DIO, SEI PROPRIO UN PADRETERNO!

Zitat entfällt.

Dio, Sei Proprio Un Padreterno! (La Pistola) ~ I/F 1973
Directed By: Michele Lupo

Unter einigem Medienecho kehrt der berühmte Mafiaboss Frankie Diomede (Lee Van Cleef), genannt „Frankie Dio“ aus den USA zurück nach Genua, um das Geschäft in der alten Heimat wieder selbst in die Hand zu nehmen. Konkurrent Louis Annunziata (Jean Rochefort) bemächtigt sich nämlich systematisch und unbarmherzig Diomedes Organisation und Aktiva. Selbst ein kluger Rachetrick, der der Ausschaltung von Annunziatas Kompagnon Joe Sciti (Mario Erpichini) gilt, schlägt fehl: Diomede muss ins Gefängnis. Glücklicherweise landet er dort just mit seinem größten Bewunderer, dem Kleinganoven Tony Breda (Tony Lo Bianco), der ihn anhimmelt wie einen Filmstar. Allein Bredas Geschick und unbedingter Loyalität ist es schließlich zu verdanken, dass der bald allein dastehende Diomede aus dem Knast entkommen, über die Grenze nach Marseille fliehen und Annunziata dort aushebeln kann.

Das ist doch mal was für Vatters Sohn. Zwar ist Lupos Verbundenheit zur actionlastigen Komödie allseits präsent, dennoch schlägt er immer wieder den Bogen zum unerbittlichen Gangsterfilm, was eine auf den ersten Blick eigenartig anmutende, letztendlich jedoch passgenau Mischung feilbietet. Riz Ortolanis Musik verdeutlicht diese beiden Gegenpole durch zwei Hauptthemen, eins ist im gutgelaunten Ragtime-Stil gehalten, das andere kommt als funkiger Seventies-Pop, wie er repräsentativ für das italienische Kino ist, um die Ecke. Der leicht verschmitzte Halunke, den Van Cleef so gern und regelmäßig im Italowestern gab, ist auch in Frankie Dios Persona noch enthalten, allerdings vermengt er sich mit dem gnadenlosen Capo, der, was seine private Agenda angeht, keinesfalls mit sich spaßen lässt und knüppelhart zu Werke geht. Ähnliches gilt für seine Konkurrenz, deren Vorgehen Frankie Dios Aggressionspotenzial erst zur Gänze entfesselt. Tony Lo Bianco als etwas schmieriger Maulaffe, der in seinem Heimatviertel besonders als Aufschneider populär ist, bildet dazu ein hervorragendes Gegengewicht – als eine Art liebenswerter Eulenspiegel liegt ihm trotz all seiner Bewunderung (er hat ein riesiges Poster von Frankie Dio an der Wand seiner Wohnung) für das organisierte Verbrechen nichts ferner als ernste Gewaltanwendung. Als er nach einer der formidabelsten Verfolgungsjagden des gesamten Kinojahrzehnts im Showdown, den Frankie Dio schon aufgrund seiner privaten Motivation praktisch allein bestreitet, einem Widersacher in die Beine schießt, ist er völlig entsetzt über seine Aktion und somit faktisch geheilt von allen bisherigen kriminellen Umtrieben. Edwige Fenech als Tonys Freundin hat erwartungsgemäß die Hauptaufgabe, ihre physischen Reize zu demonstrieren, Romano Puppo gibt Annunziatas rechte Hand; der klotzbirnige Claudio Undari ist als Bohrmaschinenkiller an Bord und Joe D’Amato als Co-Dp. Ich glaube, allein dieses Personal spricht Bände.

8/10

THE SHALLOWS

„Get out of the water! Shark!“

The Shallows ~ USA 2016
Directed By: Jaume Collet-Serra

Die junge Medizinstudentin Nancy (Blake Lively) fährt während eines Mexikotrips mit ihrer Freundin zu einer einsam gelegenen Bucht, um dort zu surfen und die Natur zu genießen. Der idyllische „Geheimtipp“ erweist sich jedoch schon bald als veritabler Albtraum – Nancy übersieht nämlich den im Wasser treibenden Kadaver eines Buckelwals, der einem riesigen weißen Hai als Futtertafel dient. Als sie die maritime Naturgewalt bemerkt, ist es bereits zu spät, Nancy kann sich, eine tiefe Wunde im Oberschenkel, gerade noch auf ein kleines Felsenriff retten. Da der Hai sie belagert, hat sie keine Chance, bis zum Ufer zu kommen. Zudem wird jeder, der sich ins Wasser verirrt, um ihr zu helfen, von dem Tier getötet.

Collet-Serras „The Shallows“ bewegt sich auf hinlänglich gewohntem Terrain: Der Ozean, ein überschaubares Personeninventar, ein oder mehrere gefräßige Haie, ein Duell auf Leben und Tod. Das hatten wir ganz ähnlich schon im großen Urvater des Subgenres, „Jaws“, dessen immer noch beängstigend perfekt gesetzte dramaturgische und formale Standards für jeden normalsterblichen Filmemacher ohnehin unerreichbar sind und das wurde in diesem Jahrtausend bereits in „Open Water“und „The Reef“ neuerlich abgefrühstückt. Vor allem im Fahrwasser des letzteren bewegt sich der recht analog gestaltete „The Shallows“: Das einsame Riff als Zufluchtsort, die Belagerung durch den Hai, die zermürbende Situation durch Sonne, Durst und Hunger, die unmögliche Flucht. Der Spanier Caullet-Serra, der recht vielversprechend als Genreregisseur gestartet ist und zuletzt vornehmlich damit befasst war, Liam Neesons Zweitkarriere als alternder Actionstar mitzukonstruieren, verpasst dem bekannten Szenario allerdings einen postmodernen Chic nebst ausgesuchtem visuellen Zeitmaß: Handydisplay oder Digitaluhr werden als Informationsquelle für den Zuschauer ins Bild eingearbeitet [ich glaube, das gab es so ähnlich bereits bei dem von mir (noch) nicht geschauten „Non-Stop“], die Ästhetisierung der zu Beginn angesetzten Surfszene mit unterschiedlichen Slo-Mos und grauenhaftem Girl-Rap aus dem Off besitzt in etwa die Finesse eines Werbeclips. Dann jedoch taucht glücklicherweise irgendwann der eigentliche Star und Protagonist des Films auf, der Hai. Das am Rechner generierte Prachtexemplar dürfte in etwa die Größe des guten, alten Bruce erreichen und beeindruckt insofern bereits allein durch seine Proportionen. Nachdem ferner Monsterhaie zuletzt fast ausschließlich in allerlei Asylum- und artverwandtem Humbug mit zwei Köpfen, im Flug oder anderweitig mutiert und deplatziert  zu sehen waren, somit zugunsten vorsätzlicher trash attitude jedweder natürlichen Bedrohlichkeit enthoben wurden und selbst in halbwegs effektkompatibel budgetiertem Stoff wie „Shark Night“ durch ihre armselige Animation enttäuschten, ist „The Shallows“ zumindest diesbezüglich ein gewaltiger Schritt nach vorn. Der Hai selbst sowie seine Bewegungen und Attacken sehen nämlich grandios real aus und machen die frühere Künstlichkeit von CGI nahezu vergessen. Nur in seltenen Momenten lässt sich überhaupt noch feststellen, dass man es hier mit einem Digitalmonster zu tun hat. Entsprechend Freude machen die regelmäßig angesetzten Begegnungen mit dem Fisch, den die immerhin appetitlich anzusehende Blake Lively leider deutlich an zeitlicher Leinwandpräsenz übertrifft. Die hilflos-albernen Versuche, ihr Charakterisierung und Motivationspsychologie angedeihen zu lassen (unter anderem leidet sie darunter, dass ihre Mutter einst den Kampf gegen den Krebs verloren hat und kann dieses Trauma jetzt aufarbeiten), sind letztlich nicht mehr als plumpes runtime fishing und beschädigen den Film mehr als dass sie ihn voranbringen. Die Eindrücke bleiben also gemischt und künden von der einen oder anderen verpassten Chance.

6/10