich sind auch die Annäherungsversuche zwischen Ricky und seinem von Blacky Fuchsberger gespielten Vater, die den tiefen Keil zwischen den Generationen widerspiegeln sollen und aus denen natürlich der pfeiferauchende, alte Spießer regelmäßig als intellektueller Gewinner hervorgeht. Dass der Film trotzdem ganz schön ist, verdankt er vor allem zwei Tatsachen:  darin, dass er, wenn auch lediglich extrem rudimentär und zur Alibifunktion, ausnahmsweise einmal alternative Jugendkulturen porträtiert (auch für Hippies, Gammler und Bohémiens hat der Film ein großes Herz), liegt bereits ein progressiv zu nennendes Ansinnen; dass er seinen Helden außerdem ohne den moralinsauren Zeigefinger gewähren und sein Glück finden lässt, ein Weiteres.

6/10

SAMURAI COP

„I want bigger.“

Samurai Cop ~ USA 1991
Directed By: Amir Shervan

Um dem Yakuza-Ableger von L.A. Herr zu werden, hat Detective Frank Washington (Mark Frazer) dafür gesorgt, dass sein in japanischer Lebensart erfahrener Kumpel Joe Marshall (Mathew Karedas) aus San Diego herbeordert werden konnte. Gemeinsam gibt das schlagkräftige Duo Gangsterboss Fujiyama (Cranston Komuro) und seinem Oberkiller Yamashita (Robert Z’Dar) ordentlich Zunder.

„Samurai Cop“ ist einer der Filme, bei denen man unentwegt zweimal hinschauen muss, um zu glauben, was sich da vor den Augäpfeln entrollt. Das Teil ist so unglaublich, dass man sich einer bislang geheimgehaltenen Art von Gehirnwäsche unterzogen fühlt. Ist das jetzt ernst gemeint, was Autor und Regisseur Amir Shervan uns da zeigt, oder hatte er bloß eine subversive Komödie mit parodistischer Tünchung im Sinn? Zu hoffen bleibt eigentlich nur Letzteres, denn im anderen Falle müsste man Shervan und sämtliche Kollaborateure, die ihm bei der Realisierung von „Samurai Cop“ behilflich waren, wahlweise der Tollwut oder der Imbezilität verdächtigen. Der Film erzählt ein Nichts an Geschichte, und das auch noch mit stolz geschwellter Brust, die Dialoge wirken wie von einem Sechsjährigen nach übermäßigem Colagenuss verfasst, die Darsteller stammen, zumindest mit Ausnahme von Robert Z’Dar, den man ja aus und als „Maniac Cop“ Matt Cordell kennt, vermutlich zum Großteil aus der kalifornischen Pornofilmindustrie (wie überhaupt die gesamte „Form“ des Films an die Aberhunderten von DTV-Pornos erinnert, die zu dieser Zeit im Golden State am Fließband entstanden) und dass der aus dem Iran stammende „Regisseur“ jemals auch nur ein Kabel aufgerollt hat, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Garantiert nichts stimmt hier, alles ist am falschen Platz, grotesk missgestaltet, unordentlich, zerfleddert und, nicht zuletzt, dazu angetan, einem die Schamesröte ins Gesicht zu treiben. Insofern ist „Samurai Cop“ natürlich auch eine veritable Fundgrube für Baddie-Enthusiasten und wahrscheinlich einer der größten Käsefilme, die in den USA je fertiggestellt werden konnten. Denn: so unfassbar dämlich dieses Werk ist, so liebenswert ist es auch. Nachdem man seine Wahrnehmungsantennen erst entsprechend justiert hat und herausgefunden hat, wie man mit „Samurai Cop“ arbeiten kann, stellt sich angesichts seiner selbstzufriedenen Debilität ein glucksendes Glücksgefühl von sattmachender Passivität ein. Diese äußert sich dann in geplätteter Haltung im Sessel oder auf der Couch, den Mund halb offenstehend, die Augen weit aufgerissen und diese Position lediglich durch vereinzelte Kiekser aus Richtung des Zwerchfells unterbrochen. Dem geistsschwachen Flair des Films passt sich ergänzend die deutsche Synchronisation an, die ganz offensichtlich kongenial zu den Orginaldialogen gefertigt wurde und ein beispielloses Feuerwerk rhetorischer Belanglosigkeiten kredenzt.
Ein Film, der die Welt um ein gutes Stück ihrer Komplexität erleichtert und sie dadurch vielleicht sogar ein wenig besser macht.
Wie ich lese, naht auch hiervon (wie im kaum minder notorischen Falle „Deadly Prey“) ein Sequel. Das sollte man gewiss nicht versäumen.

5/10

WAR OF THE SATELLITES

„We’re up against a race of beings whose intelligence is as ours to ants and bacteria!“

War Of The Satellites (Planet der toten Seelen) ~ USA 1958
Directed By: Roger Corman

Die Astro-Wissenschaftler Pol Van Ponder (Richard Devon) und Dave Boyer (Dick Miller) haben bereits mehrere bemannte Satelliten ins All geschossen, die jedesmal beim Versuch, eine seltsame Energiebarriere zu durchstoßen, verglüht sind. Den endgültig letzten Versuch wollen Van Ponder und Boyer selbst bestreiten, da entpuppet sich eine außerirdische Rasse als Urheber des tödlichen Feldes. Die Menschen hätten sich gefälligst nicht ins All vorzuwagen, lassen sie verlauten, und sollten doch besser auf der Erde bleiben, wo sie am Besten aufgehoben wären. Angesichts der dräuenden Überbevölkerung ist eine Kolonisierung des Weltraums jedoch unerlässlich. Auch von den Aliens herbeigeführte Katastrophen und ein heimlicher Austausch Van Ponders durch einen identisch aussehenden Außerirdischen hält Dave Boyer nicht davon ab, den Satellit wie geplant zu starten. An Bord des Raumgefährts zeigt Van Ponders Doppelgänger sein wahres Gesicht, doch Boyer kann ihn in letzter Sekunde unschädlich machen und den Satelliten auf Kurs halten. Der Weg ins All steht der Menschheit offen.

Obschon sicherlich etwas weniger einfältig als der zuvor besprochene „The Green Slime“ kann sich auch „War Of The Satellites“ nicht manch berechtigter, ideologischer Kritik freisprechen. Auch hierin ist das menschliche Selbstverständnis als „Krone der Schöpfung“ der Hauptmotivationsfaktor für den von Corman-Regular Dick Miller gespielten Helden: Seine Argumentation vor dem UN-Rat, die geplante Expedition trotz der eindeutigen Übermacht der Aliens durchzuführen, ist die folgende: Wenn man dem potenziellen Gegner keine militärische Stärke zeige und sich vor dessen Einschüchterungsversuchen beuge, so Boyer, mache man sich zum Sklaven und müsse in permanenter Angst vor willkürlicher Zerstörung durch die Übermacht leben. Das Durchbrechen der Energiebarriere dient im Endeffekt also weniger dem ursprünglich maßgeblichen Zweck, der irdischen Überbevölkerung Herr zu werden als vielmehr einem Schwanzvergleich zwischen Menschen und Extraterrestriern. Warum diese die Erde nicht endgültig vernichten, nachdem alle Versuche, die Weltraumexkursionen zu stoppen, misslungen sind, obwohl sie doch eindeutig die Mittel dazu besäßen, bleibt ebenso das Geheimnis des Drehbuchs wie das Faktum, warum das außerirdische Van-Ponder-Substitut plötzlich durch einen einfachen Pistolenschuss getötet werden kann. Nichtsdestotrotz kann sich „War Of The Satellites“ als etwas kleinformatigerer Beitrag zu der von Paranoia gezeichneten Invasionsfilmwelle der Fünfziger behaupten und ergänzt diese recht ordentlich. Er ist sozusagen der etwas protzige Manschettenknopf am von Wise, Siegel, Hawks und all den anderen maßgeschneiderten, edlen Sakko.

6/10

THE GREEN SLIME

„The only answer is to blast that thing out of the sky.“

The Green Slime (Monster aus dem All) ~ J/USA 1968
Directed By: Kinji Fukasaku

In der Zukunft gehören Weltraumreisen längst zum Alltag der Menschen. Zu Forschungszwecken errichtete Raumstationen  wie „Gamma-3“ schweben im Orbit unseres Planeten und beherbergen viele Mitarbeiter. Als sich ein riesiger Asteroid der Erde nähert, erwägt man, diesen mit Wasserstoffbomben zu sprengen. Für den Job zieht man den erfahrenen Commander Jack Rankin (Robert Horton) hinzu. Dieser fliegt via Zwischenstation auf Gamma-3, die von Vince Elliott (Richard Jaeckel), seinem alten Freund und späteren Liebesrivalen um die Gunst der schönen Ärztin Lisa Benson (Luciana Paluzzi) befehligt wird, mit einer Rakete dem Asteroiden entgegen und macht das Ding wie geplant unschädlich. Ohne es zu bemerken, schleppt einer der mitgereisten Astronauten ein paar außerirdische, grüne Sporen mit an Bord von Gamma 3, die sich rasend schnell zu einem glubschäugigen, mannshohen Tentakelmonster entwickeln, das ebenso rasch identische Ableger bekommt.  Mit normalen Feuerwaffen kann man den Biestern nicht beikommen und jede Verletzung bringt wieder ein neues Monster hervor. Es bleibt nur eine Lösung, um die Menschheit zu retten: Gamma-3 muss evakuiert und gesprengt werden…

Unter japanischer Ägide entstandener Monsterheuler mit amerikanischer Besetzung. Freude an ihm machen vor allem die psychedelisch swingenden Spätsechziger-Marotten, die sich unter anderem in den flotten Sounds von Charles Fox manifestieren. Auf Gamma-3 wird nämlich nicht nur geforscht, sondern auch zu schmissigen Beats das Tanzbein geschwungen. Hinsichtlich seiner utopistischen Implikationen und auch in Bezug auf seine militaristischen Jubelsänge ist „The Green Slime“ indes ähnlich doof wie seine zyklopischen Tentakelviecher: Mit Robert Horton als Jack Rankin stellt man uns einen selbstherrlichen, strikt hierarchisch orientierten Kommisskopf als Helden vor, der in grenzenloser Weise von sich selbst überzeugt ist und keine Gelegenheit auslässt, seinen früheren Kumpel vorzuführen und ihm die Verlobte abspenstig zu machen. Ein Kotzbrocken als primärer Sympathieträger, das birgt schon ein gewisses Risiko in sich. Glücklicherweise nimmt Rankin soldatische Pflichterfüllung und Aufopferung ebenso wichtig wie sein selbstauferlegtes Amt als Freundschaftssau, so dass er ganz im Sinne irdisch-abendländischer Imperialismuskultur sämtliche der zugegebenermaßen hässlichen Aliens von der Platte putzt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass diese möglicherweise gar keine offenen kriegerischen Absichten hegen, sondern ganz einfach ein unglückseliges Völkchen parasitärer Monstren sind, die man eben schon aufgrund ihres subästhetischen Äußeren umgehend zu entsorgen hat.
Ich will nicht soweit gehen, dahinter faschistoide Implikationen zu wittern, dafür ist „The Green Slime“ dann doch zu amüsant, zu lustig und zu unschuldig. Aber wirkliche Ehre macht er seiner just zur selben Zeit mit wirklich großer Filmkunst liebäugelnden Gattung auch nicht unbedingt.

5/10

A PERFECT DAY

„Follow the granny.“

A Perfect Day ~ E 2015
Directed By: Fernando León de Aranoa

Der Balkan, 1995. Mambrú (Benicio Del Toro) und B (Tim Robbins) sind bereits zwei alte Hasen bei den „Helfern ohne Grenzen“. Ihr beruflicher Alltag besteht darin, zum Sound klassischer Punksongs im Autoradio sie in ihren Geländewagen durch die Berge zu brettern und der vom Jugoslawienkrieg gezeichneten Zivilbevölkerung bei der Lösung alltäglicher Probleme zu helfen. Aktuell ist eines davon die Leiche eines dicken Mannes, der vorsätzlich in einen Brunnen geworfen wurde, um die Bewohner der umliegenden Dörfer von ihrer Grundwasserversorgung abzuschneiden. Nachdem der erste Versuch, den Körper zu bergen, misslingt, entwickelt sich aus dem so lapidaren Problem eine kleine Staatsaffäre. Mambrú kann die Blauhelme nicht von der Dringlichkeit der Bergungsaktion überzeugen, es lässt sich nirgendwo ein Seil auftreiben, ein Waisenjunge (Eldar Residovic) gerät ebenso ins Spiel wie Mambrús frühere Geliebte Katya (Olga Kurylenko), jetzt Krisenanalytikerin. Gemeinsam mit den noch berufsfrischen Sophie (Mélanie Thierry) und dem einheimischen Dolmetscher Damir (Fedja Stukan) versucht die buntgemischte Truppe, das Beste aus der verfahrenen Situation zu machen.

Die Balkankriege sind, bis auf wenige hier und da immer wieder aufblitzende Ausnahmen im Kino noch immer ein recht unbehauenes Feld. Warum, das lässt sich lediglich mutmaßen – zum einen dürften die infolge unterschiedlichster ethnischer und religiöser Verflechtungen entbrannten Bürgerkriege in ihren verworrenen Ausmaßen schlicht zu komplex sein, um sie einem historisch möglicherweise unbedarften Publikum aufzutischen, zum anderen weiß man ja zur Genüge, dass kombattante Konflikte, in denen die USA bestenfalls eine sekundäre, wenn nicht gar tertiäre Rolle einnahmen, nur selten die Aufmerksamkeit zumindest der Hollywood-Studios im Hinblick auf eine filmische Dramatisierung genießen. „A Perfect Day“ stammt aus spanischer Produktion, obschon für ihn mit Benicio Del Toro, Tim Robbins und Olga Kurylenko zumindest drei ansehnliche Stars von internationalem Rang verpflichtet werden konnten. Er begeht nicht den Fehler, sich auf politische Details zu konzentrieren oder sich gar jedweder Parteinahme zu verschreiben. Soldaten, ob Blauhelme oder Milizen, spielen nur eine ganz marginale Rolle und erscheinen stets wie ungebetene Fremdkörper an narrativen Ausbrechern der Geschichte. Tatsächlich geht es vorrangig um die humanitären Helfer und ihren Alltag, respektive das aktuelle Problem , das es zu lösen gilt. Einblicke in den Krieg und seine Folgen für die leidende Landesbevölkerung gibt es ebenfalls: Der Mambrú unterwegs begegnende kleine Nikola (Residovic) lebt bei seinem Großvater, ohne (im Gegensatz zu jenem) zu ahnen, dass seine Eltern längst zu Opfern „ethnischer Säuberungen“ geworden sind und im Innenhof des Familienhofs an Stricken baumeln. Nikolas ganzer Lebenszweck ist ein Spielball. Mambrú nimmt sich Nikolas an und erhält durch den gewieften Jungen immer wieder unerwartete Hilfestellungen. In ihm wähnt Mambrú so etwas wie einen letzten Hoffnungsschimmer der Unschuld im allgegenwärtigen Chaos, muss am Ende jedoch verzweifelt einsehen, dass auch dieses Kind längst keine Kindheit mehr hat. „A Perfect Day“ geht nie den offensichtlichen Weg des Hyperdramatischen; stattdessen pflegt er einen leisen, feinen Humor und zeigt den Bürgerkrieg als das, was er letzten Endes war (und vor wechselnder Kulisse auf absehbare Zeit bleiben wird): als einen leider unvermeidbaren Teil Zeitgeschichte, als ein fürchterlich überflüssiges, aber eben nicht wegzuleugnendes Furunkel am Arsch menschlicher Schwäche und Ignoranz. Nicht nur in diesem Punkt ist er zu sich selbst und auch zu seinem Publikum wesentlich ehrlicher als die meisten anderen Kriegsfilme.

8/10

THE DIABOLICAL

„What do you know?“

The Diabolical ~ USA 2015
Directed By: Alistair Legrand

Die junge, ihre beiden Kinder alleinerziehende Mutter Madison Heller (Ali Larter) hat gleich zwei Probleme: Zum einen neigt ihr überdurchschnittlich intelligenter Sohn Jacob (Max Rose) zu mitunter aggressivem Verhalten, zum anderen spukt es in ihrem Haus. Immer wieder erscheinen unterschiedliche, geisterhafte Wesen, darunter ein glatzköpfiger Mann (Kurt Carley) in Anstaltskleidung und ein mehr einem unförmigen Klumpen rohen Fleisches gleichendes, bestenfalls menschenähnliches Wesen, das sich nur kriechend fortbewegt. Beide Manifestationen tauchen stets in unterschiedlicher Intensität auf; manchmal gleichen sie nur einem Flimmern, dann erscheinen sie wieder als feste Körper. Diverse Parapsychologen haben bereits fluchtartig Madisons Haus verlassen; jetzt macht ihr die obskure Firma CamSET ein Angebot zur Übernahme des Hauses, was ihr angesichts ihrer aktuellen finanziellen Situation durchaus zupass käme. Doch plötzlich können Jacob und sein Schwesterchen Haley (Chloe Perrin) das Haus nicht mehr verlassen, ohne epileptische Erstickungsanfälle zu bekommen. Möglicherweise verspricht Jacobs Privatlehrer, der physikalisch bewanderte Nikolai (Arjun Gupta), zu dem Madison außerdem ein Verhältnis pflegt, Abhilfe aus der verfahrenen Situation. Doch da entdeckt Madison, dass Nikolai früher selbst bei CamTECH beschäftigt war…

Schade, eine verpasste (oder gar verpatzte?) Chance. Nicht, dass die sich mit breiter Selbstverständlichkeit aus diversen, mit ähnlichen Ingredienzien garnierten Genrefilmen von „Twelve Monkeys“ über „Donnie Darko“, „Los Cronocrímenes“, „Triangle“, „Devil’s Pass“ und jüngst „The Babadook“ bedienende Story einen Innovationspreis verdient hätte, gibt die Zeitreise-Thematik ja dennoch stets eine interesante Basis ab, zumal, wenn sie sich, wie im vorliegenden Falle, eine Parallelisierung mit dem Horrorfilm, respektive dessen Haunted-House-Subgenre erschließt. An einigen Abzweigungen stimmt dann auch zumindest mancherlei – in die Kreierung der Spezialeffekte hat man ein gutes Pfund Arbeit gesteckt, dessen Resultate sich durchaus sehen lassen können; das Publikum möglichst lange Zeit im Dunkeln tappen zu lassen, bis sich die Wahrheit dann nach und nach erschließt, ist grundsätzlich auch ein zu begrüßender Drehbuchkniff. Dennoch scheitert der Film an seinen eigenen Ansprüchen. Das Script wirkt oftmals verworren und behelfsmäßig an vielen Ecken und Rändern notverklebt und mit glühend heißer Nadel gestrickt; diverse, teils der brüchigen Logik, teils der lückenhaft erzählten Story geschuldete Fragen werden aufgeworfen, nur, um dann (bewusst?) nicht beantwortet zu werden. Lose Fäden entstehen allerorten und fransen den Film zusehends aus; der relativ komplexe, wissenschaftliche Hintergrund des ganzen Brimboriums gibt sich mit selbst mir als Volllaien allzu unbefriedigenden Ausflüchten zufrieden. Schließlich begeht Debütant Alistair Legrand etliche Kardinalsfehler, die einem über ein relativ stattliches Budget verfügenden Regisseur nicht unterlaufen sollten. Hauptdarstellerin Ali Larter ist zwar immer noch hübsch anzuschauen, ihrer Rolle jedoch nicht gewachsen (selbst die beiden Kinderdarsteller stechen sie locker aus) und der Musik- und Toneffekteeinsatz geriert sich leider nur halbherzig. Das ist in der Summe schlicht zu viel an Defizitärem, um es einfach ignorieren oder wegdiskutieren zu können, was ich wie oben erwähnt bedauerlich finde, da man den ursprünglichen Anspruch, der zu Beginn gewiss hinter dem Projekt stand, noch immer unumwunden erspüren kann. Es scheint beinahe so, als habe irgendwer Legrand und/oder der filmischen Postproduktion irgendwann einfach den Hahn abgedreht, um das Ding endlich zur Aufführung bringen zu können. Vielleicht war’s ja einer von CamSET, die haben da ja eh fast alle Dreck am Stecken.

4/10