JESSICA JONES: SEASON 1

„I really hate mental illnesses.“

Jessica Jones: Season 1 ~ USA 2015
Directed By: S.J. Clarkson/Simon Cellan Jones/David Petrarca/Stephen Surijk/Uta Briesewitz/John Dahl/Billy Gierhart/Rosemary Rodriguez/Michael Rymer

Die seit einem Unfall in ihrer Jugend mit Superkräften ausgestattete Privatdetektivin Jessica Jones (Krysten Ritter) leidet unter einem schweren Schuldkomplex: Einst war sie eines der Opfer des verrückten, kriminellen Gedankenkontrolleurs Kilgrave (David Tennant), der Jessica neben vielen anderen Dingen auch dazu zwang, eine unschuldige Frau namens Reva Connors (Parisa Fitz-Henley) zu ermorden. Revas Mann Luke Cage (Mike Colter), ebenfalls ein Meta-Mensch, kam mit dem Tode seiner Frau, die er aufgrund eines Busunfalls verstorben glaubt, nie zurecht. Heimlich stellt Jessica Luke ohne dessen Wissen nach – als sie sich eines Tages kennenlernen, entbrennt eine heftige Liebesaffäre, ohne dass Luke weiß, mit wem er da tatsächlich ins Bett steigt. Doch auch der totgeglaubte Kilgrave ist längst wieder umtriebig. Wie sich herausstellt, hat er bezüglich Jessica eine krankhafte Obsession entwickelt, die diverse Todesopfer fordert. Bald werden auch enge Vertraute Jessicas zu wehrlosen Opfern Kilgraves…

Nach „Daredevil“ ist „Jessica Jones“ der zweite von Netflix produzierte MCU-Serien-Ableger und man darf erfreulicherweise vermelden, dass selbiger qualitativ zumindest en gros an die erste Staffel um den rotgewandeten, blinden Superkollegen heranreicht. Anknüpfungspunkte gibt es bislang nur wenige; „Night Nurse“ Claire Temple (Rosario Dawson) macht ihre Aufwartung ebenso wie die bärbeißige Staatsanwältin Reyes (Michelle Hurd). Ansonsten bleiben Jones und Cage trotz der relativ dichten Nachbarschaft zu Matt Murdock und dessen Einsatzgebiet (noch) ihrem eigenen Gehege verbunden, was schon ein wenig merkwürdig anmutet – wenigstens voneinander gehört haben könnte man ja. Nun gut. Die filmischen, respektive realbildlichen Entsprechungen der Comicfiguren sind erneut bestens geglückt und wiederum kommen viele klassische Marvel-Charaktere vor, die allerdings durchweg ihrer bunten, schillernden Outfits ebenso entbehren müssen wie ihrer Codenamen. Der von David Tennant vorzüglich interpretierte Zeb „Purple Man“ Kilgrave etwa muss im Serial seine typisch-violettene Pigmentierung gegen eher schnöde lila Sakkos eintauschen, zudem wird seine vergleichsweise unspektaluäre comic origin komplettrenoviert. „Hellcat“ Patricia Walker (Rachael Taylor), hier the heroine’s best friend, kommt erwartungsgemäß ohne hautengen gelben Dress oder gar extraordinäre Fähigkeiten und Frank (bzw. Will) „Nuke“ Simpson (Wil Traval) fehlt das coole US-Flaggen-Tattoo auf dem Gesicht. Aus funnies werden heuer eben Leute. Passt aber alles irgendwo.
Unter den üblichen Serienymptomen leidet jedenfalls auch „Jessica Jones“. Den Hauptplot hätte man ebensogut auch destillieren und raffinieren und einen wesentlich konzentrierteren Spielfilm aus ihm machen können. Vieles wird teils unnötig zerdehnt, unschwer erkennbar, um Erzählzeit zu schinden. Subplots wie jener um den Rosenkrieg der Anwältin Hogarth (Carrie-Anne Moss) und ihrer Noch-Frau (Robin Weigert) oder der um die Kilgrave-Opfer-Selbsthilfegruppe wirken häufig entschleunigend; die Umwege und Ausweichstraßen, die Jessica Jones nimmt, um an Kilgrave heranzukommen erweisen sich fast durchweg ebenfalls als reine cliffhanger um ihrer Selbst Willen. Darin sehe ich schlicht schreiberische Fehlleistungen, die es in „DD: Episode 2“ in solch eklatanter Form nicht gab und die möglicherweise von der einen oder anderen narrativen Redundanz ablenken sollen. Kurzum hätten es zehn bis elf Episoden anstatt der nun vorliegenden dreizehn auch – und vermutlich besser – getan. Insgesamt überwiegen glücklicherweise die immer noch zahlreichen positiveren Aspekte des Projekts. Die psychologischen Untiefen vor allem der Titelfigur werden recht sorgfältig ausgearbeitet und ihre chaotische Liebesbeziehung zu Luke Cage (die im Comic zu späterer Ehe, gemeinsamem Kind und einer Mitgliedschaft bei den „Avengers“ führt), sichert sich einige der schönsten Szenen. Das Interesse am Ball zu bleiben wird somit aufrecht erhalten und die Vorfreude auf die kulminativen „Defenders“ zumindest ein wenig weiter geschürt. Resümee: Ordentlich.

7/10

THE NICE GUYS

„You’re the world’s worst detectives.“

The Nice Guys ~ USA 2016
Directed By: Shane Black

Los Angeles, 1977. Die beiden geflissentlich desorientierten Amateurdetektive Jackson Healy (Russell Crowe) und Holland March (Ryan Gosling) lernen sich eher zufällig kennen und müssen dann gemeinsam einen Fall aufklären, in dem es um einen Porno mit ökopolitisch brisantem Inhalt und um die rebellische Tochter (Margaret Qualley) einer hohen Justizbeamten (Kim Basinger) geht. Marchs neunmalkluge Tochter (Angourie Rice) unterstützt die beiden halbgescheiten Ermittler nach Kräften.

Irgendwie mag ich Shane Blacks Humor ganz gern; sein Talent etwa, in diversen Szenen stets etwas Unvorhersehbares aus dem Ärmel zu schütteln, oder rohe Gewalt zu bagatellisieren. Wirklich große Lacher bleiben zwar Mangelware, hinreichend Gelegenheiten zum Schmunzeln jedoch bietet der von Traditionsproduzent und Black-Kollaborateur Joel Silver produzierte „The Nice Guys“ durchaus. Dabei sollte man allerdings nicht übersehen, dass der zumindest hinsichtliches seines Entertainmentfaktors profund gefertigte Film einer unabdingbaren Elementaringredienz für wirklich nachhaltiges Kino entbehrt: Der Innovation nämlich. Einen in L.A. spielenden, grotesken Detektivfilm als period piece zu verkaufen, das gab es just schon einmal, und besser, in Form von Paul Thomas Andersons Pynchon-Adaption „Inherent Vice“. Dies mag vielleicht noch dem Zufall geschuldet sein. Dass Black allerdings vor 25 Jahren das Script zu dem einige mehr denn augenfällige Parallelen zu „The Nice Guys“ aufweisenden „The Last Boy Scout“ geklöppelt hat, dass Joel Silver bereits ein Jahr zuvor an der Genre-Verballhornung „The Adventures Of Ford Fairlane“ mitgewirkt hat und dass auch die Brüder Coen sich einst in brillanter (und offenbar einflussreicher) Weise dem Topos des grenzbelämmerten Slacker-P.I. angenommern haben, all das wäre wohl weniger koinzidentellen Schicksalstreffern zuzurechnen. Soll heißen: Vergegenwärtigt man sich die oben aufgeführten Beispiele und verquirlt sie zu einer appetitlichen Melange, dann hat man bereits eine ziemlich genuine Vorstellung davon, wie „The Nice Guys“ ausschaut, ohne ihn gesehen zu haben. Dennoch lohnt sich die Betrachtung, gerade wenn man die betreffenden Exempel mag. Ryan Gosling ist tatsächlich ein talentierter Komiker, dessen Gegenpart Russell Crowe als aufgedunsener Melancholiker mit Hang zur Gewalttätigkeit einen passenden Widerpart abgibt. Die putzige Angourie Rice muss natürlich als etwas liebenswertere Neuauflage der ehedem von Danielle Harris gespielten, kratzbürstigen Rotzgöre herhalten. Sie touchiert dabei zwar mehrfach das stets brisante Areal des nervtötenden Filmkindes, macht ihre Sache am Ende aber insgesamt recht ordentlich. Und Marchs/Goslings völlig bananige Querverweise zu Hitler sind eigentlich durchweg kleine Volltreffer.

7/10

SMOKEY AND THE BANDIT II

„Hello, ya handsome sumbitch!“

Smokey And The Bandit II (Das ausgekochte Schlitzohr ist wieder auf Achse) ~ USA 1980
Directed By: Hal Needham

Der nach der Trennung von seiner Carrie (Sally Field) dauerbesoffene Bandit (Burt Reynolds) und sein Kumpel Cledus (Jerry Reed) erhalten diesmal von Big (Pat McCormick) und Little Enos Burdette (Paul Williams) den neuerlich heiklen Auftrag, eine republikanische Wahlspende in Form eines riesigen Pakets abzugreifen und von Florida nach Texas zu schaffen. Nachdem Bandit sich wieder in Form gebracht und Cledus Carrie zur Rückkehr bewogen hat, geht die Reise los. Dass sich in der betreffenden Kiste ein weiblicher Elefant verbirgt, bringt unsere Freude zwar leicht ins Stottern, aber keinesfalls zur Verzeiflung.

Die liebenswerte Impertinenz des Vorgängers, aus einem banalem Nullsujet eine charmanten Komödie zu fertigen, die sich im Endeffekt ohnehin um ganz andere Dinge kümmert denn um ihr laues Story-Lüftchen, kultiviert Stuntman und Regisseur Needham im Sequel in nochmals potenzierter Form. Die alte, deutsche Weise von der „Mücke, aus der man einen Elefanten macht“, findet sich hier in all ihrer Buchstäblichkeit in Bilder gegossen. Brachte die Sache mit der LKW-Ladung Coors im ersten Teil zumindest noch ein gewisses Quäntchen verblassender Subtilität mit sich, so mutet die jetzige Geschichte geradezu an, als hätten Needham und die Scriptautoren die vormals überland gelieferten Hopfengallönchen binnen einer Nacht geleert, um dabei den gar lustigen Plot um das schwangere Elefantenmädchen Charlotte zu ersinnen, großes Blechlawinenfinale inbegriffen. „Bandit II“, der Jackie Gleason im besten Wissen um dessen komödiantisches Potenzial in einer Dreifachrolle (als Sheriff Justice und seinen beiden Polizistenbrüder aus dem Norden, einer davon stockschwul und der andere ein Mountie und Opernfan) und seinen Filmfilius (Mike Henry) nochmals prominenter als zuvor inszeniert und mit Dom DeLuise als italienischem Schwarz-Internisten das Heldenquartett (Basset Gottfried inbegriffen) zum Quintettausbaut, ist tatsächlich das filmische Äquivalent zu einem in größerer freundschaftlicher Runde abgelassenen, lauten und langen Furz: Es sind immer ein paar dabei, die sich das juvenile Herz bewahrt haben, über soviel Infantilität schmunzeln oder sogar lachen zu können; andere, wahrscheinlich die meisten, finden solcherlei eher unangebracht und halten sich flugs die Nase zu; der Verursacher selbst hat am meisten Spaß an der übelriechenden Bescherung. Nach spätestens drei affizierenden Minuten ist die Sache dann wieder vergessen, der letzte Lacher gelacht, die Gase gen Himmel entwichen. Man wendet sich gepflegt wieder anderem zu.

5/10