TROLL 2

„We love tourists here in Nilbog…“

Troll 2 ~ I 1990
Directed By: Claudio Fragasso

Die vierköpfige Stadtfamilie Waits möchte Urlaub auf dem Lande machen und tauscht zu diesem Zwecke für ein paar Tage die Wohnstatt mit der Farmerfamilie Presents, die in dem rural gelegenen Ministädtchen Nilbog haust. Den Waits‘ heimlich auf den Fersen mit einem eigenen Wohnmobil sind der hormongeschüttelte Teenager Elliott (Jason Wright), der es auf Tochter Holly (Connie Young) abgesehen hat und seine drei grenzdebilen Kumpels (Darren Ewing, Jason Steadman, David McConnell). Gleich die Ankunft in Nilbog erweist sich als höchst seltsam. Die Einwohner scheinen zwar freundlich zu sein, es gibt jedoch kein normales Lebensmittelgeschäft und alle (vegetarischen) Speisen werden unter Zugabe einer giftgrünen Pampe kredenzt. Des Rätsels Lösung: Nilbog ist ein Hort böser Kobolde, die Menschen in Pflanzen verwandeln, um sie hernach zu essen. Jenes Schicksal soll auch den Waits und ihren Anhängseln widerfahren, doch Filius Joshua (Michael Stephenson), dem der Geist seines längst verstorbenen Opas (Robert Ormsby) zur Seite steht, ist wehrhafter und vor allem einfallsreicher als die Finsterlinge glauben…

„Troll 2“ ist weder eine offizielle Fortsetzung zu „Troll“, noch hängt er inhaltlich in irgendeiner Weise mit John Carl Buechlers hübschem Unikat zusammen. „Troll 2“ hat vielmehr seine ganz eigene Geschichte. Zunächst einmal geht es hier weder um einen, noch um mehrere Trolle, sondern um Kobolde. Der überaus selbstbewusste Regisseur und Mattei-Kompagnon Claudio Fragasso und seine Frau Rossella Drudi, mit der zusammen er trotz äußerst prekärer anglophoner Sprachkenntnisse ein englisches Drehbuch abfasste, reisten mit ihrem italienischen Stab, darunter die in der Funktion als Kostümbildnerin engagierte Laura Gemser, nach Utah, um das ursprünglich „Goblins“ getaufte Werk dort dingfest zu machen. Ausschließlich Debütanten und Laiendarsteller bestimmten die Besetzungsliste und Drehbedingungen wie sie beispielsweise einem Edward D. Wood Jr. wohl nicht ganz unbekannt vorgekommen wären, den Alltag am Set. Am Ende erwies sich der fertige Film als cineastisches Äquivalent zu einer parfümierten Klobürste und ausgerechnet der zwölfjährige Michael Stephenson als Einziger, der ansatzweise schauspielerische Ansätze durchblicken ließ.
Der ihn allumfassend umgebende, erratisch-delirierende Nonsens – und von einem solchen kann man mit Fug und Recht berichten – ließ nicht nur das zeitgenössische Publikum ratlos bis frustriert zurück: „Troll 2“ verteidigte über lange Jahre seinen ehernen Status als „schlechtester Film der Welt“ und Spitenreiter der imdb bottom list (zumindest nach der durchschnittlichen User-Punktewertung, die irgendwo bei einskommasowieso lag). Das DVD-Zeitalter bescherte dem Film dann einen urplötzlichen Phönixflug: Etliche movie nerds in den USA „entdeckten“ „Troll 2“ und entwickelten einen phasenweisen Kult um den kleinen Billigheimer mit eigens hergerichteten Vorführungen und Partys, die an die Hochzeit des Midnight Cinema in den Siebzigern erinnert. Der mittlerweile erwachsene Darsteller des Joshua Waits, Michael Paul Stephenson, schickte sich 2009 an, mit der anrührenden Dokumentation „Best Worst Movie“ ebenjenem erosiven Parforce-Kult um „Troll 2“ nachzuspüren. Neben den anderen Akteuren von anno dunnemals zentriert sich der unbedingt im direkten Verbund mit dem Originalfilm zu betrachtende Bericht um den damaligen Interpreten des Familienvaters Michael Waits George Hardy, einem freundlichen, in seiner Heimatgegend allseits beliebten Zahnarzt, der mehr oder weniger zufällig dem einstigen Casting-Aufruf gefolgt war und ohne jedwede Vorerfahrung die Rolle erhielt. Hardy gibt dem plötzlichen, unerwarteten Echo um seine Person hocherfreut statt und gibt bei den von ihm als „Star“ besuchten Fan-Events Hunderte von Malen das mittlerweile geflügelte Zitat „You can’t piss on hospitality!“ zum Besten, bis er es selbst nicht mehr hören mag. Auch Claudio Fragasso folgt dem Ruf aus der Ferne, wird jedoch zunehmend ungehalten, als er mehr und mehr feststellt, dass die Re-Rezeption seines Films eher einem gewaltigen Jux entspringt denn aufrichtiger Ehrerbietung. Das Aufsehen um „Troll 2“ ist also ein ziemlich zweischneidiges Schwert, was niemanden davon abhalten sollte, sich dieses goldene Gurke wenigstens einmal anzutun und sei es nur, um zumindest einmal in den schwer unterhaltsamen Abgrund filmischer Unwägbarkeiten zu blicken.

5/10

TROLL

„Mr. Dickinson, wrong apartment.“ – „Shit!“

Troll ~ USA/I 1986
Directed By: John Carl Buechler

Die vierköpfige Familie Potter zieht gut gelaunt in ein neues Appartment vor San Francisco. Gleich am Tag des Einzuges erweist sich die kleine Wendy Anne (Jenny Beck) beim Spielen als willkommener Wirt für einen garstigen, hinter einer Kellermauer im Waschraum hausenden Trollkönig namens Torok (Phil Fondacaro). Während ihr älterer Bruder Harry (Noah Hathaway) sogleich ahnt, dass mit dem Schwesterlein etwas nicht stimmt, sind Vater (Michael Moriarty) und Mutter (Shelley Hack) zunächst weniger verwundert über Wendy Annes plötzliche Verhaltensoriginalitäten. Die anderen Mieter des Hauses werden von dem Wendy-Troll, der seine erscheinung nach Belieben verändern kann, ebenfalls flugs in Fabelwesen verwandelt. Nur an Mrs. St. Clair (June Lockhart/Anne Lockhart) von ganz oben beißt sich der kleine Unhold die Zähne aus. Diese entpuppt sich nämlich als eine uralte Magierin, die Harry Jr. im Kampf gegen Torok zur Seite steht.

Grandioser Fantasy-Horror aus dem Hause Empire, gefilmt in einem italienischen Atelier und von dem kauzigen Ed Naha so wunderbar ausgelassen gescriptet, dass man gar nicht anders kann als das Gebotene die ganze Zeit mit offenem Mund zu bestaunen. Der brillanteste Kniff der ansonsten eher in konventionellen Genrebahnen verankerten Story liegt darin, den Mitmietern des Hauses bzw. ihren verwandelten alter egos wesentlich mehr Handlungsraum zu gestatten denn üblich. Es beginnt bereits grandios mit Sonny Bono als sexbesessenem Schmierlapp, der als erster von Torok-Wendy verwandelt wird, geht weiter mit Gary Sandy als bizarrem Militarismus-Freak und Julia Louis-Dreyfus, die sich eine geile Waldelfe transformiert findet und langt bis zu dem kleinwüchsigen Phil Fondacaro, der nicht nur unter der Maske des Trolls agiert, sondern zugleich einen unter seinem Handicap leidenden Uni-Professor spielt. Am Ende versetzt man uns gemeinsam mit Helden und Schurken in eine Parallelwelt, in der der Entscheidungskampf stattfindet.
„Troll“ ist tatsächlich noch immer ein Film wie kein Zweiter und ein leuchtendes Beispiel dafür, welch enormes, kreatives Potenzial und welche Hingabe an ihre Arbeit in der vermeintlichen Billigfilm-Schmiede Empire schlummerte. Während die S-F/X-Leute und Darsteller keine Scheu zeigen, sich rundum für und in eine Arbeit involvieren zu lassen, die weniger freigiebige Zeitgenossen ohne zu zögern als „albernen Humbug“ abtäten, meistern Buechler und Naha, auch das gewissermaßen ein Empire-Tademark, die Gratwanderung zwischen der Feilbietung engagierten Genrestoffs und unverhohlen (selbst-)parodistischer Attitüde bewundernswert schwindelfrei.
Ein kleines, matt glimmendes Juwel seiner Jahre, und das meine ich wirklich gänzlich unironisch.

7/10

HANNA K.

„Could all three of you get out here, please?“

Hanna K. ~ F/ISR 1983
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Als remigrierte, US-stämmige Jüdin hat die mäßig erfolgreiche Anwältin Hanna Kaufman (Jill Clayburgh) sich ihre romantische Perspektive auf den Staat Israel und seine Hauptstadt Jerusalem bislang bewahren können. Hanna hat mit Victor Bonnet (Jean Yanne) einen nichtjüdischen, intellektuellen und liberalen Ehemann in Paris und pflegt vor Ort eine Affäre mit dem Staatsanwalt Joshua Herzog (Gabriel Byrne), von dem sie ein Baby erwartet. Mit dem Tage, an dem sie den Palästinenser Selim Bakri (Mohammad Bakri) vor Gericht wegen des Verdachts auf Terrorismus pflichtverteidigt, ändert sich ihr vormals einfaches Leben. Bakri wird zunächst nach Jordanien abgeschoben, taucht jedoch einige Wochen später erneut in Israel auf. Ein Hinweis seinerseits an Hanna, das Dorf Kufr Rumaneh ausfindig zu machen, führt sie in die Provinz nach Kfar Rimon, einem teils von Neusiedlern bevölkerten Ort, der auf den Ruinen eines alten palästinensischen Dorfe erbaut wurde, von dem nurmehr Restspuren vorhanden sind. Hanna findet heraus, dass hier Bakris familiäre Wurzeln liegen und er nunmehr staatenlos ist. Bakri, der diesmal inhaftiert wird, tritt in Hungerstreik und wird daraufhin in Hannas Obhut übergeben. Jetzt steht sie zwischen drei Männern mit jeweils völlig unterschiedlichen Perspektiven.

In den Achtzigern zeigte Costa-Gavras sich zumindest in formaler Hinsicht als es wesentlich ruhiger angehen lassender, wenngleich nach wie vor strikt politischer Filmemacher, der sich mit „Hanna K.“ des heiße Eisens des Nahost-Konflikts annahm. Auch hier schwamm er gegen den allgemeinen Strom und wagte es als erster Spielfilm-Regisseur, die palästinensische und somit anti-israelische und gleichermaßen anti-amerikanische Sichtweise zu repräsentieren. Erwartungsgemäß formulierte er das Thema nicht zum plumpen Propagandapamphlet für schicke Hochrufe skandierende Palituch-Träger, sondern bemühte sich um ein differenziertes Bild, für dass er das Zentrum einer nicht nur politisch, sondern zugleich emotional zerrissenen Frau wählte. Aus der Dreiecksgeschichte wird so zusehends eine Vierecksgeschichte, die am Ende keinen befriedigenden Abschluss gewährleistet und Hanna allein und im Angesicht schwer bewaffneter Soldaten zurücklässt. Wen sollte sie wählen? Ihren deutlich älteren, eher väterlich-freundschaftlichen Ehemann mit der bequemen Sicht des westlichen Bildungsbürgers? Den leidenschaftlichen Zionisten und Vater ihres Sohnes oder doch den unter seiner ruhigen Oberfläche wütend brodelnden Entrechteten? Ebenso wie Hanna verzichtet am Ende auch Costa-Gavras auf ein eindeutiges Statement, wobei er wenig Zweifel daran lässt, dass die Zwei-Staaten-Lösung ihm am Wohlsten behagte. Der Regisseur lässt sich durch die Figur von Jean Yanne repräsentieren, des außenstehenden Linken, der am Ende zwar eine Meinung präferieren, sich jedoch stets auf das sichere Pflaster seiner Herkunft stützen kann. Diese Regisseur und Film inhärente Klugheit macht „Hanna K.“ noch immer zu einem der ausgeglichensten Meditationen zum Topos.

8/10

SECTION SPÉCIALE

Zitat entfällt.

Section Spéciale (Sondertribunal – Jeder kämpft für sich allein) ~ F/I/BRD 1975
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Paris, 1941. Eine Gruppe junger Widerständler beschließt, im Gegenzug zur Niederschlagung eines Protestmarschs durch die Gestapo Anschläge auf eine Reihe deutscher Offiziere zu verüben. Gleich der erste Mord an einem Marine-Major (Romain Bouteille) zieht ein gewaltiges Echo nach sich. Da man der Täter nicht umgehend habhaft wird, beschließt Innenminister Pierre Pucheu (Michael Lonsdale), aus strategischen Erwägungen sowie unter Rückendeckung Marschall Pétains, ein rückwirkendes Gesetz zur Abstrafung bereits inhaftierter, politischer Gefangener aus Vergeltungsgründen zu etablieren. Die entsprechenden Abstrafungen sollen von sogenannten „Sondertribunalen“ vorgenommen werden, deren Protagonisten sich nach allgemeinem, aber kurzem Geraune in den obersten Justizinstanzen alsbald in unkritischen, mundtoten Staatsdienern auffinden lassen. Es kommt zu mehreren Verhängungen von Todesstrafeurteilen für ursprüngliche Lappaliendelikte.

In Costa-Gavras‘ bitterböser Abrechnung mit dem Vichy-Regime schlägt der Regisseur beinahe ungewohnt sarkastische Töne an: Die Funktionäre der kriecherisch in Richtung der Besatzer buckelnden, französischen Oberbefehlshaber, die sich im erwarteten großdeutschen Reich aussichtsreiche Positionen erhoffen, stellt der Meister mit einem bitteren Schmunzeln als das dar, was sie ganz offenbar tatsächlich waren: wahlweise alte, ergraute Veteranen, die zu müde sind, um sich abermals dem Feind zu stellen oder ölige Emporkömmlinge wie Pucheu, die einerseits die öffentliche Illusion aufrecht zu erhalten versuchen, Frankreich besäße noch immer einen Rest Souveränität, andererseits jedoch den Okkupanten wohlweislich in den Hintern kriecht. „Section Spéciale“, wiederum eine streng authentische Aufbereitung historischer Faktenlagen, zeigt abermals auf ebenso hintersinnige wie unmisserständliche Weise auf, wie Totalitarismus und Unterdrückung selbst auf ehemals revolutionärem Mutterboden funktionieren können, wenn nur die Flamme des Widerstandes einmal erloschen ist. Nicht mehr ganz so wütend, flammend und niederschmetternd wie in seiner Repressions-Trilogie, dafür eher mit besagter (dabei jedoch keinesfalls minder wirksamer) tongue-in-cheek attitude, lässt Costa-Gavras dennoch abermals klare didaktische Warnsignale durchblicken: wer bereit ist, sich um den Preis der Assimilierung zur Hure machen zu lassen, der verkauft nicht nur seine Integrität, sondern auch seine Seele. Und damit alles.

9/10

L’AVEU

Zitat entfällt.

L’Aveu (Das Geständnis) ~ F/I 1970
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Artur Ludvik (Yves Montand), wegen seiner Jahre in Frankreich Gérard gerufen, ist Kommunist mit Leib und Seele und glaubt als solcher auch eisern an den tschechoslowakischen Staat, dessen Regierung er als Vize-Außenminister treu ergeben ist. Als er eines Tages bemerkt, dass man ihn beschattet, ist dies lediglich der Beginn eines langwierigen Albtraums. Kurz darauf wird Gérard verhaftet, ins Gefängnis gesteckt, physisch und psychisch gefoltert und langwierigen Verhören unterzogen, die von ihm ein zunächst diffuses „Geständnis“ einfordern: Gérard ist Bestandteil einer Welle stalinistischer Säuberungen, die Trotzkisten und Titoisten einzingeln sollen, um die Tschechei auf systemischem Kurs zu halten. Jahre später wird er ein Buch über seine Erlebnisse veröffentlichen, just zur Zeit des Prager Frühlings.

Die buchstäblich kafkaeske Aufbereitung der Erlebnisse des authentischen Artur London, der auf das Schmerzlichste lernen musste, dass politischer Idealismus und seine reale Umsetzung stets an den Machthabern scheitern, war der erste Film Costa-Gavras‘ nach seinem monumentalen „Z“ und zugleich der Mittelteil seiner Trilogie über die Bedrohlichkeit totalitaristischer Staatsräson. Jeder der drei Filme, jeweils mit Yves Montand in der Hauptrolle besetzt, orientierte sich an zeitnahen Beispielen für die unmenschlich werdende Durchsetzung unterschiedlicher Machtinteressen. Hier ging es um die Konservierung des Ostblocks als Symbol für den kommunistischen Schulterschluss, der stets dann zu greifen begann, wenn sich in einem der dazugehörigen Staaten der Verdacht auf widerständlerische Ideenkeimung regte. Der dazugehörige Slánský-Prozess, ein öffentlichkeitswirksames Schaulaufen der systemischen Repression, forderte elf Todesopfer. Artur London selbst entkam der Todesstrafe nur knapp und musste nach seiner Freilassung noch sieben Jahre auf seine juristische Rehabilitation warten.
Costa-Gavras inszenierte Londons schicksalhafte Monate als Albtraumszenario übermächtiger Staatsräson, für dessen realitätsverpflichtete Darstellung Hauptdarsteller Montand sich auf Haut und Knochen herunterhungerte. Durch die geschickte Einflechtung von Zeitsprüngen und Ellipsen wird der Zuschauer zwar bald versichert, dass Gérard dem Horror irgendwann entkommen wird; die permanent spürbare Qual seiner unschuldigen Gefangenschaft lindert diese Gewissheit jedoch nur unwesentlich. Absolute Brillanz erreicht „L’Aveu“ in der Darstellung der stalinistischen Methoden, den auserkorenen Opfern Schuldgeständnisse abzuringen: Die angewandten Mittel sind ebenso luzid wie perfid, jedoch wundersam zielführend und ergeben damit eine der eindringlichsten Spielfilm-Darstellungen zum Thema. In Zeiten, die offenbar erst aufs Neue nach den längst offenkundigen Beweisen für die Abgründigkeit volksunterstützter Diktaturen verlangen, um belehrt zu werden, zählt „L’Aveu“ beinahe schon wieder zum erzieherischen Pflichtprogramm. Schlimm, dass man solche Termini überhaupt gebrauchen muss.

10/10

LA POLIZIA È SCONFITTA

Ziat entfällt.

La Polizia È Sconfitta (Sonderkommando ins Jenseits) ~ I 1977
Directed By: Domenico Paolella

Der Verbrecher Valli (Vittorio Mezzogiorno) schüttet eine Welle der Gewalt über die Stadt Bologna aus – ob Schutzgelderpressung, Raubüberfälle oder Drogenhandel, kaum ein kriminelles Segment ist vor ihm und seinem rücksichtslosen Vorgehen sicher. Wer nicht in Vallis Sinne spurt, wird gnadenlos hingerichtet. Um den Unhold endlich dingfest machen zu können, ruft Inspettore Grifi (Marcel Bozzuffi) eine motorradbewährte Spezialeinheit ins Leben, die eine besondere Zusatzausbildung und besondere Befugnisse erhält. Doch selbst mit solcherlei Profis an seiner Seite gelingt es Grifi zunächst nicht, an Valli heranzukommen…

Mit der gesetzten Gelassenheit des Altprofis inszenierte der damals 62-jährige Domenico Paolella, ein erfahrener Genreregisseur, der sich vom Peplum über Bond-Spoofs und Western bis hin zu Nunploitation an fast allem versucht hatte, seinen ersten und einzigen Poliziottesco. Weniger aufpeitschend als Lenzi oder Di Leo konzentriert Paolella sich ganz auf das fast schon intime Duell zwischen Grifi und Valli, wobei der üblicherweise eher als Bösewicht antretende Marcel Bozzuffi (der nur ein Jahr zuvor in Dallamanos „Quelli Della Calibro 38“ andererseits bereits ein fast identisches Polizistenporträt hingelegt hatte) und der charismatische Vittorio Mezzogiorni als Antagonisten ihre Sache jeweils besonders gut machen. Gut, die ganze Motorrad-Spezialeinheits-Masche wirkt etwas weit her geholt, um nicht zu sagen: redundant. Warum die Supercops im Zuge ihres Sondertrainings mit den heißen Öfen immer wieder in einer Kiesgrube Sprungaktionen durchprobieren müssen, bleibt eines der Geheimnisse des Films. Andererseits macht „La Polizia È Sconfitta“ hinsichtlich seines visuellen Naturalismus‘ keine Gefangenen: Mezzogiornos gewalttätige Anwandlungen (sowie die seiner nicht minder sadistischen Helfershelfer) ähneln denen des seligen Tomas Milian in „Milano Odia: La Polizia Non Può Sparare“ oder jenen von Helmut Berger in „La Belva Colla Mitra“, was fraglos für einen gewissen, frischen Glanz in der Ahngalerie denkens- und dankenswerter Poliziottesco-Psychopathen sorgt. Valli jagt Leute in die Luft, lässt Kehlen durchschneiden, Verräter kastrieren und lauch gern mal selbst die MP rattern. Ob man das zumindest mir persönlich etwas aufgesetzt vorkommende Ende mit dem Lynchmob nun als unbedingt passend bewerten mag oder nicht – Paolellas kleiner Knüppel-aus-dem-Sack bleibt so oder so gediegenes Genrehandwerk.

7/10

IL RITORNO DI ZANNA BIANCA

Zitat entfällt.

Il Ritorno Di Zanna Bianca (Die Teufelsschlucht der wilden Wölfe) ~ I/F/BRD 1974
Directed By: Luci Fulci

Einige Zeit nach seinem ersten Abenteuer in Yukon kehrt der Autor Jason Scott (Franco Nero) zusammen mit seinem Freund Kurt Jansen (Raimund Harmstorf) zurück in den kanadischen Westen. Ihre alte Freundin Schwester Evangelina (Virna Lisi) hat um Hilfe gerufen, weil der schurkische Beauty Smith (John Steiner) wieder aufgetaucht ist. Er nennt sich jetzt Charles Forth, tut so als sei er gelähmt und hat einen Regierungsbeamten (Renato De Carmine) in der Tasche. Außerdem ist er für den Tod des Indianerjungen Mitsah (Missaele) verantwortlich. Auch der treue Wolfsblut ist wieder da. Er hat in dem kleinen Bill (Renato Cestiè) und seinem Großvater, dem alten Goldgräber John Tarwater (Harry Carey Jr.) neue Freunde gefunden. Gemeinsam muss man sich nicht nur des Intrigen spinnenden Beauty Smith erwehren, sondern zudem noch des gierigen Harvey (Werner Pochath), der ganz eigene Pläne verfolgt.

Ein rundes Jahr nach der erfolgreich gelaufenen, freien London-Adaption „Zanna Bianca“ machte sich Maestro Fulci an die erste Fortsetzung (es gab dann noch zwei weitere eilends nachgeschobene, qualitativ jedoch jeweils abfallende Rip-Offs von Tonino Ricci und Alfonso Brescia), für die er den Großteil der Besetzung des Erstlings wieder zusammentrommeln konnte. Der zuvor noch prominent in Szene gesetzte Mitsah muss gleich zu Beginn den tragischen Heldentod sterben und auch John Steiners Rolle innerhalb des etwas unübersichtlichen Geschehens bleibt leider halbwegs diffus, während sich der in den ersten drei Filmvierteln noch etwas mysteriös durch die verschneite Gegend schleichende Werner Pochath als finaler Gegner um die motivspendende Goldjagd hervortut. Obschon es mit dem Rotzbengel Renato Cestiè wiederum eine kindliche Identifikationsfigur für jüngere Zuschauer gibt (der in der deutschen Synchronfassung von dem jungen Oliver „Justus Jonas“ Rohrbeck gesprochen wird), fällt das Sequel bezüglich Grundstimmung und Atmosphäre insgesamt merklich düsterer aus; es gibt eine Menge mehr Leichen und am Ende, als Pochath von einem scharfkufigen Hundeschlitten überrollt wird, sogar noch einen typischen Flutschi-Gore-Effekt. Sehr gut gefällt abermals die illustre Darstellerriege: Mit dem Engagement von Ford-Veteran und Westernlegende Harry Carey Jr. als ebenso besorgtem wie zauseligem Seniorschürfer gelang der Produktion ein mittelmäßiger Coup, dazu gibt es noch die schnieke Hannelore Elsner als frustrierte Mountie-Gattin und Beauty Smith verfallene femme fatale.
Zwar wirkt das Gesamtauftreten von „Il Ritorno Di Zanna Bianca“ infolge eines etwas tentakulös zusammengeklöppelten Scripts nicht ganz so konzis wie das des Vorgängers, dafür erreicht er jedoch ähnliche Qualitäten in der Einzelwertung, was ihn insgesamt zu einem würdigen, nahezu ebenbürtigen Nachfolger macht. Zweifellos ein Verdienst der kompetenten Regie, wie ich meinen möchte.

6/10

DON’T KNOCK TWICE

„She lied!“

Don’t Knock Twice ~ UK 2016
Directed By: Caradog W. James

Nachdem sie vor Jahren wegen ihrer Drogensucht ihre Tochter Chloe (Lucy Boynton) in staatliche Obhut geben musste, will Künstlerin Jess (Katee Sackhoff) das mittlerweile fast erwachsene Mädchen nun wieder zurück in ihre Obhut nehmen. Chloe jedoch will zunächst nichts von ihrer Mutter, die mit einem wohlhabenden neuen Mann (Richard Mylan) zusammenlebt, wissen. Das ändert sich rasch, als Chloe infolge einer dummen Mutprobe die Aufmerksamkeit eines weiblichen Dämons auf sich zieht. Sie flieht in Jess‘ großzügiges, rurales Anwesen, wo sie sich zunächst sicher glaubt, doch auch hierhin verfolgt sie das grauenhafte Wesen. Jess, die ihrer Tochter tapfer zur Seite steht, stellt derweil Recherchen an, um was es sich bei der übernatürlichen Kreatur wirklich handelt und wie man sie am Besten wieder loswird….

Den aus walisischer Produktion stammenden „Don’t Knock Twice“ hätte ich mir vor allem deutlich stringenter und kompakter gewünscht. Leider jedoch handelt es sich bei James‘ Film um einen jener diversen einfallslosen Geisterfilm-Vertreter, denen es am Ende bloß darum geht, das gruselige Parawesen (in diesem Falle niemand Geringere als die legendäre Baba Yaga) möglichst prominent in Szene zu setzen und eine hohe Frequenz an jump scares abzuliefern. Diese recht zahlreich bemühte Masche erweist sich in meiner Wahrnehmung als zunehmend kontraproduktiv, da eher kleine,  Genrebeiträge wie dieser ja wohl doch von einem eher „exklusiven“ und zwangsläufig erfahrenem Publikum gesehen werden, das aufgrund der immergleichen Bemusterung ebenjener Filme allerdings kaum mehr die gewünschte Affizierung wird vorweisen können. Durchschaubarkeit, Vorhersehbarkeit und Gewohnheitsmäßigkeit ersticken da zu großen Teilen die unablässige Lust am wohligen Grauen. Gewiss stammt dies ursprünglich aus gut gemeinter Initiation, aber man weiß ja hinreichend um das entsprechende Gegenteil desselben.  Zudem wirkt „Don’t Knock Twice“ zuweilen sehr einfältig in Bezug auf die umständliche Konstruktion seiners Plots. Nachdem die dysfunktionale Mutter-/Tochter-Beziehung etabliert wurde, geht es mit einer „Candyman“-artigen Geisterprämisse weiter („Klopfst du zweimal, kommt ‚Ginger‘ dich holen! Buh!“), die sich dann in den üblichen Geistererscheinungsfloskeln ergeht. Die Oberdämonin findet sich in diesem Zuge als spinnenartige Krabbelkreatur gestaltet, die eigentlich viel kann, aber natürlich doch nicht genug, um ihre sinistren Ziele vehementer, sprich: schneller umzusetzen. Beinahe dümmlich wird es dann, wenn durch Fehlverdachtsmomente und sinistre Intrigen aus dem Geisterreich versucht wird, dramaturgische Cleverness zu erzeugen. All das hätte es nicht gebraucht, hätte sich da nur etwas mehr der Mut zur Konzentration auf Wesentliches ausschlaggebender Kreativfaktor durchgesetzt. So jedoch bleibt lediglich unbefriedigendes Mittelmaß.

5/10

WE ARE STILL HERE

„We’ll fix it.“

We Are Still Here ~ USA 2015
Directed By: Ted Geoghegan

Massachusetts, Winter 1979: Um den Unfalltod ihres Sohnes Bobby zu verwinden, zieht das Ehepaar Sacchetti, Anne (Barbara Crampton) und Paul (Andrew Sensenig), aufs Land. Gleich beim Einzug meint die sensible Anne, Signale von Bobby aus dem Jenseits zu erhalten. Ein Besuch der Nachbarn McCabe (Monte Markham, Connie Neer), im Zuge dessen die Sacchettis von der eher beunruhigenden Historie ihres neuen Eigenheims erfahren, wirkt sich indes ebenso verwirrend auf sie aus wie der trotz der niedrigen Temperaturen stark aufgeheizte Keller, in dem sich ein nach dem Rechten sehender Elektriker (Marvin Patterson) schwer verbrennt. Als mit den Lewis‘ (Lisa Marie, Larry Fessenden) ein befreundetes Ehepaar mit spirituellen Fähigkeiten zu Besuch kommt, bricht die Hölle los…

Ted Geoghans Debütfilm erweist sich als stark nostalgisch gefärbtes Genreschmankerl mit Geistern, Fluch und Splatter, an dem das Meiste stimmt. Geoghan hat seine Arbeit insbesondere als Reminiszenz an die Spätsiebziger- und Frühachtziger-Ära angelegt. Für die Fotografie wählte er eine sehr authentisch stimmende, blasse Farbgebung und sanfte Weichzeichneroptik, der Kernplot um eine einst von argwöhnischen Kleinstadtbewohnern gelynchte Familie, die seither im Drei-Dekaden-Rhythmus nach dem Blut einer Familie verlangt, um dann wieder besänftigt ins Zwischenreich zurückzukehren, erinnert ebenfalls an viele der Grusel- und Haunted-House-Filme jener Tage. Das Fluch-, Schuld- und Rachethema verfehlt gerade weil es so gut abgehangen ist und nicht in jedem zweiten der mittlerweile ja wieder zunehmend invasiv auftretenden Dämonenstücke bemüht wird, nicht an vertrauter Wirkung. Allerdings äußern sich die Attacken der Dagmars, so der Familienname der einstmals verbrannten Unglückseligen, nicht durch Spuk und Besessenheit – sie manifestieren sich vielmehr als verkohlte, funkensprühende Zombies, die ihre Opfer mittels gewaltiger Körperkraft auseinanderreißen, zerquetschen oder zerfetzen, was den Effektmeistern hinreichend Anlässe für kernige Sauereien verschafft und den alten gorehound in unsereinem juchzen lässt. Mit Barbara Crampton, Lisa Marie und dem trotz seines Alters gegenwärtig wieder viel beschäftigten Monte Markham stand Geoghan dazu noch sympathische Traditionsprominenz zur Seite, mit denen das Wiedersehen stets Freude bereitet.
Prima!

8/10

HUSH

„I can get you, anytime I want.“

Hush ~ USA 2016
Directed By: Mike Flanagan

Die erfolgreiche Autorin und seit einer Hirnhautentzündung im Teenageralter taubstumme Maddie (Kate Siegel) arbeitet in einem abgelegenen Haus im Wald an ihrem nächsten Roman. Eines Abends wird sie von einem maskierten Mann (John Gallagher Jr.) mit einer Armbrust attackiert, der bereits Maddies Nachbarin Sarah (Samantha Sloyan) ermordet hat. Der Wahnsinnige beginnt ein grausames Katz- und Maus-Spiel mit Maddie, die im Laufe des Konflikts jedoch ungeahnte Kräfte mobilisiert…

Gehandicapte, zarte Frauen im Angesicht einer maskulinen home invasion: ein durchaus klassisches Genremotiv. Der gegenwärtig sehr emsige Mike Flanagan hat die Funktionsweise jener Subgattung erfolgreich studiert und durchblickt, wobei er die bereits mehrfach bemühte, blinde Protagonistin diesmal im Schrank lässt und stattdessen eine taubstumme, zur Wehrhaftigkeit genötigte Heldin zentriert. Hier und da tun sich unweigerlich Fragen hinsichtlich des logischen Fortlaufs des Ganzen auf, die man in mäßig befriedigendem Grade für sich mit der offenbaren Geistesstörung des Killers beantworten kann, sollte oder muss, wenn man die sonstigen Qualitäten von „Hush“ möglichst ungetrübt genießen will. Denn zumindest das Spiel auf der Suspense-Klaviatur beherrscht der Film durchaus virtuos. Er ist erfrischend konzentriert und pointiert geraten, meidet redundante Dehnungselemente und beschränkt sich auf eine heuer geradezu unüblich gewordene, kurze Erzählzeit, die sich jedoch völlig genügt.
Vielleicht nicht der ganz große Wurf, als nahrhaftes Appetithäppchen allerdings absolut delektabel.

7/10