„Dormammu, I’ve come to bargain!“
Doctor Strange ~ USA 2016
Directed By: Scott Derrickson
Der New Yorker Chirurg Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) gilt nicht nur als Bester seines Fachs, sondern zudem als extrem narzisstischer Egomane. Nach einem selbstverursachten Autounfall besitzen seine Hände keine Feinmotorik mehr. Durch Zufall erfährt der daraufhin am Boden zerstörte Strange von einer angeblichen Sekte von Wunderheilern in Nepal, die er auf eigene Faust ausfindig macht. Er schließt Bekanntschaft mit der „Ältesten“ (Tilda Swinton), einer mächtigen Magierin, die die Fähigkeit zu interdimensionalen Reisen hat. So hat sie auch Zugang zur „Spiegeldimension“, einer der unseren ähnlichen Parallelwelt, in der sich die physikalischen Gesetze beugen lassen. Der Skeptiker Strange lernt nach anfänglichem Misstrauen selbst den Umgang mit der Magie und schließt bald zudem auch unerfreuliche Bekanntschaft mit Jenen, die nach Dunkelheit und Eroberung streben: Mit der bösen Entität Dormammu und seinem irdischen Agenten Kaecilius (Mads Mikkelsen), einem Ex-Schüler der Ältesten, der Dormammus Ankunft im Diesseits vorzubereiten trachtet.
Positiv überraschend nicht nur, dass Scott Derrickson nach seinem in jeder Hinsicht enttäuschenden, letzten Film „Deliver Us From Evil“ wieder zu vormaliger Stärke zurückgefunden hat, sondern auch die psychedelische Qualität von „Doctor Strange“, die der Vorlage trefflichen Tribut erweist. Nun mag der Dr. Strange des Films von seiner sonstigen Passgenauigkeit abgesehen etwas frecher und flapsiger frohlocken als sein einst von Steve Ditko gezeichnetes Vorbild (das berüchtigt ist für sorgenvoll-kryptische Anrufungen wie „Bei den modrigen Nebeln Mandrabulias!“), aber ein bisschen Spaß ist ja ausdrücklich erlaubt im MCU. Auch sonst „trickste“ man in personeller Hinsicht ein bisschen zu Zwecken der Modernisierung. Aus dem Ältesten wurde eine von Tilda Swinton (amtlich!) gespielte Dame, aus Stranges unterwürfigem Diener Wong (Benedict Wong) ein selbstbewusstes Individuum und aus seinem altem Erzfeind, dem Rumänen Baron Mordo, ein dunkelhäutiger, zwischenzeitlicher Verbündeter (Ejiofor), von dem man nach seinem bedeutungsvollen Abtritt gegen Ende jedoch annehmen darf, dass er demnächst als Widersacher zurückkehren wird.
Kern und Herz von „Doctor Strange“ bildet die ausufernde Visualisierung, die nicht nur die Beugung und Brechung physikalischer Regeln beinhaltet, sondern auch interdimensionale Reisen durch farb- und formprächtige Anderwelten. Sturz und Flug wechseln ebenso willkürlich die Bedeutung wie die Beschaffenheiten der Naturgesetze, möglich gemacht durch den Eintritt in die Spiegeldimension oder die Nutzung des „Astralleibs“. Rauschmittelfreie Bewusstseinserweiterung frei Haus quasi und dazu sehr viel ästhetischer, spielerischer und weniger verkopft gestaltet als in Nolans „Inception“. Die Anbindung ans MCU spielt natürlich eine Rolle, bleibt allerdings mit Ausnahme der Identifikation des Auges von Agamotto als „Ewigkeitsstein“ sowie des wie immer hübsch appetitanregenden Teasers in der Abspannmitte noch recht verhalten.
Als kritikwürdig indes lässt sich wie so oft in den MCU-Filmen (hier liegen besonders die Netflix-Serials deutlich vorn) die Vernachlässigung des (menschlichen) Gegenspielers und seiner Genossen beziffern, die erneut eher eine Alibifunktion einnehmen, um das Kino-Vehikel nicht zur reinen origin werden zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass der gute Thanos diesbezüglich bald eine Wende einläutet.
8/10