SO LONG AT THE FAIR

„But you came here alone.“

So Long At The Fair (Paris um Mitternacht) ~ UK 1950
Directed By: Terence Fisher/Anthony Darnborough

Mai 1889: Die englischen Geschwister Vicky (Jean Simmons) und Johnny Barton (David Tomlinson) besuchen während ihrer ausgedehnten Festlandreise auch die Weltausstellung in Paris. Gemeinsam mieten sie sich in einem gemütlichen Hotel ein, während die Seine-Metropole vor Touristen aus aller Herren Länder überquillt. Nach einem ausgedehnten Gang durch die abendliche Stadt findet man sich wieder im Gästehaus ein. Am nächsten Morgen erlebt Vicky eine schlimme Überraschung: Nicht nur Johnny ist wie vom Erdboden verschluckt, auch sein gesamtes Zimmer ist plötzlich verschwunden. Zu allem Überfluss behauptet die Hotelbelegschaft, Johnny nie gesehen zu haben und dass Vicky gestern allein eingecheckt habe. Verzweifelt sucht die junge Dame von der Insel nach Hilfe und Zeugen und findet schließlich den Künstler George Hathaway (Dirk Bogarde), der sich von Johnny am Vorabend etwas Geld ausgeborgt hatte. Zusammen machen die beiden sich auf die Suche nach dem Vermissten und fördern Ungeheuerliches zutage.

Klassischer gothic crime, von Fisher und Darnborough versiert und geschlossen in Form gebracht. Der Plot, der als Wandersage zum Zeitpunkt der Filmentstehung bereits einige geschichtliche und kulturelle Tradition aufwies, mutet im Prinzip an wie ein glänzender Hitchcock-Stoff: Ein unbedarftes, liebenswertes Individuum, landes-, sprach- und kulturfremd, steht urplötzlich allein da, nachdem der Mitreisende sich einem Phantom gleich in Luft aufgelöst hat und durch eine Intrige nurmehr als Hirngespinst im Kopf des/der Protagonisten/in existiert. Vor allem jenes spurlose Verschwinden ist folglich angetan, höchste Irritation hervorzurufen. Jean Simmons hat uns hier freilich gleich von Anbeginn auf ihrer Seite, denn der Wissensstand des Publikums entwickelt sich analog zu dem ihren. Es erweist sich also als eindeutig, dass sie nicht verrückt sein kann und dass ihr Bruder zum Opfer einer makabren Angelegenheit geworden sein muss, die im Rahmen voluminöser Rezipientenimagination wildeste Spekulationen hervorruft. Man glaubt bereits, das in den Katakomben unter der Stadt befindliche Massengrab zu erahnen, in dem Dutzende ahnungsloser Touristen, um Hab und Gut geschröpft, verscharrt liegen – tatsächlich jedoch ist die schlussendliche Auflösung sehr viel undramatischer und zugleich auf beunruhigende Weise schlüssig. Jedenfalls regt die junge Simmons – damals gerade einmal 21 Jahre alt – sofort den Beschützerinstinkt des Zuschauers an. Umso erleichterter ist man bald, dass ihr mit Dirk Bogarde ein wackerer und tatkräftiger Held zur Seite steht, dem man sie gern anvertraut. Das Studio versuchte folglich publikumswirksam, dem Paar eine tatsächliche Liaison anzudichten, die Simmons aber fand Bogardes Kollegen Stewart Granger dann doch attraktiver und zog es vor, selbigen umgehend zu ehelichen.

8/10

SOLDIER OF FORTUNE

Zitat entfällt.

Soldier of Fortune (Running Hero) ~ I 1990
Directed By: Pierluigi Ciriaci

Nachdem er infolge seiner letzten Mission das Kurzzeitgedächtnis verloren hat, lässt sich Elitesoldat Miles (Daniel Greene) trotz anderslautender Vorsätze doch wieder für einen neuen Auftrag rekrutieren: Er soll den ausgeflippten Professor Rossi (George H. Thausanij), Experte für Flugantrienbssysteme, über die afghanische Grenze zur Abstutzstelle einer brandneuen MIG eskortieren, damit Rossi dort die Technik des Fliegers analysieren kann. Bald schon rasselt man vor Ort mit den Sowjets aneinander, derweil Miles‘ Auftrag von höherer Stelle gecancelt wird. Außerdem scheint sich nahe des MIG-Wracks in den mysteriösen Mondbergen noch ein viel größeres Geheimnis zu verbergen…

Pierluigi Ciriaci tut mir ein bisschen leid. Das, was ihm ganz offensichtlich vorschwebte, als er das Projekt „Soldier Of Fortune“ in Angriff nahm, war von Anfang an drei bis acht Nummern zu groß. Während man sich zunächst in einer Motivgemengelage zu befinden glaubt, die von Robert Ludlum über die beiden späteren „Rambo“-Filme bis hin zu „Indiana Jones“ einen ganzen Einkaufskorb voller abendländischer Genreeinflüsse verwurstet, kommt zum Schluss noch ein kräftiger Schuss SciFi hinzu, der den Film in seiner Gesamtheit endgültig so herrlich unplausibel macht, dass man ihn schon wieder mögen muss. Daniel Greene, der trotz seiner sicherlich beeindruckenden Physis immer eher ein netter Strahlebär war denn ein glaubhafter Ballermann, bleibt auch hier viel zu sympathisch, als dass man ihm den seiner Figur ins Drehbuch geschriebenen Zynismus abzunehmen bereit wäre. Da hilft es auch nichts, dass er sich (in den unpassendsten Momenten freilich) immer wieder arschcool ’ne Kippe anzündet. Doch, ich mag Ciriacis Film, obschon es dafür eigentlich überhaupt keinen vernünftigen Grund gibt. Das alte Problem, dass Schauplatz und Dreh-Location par tout keine Übereinstimmung vollziehen wollen, haben wir bei „Soldier Of Fortune“ einmal mehr. Was man uns hier als Hindukusch anzudrehen trachtet, sind nämlich in Wahrheit exakt dieselben jugoslawischen Kreidefelsen, durch die einst schon Pierre Brice und Lex Barker geritten sind. Der Amnesie-Nebenplot, ein abtrünniger Russe, der die Weltherrschaft anstrebt, Bo Svenson als einäugiger Kommisshaudegen, das damals mal ganz kurz angesagte Penthouse-Pet Danuta (Lato) in einer Nebenrolle, eine mysteriöse Schamanin im Hintergrund und schließlich eine aus dem All zurückgekehrte (und durch die Zeit gereiste!!!) Kugel – das ist für die schmalen Schultern dieses Films alles irgendwie ein bisschen viel. Kein Wunder also, dass die Story um jenes kreisrunde Artefakt quasi in zwei Nebensätzen während der letzten fünf Filmminuten abgehandelt wird. Und wenn das Kügelchen dann zum Abspann nochmal erwartungsvoll ins Bild rollt, um zu signalisieren, dass es immer noch da ist, dann beschleicht einen ganz kurz das Gefühl, Ciriaci habe hier eine verlorene Schnapswette einlösen müssen. Aber wirklich nur ganz kurz.

5/10

GLI INVASORI

Zitat entfällt.

Gli Invasori (Die Rache der Wikinger) ~ I/F 1961
Directed By: Mario Bava

Schottland, um das Jahr 1000. Der machthungrige Edelmann Rutford (Andrea Checchi) sorgt nicht nur dafür, dass das ganze Dorf des an der Küste lebenden Wikingerhäuptlings Harald (Folco Lulli) niedergemetzelt wird, er lässt nebenbei auch noch den armen König Lotar (Franco Ressel) meucheln. Während der ältere Sohn Haralds, Eron, zurück über den Atlantik fliehen kann und Jahre später als stattlicher Krieger (Cameron Mitchell) die Geschicke seines Stammes lenkt, landet der jüngere Erik in der Obhut der nunmehr verwitweten Königin Alice (Françoise Christophe). Als Erwachsener (George Ardisson) eiß Erik nicht um seine wahre Herkunft und zieht gegen sein eigenes Volk in die Schlacht. Nur durch Zufall erkennen die einst getrennten Brüder während eines Zweikampfes ihre Zusammengehörigkeit und stellen sich dann gemeinsam gegen den intriganten Rutford.

Mario Bava verzeiht man angesichts seiner von fast kindlicher Begeisterung genährten Fabulierlust und der üblichen Farbextravaganzen, die seine von ihm selbst gelenkte Kamera auch in „Gli Invasori“ wieder entfesselt, eine ganze Menge. Wie kaum ein anderer verstand der Maestro es ja, die Kinoleinwand buchstäblich zu bemalen, in leuchtende Primärfarben zu tauchen und die vor allem in seinen Abenteuerfilmen und Western eher mit der Spekulation liebäugelnden Inhalte fast gänzlich hinter der glänzenden Form des Technikers verschwinden zu lassen. Der vorliegende Wikingerfilm, einer von „zweieinhalb“, an denen Bava (mit-)werkelte, bildet da keine Ausnahme. Vor allem die Szenen in der Burg der Nordmänner (die vermutlich in Dänemark liegen soll), sind von beeindruckender Exponiertheit. Wer Bava selbst nur oberflächlich kennt, weiß, dass er vor allem gern mit Violett-, Grün-, Gelb- und Blautönen herumspielte, Nebel und Dämpfe in den entsprechenden Farben wallen oder eben Felswände in mysteriösen Gemäuern und Höhlen davon beleuchten ließ. Man wartet bereits zu Beginn eines Bavas geradezu sehnsüchtig auf die entsprechenden, artifiziellen Volten und ist dann umso seliger, wenn sie dann endlich erscheinen. Dass Britannien und Dänemark (?), von den vorgestellten Bauten und Kostümen ganz zu schweigen, keinesfalls nach dem aussehen, was sie repräsentieren sollen, sondern vielmehr eindeutig nach mediterranen Drehorten und aus Antikfilmen stammender, behelfsmäßig umgeschneiderter Garderobe, ist geschenkt. Hier darf und soll man entsprechende Behelfsmäßigkeiten in Kauf nehmen.
Der in den Sechzigern und Siebzigern häufig in Italien arbeitende Cameron Mitchell ist hier in seinem ersten von drei Bava-Engagements zu sehen und bereitet unter wasserstoffblondem Haarteil zusätzlich viel Freude. Eine besondere personelle Attraktion holte sich die Produktion in Form der beiden sächsischen Kessler-Zwillinge Ellen und Alice , die hier, mit 25, sozusagen in „Bestform“ befindlich waren. Als aufopferungsvolle, schnieke  Wikingerschwestern bringen sie sozusagen noch jeden Hornhelm zum schmelzen.

7/10

IPNOSI

Zitat entfällt.

Ipnosi (Nur tote Zeugen schweigen) ~ BRD/I/E 1962
Directed By: Eugenio Martín

Der Varietékünstler Georg von Cramer (Massimo Serrato), bekannt und beliebt für seine Hypnose- und Bauchredner-Tricks, wird eines Abends in seiner Garderobe erschlagen. Es steckt jedoch keinesfalls der höchst tatverdächtigte, klamme Amateurboxer Chris Kronberger (Götz George), der von Cramer zuvor beraubt hat, hinter dem Mord, sondern der Bühnentechniker Erik Stein (Jean Sorel). Jener neidete von Cramer nämlich aufs Schärfste die Beziehung mit seiner Assistentin Magda Berger (Eleonora Rossi Drago), zuvor Steins Freundin. Chris flüchtet und versucht auf eigene Faust, Stein zu überführen, derweil Inspektor Kaufmann (Heinz Drache) mithilfe von Chris‘ Schwester (Mara Cruz) Schlimmeres zu verhindern versucht…

Ein bisschen sonderbar geriert er sich ja schon, dieser leicht angestaubte Eurocrimer, der sich irgendwo zwischen deutschem Kriminaldrama, der Wallace-Serie und den ersten Gehversuchen des Giallo ansiedelt. Im Prinzip erzählt Martíns Film lediglich die Story eines Mordes aus Eifersucht mit den üblichen Folgen, durch die Ausweitung auf ein wesentlich umfassenderes Konglomerat aus Charakteren verwässert sich dieser eigentlich völlig hinreichende Nukleus jedoch und flechtet viel im Grunde unnötigen Ballasts ins Gewebe. So hat der Nebenplot um Götz George, der wie damals gewohnt, einen höchst virilen, jungen Mann spielt, der nebenbei einige tollkühne Hechtsprünge und Stunts schultert, zwar seine inhaltliche Berechtigung, wirkt bis zu seiner etwas abrupt erfolgenden conclusio jedoch seltsam alibihaft und redundant. Heinz Draches Inspektor, abgeklärt, stets Herr der Lage und selten mit Überraschungen konfrontiert, gleicht erwartungsgemäß seinen vielen Äquivalenten aus der Wallace-Reihe. Schließlich ist da der zunächst etwas undurchsichtige MacGuffin in Form der Handpuppe „Grog“, die ein unheimliches Eigenleben zu führen scheint, für den Fortlauf und auch die Auflösung ebenso unerheblich wie überflüssig ist und bei Licht besehen lediglich als Atmosphäre evozierendes Gruselrequisit dient. Interessant und sehenswert wird „Ipnosi“ einzig durch Jean Sorel, der als Affektmörder nach seinem ersten Gewaltakt zunehmend verrückter wird und wohl die halbe Menschheit aus dem Weg räumen würde, bloß, um für den ursprünglichen Mord nicht belangt zu werden. Seinem Geist beim zunehmendem Verfall zuzusehen entschädigt für manche Drehbuchschwäche dieser kleinen, trivialen Demonstration obskurer internationaler Poduktionsallianzen.

6/10

CALIFORNIA

„I thought this was God’s country…“

California ~ USA 1947
Directed By: John Farrow

Der Mittelwesten, 1848: Wer unter den Siedlerströmen aus dem Osten unterwegs nicht bereits Fuß gefasst hat, reist weiter gen Pazifik, zur goldenen Küste. Einem kleinen Siedlertreck, der von dem mürrischen Deserteur Jonathan Trumbo (Ray Milland) und dem gutseligen Weinbauern Michael Fabian (Barry Fitzgerald) angeführt wird, schließt sich die Tingeltangelsängerin Lily Bishop (Barbara Stanwyck) an – ganz zum Unwohlsein Trumbos, der mit Amüsierdamen in der Vergangenheit denkbar schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Natürlich verliebt man sich ineinander, aller Giftigkeiten zum Trotz. Am Ziel angelangt, tut sich Lily dann sogleich mit dem Ex-Sklavenhändler Coffin (George Coulouris) zusammen, dessen heimliches Ziel es ist, mit Waffengewalt die Kontrolle über das mittlerweile vom Goldrausch heimgesuchte Kalifornien an sich zu bringen. Trumbo kennt Coffin bereits von früher und es dauert nicht lang, bis die zwei Antagonisten aneinanderrasseln. Um den Finsterling auf politischem Wege auszuboten , überredet Trumbo Fabian, sich gegen Coffin zur Gouverneurswahl zu stellen. Als Coffin seine Felle endgültig davonschwimmen sieht, greift er zum letzten Mittel…

Einer der schönsten Filme John Farrows; ferner gewissermaßen ein „ultimativer Western“, da weiter westlich nur noch der gewaltige Pazifik kommt. Das sonnige kalifornische Milieu mitsamt seiner teilweise bereits mittelamerikanisch anmutenden Infrastruktur bildet dabei eine für ein Genrestück vergleichsweise selten genutzte Kulisse. Farrow nutzt sie jedoch bewusst und wohlfeil, um prächtige Technicolorbilder auf die Leinwand zu zaubern vor dem pseudogeschichtlichen Hintergrund des damals noch vielfach bedienten Pioniersujets. Wenn Hollywood bis dahin nämlich eines gelehrt hat, dann war dies, dass sich keine Region, keine Stadt und kein Staat ohne Intrigen, Verlust und Blutvergießen eingemeinden ließ. Man kann sogar soweit gehen, zu konstituieren, dass die Landnahme sich stets umso entbehrungsreicher ausnimmt, je weiter westlich das betreffende Areal liegt. Der ultimative Stoff für amerikanische Kinolegenden. Dabei gibt es in „California“ noch nicht einmal einen durchweg reinwestigen Helden: Trumbo, der der Unionsarmee einst wegen einer enttäuschten Beziehung den Rücken zuwandte, lässt keinen Zweifel daran, dass er Gewalt, auch gegen eigensinnige Frauen, als probates Mittel zur Problemlösung gebraucht. Lily indes ist vornehmlich auf materielle Vorteile bedacht und der alte Fabian ein Opportunist, der am liebsten in Frieden gelassen würde und zum altruistischen Engagement erst mit vereinten Kräften gebracht werden muss. Der machthungrige Coffin nimmt sich indes als ungewohnt mehrdimensionaler Bösewicht aus, dessen Vergangenheitsdämonen ihm keine Ruhe lassen, und der sich insgeheim nach einem privaten Glück sehnt, das mit seiner bruchhaften ethischen Agenda nicht vereinbar ist. Am Ende, nachdem er neben allem anderen auch endgültig die Selbstachtung eingebüßt hat, fällt er dem Wahnsinn anheim. Ein überaus vielgestaltiges Figurenrepertoire also, von wunderbaren Darstellern auf dem Zenit ihrer Kunst getragen. „California“ konserviert die ganze Flamboyanz des klassischen Studiofilms und bildet somit selbst eines der Musterbeispiele ebendieser Gattung ab. Vortrefflich.

8/10