FINDING DORY

„You can do whatever you put your mind to.“

Finding Dory (Findet Dorie) ~ USA 2016
Directed By: Andrew Stanton/Angus MacLane

Das unter amnesischen Schüben leidende Paletten-Doktorfisch-Mädchen Dorie begreift eines Tages, dass es als Baby seinen Eltern abhanden gekommen ist und macht sich nun auf, diese zu suchen. Nach einer kleinen Odyssee landet Dorie endlich dort, wo ihre bruchstückhafte Erinnerung einsetzt: In einem Aquazoo an der kalifornischen Küste. Dort beginnt jedoch erst das eigentliche Abenteuer, das ihr Oktopus Hank und einige andere Bewohner des Instituts zu meistern helfen.

Sequels gehören bei Pixar ja beinahe schon seit eh und je mit zum Erfolgskonzept. So war es nur eine – immerhin ungewöhnlich beharrliche – Frage der Zeit, bis mit „Finding Nemo“ der noch immer zweiterfolgreichste Film des Studios eine Fortsetzung erhielt. Ich durfte den Film mit meiner Klasse im Rahmen der alljährlich im Duisburger Filmforum stattfindenden Schulkino-Wochen genießen. Persönlich bleibt mir das rund ein Jahr zurückliegende, im selben Kontext stattfindende Erlebnis „Shaun The Sheep Movie“ aber doch etwas positiver, weil komischer, subversiver und herzlicher in Erinnerung. Bei den Pixar- und Disney-Filmen nervt mich zuweilen etwas die vor allem im Zuge der deutschen Synchronarbeit (die Besetzung Anke Engelkes spricht Bände) forcierte Quirligkeit, die das Tempo hochhalten soll, dabei jedoch oftmals bloß anstrengend ist. Dem gegenüber steht die visuelle Perfektion und Sorgfalt, die am Ende dann doch jeden Film des Studios zu einem Erlebnis machen. Putzig sind sie ja eigentlich sowieso immer und diesmal dazu noch vor allem gegen Ende hin ziemlich atemberaubend inszeniert. Zudem gefallen mir die kleinen, pädagogischen Messages: Als Dory und Hank im fischigen „Streichelzoo“ vor unbedarft grabschenden Kleinkinderwurstfingern um ihr Leben flüchten mussten, dann konnte man förmlich riechen, wie die Köpfe des infantilen Publikums eindächtig vor sich hin qualmten. Mein kleines, privates Highlight dieser Matinee.

7/10

THE HANGMAN

„I just want you to be happy.“

The Hangman (Der Henker) ~ USA 1959
Directed By: Michael Curtiz

Der verbissene Marshal Mac Bovard (Robert Taylor), wegen seiner hohen Erfolgsqute als „Henker“ berüchtigt, fahndet nach dem aufgrund seiner Beteiligung an einem Raubüberfall gesuchten John Butterfield. Nach intensiver Suche in einem beschaulichen Grenzstädtchen angekommen, glaubt er, Butterfield in dem Fuhrpark-Angestellten Johnny Bishop (Jack Lord) identifiziert zu haben. Trotz der Beteuerung sämtlicher Einwohner der Stadt, bei Bishop handele es sich um einen höchst integren Zeitgenossen und keinesfalls um den gesuchten Verbrecher, lässt Bovard sein Ziel nicht aus den Augen. Auch die Bishop besonders schützende Selah Jennison (Tina Louise) kann Bovard nicht von seinem blinden Ingrimm abbringen. Als sich seine Vermutung schließlich als zutreffend erweist, sieht Bovard sich mit seinem persönlichen Gewissen konfrontiert.

Von subjektiver Wahrheit und Kohärenz berichtet Curtiz‘ schönes Spätwerk und vorletzter Western, der eine Menge der damals just in der Manifestation begriffenen Motive des Genres aufgreift und einmal mehr Blüten treiben lässt. Natürlich kommen einem vor allem Fords „The Searchers“ und Manns „The Naked Spur“ in den Sinn, beides Filme, die einen ganz privaten Fanatismus als pars pro toto in einen sehr viel größeren, bedeutsameren Kontext setzen. Es geht nämlich darum, dass der (Anti-)Held über seine zunehmende Verblendung hinaus eine Art von Erlösung erfährt, ein klein wenig Seelenheil, ein Zuhause vielleicht. Wo jedoch Ethan Edwards am Ende zu seinem eigenen Geist wird, einem Wanderer zwischen den Winden und sich, da sich die Tür zur Zivilisation letztmalig schließt, in der blutigen Historie des Landes auflöst, da gesteht Curtiz seinem Mac Bovard einen großen Teil Mehr an Erleuchtung zu. Man rechnet kaum noch damit, dass der ja nicht mehr ganz junge Bovard noch einmal in der Lage sein wird, seine Perspektive zu verrücken; vielleicht gar die Scheuklappen gegenüber der Welt, die er als zunehmend desolat und korrupt empfindet, zu öffnen. Da wird dann doch noch klar, dass es so etwas wie objektive Wahrnehmung nicht gibt und auch, dass er längst zu Wachs geworden ist in den Händen der jungen Schönen, die sich aller Widernisse zum Trotz auch in ihn verliebt hat und ihm schließlich im Zuge eines mehr denn verdienten happy end ihre eigene Zukunft anheim stellt. Es ist beinahe unerhört – der grimmige, alte Wolf, seit Jahren schon auf dem rechten Auge blind, ist wieder bereit, dazuzulernen, und das ausgerechnet von denkbar unerwarteter Seite aus; von einer Frau mit vielleicht halb so viel Lebenserfahrung, die seine Tochter sein könnte, mit der eine Romanze unmöglich scheint und alle beide doch längst umfangen hat. Curtiz macht daraus einen ganz minimalistischen Aufzug, fast ein Bühnenstück, schmucklos, mit nur wenigen Schauplatzwechseln und in langsam obsolet werdendem Schwarzweiß. Dennoch fehlt es seinem Film an nichts, der ist ein veritabler Gewinner.

9/10

LOOPER

„This time travel crap… just fries your brain like an egg.“

Looper ~ USA/CN 2012
Directed By: Rian Johnson

2044 hat sich Manches geändert: Die meisten Menschen der westlichen, ehemaligen Industrienationen leiden unter extremer Armut, das organisierte Verbrechen kontrolliert mittlerweile weite Zweige der Weltwirtschaft. So genannte „Looper“ haben als Auftragskiller die Aufgabe, unliebsame Zeitgenossen, die aus der dreißig Jahre entfernten Zukunft zurück in die Vergangenheit geschickt werden, zu töten und zu entsorgen – eine der letzten lukrativen Tätigkeiten. Joe Simmons (Joseph Gordon-Levitt), ein hochmütiger, junger Mann, ist einer von ihnen. Als in der Szene bekannt wird, dass sich ein nahezu allmächtiger Gangsterboss aus der Zukunft, der nur als „Regenmacher“ bekannt ist, anschickt, sämtliche „Loops zu schließen“, also die gealterten Looper zurück durch die Zeit zu schicken, um sie von ihren jüngeren Ichs ermorden zu lassen, nimmt Joe diese Wendung zunächst recht gefasst in Kauf. Als er schießlich jedoch seinem älteren alter ego (Bruce Willis) gegenübersteht, zögert er eine Sekunde zu lang. Der ältere Joe kann fliehen und verfolgt von nun an seine ganz persönliche Agenda: Er will den zu jener Zeit noch im Kindesalter befindlichen Regenmacher ermorden, da dieser in der Zukunft Joes Frau (Qing Xu) auf sein Gewissen laden wird…

Zur Zeit bündelt die Serie „Breaking Bad“ nahezu meine gesamte rezeptorische Aufmerksamkeit, es gibt jedoch noch ein paar „Altlasten“ abzuarbeiten. Die erste davon ist dieser dritte Langfilm von Rian Johnson, dessen ziemlich abgefeierten, mir jedoch eher merkwürdig unbeteiligt anmutenden „Brick“ ich seinerzeit vergleichsweise medioker fand. „Looper“ ist da schon von etwas anderem Kaliber; nicht nur, dass er das filmisch vielfach durchexerzierte Zeitreise-Konzept einem recht cleveren ethischen Diskurs unterzieht, liebäugelt er zudem noch mit dem Superhelden-Kino und im Speziellen mit dessen „X-Men“-/Mutanten-Ausprägung. Nicht allein durch die Mitwirkung von Bruce Willis fühlte ich mich das eine ums andere Mal an die früheren Arbeiten von M. Night Shyamalan erinnert, zumal auch „Looper“ mit dem Prinzip der sich auf ein Aha-Erlebnis zuspitzenden Narration arbeitet. Tatsächlich gliedert sich Johnsons Film in zwei wesentliche Stränge, nämlich zum Einen die Geschichte des mit den Tücken und Konsequenzen seiner Arbeit konfrontierten Loopers Joe und zum Anderen in einen beinahe klassisch zu nennenden Belagerungs- und Beschützungsplot, aus dem sich ein existenzieller Gewissenskonflikt für den Protagonisten ergibt. Dazwischen entwickelt Johnson diverse Ideen, die mal mehr, mal weniger klug anmuten wie etwa der Kniff, durch physische Veränderungen (sprich: Verstümmelungen oder Vernarbungen) des gegenwärtigen Selbst dem zukünftigen Ich unmissverständliche Botschaften zu übermitteln. Als völlig einwandfrei habe ich „Looper“ heuer noch nicht wahrgenommen; warum, kann ich paradoxerweise allerdings nicht genau bestimmen. Sicherlich spielt die in meinem Falle mittlerweile übliche Skepsis gegenüber aktuelle(re)n Produktionen dabei keine unwesentliche Rolle. Dennoch bin ich alles in allem ganz zufrieden mit dem Film und werde ihn mir bei passender Gelegenheit nochmal ansehen, vielleicht dann unter sich geflissentlich revidierenden Vorzeichen.

8/10

THE INFILTRATOR

„This was just an intitiation.“

The Infiltrator ~ UK 2016
Directed By: Brad Furman

Florida, 1985. Der Zollbeamte Robert Mazur (Bryan Cranston) ist Experte für Undercover-Einsätze, die die Offenlegung großer Kokain-Connections nach sich ziehen. Der Wink eines Informanten führt ihn zu Mitarbeitern des Medellín-Kartells und damit über einige Umwege mutmaßlich auch zu dessen oberstem Kopf Pablo Escobar. Unter dem Decknamen Bob Musella gibt sich Mazur als US-Großunternehmer aus, der seine Bereitschaft signalisiert, Escobars Drogengeld zu waschen und dafür die international agierende Bank BCCI in Anspruch nimmt, die ihm willfährig in die Karten spielt. Unterdessen nimmt Mazur, der sich immer tiefer in seine Rolle einlebt, direkt Verbindung mit Escobars engem Mitarbeiter Roberto Alcaino (Benjamin Bratt) und dessen Familie auf. Am Ende von Mazurs Einsatz stehen eine falsche Hochzeit, die Diskreditierung der BCCI und Alcainos Verhaftung.

„The Infiltrator“ hat alles, was ein ordentlicher Undercover-Thriller benötigt, den zusätzlichen Bonus authentischer Vorbilder inbegriffen. Da ist die zermürbende Pflicht, zwei gegensätzliche, in Interessenskonflikten befindliche Existenzen parallel führen zu müssen, die Zwiespaltung von Geist und Seele. Die Verlockungen und Verführungen des vorgetäuschten Scheincharakters werden immens; Geld und Luxus alltagsgebräuchlich, wo auf der Kehrseite der Medaille die alltagsgegerbte Gräue von Job, Ehe, Familie und Spießbürgertum lauern. Robert Mazur ist der Beamte, dem es obliegt, den Weg zur Sprengung eines der größten Drogenkartelle des Erdballs zu ebnen, Bob Muzella sein alter ego, ein Mann ohne Familie und mit ungeheuren finanziellen Mitteln, der auf der Rasierklinge tanzt und mit dem Teufel flirtet. Die Entscheidungsfindung welche der beiden Biografien die dankenswertere bietet, ist vor allem moralischer Natur. Tatsächlich nimmt man dem einmal mehr großartigen Cranston ab, dass er aller Faszination zum Trotze nie wirklich gefährdet ist, zur dunklen Seite hin abzudriften, dass sein Gerechtigkeitssinn nicht zuletzt auch infolge seines fortgeschrittenen Alters unbestechlich bleiben wird. Doch auch die latente Angst vor dem Auffliegen, dem Entdecktwerden bleibt unbenommen. Ein Lederköfferchen mit integrierter Abhöranlage dient als Aufzeichnungsmedium für entlarvende Gespräche. Einmal klappt der Koffer für eine Schrecksekunde in aller Öffentlichkeit auf; das Tonband wird sichtbar und nur ein völlig bedröhnter Escobar-Vertrauter (Yul Vazquez) nimmt das Ganze wahr. Um sich später daran erinnern zu können, fertigt er kurzerhand eine Zeichnung an. Vor allem Momente wie diese machen aus „The Infiltrator“ nicht nur einen guten, sondern einen großartigen Film, der mit schönen Kamerafahrten und Plansequenzen ebenso wie mit einer erlesenen Songauswahl seine Ehrerbietung in einschlägiger Richtung erweist, dabei jedoch auch glänzend für sich bestehen kann. Toller Film.

9/10

TROG

„Trog! Give me the ball!“

Trog (Das Ungeheuer) ~ UK 1970
Directed By: Freddie Francis

Bei der Erforschung einer unterirdischen Höhle stoßen drei junge Wissenschaftler (David Griffin, John Hamill, Geoffrey Case) auf einen Steinzeitmenschen (Joe Cornelius), der vor lauter Angst erstmal einen von ihnen erschlägt. Für die Anthropologin Dr. Brockton (Joan Crawford) ein gefundenes Fressen, erhofft sie sich doch, in dem auf wundersame Weise die Jahrtausende überdauertem Wesen das fehlende Glied in der Entwicklung zwischen Affe und Mensch gefunden zu haben. Sie kerkert „Trog“, wie sie den Höhlenmenschen kurz und sinnig tauft, in ihrem Labor ein und bringt ihm als Erstes bei, Kinderspielzeug aufzuziehen. Ganz und gar nicht lustig findet der Bauunternehmer und Kreationist Sam Murdock (Michael Gough) die jüngste Entwicklung und setzt alles daran, die „dämonische Kreatur“ erschießen zu lassen. Als Murdock schließlich selbst mit der Brechstange loszieht, bricht Trog aus und zieht eine blutige Spur hinter sich her…

„Trog“ gliedert sich ziemlich vortrefflich ein in die unikale Welle jener Brithorror-Filme, die nach dem sukzessiven Einbrechen der vormaligen Erfolge von Hammer und Amicus weg vom kostümbewährten, periodischen und hin zum modernen Grusel strebten; in denen eher die swingende Gegenwart ins Zentrum rückte und die vor allem heißestens mit glühendem camp liebzuäugeln pflegten. Allein die Verpflichtung Joan Crawfords, jener berüchtigten grande dame Hollywoods, die zuletzt bereits mehrfach in Gattungsfilmen, darunter einigen ausgewiesenen hag horrors aufgetreten war, spricht Bände. „Trog“ bildete ihr letztes Film-Engagement und noch immer scheint bezeichnend, wie sehr sich die alternde Diva um ein möglichst frisches Aussehen und den perfekten Sitz von Frisur und Kleidung gesorgt haben muss. Was man hat, weiß man ferner infolge Michael Goughs Beteiligung – ein weiterer elementarer Name der englischen Genre-Historie. Wie zumeist sonst  ist er auch hier als sadistischer Fiesling zu sehen, der den Troglodyten nur deshalb abgrundtief hasst, weil er eben da ist und schließlich mit einer Eisenstange auf ihn los geht. Nicht nur geht diese Attacke zu Goughs äußersten Ungunsten aus, er bringt Trog dadurch auch noch so sehr in Rage, dass er gleich noch ein paar mehr Leute erledigt, die seinen Weg durch das beschauliche Kleinstädtchen in Berkshire kreuzen.
Überhaupt nimmt sich stark an „King Kong“ orientierte Story [statt Fay Wray klaut das Monster gegen Ende ein formatgerechteres, kleines, blondes Mädchen (Chloe Franks)] ziemlich ominös aus: Zwar haut der (recht mittelmäßig maskierte) Höhlenmensch jeden rigoros kaputt, der ihm blöd kommt, andererseits versucht der Film mit der Crawford als stolzer Agentin unentwegt, Akzeptanz und Sympathie für den ja bloß seinen Instinkten gehorchenden Genossen zu evozieren. Dennoch berserkert Trog immer bunter, mit einem Opfer spielt er sogar „Leatherface in der Kühlkammer“. Man weiß am Ende gar nicht mehr, wohin denn nun. Eine völlig bananige Sequenz gewährt uns noch Einblick in Trogs visualisiertes, „evolutionäres Gedächtnis“, das ein paar aus Irwin Allens „The Animal World“ stammende Stop-Motion-Saurier zeigt, die erst gegeneinander kämpfen, um dann bei einem fetten Vulkanausbruch Hops zu gehen. Wie das zusammenpassen und was das überhaupt alles soll – die Frage aller Fragen. Als Schulfilm jedenfalls taugt „Trog“ eher weniger. Macht aber alles nix, denn hinreichend Vergnügen, Abwechslung, Spaß und Freude findet hier bei aller möglichen Verwirrung ein jeder, der sich für mindestens eines der oben aufgezählten Elemente erwärmt.

5/10

DOCTOR STRANGE

„Dormammu, I’ve come to bargain!“

Doctor Strange ~ USA 2016
Directed By: Scott Derrickson

Der New Yorker Chirurg Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) gilt nicht nur als Bester seines Fachs, sondern zudem als extrem narzisstischer Egomane. Nach einem selbstverursachten Autounfall besitzen seine Hände keine Feinmotorik mehr. Durch Zufall erfährt der daraufhin am Boden zerstörte Strange von einer angeblichen Sekte von Wunderheilern in Nepal, die er auf eigene Faust ausfindig macht. Er schließt Bekanntschaft mit der „Ältesten“ (Tilda Swinton), einer mächtigen Magierin, die die Fähigkeit zu interdimensionalen Reisen hat. So hat sie auch Zugang zur „Spiegeldimension“, einer der unseren ähnlichen Parallelwelt, in der sich die physikalischen Gesetze beugen lassen. Der Skeptiker Strange lernt nach anfänglichem Misstrauen selbst den Umgang mit der Magie und schließt bald zudem auch unerfreuliche Bekanntschaft mit Jenen, die nach Dunkelheit und Eroberung streben: Mit der bösen Entität Dormammu und seinem irdischen Agenten Kaecilius (Mads Mikkelsen), einem Ex-Schüler der Ältesten, der Dormammus Ankunft im Diesseits vorzubereiten trachtet.

Positiv überraschend nicht nur, dass Scott Derrickson nach seinem in jeder Hinsicht enttäuschenden, letzten Film „Deliver Us From Evil“ wieder zu vormaliger Stärke zurückgefunden hat, sondern auch die psychedelische Qualität von „Doctor Strange“, die der Vorlage trefflichen Tribut erweist. Nun mag der Dr. Strange des Films von seiner sonstigen Passgenauigkeit abgesehen etwas frecher und flapsiger frohlocken als sein einst von Steve Ditko gezeichnetes Vorbild (das berüchtigt ist für sorgenvoll-kryptische Anrufungen wie „Bei den modrigen Nebeln Mandrabulias!“), aber ein bisschen Spaß ist ja ausdrücklich erlaubt im MCU. Auch sonst „trickste“ man in personeller Hinsicht ein bisschen zu Zwecken der Modernisierung. Aus dem Ältesten wurde eine von Tilda Swinton (amtlich!) gespielte Dame, aus Stranges unterwürfigem Diener Wong (Benedict Wong) ein selbstbewusstes Individuum und aus seinem altem Erzfeind, dem Rumänen Baron Mordo, ein dunkelhäutiger, zwischenzeitlicher Verbündeter (Ejiofor), von dem man nach seinem bedeutungsvollen Abtritt gegen Ende jedoch annehmen darf, dass er demnächst als Widersacher zurückkehren wird.
Kern und Herz von „Doctor Strange“ bildet die ausufernde Visualisierung, die nicht nur die Beugung und Brechung physikalischer Regeln beinhaltet, sondern auch interdimensionale Reisen durch farb- und formprächtige Anderwelten. Sturz und Flug wechseln ebenso willkürlich die Bedeutung wie die Beschaffenheiten der Naturgesetze, möglich gemacht durch den Eintritt in die Spiegeldimension oder die Nutzung des „Astralleibs“. Rauschmittelfreie Bewusstseinserweiterung frei Haus quasi und dazu sehr viel ästhetischer, spielerischer und weniger verkopft gestaltet als in Nolans „Inception“. Die Anbindung ans MCU spielt natürlich eine Rolle, bleibt allerdings mit Ausnahme der Identifikation des Auges von Agamotto als „Ewigkeitsstein“ sowie des wie immer hübsch appetitanregenden Teasers in der Abspannmitte noch recht verhalten.
Als kritikwürdig indes lässt sich wie so oft in den MCU-Filmen (hier liegen besonders die Netflix-Serials deutlich vorn) die Vernachlässigung des (menschlichen) Gegenspielers und seiner Genossen beziffern, die erneut eher eine Alibifunktion einnehmen, um das Kino-Vehikel nicht zur reinen origin werden zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass der gute Thanos diesbezüglich bald eine Wende einläutet.

8/10

THE MAGNIFICENT SEVEN

„I have a proposition: We’re decent people being driven from our homes. Slaughtered in cold blood.“

The Magnificent Seven (Die glorreichen Sieben) ~ USA 2016
Directed By: Antoine Fuqua

Der Bandit Bartholomew Bogue (Peter Sarsgaard) hat sich das Minenstädtchen Rose Creek für seinen neuesten Coup ausgesucht: Er erpresst die Bürger und Arbeiter, ihm wahlweise ihren Besitz für ein Minimalangebot zu übertreten oder zu sterben. Die gestellte „Beratungsfrist“ nutzt die von Bogue kurzerhand zur Witwe gemachte Emma Cullen (Haley Bennett), um Hilfe von außerhalb zu mobilisieren. Diese findet sie in dem Söldner Sam Chisholm (Denzel Washington) und weiteren sechs mehr oder weniger zufällig dazustoßenden Glücksrittern, die die Bevölkerung von Rose Creek auf den nächsten, anstehenden Besuch von Bogue vorbereiten. Zudem hat auch Chisholm selbst noch eine alte Rechnung mit dem Bösewicht zu begleichen.

Dass Antoine Fuquas „The Magnificent Seven“ das Remake eines Remakes ist, entspricht im Prinzip nur der halben Wahrheit. Tatsächlich ist die bekanntermaßen ursprünglich von Akira Kurosawa ersonnene Mär um ein paar hilflose Geknechtete, die sich zur Bekämpfung gegen die diabolische Diktatur der Übermacht ein sehr heterogenes Septett aus Abenteurern zusammentrommeln, um sich mit dessen Hilfe vom Übel zu befreien, ein über die Jahrzehnte immer wieder und in verschiedensten Genres reaktiviertes Sujet, man denke etwa an „Battle Beyond The Stars“ oder „I Sette Magnifici Gladiatori“. Nach John Sturges‘ berühmter Erstvariation von 1960 ist der Stoff nun nach kleineren Zwischenspielen auch nominell abermals im Western angelangt, wobei Fuqua tatsächlich die Einfallslosigkeit einer bloßen Neuverfilmung umschifft, sondern glücklicherweise eine stark veränderte, lediglich ein paar Zwinkerer zum großen Vorbild bereithaltende Version vorschützt, ansonsten aber auf allzu hinderliche Anbiederung verzichtet. So gelingt es seinem „The Magnificent Seven“ nicht nur, vollkommen solitär zu bestehen, sondern darüberhinaus auch, dem Westerngenre als Ganzes eine formidable Frischzellenkur zu verabreichen, indem er sich auf die alten Tugenden der Gattung besinnt und diese, ohne sich selbst dabei über Gebühr wichtig zu nehmen, für ein gegenwärtiges Publikum aufpoliert. Außer ihrer schnellen Rechten und ihrer gemeinsamen Vorliebe für schwarzes Textil haben zunächst Yul Brynner und Denzel Washington als Anführer der Sieben augenscheinlich kaum etwas gemein; vor allem hinsichtlich ihrer jeweiligen Motivationslage nicht. Wo 1960 noch unbeholfene Farmer von jenseits der mexikanischen Genze Interventionsbeistand benötigten, tut die aktuelle Fassung gut daran, die Hilfsbedürftigen auf US-amerikanischem Boden zu belassen und zu Opfern großkapitalistischen Verbrechertums zu machen. Auch die Zusammensetzung der übrigen Streiter findet sich figural und charakterlich komplettrenoviert. Auffällig ist zunächst die multiethnische Varianz: ein selbstbewusster Afroamerikaner als Anführer; hinzu kommen ein Mexikaner (Manuel Garcia-Rulfo), ein Indianer (Martin Sensmeier) sowie ein Ostasiat (Byung-hun Lee). Den Rest stellen ein bibelfester, etwas entwurzelt wirkender Trapper (Vincent D’Onofrio), ein traumatisierter Bürgekriegsveteran (Ethan Hawke, wohl nur rein zufällig auf direkter Weiterreise nach „In A Valley Of Violence“) sowie ein gefährlich lebender Spieler (Chris Pratt). Men with problems. Nachdem die Gruppe zusammengefunden und einen ersten Schlag gegen Bogues Leute gelandet hat, gilt es, die Leute von Rose Creek zu überzeugten Verteidigern ihres Besitzes zu schulen und das interne Beziehungsgeflecht zu festigen. Dies alles geschieht nahezu ohne die üblich gewordenen Konfliktausbuchtungen – die Sieben erweisen sich auch hierin als echte professionals.
Ohne derlei Ballast bleibt viel Zeit für die Inszenierung von Kinetik und Action. Hier übertrifft sich Fuqua abermals selbst. Die diversen (Feuer-)Gefechte machen sich ebenso schnörkellos wie heftig und dabei bar jedweder redundanter Regie-Kinkerlitzchen. Ebenso wie bei den Vorgängern tut es weh, wenn die Helden abtreten müssen, wobei man hier wiederum Fuqua zugute halten darf, dass er sie weit weniger beiläufig sterben lässt als ehedem Sturges (mit Aufnahme von Charles Bronson natürlich).
Insgesamt eine sehr runde, sehr zufriedenstellende Angelegenheit, von der die Zeit zeigen wird, ob sie dereinst den filmhistorischen Rang des gleichnamigen Vorbildes wird einnehmen können.

8/10