MACISTE, L’UOMO PIÙ FORTE DEL MONDO

Zitat entfällt.

Maciste, L’Uomo Più Forte Del Mondo (Maciste und die Königin der Nacht) ~ I 1961
Directed By: Antonio Leonviola

Der Muskelmann Maciste (Mark Forest) gerät in Konflikt mit den zum Leben ohne Sonne verdammten Maulwurfsmenschen, die das Volk des ermordeten König Khur (Nando Tamberlani) versklaven, um es in ihrem unterirdischen Reich Juwelen abbauen zu lassen. Zusammen mit seinem neuen Kumpel Bango (Paul Wynter) lässt auch Maciste sich gefangennehmen und lernt mit Halis Mojab (Moira Orfei) die rachsüchtige, missgünstige Königin der Maulwurfsmenschen kennen. Diese würde den properen Maciste am Liebsten vom Fleck weg heiraten, doch jener erweht sich tapfer aller Avancen durch das böse Luder.

Neben Herkules brachte es der Muskelheld Maciste im Peplum der sechziger Jahre auf die meisten Serieneinträge. Wikipedia listet immerhin ganze 25. Dabei handelte es sich im Prinzip bloß um eine fix herbeigewunschene Wiederbelebung: In den zehner und zwanziger Jahren hatte der Bodybuilder Bartolomeo Pagano den Maciste bereits 26 Male gegeben. Der ursprünglich als karthagische Held konzipierte, bärenstarke Protz hatte im Vergleich zu Herkules dabei den Vorteil, nicht auf einen singulären, mythologischen Background festgelegt zu sein. Maciste turnte stattdessen munter durch Epochen und Regionen, war mal im alten Rom aktiv, dann im Schottland des 17. Jahrhunderts, nur um dann einem ägyptischen Pharao beizustehen oder in Spanien gegen Zorro anzutreten. In „Maciste, L’Uomo Più Forte Del Mondo“ war es an Fünffach-Maciste (und damit Silbermedaillen-Gewinner nach Kirk Morris), an unbestimmtem Ort und zu unbestimmter Zeit den Kampf gegen ein albino-artiges, unterirdisches Völkchen aufzunehmen, das, ganz seiner grottigen Herkunft entsprechend, nur Übles im Sinn hat. Dabei steht Forest ein nicht minder gut ausgestatter, dunkelhäutiger Recke namens Bango zur Seite, der in der deutschen Synchronisation mit dümmlichem Bamse-Olumbe-Dialekt „angereichert“ wurde, wohl, um seine Urwaldherkunft zu unterstreichen. Überhaupt wird viel von „Rassen“ und deren Differenzen parliert; zugleich lässt sich ein mehr oder minder diffuses, homoerotisches Element , wie es dem Peplum häufig ohnedies innewohnte, unter den beiden Raubritterkreuzen nicht hinfortleugnen. In ideologischer Hinsicht gibt es also einiges an tumbem Gekaspere, wobei Forest, der die Stimme von Hansjörg Felmy bekam, allein durch diesen Umstand gleich nur noch halb so blöd wirkt. Ist aber auch egal: Kämpfe gegen einen Affenmenschen im Kostüm und gegen ein paar Löwen sowie eine bombastische Kraftprobe machen Vieles an Unbill wieder wett und diesen Maciste zu einem Musterexempel seiner leicht debilen Zunft. Dass die billig edierte deutsche DVD eine abartig-asynchrone Synchrontonspur aufweist, halte ich nebenbei an dieser Stelle für meine warnungsintensive Mitteilungspflicht.

6/10

HOBSON’S CHOICE

„Young man, don’t abuse a noble word!“

Hobson’s Choice (Der Herr im Haus bin ich) ~ UK 1954
Directed By: David Lean

Der dem Alkohol zugetane Witwer Henry Hobson (Charles Laughton) besitzt ein angesehenes Schuhmachergeschäft im viktorianischen Salford. Um seinen Laden muss er sich nicht kümmern, dafür sorgen neben den beiden jüngeren Töchtern (Daphne Anderson, Prunella Scales) vor allem die älteste, Maggie (Brenda De Banzie), und sein Angestellter William Mossop (John Mills). Während Hobson sich in geselliger Gasthausrunde gern über Maggies Altjüngferlichkeit mokiert, hat diese ganz eigene Pläne: Sie überredet den konfusen Mossop, sie zur Frau zu nehmen und ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Der keifende Hobson merkt bald, dass er ohne die Unterstützung von Tochter und Schwiegersohn komplett aufgeschmissen ist und macht sie zähneknirschend zu gleichberechtigten Partnern.

Ein ganz offensichtlich speziell für seinen Hauptdarsteller transponiertes Zeitporträt, das Laughton als alternden Säufer in einer seiner schönsten Rollen überhaupt zeigt. Als grantelnder, arroganter und höchst uneinsichtiger Patriarch, der in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tritt, hat er etliche Gelegenheiten, die volle Bandbreite seines großen Könnens zu demonstrieren, während Lean, noch in der Vorphase seiner fünf großen historischen Epen ab 1957, einen intimen Einblick in die Ära um 1880 gewährt, in der die englischen Kleinpatrizier sich einer spezifischen Sozialkaste ähnlich wähnen; die älteren Herren nutzen jede freie Minute für ein Stammtischtreffen im benachbarten Inn – und freie Minuten gibt es reichlich. Berauscht von Schnaps und Bier schwadroniert man in trauter Privatsphäre über das Alltagsgeschehen im Viertel, wobei Hobson, der als Witwer glücklich ist, ohne Konsequenzen saufen zu können und sich auf das Glück seiner treuen Belegschaft stützt, die größte Klappe von allen an den Tag legt. Ebensowenig wie der Zuschauer rechnet auch er mit der Entschlossenheit seiner Ältesten, die nach offensichtlich reiflicher Planung die Reißleine zieht und ihr Leben, ein wenig vielleicht im Sinne der Suffragetten-Bewegung, selbst in die Hand nimmt. Dazu gehören einige durchaus anstrengende Maßnahmen: Der unkultivierte, tropfhafte Geselle Mossop will eingenordet und geehelicht, das Grundkapital für ein eigenes Geschäft aufgetrieben, das Ladenlokal ausgestattet werden. Der Titel von Stück und Film, „Hobson’s Choice“, bezieht sich also mitnichten auf eine Entscheidung des versoffenen Haustyrannen, sondern auf die seiner Tochter Maggie zum Auf- und Ausbruch.

9/10

CAPTAIN KIDD

„I accuse this man of piracy and murder!“ – „Was ever a gentleman that misfortunate?“

Captain Kidd (Unter schwarzer Flagge) ~ USA 1945
Directed By: Rowland V. Lee

England, 1699. Der feiste Piratenkapitän William Kidd (Charles Laughton) kehrt, nachdem er im Indischen Ozean eine Galeone gekapert und die Beute vergraben hat, nach London zurück, um dem Monarchen William III (Henry Daniell) das Unschuldslämmchen vorzuspielen und sich ein offizielles Kommando im Namen der Krone zu ergaunern. Für Kidd, der sich während der kommenden Reise nach Madagaskar, von wo aus er das Diplomatenschiff „Quedagh Merchant“ zurück eskortieren soll, seiner früheren Genossen zu entledigen plant, läuft zunächst alles nach Plan. Doch unter den angeheuerten Galgenstricken findet sich auch ein geheimnisvoller, junger Mann namens Adam Mercy (Randolph Scott), der ganz eigene Ziele zu verfolgen scheint…

Mit den großen Piratenfilmen von Warner und MGM hält diese kleine, von Rowland V. Lee inszenierte Produktion nicht ganz Schritt, zumal es sich auch im Nachhinein noch ungewöhnlich ausnimmt, dass das Werk nach seinem Bösewicht benannt ist, der vom Script zudem deutlich prominenter behandelt wird als der vergleichsweise blasse Held. Randolph Scott, der üblicherweise nicht umsonst dutzende Male auf den wortkargen, seelengequälten Westerner besetzt wurde, ermangelt tatsächlich nicht allein die gebotene Flamboyanz und der Glamour eines Tyrone Power oder Errol Flynn, um es mit einem darstellerischen Kaliber vom Schlage des zwischen wohlfeiler Ironie und Diabolik changierendem Charles Laughtons aufnehmen zu können. Mit genießerischer Boshaftigkeit führt jener als historisch höchst unakkurater Captain Kidd seine Todesbuch wie eine intime To-do-Liste, wobei er immer wieder genüsslich alte Namen durchstreicht und neue hinzuträgt. Große Kaper- und Fechtszenen bleiben indes eher Mangelgut, obschon Laughton trotz seiner etwas benachteiligten Physis ein paar eindrucksvolle Finten vollführen darf.
Insgesamt trotz seiner kleineren Makel ein durchaus spaßiges, kleines Genrestück, das als Pausenfüller zwischen zwei Flynns durchaus amtlich reinläuft.

7/10

QUEEN KONG

„Do you think this has some underlying meaning or symbolism or social significance?“

Queen Kong (Die tollen Abenteuer der Queen Kong) ~ UK 1976
Directed By: Frank Agrama

Die kesse Filmemacherin Luce Habit (Rula Lenska) sucht für ihr nächstes Projekt zum Ersten einen kernigen männlichen Star und hat sich zum Zweiten die geheimnisvolle Insel „Lazanga Where They Do The Konga“ als Drehort ausgesucht, auf dem die Eingeborenen der Riesenäffin Queen Kong huldigen. Ihren Auserwählten findet Luce in dem Londoner Kleingauner Ray Fay (Robin Askwith), der sie eher unfreiwillig Richtung Afrika begleitet. Nach einigen Inselabenteuern nimmt man Queen Kong dann mit in die englische Metropole, wo sie flugs zum Star der Feminismusbewegung auserkoren wird.

Wollte ich schon lang einmal gesehen haben und bin nun froh, endlich auch hier ein Häkchen setzen zu können. Frank Agramas als „King Kong“-Parodie verkleidete Gaga-Komödie sucht ihre Wurzeln im britischen Anarchohumor jener Jahre, garniert vielleicht mit ein bisschen Zuwendung an Mel Brooks, jedoch vollkommen ohne dessen Gespür für liebevolle Parodismen oder auch sonst irgendeine Art von Stil. Stattdessen bewegt sich der in ausnahmslos jedweder Beziehung gammlige „Queen Kong“ in den flauen Gewässern des garantiert unwitzigen Nonsens und versagt somit bei seinen hochfrequent bemühten Versuchen, komisch zu sein, so dermaßen, dass es körperlich schmerzt. Robin Askwith, der mit seinem ausgeprägten Kieferbau in jungen Jahren exakt dieselbe Physiognomie aufwies wie Oliver Kahn und der seinerzeit als vielversprechender sonnyboy der aufstrebenden Comedy-Szene galt, sollte man sich bevorzugt in „Horror Hospital“ geben, der seinen „Qualitäten“ deutlich gerechter wurde.
Dies hier ist nichts weiter als lupenreiner, vergorener englischer Stinkkäse.

2/10

UNTIL THE LIGHT TAKES US

„People like to dress up.“

Until The Light Takes Us ~ USA 2008
Directed By: Aaron Aites/Audrey Ewell

Inspiriert durch meinen Freund Oliver, der vor ein paar Wochen über diese Dokumentation in seinem Blog geschrieben und mir zudem später beim gemeinsamen Besuch eines KISS-Konzerts von einem kleinen Vice-Film über den vormaligen Gorgoroth-Sänger Gaahl berichtet hat, nutzte ich ein paar buchstäblich kranke Tage daheim und fern der Arbeit, um mich mit dem interessanten Phänomen „norwegischer Black Metal“ auseinanderzusetzen. Zwar bin ich seit jeher selbst ein Freund von Musik der härteren Gangart, in die Untiefen der martialischen Auftritte, des lustvollen Spiels mit satanistischer und/oder paganistischer Symbolik, der bösen Plattencover, der kunstvoll, oftmals bis zur Unkenntlichkeit verschnörkelten Bandlogos und der gutturalen oder brutal kreischenden Gesänge habe ich im Laufe der Jahre bestenfalls mal den kleinen Zeh gehalten und dann meist auch schnell wieder herausgezogen. Die Gründe liegen wohl im persönlichen Umfeld. Weder habe ich mich je aktiv in der Fantasy-/Rollenspielerszene bewegt, also unter Leuten, die ja häufig eine grundsätzliche Affinität zu solcherlei Musik aufwiesen, noch sonst langhaarige Freunde in Kutte und Leder gehabt. Tatsächlich musste ich mein eigenes, kleines Hardrock-/Heavy-Faible stets gegen Britpop, Alternative, Düsterrock oder Punk und Hardcore „verteidigen“ bzw. meinen Musikgeschmack mehr oder weniger gezwungenermaßen entsprechend assimilieren. Sprich: die Faszination für die Äußerlichkeiten war im Prinzip latent vorhanden, fand sich jedoch nie kultiviert. Dass in Norwegen zu Beginn der Neunziger ein paar Spinner unterwegs waren, die Kirchen angezündet haben und auch, dass Leute zu Tode gekommen sind, habe ich damals wohl mitbekommen und eher kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, das war’s dann aber auch diesbezüglich. Selbstgewählte Bezeichnungen wie „Dead“, „Euronymous“, „Faust“ und „Count Grishnackh“ hätten mir bis vor Kurzem nichts gesagt, ebensowenig wie die subkulturelle Eigenart des „corpsepainting“. Auch die Band „Mayhem“ kannte ich bloß vom Hörensagen. Der unterhaltsame Film „Metal: A Headbanger’s Journey“ behandelt das Ganze lediglich als kurze Fußnote.
Heute ist von der einstigen Kontroversität kaum mehr etwas übrig. Black Metal gilt als herausragender, norwegischer Kulturexport, die damaligen Protagonisten sind weitgehend ihrem albernen Habitus entwachsen, tot, oder haben ihre verdienten Strafen abgesessen. Das damalige Milieu jedoch bleibt ein ungebrochenes Faszinosum, dem der vorliegende Film oder auch die ergänzend genossene Dokumentation „Once Upon A Time In Norway“ sich weniger analytisch denn rein zu Aufarbeitungszwecken nähern. Halbwegs funktionale Erklärungsversuche, was die Leute dereinst hat ticken lassen wie sie eben tickten, bleiben vornehmlich dem Rezipienten und seiner interpretatorischen Perspektive überlassen. Was ist passiert? Im Grunde sind fünf traurige „Höhepunkte“ zu verzeichnen: Zunächst der Selbstmord des schwedischstämmigen Sängers der Band Mayhem, Per Yngve Ohlin alias „Dead“, der sich 1991 mit 22 Jahren mit einer Schrotflinte in den Kopf schoss. Anstatt unmittelbar die Behörden zu verständigen, nutzte Bandkollege und Gitarrist Øystein Aarseth alias „Euronmyous“ als erste Person am Tatort die „Gunst der Stunde“, Fotos von seinem toten Freund zu machen und – angeblich – Schädelsplitter einzusammeln, die er später an „Eingeweihte“ zu verteilen pflegte. 1992 tötete der damals achtzehnjährige Bård Guldvik Eithun alias „Faust“, Drummer der Band „Emperor“, mit 37 Messerstichen und diversen Tritten gegen den Kopf einen homosexuellen Mann namens Magne Andreassen, der ihm zuvor eindeutige Avancen gemacht haben soll. Nach einem Jahr in Freiheit wurde Eithun zu einer vierzehnjährigen Haftstrafe verurteilt, von der er rund neun Jahre absaß. 1993 wurde Øystein Aarseth von seinem vormaligen Freund und Bandkollegen Varg Vikernes alias „Count Grishnackh“, der sich zuvor öffentlich für einige der Kirchenbrände verantwortlich äußerte, ermordet. Aarseth hatte Vikernes mehrfach angedroht, dass er sterben müsse und so entschloss dieser sich, seinem vorherigen „Mitstreiter“ zuvor zu kommen, indem er ihm 23 Messerstiche versetzte. Sein Freund Snorre Ruch alias „Blackthorn“ begleitete ihn während der Tat. Zudem fand man später bei Vikernes diverse Sprengstoffe und Munition, die er wohl für einen Anschlag auf eine linke Jugendkommune gehortet hatte. 1994 wurde Vikernes zur nationalen Höchsstrafe, 21 Jahren Freiheitsentzug, verurteilt. Zwölf davon verbrachte er im Gefängnis, der Rest wurde ihm erlassen. Ruch musste wegen Mittäterschaft für acht Jahre in den Bau.
Vor allem Vikernes, der mittlerweile in Frankreich lebt, erweist sich noch immer als nachlesbar höchst unleidlicher Zeitgenosse. Er verfolgt ständig variierende, verschwurbelte Ideologien zwischen „Odinismus“, Antisemitismus und -christianismus, einem „wiedererwachenden“ Europa, Kultifizierung prähistorischer Lebensart, nationalsozialistischem Gedankengut und eugenischen Phantastereien. Auch gedankliche Affinitäten zum Massenmörder Anders Breivik standen zeitweilig im Raum.
Obschon „Until The Light Takes Us“ all diesen Ereignissen Platz einräumt, kreist er vornehmlich um Gylve Fenris Nagell alias „Fenriz“, Mastermind von „Darkthrone“, und dessen Lebensalltag. Wenngleich der emsig porträtierte Nagell ebenfalls gewisse Eigenartigkeiten an den Tag legt und Zwischenmenschlichkeiten eher abgeneigt scheint, so hinterlässt er doch zumindest den Eindruck vergleichsweiser Bodenständigkeit. Vikernes wirkt da deutlich beunruhigender: Als nichtmal unsympathischer, freundlich lächelnder und bereitwillig Auskunft gebender Interviewpartner tritt er zutage, als einer, dem man aufbrausendes Gebahren kaum unterstellen würde. Umso erschreckender, welch krude Gedankengänge und Schlussfolgerungen sich hinter solch unscheinbarer Stirn verbergen mögen.

8/10

LÉON

„I need time to grow up.“

Léon (Léon – Der Profi) ~ F 1994
Directed By: Luc Besson

Als einsamer Auftragskiller fristet der italienische Emigrant Léon (Jean Reno) ein anonymes Leben in New York. Mit der existenziellen Unverbindlichkeit ist es allerdings vorbei als der korrupte Bulle Stansfield (Gary Oldman) infolge eines verpatzten Drogendeals mit seinen Leuten beinahe Léons komplette Nachbarsfamilie auslöscht. Deren zwölfjährige Tochter Mathilda (Natalie Portman) sucht als einzige Überlebende bei Léon Unterschlupf und bietet ihm an, sich um seinen Haushalt zu kümmern, wenn er der Rachsüchtigen im Gegenzug beibringt, wie man effektiv Menschen tötet. Es entsteht eine merkwürdige Beziehung irgendwo zwischen Romanze und väterlicher Freundschaft, die blutig endet.

Bessons unübertroffenes Meisterwerk ist „Léon“, den der Regisseur eigens für seinen Lieblingsschauspieler Jean Reno geschrieben hat und der gleichsam eine spielfilmlange Hommage an den Kurzauftritt des Cleaners in „La Femme Nikita“ darstellt.
Es ist ja so, dass jede Dekade ihre zwei bis drei großen Profikiller-Stücke vorweist, wobei die Franzosen oftmals darin involviert waren und sind. In Le Samouraï“ legte Jean-Pierre Melville einst die Eckpfeiler für das Subgenre fest: Der für Geld tötende Killer ist auf Anonymität, Einsamkeit und streng ritualisierte Tagesabläufe angewiesen, um sein Handwerk tadellos und unbehelligt erledigen zu können. Emotionale Öffnung ist zwangsläufig gleichzusetzen mit Verwundbarkeit und bedeutet somit die einzige wirkliche Achillesferse für den professional. Jener ist infolge dessen zugleich auch stets ein höchst bemitleidenswerter, melancholischer Charakter. Mit Ausnahme seines destruktiven Könnens gibt es nichts, das seiner Existenz Wertigkeit oder gar Berechtigung verleiht, niemanden, dem er sich anvertrauen könnte oder dem er etwas abseits seines Marktwerts bedeutet. Daher sind beinahe sämtliche Profikiller-Geschichten zugleich und zwangsläufig auch Geschichten des Niedergangs, der Flucht, des Verlustes und meist auch der Katastrophe. „Léon“ nimmt sich jenes Topos auf besonders bittersüße Weise an. Mit Ausnahme seiner albernen Zimmerpflanze ist die kleine Mathilda nach vielen Jahren der Isolation erst das zweite organische Wesen, das der Titelheld an sich heran lässt. Ein unmögliches Verhältnis entsteht zusehends: Während sie, durch ihr bislang geführtes Leben in einem höchst asozialen, dysfunktionalen Familienumfeld viel zu frühreif, glaubt, sich in ihn verliebt zu haben und ihm sogar erotische Avancen macht, ist er nicht zuletzt infolge seiner intellektuellen und emotionalen Rückständigkeit mit der Situation völlig überfordert und läuft daher auch erst gar nicht Gefahr, etwas Falsches zu tun. Dass Mörder und Mädchen bereits aufgrund jener chaotischen Ausgangslage eine wie auch immer geartete, aussichtsreiche Koexistenz verwehrt ist, löst sich am Ende durch die Tatsache, dass Léon bereit ist zur Sühne und dazu, sich für Mathilda zu opfern. Trotz seiner augenscheinlichen Desensiblisierung (die in Wahrheit natürlich dem hundertprozentigen Gegenteil entspricht) weiß er sicher, dass sie nur dann in Frieden wird aufwachsen können, wenn er selbst sich dem Tode stellt, was gleichfalls seinen bereitwillig durchkalkulierten, finalen Abgang erklärt. Im Gegenzug jedoch findet seine Seele Frieden: Mathilda gräbt, bevor sie bereit ist, ein adäquates Leben zu beginnen, als symbolischen Akt der Niederlassung Léons schmucklos erscheinendes Pflänzchen in einem Park ein, auf dass es dort Wurzeln schlage. Dazu läuft, wunderbar eingesetzt, Stings todtrauriges „Shape Of My Heart“, das von der Unfähigkeit zur Nähe berichtet.   

10/10

LA FEMME NIKITA

Zitat entfällt.

La Femme Nikita (Nikita) ~ F/I 1990
Directed By: Luc Besson

Nachdem das völlig fertige Junkie-Mädchen Nikita (Anna Parillaud) beim Überfall auf eine Apotheke einen wehrlosen Polizisten erschossen hat, nimmt eine streng geheime Staatsorganisation sie in ihre Obhut. Unter den Fittichen von Agent Bob (Tchéky Karyo) wird die Widerspenstige domestiziert und zu einer effektiven Killerin ausgebildet. Nach vielen Monaten der „Umschulung“ entlässt man Nikita unter ihrem neuen Namen Marie Clement zwar zurück in die Freiheit, sie hat sich für eingehende Aufträge jedoch stets zur Verfügung zu halten. Derweil lernt sie den kleinen Kassierer Marco (Jean-Hugues Anglade), der nichts von Maries Zweitidentität ahnt, kennen und lieben. Als dann ein Auftrag zur Sicherstellung geheimer Diplomatenpapiere in einem Blutbad endet, ist Marie klar, dass sie diesem Teufelskreis ein für allemal entkommen muss.

Mit Luc Besson ist es ja so eine Sache; als Filmemacher hat er neben Beineix und Carax mit dem Cinéma du look die wesentlichste Kinobewegung Frankreichs in den Achtzigern geprägt, als Mann, der ein offensichtliches Faible für knabenhaft-androgyne Frauen und/oder minderjährige Gespielinnen wie seine zweite Lebensabschnittsgefährtin Maïwenn Le Besco hinterließ er hier und da Fragezeichen. Sein Inszenierungsstil, zumal in Kombination mit der oftmals artifiziell klingenden Musik von Eric Serra, ist derweil unbestritten unverkennbar: alles andere als subtil geht Besson mit zunehmender Schaffenszeit unbekümmert laut, exaltiert und betont naiv zu Werke; exponierte, bald verwilderte Frauen- bzw. Mädchenfiguren und diametral angelegte, ruhig-besonnen Helden sind ebenso Markenzeichen wie unberechenbare und großmäulige Psychopathen. „La Femme Nikita“, von dem John Badham drei Jahre später ein US-Remake anfertigte und dem noch zwei umfangreiche TV-Serials nachfolgten, weist jene Merkmale vermutlich so schnittmengenartig auf wie kein anderer Film Bessons und ist damit quasi sein Signaturwerk. Dabei macht der Film es einem nicht immer leicht: Parillaud, zum damaligen Zeitpunkt Bessons Muße, macht es einem mit ihrer ausgestellten Kratzbürstigkeit nicht immer leicht und überhaupt ist mit ihrem stillen Galan Anglade letztlich bloß ein Charakter vorhanden, der eine gewisse Kompassnadel in dem wilden Wust symbolisiert. Als charmant erweist sich indes der Auftritt der grande dame Jeanne Moreau als eine Art genealogischer Vorläuferin Nikitas und Stiefmutterfigur während Besson-Standard Jean Reno als „Cleaner“ (sprich: berserkernder, maschinenhafter Auftragskiller) mir mit seinem comichaften Gastauftritt stets verschenkt schien. Ich bin überhaupt kein Freund von hilflosen Kategorisierungen wie „gut“ (oder) „schlecht gealtert“. Jeder Film ist als Gesamtkunstwerk nicht zuletzt immer auch ein Repräsentant seiner Entstehungszeit. Alles andere wäre ja auch prätentiös. Dennoch ist die ausgehende Dekade gerade im Falle „La Femme Nikita“ fast schon ungewöhnlich markant spürbar und sorgt mit zunehmendem Abstand für eine gewisse Befremdlichkeit, der sich eben am Besten Herr werden lässt, wenn man ihn zu entscheidenden Teilen als portrait de l’âge wahrnimmt.

7/10

WAKE WOOD

„Back to the trees and into the woods!“

Wake Wood ~ IE/UK 2009
Directed By: David Keating

Nachdem sie ihre kleine Tochter Alice (Ella Connolly) durch eine Hundeattacke verloren haben, ziehen Tierarzt Patrick (Aiden Gillen) und seine Frau Louise (Eva Birthistle) in das abgelegene Dörfchen Wakewood in der tiefsten irischen Provinz. Der Verlust sitzt ihnen noch immer tief im Nacken, zugleich spüren sie jedoch, dass in Wakewood nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Offenbar pflegen die Bewohner hier und da noch alte, paganistische Rituale und halten heidnische Beschwörungen ab. Louise findet heraus, dass der alte Arthur (Timothy Spall) die Fähigkeit hat, Tote für die begrenzte Zeit von drei Tagen zurück ins Leben zu holen, wo sie sich ihre Lieben nochmals von ihnen verabschieden können, bevor sie endgültig ins Jenseits übergehen – allerdings darf die betreffende Seele nicht länger als zwölf Monate verschieden sein. Louise und Patrick wollen auch Alice nochmal wiedersehen, verschweigen jedoch, dass sie bereits mehr als ein Jahr tot ist. Es kommt zur Katastrophe…

Überdeutlich orientiert an „Don’t Look Now“ und „Pet Sematary“ bringt Keating seine schöne, kleine Schauermär über Verlust und den maßvollen Umgang mit ihm in seine kontemplative Bahn. Zwar sind und bleiben die Vorbilder stets deutlich erkennbar, „Wake Wood“ ergeht sich jedoch niemals in deren bloßer Kopie, sondern zollt ihnen respektvoll Tribut, indem er sich ganz unspektakulär als Hommage begreift. Zudem hat mir gut gefallen, dass der Film die nicht immer einfache Gratwanderung zwischen der Schaffung einer unheimlichen Grundstimmung und der Hinzuziehung härterer Unappetitlichkeiten meistert, ohne je sein rechtes Maß einzubüßen. Die Idee, ein altes, irisches Dorf und seine Bewohner zu Überlieferern von paranormalen Geheimnissen aus uralter Zeit zu machen, erscheint mir darüberhinaus sehr reizvoll, wobei mit Timothy Spall sozusagen der rechte Anführer für das entsprechende Völkchen gefunden ward. Heimliche Höhepunkte stellen in diesem Zusammenhang die Wiedererweckungsszenen dar, die ihre gezielt unheilvolle Wirkung nicht verfehlen. Ein erfreulicher, kleiner Beitrag außerdem zum Subgenre „mordende Wechselbälger“.

8/10

CONTRATIEMPO

Zitat entfällt.

Contratiempo (Der unsichtbare Gast) ~ E 2016
Directed By: Oriol Paulo

Der wegen Mordes angeklagte Adrián Doria (Mario Casas) trifft sich in seinem Apartement kurz vor der Verhandlung mit seiner Anwältin, der als knallhart bekannten Virginia Goodman (Ana Wagener), die noch nie einen Fall verloren hat und die ihre Karriere nun mit Adriáns faktisch wenig aussichtsreicher Verteidigung zu einem triumphalen Abschluss führen will. Doria hat angeblich seine frühere Geliebte Laura (Bárbara Lennie) getötet, behauptet jedoch, ein Fremder sei in das betreffende Hotelzimmer eingedrungen, habe zunächst ihn niederge- und während seiner Bewusstlosigkeit dann Laura erschlagen. Virginia ahnt, dass sich eine viel umfassendere Wahrheit hinter den mysteriösen Ereignissen verbergen muss und sie beginnt, Doria die tatsächliche Wahrheit im Zuge einer intensiven Befragung aus der Nase zu ziehen…

Oriol Paulo ist zur Zeit einer der besten Männer, wenn es darum geht, ansprechende Krimi-Unterhaltung für den Sonntagabend vorzulegen, die nicht in Deutschland angesiedelt ist. Durch eine Vielzahl narrativer Wendungen („twists“, wie man sie im Cineasten-Jargon ja so gern bezeichnet), deren emotionale Intensität und inhaltliche Relevanz sich mit jedem weiteren steigert, bis man am Ende dann tatsächlich so richtig baff und an der Nase herumgeführt dasitzt, hält er seine Zuschauerschaft permanent bei Stange und Laune. Man spürt auch unentwegt Paulos latente Hinwendung zum klassischen Suspense Marke Hitchcock, wobei er sich dabei jedoch mehr auf Inhalte und kriminalistische Finten konzentriert denn etwa ein Brian De Palma, der seinerseits den psychologischen Subebenen in Hitchens Vorgehensweise nachzuspüren pflegt. Das führt allerdings auch dazu, dass sich Paulos Filme trotz ihrer narrativen Unwägbarkeiten einer routinierten Vorhersehbarkeit anheim stellen und sich zumindest bislang stets innerhalb eng gesteckter Bemusterung bewegen. Dass dies keineswegs etwas zwangsläufig Schlechtes sein muss, beweist die Aufrichtigkeit Paulos: Er weiß ganz bestimmt, dass er da nichts wesentlich Anderes denn chiques Genrekino für den gezielten Einsatz fertigt und wird sich andererseits kaum einen dezidierten Ruhmesplatz dafür erhoffen. Solcherlei Nüchternheit darf man auch einmal durchaus positiv erwähnen.

7/10

CHARLIE BRAVO

Zitat entfällt.

Charlie Bravo (Strafkommando Charlie Bravo) ~ F 1980
Directed By: Claude Bernard-Aubert

Indochina, 1954. Dien Bien Phu ist gefallen, die Erlösung versprechende Indochinakonferenz bereits anberaumt. Eine Gruppe französischer Soldaten unter Lieutenant Brissac (Bruno Pradal) erhält in dieser späten Kriegsphase den Auftrag, die von den Viet Minh gekidnappte Krankenschwester Catherine Fournier (Karina Verlier) zu befreien und sich gemeinsam mit ihr durch das Feindgebiet zurück hinter die eigenen Linien zu schlagen. Unterwegs stößt noch ein Kriegsjournalist (Jean-François Poron) zu ihnen. Während ihres Einsatzes bringen Friedensverhandlungen in Genf dann das offizielle, ersehnte Ende des Krieges. Dennoch gelingt es den Wenigsten, sich bis zur vermeintlich rettenden Küste durchzuschlagen…

Ein Dschungelkriegsfilm aus Frankreich, das ist gewissermaßen schon eine filmhistorische Rarität. Ihr rund siebzig Jahre zurückliegendes Engagement im damaligen Indochina haben unsere Nachbarn nämlich weitaus rarer zu Kinozwecken ausgeschlachtet denn die Amerikaner ihr zum Trauma gewordenes, entsprechendes. So fiel „Charlie Bravo“, ob nun zufällig oder nicht, just in eine frühe Phase elementarer US-Vietnamfilme, die gerade, im Zuge von Reagans Präsidentschaftswahl, kurz davor war, sich in eine neue, bedeutend reaktionärere Woge zu stürzen. Charaktere und Setting erweisen sich tatsächlich flugs als austauschbar, was in einem vor allem in dieser Region angesiedelten Kinostück der Qualität keineswegs abträglich sein sollte. Wiederum findet sich das bereits mehrfach ausgeschlachtete My-Lai-Massaker (die Soldaten mähen ohne zu zögern und mit mühselig im Zaum gehaltener Mordlust das Dorf nieder, in dem sich die entführte Catherine befindet) zum Thema gemacht, wiederum das unsinnige bis obskure Sterben einer kleinen, okzidental beherkunfteten Männergruppe am lebensfeindlichen Ende der östlichen Welt zentralisiert. Dennoch macht Claude Bernard-Auberts ruppiger Film, den er inmitten einer umfassenden Serie von rund dreißig Pornos inszenierte, Vieles sehr richtig. Er ist etwa sehr vorsichtig und zurückhaltend in der Verteilung von Sympathien. Die Identifikation des Zuschauers mit auch nur einem der Männer erweist sich als unmöglich; sie alle sind wahlweise zu verroht, nationalistisch oder auch einfach zu sehr der Situation angepasst, um sich ihnen zur Seite zu stellen. Auf den edlen, sich aufopfernden Offizier muss man ebenso verzichten, wie auf den insgeheim pazifistischen Gefreiten am Ende des Glieds, wenngleich Brissac buchstäblich alles in seiner Macht stehende für seine Leute tut.
Als unschönes bis derbes, nüchternes und seinen Bestrebungen damit überaus gerecht werdendes Genrestück ohne Schnörkel mit einigen unvergesslichen Momenten erhält man mit „Charlie Bravo“ gleichfalls ein unbehauenes und oft übersehenes Juwel seiner höchst spezifischen Provenienz, das hervorzukramen sich lohnt.

7/10