THE STRAIGHT STORY

„What do you need that grabber for, Alvin?“ – „Grabbin‘.“

The Straight Story ~ USA 1999
Directed By: David Lynch

Als der in Iowa lebende Senior Alvin Straight (Richard Farnsworth) erfährt, dass sein Bruder Lyle (Harry Dean Stanton) einen Schlaganfall erlitten hat, entschließt er sich, ihn im Nachbarstaat Wisconsin zu besuchen um einen seit zehn Jahren schwelenden Streit endlich beizulegen. Da Alvin wegen seiner kaputten Hüfte schlecht zu Fuß ist und keinen Führerschein hat, wählt er den Rasenmäher samt Anhänger als Transportmittel und tritt eine mehrwöchige Reise an, bei der die Langsamkeit und die Besinnlichkeit Trumpf sind.

Der Titel des neben „The Elephant Man“ bis heute linearsten aller Langfilme David Lynchs lässt sich gleich in zweifacher Weise auffassen und verstehen: Vor allem natürlich als biographische Momentaufnahme des gleichnamigen Protagonisten; wiederum jedoch auch als künstlerisches Statement eines eher weniger für seine ökonomische Narration bekannten Filmemachers, der hier  eine – nur exzeptionell der verschlungenen Irrpfade seines üblichen Schaffens müde – ganz allgemein, insbesondere jedoch für seine Verhältnisse buchstäblich „geradlinige Geschichte“ erzählt, so horizontal voraus wie die vielen Landstraßen, an deren rechten Rändern Alvin Straight mit seinem just gebraucht erworbenen John-Deere-Rasenmäher (der erste Reiseversuch mit dessen bejahrtem Vorgänger scheitert bereits nach den ersten Kilometern wegen technischer Altersschwäche) im Schritttempo entlangtuckert. Alvin Straights Reise führt ihn dabei freilich nicht nur zu seinem eigentlich über alles geliebten Bruder Lyle, sie verläuft zugleich auch introspektiv – der Grund, warum der alte Mann überhaupt jenes ungewöhnliche Fortbewegungsmittel gewählt hat, mit dem er für ein paar hundert Kilometer mehrere Wochen benötigt. Wer dieser Alvin Straight eigentlich ist, erfahren wir durch seine Gespräche mit zumeist jüngeren Menschen, denen er auf seinem Trip begegnet – mit einer schwangeren Ausreißerin (Anastasia Webb), einigen Teilnehmern einer Radrennfahrertruppe, einer aufgelösten Dame (Barbara Robertson), die einen Hirsch angefahren hat, einem freundlichen, hilfsbereiten Ehepaar (Sally Wingert, James Cada), zwei etwas beschränkten Mechaniker-Brüdern (Kevin P. Farley, John Farley), einem freundlichen Priester (John Lordan) und vor allem mit einem etwa gleichaltrigen Senioren (Wiley Harker), der wie Alvin ein Veteran des Zweiten Weltkriegs in Europa ist und das Schreckliche nie wirklich verarbeitet hat: ihr aufrichtiges Gespräch am Tresen einer Kleinstadtkneipe ist vielleicht die wichtigste Schlüsselsequenz des Films. Doch „The Straight Story“ ist noch sehr viel mehr; ein ultimatives road movie und eine Americana wie „Wild At Heart“, nur eben ganz anders und so ironiebefreit, wie es eben nur geht, ein formal absolut geschlossenes, makelloses Stück Film mit höchst ungewohnten Klängen von Angelo Badalamenti, eine Fanfare auf würdevolles Altern, eine große Liebeserklärung an den famosen Richard Farnsworth, großer Stuntman und zum Lebensherbst hin noch exzellenter Schauspieler; dazu herzenswarm und herzensgut. Bis auf wenige Leitmotive alles andere als traditionell lynchesk und dabei doch ein Meisterwerk.

10/10

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2 Gedanken zu “THE STRAIGHT STORY

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