IL GATTO DAGLI OCCHI DI GIADA

Zitat entfällt.

Il Gatto Dagli Occhi Di Giada (Die Stimme des Todes) ~ I 1977
Directed By: Antonio Bido

Eigentlich nur marginal wird die Tänzerin Mara (Paola Tedesco) Zeugin des Mordes an einem Apotheker. Dabei vernimmt sie lediglich die verstellte Stimme des Killers, der ihr von nun an nachstellt und sie fortwährend bedroht. Mara sucht Schutzasyl in der Wohnung ihres Freundes, des Toningenieurs Lukas (Corrado Pani), der sich mit dem Verlauf der Ereignisse nicht zufrieden geben mag und persönliche Ermittlungen in der Sache anstellt. Etliche heiße und weniger heiße Spuren, Drohanrufe und weitere Bluttaten, die in einem seltsamen Zusammenhang zu stehen scheinen, führen ihn und Mara schließlich in die Provinz außerhalb Roms und zum Hause eines ehrenwerten Richters (Giuseppe Addobbati)…

Antonio Bidos Regieeinstand „Il Gatto Dagli Occhi Di Giada“ präsentiert sich nach den Jahren als ein noch immer ganz ordentlicher Giallo rund um eine etwas verworrene und nicht immer ganz aufschlussreich verlaufende Mörderjagd, die zu guter Letzt in einem Finale mündet, dessen dramatischen Nachhall man so nicht unbedingt erwartet hätte und dessen historische Tragweite weit über der der genreüblichen Entlarvungen und Auflösungen angesiedelt ist. Es geht nämlich um nichts Geringeres denn um eine über dreißig Jahre zurückliegende Schuld – eine jüdische Familie wurde dereinst Opfer antisemitischer und denunziatorischer Umtriebe einer Dörflergemeinschaft, die schließlich zur Deportation und Ermordung großer Teile ebenjener Familie durch die Nazis führte. Die Überlebenden konnten und können mit den damaligen Erlebnissen nie abschließen und verschaffen sich daher nachträgliche Gerechtigkeit. Eine solch nachvollziehbare Motivlage ist für den 08/15-Giallo-Killer eigentlich undenkbar und umso exklusiver geriert sich der Status von Bidos Film. Bis zu jener Entwirrung liegen allerdings runde eineinhalb Stunden Aufs und Abs, die es für den in erwartungsvoller Haltung verharrenden Betrachter ebenso durchzustehen gilt wie für Mara und Lukas, die mit Tedesco und Pani nebenbei von zwei nicht allzu charismatischen Darstellern gespielt werden. Die Ambitionen der beteiligten Kreativen lassen sich also schwerlich auf einen Nenner bringen – Bido zumindest hätte man in diesem Falle dann doch deutlich engagierter zu Werke gehende Akteure gewünscht. Der Mann nämlich versteht sein Handwerk durchaus.

7/10

A CURE FOR WELLNESS

„I’m feeling much better now!“

A Cure For Wellness ~ USA/D 2016
Directed By: Gore Verbinski

Der bei einer New Yorker Bank arbeitende Yuppie Lockhart (Dane DeHaan) wird von der Firmenleitung damit knebelbeauftragt, vor Ort dem in einem exklusiven Kur-Ressort in den Schweizer Alpen weilenden Vorstandsmitglied Pembroke (Harry Groener) nachzuspüren und ihn zurück in die Staaten zu holen. Vor Ort angekommen, hat Lockhart einen Autounfall, der ihn mit einem gebrochenen Bein zurücklässt und ihn wider Willen selbst zu einem ungeplanten Aufenthalt in der Klinik nötigt. Alles dort ist seltsam – der mittlerweile aufgetauchte Pembroke, die anderen Patienten, der Chefarzt Volmer (Jason Isaacs), die junge, geheimnisvolle Hannah (Mia Goth), vor allem jedoch Volmers Therapiemethoden, die insbesondere den permanenten Genuss des angeblich heilsamen Quellwassers der Region vorsehen. Je länger Lockhart im Hause verwelt, desto mehr verschwimmen Halluzinationen und Realität. Was ist noch echt, was schon Albdruck?

Ein durchaus schöner, aktueller, von genießerischer Visualisierung getragener Horrorfilm und somit keine Selbstverständlichkeit. Irgendwo angesiedelt ist das inmitten von Guillermo del Toros „Crimson Peak“, dem erst kürzlich gesehenen „Saint Ange“ und ganz besonders Thomas Manns monumentalem „Zauberberg“, der vor allem eine nicht unwesentliche Rolle bei der Ersinnung der Geschichte um den marionettenhaft in de Ereignisstrudel geschubsten Banker Lockhart gespielt haben dürfte. Wie weiland vor rund einem Centennium für den Hamburger Hans Castorp in Davos verschwimmen für Lockhart irgendwann Zeit und Raum, wechseln realis und irrealis sich ab, wird sein Aufenthalt zu einer obskuren Mausefalle, von der man zunächst nicht recht weiß, ob sie einen Schutz vor der kapitalistisch pervertierten Außenwelt bietet oder doch wesentlich Sinistereres mit ihren Insassen vorhat. Große Finanzhaie und Manager verkehren in der Klinik des Dr. Volmer, allesamt nicht mehr die Jüngsten und alle trinken sie das Heilwasser aus der Zisterne unterhalb des Kurgebäudes, das seltsamerweise den Aal zu seinem Sinnbild ausersehen hat und weit oben auf einer nur höchst umständlich zu erreichenden Bergspitze ruht. Nach einigen höchst entsichernden Erlebnissen weiß man auch als kaum minder orientierungsloser Rezipient noch immer nicht recht, ob der sich verlierende Lockhart ein Opfer seiner persönlichen Traumata, die direkt dem Kannibalismus der internationalen Hochfinanz entspringen, ist oder ob die wirren Eindrücke tatsächlich realen Ursprungs sind. Die etwas campige, aber nichtsdestotrotz gut passende Auflösung verheißt schließlich Gewissheit. Dass sich davor eine der fiesesten „Zahnbehandlungen“ im Kino findet seit „The Marathon Man“ (Yuznas zwei „Dentist“-Filme sind dagegen geradezu Waisenknaben), sei an dieser Stelle ausdrücklich als Warnung verstanden.

8/10

THE NIGHT VISITOR

„Salem! Is it you?!“

The Night Visitor (Der unheimliche Besucher) ~ USA/S 1971
Directed By: Laslo Benedek

Salem (Max von Sydow), der seinen beträchtlichen Intellekt einst bewusst zur Seite schob, um ein karges Leben als versoffener Landwirt zu führen, sitzt in der geschlossenen Irrenanstalt. Seine Schwester Ester (Liv Ullmann) und deren Gatte, der Hausarzt Anton Jenks (Per Oscarsson), hatten ihn vor einiger Zeit durch gezielte Falschaussagen, denen zufolge Salem einen Mord begangen haben soll, dorthin gebracht. Als nun plötzlich brutale Gewaltverbrechen in der Gegend geschehen, fällt Salem scheinbar aus dem Verdächtigenraster, er sitzt ja nach wie vor ein. Doch der ermittelnde Inspektor (Trevor Howard) lässt sich nicht hinters Licht führen – er ahnt, dass Salem einen geheimen Fluchtweg aus der Anstalt gefunden hat und nun auf nächtliche Rachezüge geht…

Als eine auf den ersten Blick etwas eigenartig anmutende Randerscheinung des internationalen Siebzigerjahre-Kinos nimmt sich „The Night Visitor“ aus; als US-schwedische Coproduktion mit zwei berühmten Bergman-Standards in den Hauptrollen, den Brit-Veteranen Trevor Howard und Andrew Keir und inszeniert von dem Exil-Ungarn Laslo Benedek ist „The Night Visitor“ ein recht finster gearteter Thriller, der rein inhaltsbezogen an die schwarzweiße „Madness-Trilogie“ der Hammer oder teilweise auch an William Castles Attraktionskino denken lässt. In jenen Filmen ging es jeweils auch um vereinsamte und/oder labile Individuen, die, übervorteilt oder in den Wahnsinn getrieben, irgendwann blutig zurückschlugen.
„The Night Visitor“ greift diese kleine Tradition auf und verlegt sie kurzerhand an den winterlichen Kattegat, wo die Sonne nicht durch die dicke, graue Wolkendecke dringt und die direkt an der Küste gelegene, forensische Verwahranstalt aufragt wie ein karger Albtraum-Monolith. Darin sitzt Salem in seiner kalten Zelle, wenn er nicht gerade mit Gefängnisarbeiten beschäftigt ist, und hat über die Zeit seines bisherigen Aufenthalts tatsächlich den Verstand verloren. Nicht jedoch seine strategische Cleverness und Brillanz, die ihn einen Weg heraus aus dem Gemäuer hat finden lassen. Wie ein nackter Werwolf sprintet und huscht er durch die nächtliche, westschwedische Eiseskälte, um zielstrebig seine Rachepläne auszuführen: Sein Schwager Anton soll wie Salem selbst ungerecht verurteilt werden und in der Isolation schmoren. Dass zwischen Anspruch und Ausführung einige mehr oder weniger der Vegeltung dienende Morde liegen, ist dem längst gesplitterten Moralempfinden Salems nicht weiter von Belang.
Die Besonderheiten von „The Night Visitor“ mitsamt seinem eher konventionellen Script und der beinahe komisch geratenen Auflösung ganz zum Schluss liegen in Setting und Besetzung: Das alles hat man in dieser Form zuvor und auch danach (noch) nicht (mehr) gesehen. Ein Serienmörder, der auf bergman’schem Terrain wildert – diese Idee ist so zwingend wie clever und findet sich ebenso extravagant in ihre Filmsprache übersetzt.

8/10

DIE WEIBCHEN

„Ihr werdet schon sehen…“

Die Weibchen ~ BRD/I/F 1970
Directed By: Zbyněk Brynych

Eve (Usch Glas) bekommt eine sechswöchige Erholungskur verabreicht – in Bad Marein, das bis auf wenige Ausnahmen völlig bevölkert scheint von weiblichen Bewohnern und Kurgästen. Ferner gibt sich die Damengemeinde mit ihren vielfach exaltierten bis exzentrischen Vertreterinnen, allen voran die Kurchefin Dr. Barbara (Gisela Fischer) durchweg eigenartig. Zufällig durchreisende Männer verschwinden urplötzlich und bald erfährt Eve auch, warum: Nach einem kurzen koitalen Intermezzo werden sie ermordet. Der dauerbesoffene Kommissar (Hans Korte) ist Eve keine Hilfe und auch der lebenslustige Aussteiger Johnny (Alain Nouri), der Eve ganz gut gefallen könnte, hält ihre Beobachtungen für überspannte Phantastereien. Von der malignen Passivität der Herren abgestoßen, fügt Eve sich in den allgemeinen, Femininkonsens von Bad Marein…

Der dritte von drei deutschsprachigen Kinofilmen des Exil-Tschechen Zbyněk Brynych ist wie seine beiden Vorgänger ein deliranter Traum überspannt-anarchischen Filmemachens wider die Konventionen. „Die Weibchen“ als böse Feminismus-Satire zu bezeichnen, trifft zwar zu, den Nagel jedoch nur bedingt auf den Kopf. In allererster Linie ist er ein grandioses Lehrstück darüber, was dereinst im (deutschen) Kino möglich war, welch überbordende Blüten die Kreativität eines (mittlerweile zumindest von Teilen der Filmwissenschaft) anerkannten Künstlers wie Brynych zu treiben befugt war, ohne von gar zu wohlmeinenden Interferenzlern zurückgestutzt zu werden. Die Kamera von Charly Steigenberger, dem der deutsche Film ohnehin viel Großartiges verdankt, nimmt sich passend zum Inhalt angemessen entfesselt aus: Eine Fischaugen-Perspektive als Rahmengestaltung, Traumlogik und Barbarei. Dass „Die Weibchen“ als Aufnahme levin’scher, soziale Albtraumphantasien seinen Platz eigentlich auch in jeder ernstzunehmenden Genre-Kanonisierung seinen festen Platz einnehmen müsste, wird spätestens dann zur akuten Gewissheit, wenn man einen aktuellen Film wie „Get Out“ betrachtet, der sich zumindest thematisch in ganz ähnlichen Kreisen bewegt, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen.
Man sollte sich von Manfred Purzers phantastischem „Entwurf“ einer kannibalischen Emanzengemeinde in der Tarnung eines spießigen Kurbades ferner nicht etwa dazu hinreißen lassen, den „Weibchen“ reaktionäre Tendenzen zu unterstellen, im Gegenteil. Der Film geht trotz diverser augenzwinkernder Momente wie der öffentlichen BH-Verbrennung, vielmehr so weit, dem selbstsicheren Patriarchat seine verdiente Abenddämmerung zu prophezeien: Das Zeitalter testosterongesteuerter Arroganz und Selbstsicherheit nährt sich seinem schwarzwitwigen Ende. Typen wie das von George Ardisson, Kurt Zips und Klaus Dahlen vorgestellte Trio von Wochenend-Playboys jedenfalls sind gesellschaftsintern gerade so obsolet, wie ihr Fleisch noch halbwegs schmackhaft und bissfest ist. Die Amazonen übernehmen. Was sollen sie auch sonst tun? Dass nebenbei Filme wie „Die Weibchen“ (und zuletzt natürlich auch „Blutiger Freitag“) mittlerweile in solch vorbildlichen Editionen von hiesigen Labeln wie Bildstörung und Subkultur zu haben sind, schafft Raum für neue Hoffnung und verweist all die langweiligen Streaming-Dienste so sehr auf die Plätze, dass es eine Art hat. Vielen Dank dafür. Mit Sahnehäubchen.

9/10

THE BOUNTY HUNTER

„I have no home.“

The Bounty Hunter (Ritter der Prärie) ~ USA 1954
Directed By: André De Toth

Der unerbittliche und stets erfolgreiche Kopfgeldjäger Jim Kipp (Randolph Scott) lässt sich von der Pinkerton-Agentur beauftragen, einem Trio von Eisenbahnräubern nachzuspüren, das seit über einem Jahr frei herumläuft. Seine Suche führt ihn in das idyllisch anmutende Städtchen Twin Forks, dem just vor rund zwölf Monaten ein deutlicher Wirtschaftsschub zuteil wurde. Kipp ahnt sofort, dass und wie die Dinge zusammenhängen, macht sich bemerkbar und legt sich auf die Lauer, bis die Gangster unvorsichtig werden…

Eine Geschichte des Westens und des Western: „The Bounty Hunter“, die sechste und letzte Kollaboration von André De Toth und Randolph Scott, einst in modischem 3-D gedreht und in die Kinos gebracht, halte ich trotz des heuer völlig unwesentlichen Gimmicks nicht nur für eine der schönsten und gelungensten des fruchtbaren Duos, sondern fürderhin für einen ganz klaren Verweis in Richtung des späteren Boetticher-Zyklus. In „The Bounty Hunter“, seinerseits gewiss beeinflusst von Anthony Manns Meisterwerk „The Naked Spur“, spielt Randy Scott einen verbissenen Kopfgeldjäger, der nach spätem filmischen Bekunden seit seiner Kindheit einem diffusen Racheideal hinterherläuft und es nie geschafft hat, sich zur Ruhe zu setzen. Die Jagd nach Verbrechern, die er ebensogern tot wie lebendig abliefert, erhält also einen eindeutigen Kompensationscharakter und damit ein offenes, psychologisches Moment. Auch über den Wuchs des Westens und seiner Kleinstädte erzählt „The Bounty Hunter“ einmal mehr: Twin Forks erscheint als gepflegter, prosperierender Ort, in dem alles seinen geregelten Gang geht. Dass die dort vorherrschenden Ruhe und Frieden ihren verlogenen Ursprung in drei Ganoven haben, die sich hier niedergelassen und einen Teil ihrer Beute in die Stadtkasse investiert haben, davor verschließt man wahlweise die Augen oder lügt sich um Kopf und Kragen. Die Ankunft von Jim Kipp – selbiger natürlich überregional bekannt und gefürchtet – wirkt sich aus wie eine offene Flamme unter dem bislang ruhenden Kessel Twin Forks: es wird ungemütlich und fängt an, hochzukochen. Eine zusätzliche, geschickte Finte Kipps sorgt dafür, dass die drei Verbrecher, die an Gier und Feigheit nichts eingebüßt haben, sich schlussendlich nach und nach selbst verraten, sogar eine Frau (Marie Windsor) ist darunter [die, soviel p.c. muss freilich sein, ihrerseits selbst mithilfe einer Frau, der zuvor in Mitleidenschaft gezogenen Heldin (Dolores Dorn) nämlich, überwältigt werden kann]. Auf den nunmehr in (fast) jeder Hinsicht befriedeten Kopfgeldjäger und sein Mädchen wartet eine legitime Zukunft als geachteter Sheriff nebst Gattin im jetzt ebenfalls befriedeten Twin Forks und damit einem weiteren kleinen, eingeebneten Stück Grenzgebiet.

8/10

THUNDER OVER THE PLAINS

„You show your likes here again, I’m gonna kill you.“

Thunder Over The Plains (Donnernde Hufe) ~ USA 1953
Directed By: André De Toth

Nach offizieller Beendigung des Sezessionskriegs steht das nach wie vor anbindungsphobe Texas unter der Besatzungskontrolle von Truppen der Union, wobei Wucherer und Steuereintreiber unter der armen Landbevölerung nach Lust und Laune schalten und walten. Auch Captain David Porter (Randolph Scott), gebürtiger Texaner, repräsentiert gemeinsam mit seiner Frau Norah (Phyllis Kirk) den Norden vor Ort. Dabei gibt er sich stets Mühe, den aus dem Untergrund heraus arbeitenden Rebellen Ben Westman (Charles McGraw), für den er heimliche Sympathien hegt, immer wieder mit einem blauen Auge davon kommen zu lassen. Als der gierige Grundstücksspekulant Balfour (Hugh Sanders) von Westman und dessen Leuten gedemütigt wird, gibt es einen Toten, für dessen Ermordung wiederum Westman unschuldig in Verdacht gerät. Ein weiteres Problem für Porter ergibt sich in der Ankunft des ebenso ortsfremden wie inkompetenten Captain Hodges (Lex Barker), der Norah schöne Augen macht.

Reichlich handlungskomplex gibt sich dieser kleine, aber umso feinere Texas-Western, in dem der arme Randolph Scott es gleich von allen Seiten kriegt. Konflikte lauern für ihn als perplexerweise blauberockten aber graubeherzten Captain Porter quasi unter jedem Kieselstein am Wegesrand: Die Farmer bezeichnen ihn als Landesverräter, sein kurz vor der Pensionierung stehender Vorgesetzter Chandler (Henry Hull) verdächtigt ihn der Feindessympathie, seine Frau Norah hasst Texas und will schleunigst zurück an die Ostküste zu schmucken Offiziersbällen und Kaffeekränzchen, Hodges bereitet ihm andauernde Probleme nicht nur dadurch, dass er eine strategische Fehlentscheidung nach der anderen trifft, sondern vor allem durch seine unsittliche Annäherung an die einsame Norah. Und dann ist da das schlechte Gewissen: Als Ordnungsbeauftragter muss Porter mit ansehen, wie von Washington gedeckte Steuerbeamte wie der korrupte Joseph Standish (Elisha Cook Jr.) blanke Willkür bei ihrem ausbeuterischen Tun walten lassen und sich zudem noch mit Erpressern wie dem feisten Grundstücksaufkäufer Balfour fraternisieren. Ein reinigendes Gewitter wird fällig, dass De Toth seinem gebeutelten Helden und uns rezipierenden Leidensgenossen glücklicherweise nach diversen inneren und äußeren Scharmützeln sowie rund 80 spannenden, bunten Minuten als dringend überfällige Katharsis zuteil werden lässt.

8/10

CARSON CITY

„Never fight your own battles when you can get somebody else to.“

Carson City (Sabotage) ~ USA 1952
Directed By: André De Toth

Um seine Goldtransporte besser vor der ihn permanent ausnehmenden, maskierten „Champagner-Bande“ sichern zu können, will der Minenbesitzer Sharon (Larry Keating) gemeinsam mit der Bank eine Eisenbahnstrecke von Virginia City nach Carson City bauen und engagiert dafür den Ingenieur Jeff Kincaid (Randolph Scott). Dieser hat in Carson City noch einige alte Bekannte und lässt sich daher zu dem lukrativen Job überreden. Vor Ort bekommt es Kincaid jedoch nicht nur mit dem inoffiziellen, intriganten Stadtoberhaupt Big Jack Davis (Raymond Massey), dem heimlichen Kopf der Champagner-Bande, sowie dem allgemeinen Widerstand der Provinzler zu tun, sondern zudem mit seinem eifersüchtigen Stiefbruder Alan (Richard Webb), der nicht verkraften mag, dass seine Jugendliebe Susan (Lucille Norman) sich deutlich mehr über Jeffs unerwartete Rückkehr freut, als sie zugeben möchte.

Der zweite Film aus dem sechsteiligen Westernzyklus, den der aus Ungarn emigrierte André De Toth binnen drei Jahren jeweils mit Randolph Scott in der Hauptrolle inszenierte. Während die späteren, unter Budd Boetticher entstandenen Arbeiten aus Scotts Produktionsschmiede Ranown bereits seit Jahrzehnten (und vor allem infolge der Lobhudeleien diverser Cahiers-Mitarbeiter) ziemlich gewaltige Meriten genießen, waren De Toths Scott-Western stets geringfügig stiefmütterlicherer Betrachtung unterworfen. Was etwas schade ist, denn wenngleich sie größenteils gewiss der psychologischen Metaebene der Boettichers entbehren, bilden sie doch als Beispiele makelloser Handwerkskunst und stets versehen mit gattungsmythologischem Unterbau für den Genre-Chronisten unverzichtbare Mosaikstückchen. In „Carson City“ ist es einmal mehr die Eisenbahn, die einen Teil Zivilisation gen Westen tragen soll; weil die Postkutschen auf den unwegsamen Gebirgsstrecken immer wieder überfallen werden (wobei die Banditen, indem sie den Beraubten nach vollbrachter Tat gewohnheitsmäßig gutes Essen und Champagner servieren, sich zumindest deutlich kultivierter zeigen als die meisten anderen Zeitgenossen), soll in Bälde das Eiserne Pferd rollen. Dass auch jenes oftmals Ziel krimineller Umtriebe werden würde, ist hier Nebensache. Man hat zu Beginn sogar noch ein Herz für Raymond Massey als leicht dandyfiziertem Chef der Champagner-Bande – der Mann scheint trotz seiner illegalen Aktivitäten ein Herz für nostalgische Romantik zu haben und stilisiert sich und seine Männer gern zu einer Art Wildwest-Robin-Hood-Gang. Mit Randolph Scotts Eintreffen und damit zugleich der unausweichlichen Ankündigung des Fortschritts wendet sich allerdings das Blatt. Davis‘ von Antastung unbedrohter Thron gerät ins Wanken und der Sechsschüsser wird gezückt. Gerade diese subtile Betrachtung der angelaufenen Frontier-Dublone von zwei Seiten ist es, die „Carson City“ zu etwas Besonderem macht.

8/10

THE MAN WHO LOVED CAT DANCING

„Never try to bribe a man with something he can take anyway.“

The Man Who Loved Cat Dancing (Der Mann, der die Katzen tanzen ließ) ~ USA 1973
Directed By: Richard C. Sarafian

Nach einem Zugüberfall stoßen der Ex-Knacki Jay Grobart (Burt Reynolds) und seine Kumpanen in der Prärie eher zufällig auf die alleinreisende Catherine Crocker (Sarah Miles). Diese ist ihrem Mann, dem Rancher Willard (George Hamilton) davongelaufen, weil sie es bei und mit ihm nicht mehr aushielt. Grobarts Männer machen keinen Hehl daraus, dass sie die vom Regen in die Traufe geratene Catherine bei der nächstbesten Gelegenheit vergewaltigen werden, derweil Willard Crocker Catherine gemeinsam mit dem Bahndetektiv Lapchance (Lee J. Cobb) nachspürt. Diverse gruppenin- und externe Konflikte mitsamt einigen Todesopfern führen dazu, dass Grobart und Catherine bald allein sind und Zeit haben, sich ineinander zu verlieben. Dabei erfährt Catherine von Grobarts bewegter Vergangenheit: Seine erste Frau, die Schoschonin Cat Dancing, wurde einst vergewaltigt und von Grobart selbst, der sie in blinder Eifersucht des Fremdgehens verdächtigte, missverständlich getötet. Auch seinen Sohn ließ Grobart daraufhin im Stich. Crocker und Lapchance kommen indes immer näher…

Die ihrem reichen Ranchersgatten abtrünnige Ehefrau war ein beliebter Topos im und um den Spätwestern der Ära New Hollywood. Nachdem Richard Brooks in „The Professionals“ noch eine sehr romantische Herangehensweise an diesen Themenkomplex wähnte – eine feurige Claudia Cardinale präferiert darin Jack Palance als mexikanischen Revoluzzer anstelle ihres faltigen Ehemanns Ralph Bellamy -, verdanken wir Don Medford und seinem „The Hunting Party“ die schwärzeste und räudigste Variation des Stoffes: Gene Hackman ist hier eine durch und durch böse und sadistische Kapitalistensau, deren frustrierte Frau Candice Bergen quasi überhaupt keine andere Option hat, als davonzulaufen und sich in den struppigen Outlaw Oliver Reed zu verlieben, der seine wüste Zuneigung wiederum auf eher unerfreuliche Weise verdeutlicht. Medford hinterließ dann am Ende im wahrsten Sinne auch nurmehr verbrannte Erde. Sarafians Adaption eines als eher schmalzig geltenden Liebesromans wählte dann eine Art Mittelweg aus beiden Anordnungen. Über die dysfunktionale Beziehung der Crockers erfährt man eher wenig, wenngleich bereits George Hamiltons blasiertes Auftreten mancherlei Rückschlüsse zulässt. Im Zentrum steht vielmehr die innerlich schwer zerrissene Figur des Jay Grobart, von Burt Reynolds in einer seiner humorlosesten Charakterisierungen als stilles Wasser mit gewaltigen Untiefen feilgeboten. Die Welt, in der der dieses ungleiche Paar zusammenfindet, erscheint dabei ebenso ungehalten wie lebensfeindlich. Neider und Verfolger befinden sich da überall, sei es unter Grobarts ungeschlachtem Haufen oder in Form der ihnen von „Rechtswegen“ nachstellenden Posse. Während Grobarts Kompagnons Bowen (Bo Hopkins) und Dawes (Jack Warden) wie Schakale um Catherine herumschleichen, besteht kein Hehl darin, dass auch Crocker kaum zimperlich mit den Flüchtenden umzugehen gedenkt. Erst im weiteren Verlaufe der Geschichte, die ihre bitteren Wahrheiten erst nach und nach preisgibt, offenbart sich zugleich auch das eigentliche Bestiarium der ungleichen Männer, die darin vorkommen. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, den (zumindest in späteren Jahren) gewöhnlich doch beinahe stets in positiven, onkelhaften Rollen besetzten Jack Warden schon einmal als einen solch widerlichen Schweinehund gesehen zu haben.
Was den deutschen Titel – glücklicherweise nicht jedoch die Vertonung – anbelangt, so hat man hier einmal mehr schwer daneben gehauen. Katzen tanzen lässt hier jedenfalls niemand.

9/10

LIFE

„Don’t open!“

Life ~ USA 2017
Directed By: Daniel Espinosa

Mit großen Erwartungen nimmt die internationale, sechsköpfige Crew der im Erdorbit schwebenden ISS eine vom Mars zurückkehrende Sonde entgegen, die nicht nur Bodenproben, sondern offenbar auch einen von dort stammenden Kleinstorganismus mit sich führt. Das winzige, von via Satellit zugeschalteten Schulkindern „Calvin“ getaufte Wesen entpuppt sich jedoch als wesentlich komplexer denn zunächst vermutet: Rasch wächst die amorphe, entfernt an einen Polypen erinnernde Kreatur heran und attackiert mit blitzartiger Geschwindigkeit die Crew – mit tödlichen Folgen. Schließlich bleibt den beiden letzten Überlebenden Jordan (Jake Gyllenhaal) und North (Rebecca Ferguson) nur die Entscheidung darüber, wie man Calvin am Effektivsten von der Erde fernhält.

Life on Mars? – But yes! Sich explizit an Ridley Scotts Original orientierende „Alien“-Rip-Offs gab es bis in die Neunziger hinein wie Sand am Meer, dann folgte eine kleinere Welle von Genrefilmen, in denen der Menschheit begegnende Extraterrestrier die Erde in invasorischer Größenordnung attackierten, gefolgt von oftmals vulgärphilosophischem Mystizismus-Quark, der die Außerirdischen als unfassbare, uns Erdbewohnern wahre Evolutionsschübe verabreichende Entitäten porträtierte. Ein possierliches Einzelmonster, das eine überschaubare Raumschiff- oder Raumstationscrew in Spielfilmlänge bis zum unausweichlichen Finalduell dezimiert, gab es indes schon seit Längerem nichtmehr im größer budgetierten Science-Fiction-Film. Der recht prominent besetzte „Life“ greift also ein zuletzt eher vernachlässigtes Genre-Segment auf, das sich seit jeher durch seine große Schnittmenge mit dem Horrorkino auszeichnet: Der künstliche, von der Erde losgelöste Himmelskörper tauscht seine Funktion als von Menschen geschaffenes, futuristisches Wunderwerk mit der des klaustrophobischen Gefängnisses, das für den ultra-anpassungsfähigen, mörderischen Fremdling gleichermaßen zum Jagdrevier avanciert. Calvin, so der durchaus niedliche Name des Marssprösslings, entpuppt sich dabei als wahrer Überlebenskünstler, der sogar den guten, alten Xenomorphen noch etwas vormachen könnte: Mithilfe seiner wirbellosen, wabernden Gestalt flutscht und huscht er in Windeseile durch alle Röhren und Gänge der ISS und hält es sogar längere Zeit im Vakuum des Alls aus, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Entsprechend verständlich die Sorge der recht willkürlich zusammengestellten Multikulti-Astronautengruppe um die eigenen Existenzen und schließlich, nach der bitteren Erkenntnis, dass diese sowieso keinen Pfifferling mehr wert sind, um die Erde als Ganzes. Leider baut „Life“ mit zunehmender Erzählzeit etwas ab und fügt sich in die unausweichliche Vorhersehbarkeit: Während die ersten Studien rund um Calvin und vor allem sein erster Angriff, der dem keinesfalls unvorsichtig vorgehendeen Wissenschaftler Derry (Ariyon Bakare) gilt und dessen Hand in Mitleidenschaft zieht, noch vor gekonnten Spannungsschüben strotzen, wird es dann irgendwann beliebig und altbekannt. Dennoch finde ich es grundsätzlich erfreulich, dass im Stellaren spielendes Science-Fiction-Kino heuer doch nicht wie befürchtet zwangsläufig mit geistesblitzendem Krimskrams wie „Interstellar“ oder „Arrival“ assoziiert werden muss, sondern dass blood’n guts auch hier noch ihren Platz haben. Wenngleich ein paar Übungszüge bis zum wahrlich properen Freischwimmer zumindest in diesem Falle gewiss noch Not getan hätten.

7/10

RULES DON’T APPLY

„What about my auditioning?“

Rules Don’t Apply (Regeln spielen keine Rolle) ~ USA 2016
Directed By: Warren Beatty

Hollywood 1958: Der exzentrische Milliardär Howard Hughes (Warren Beatty) lässt sich in der Filmstadt nieder, um dort mit seiner RKO neue Projekte zu stemmen. Dafür lässt er unter anderem junge Provinzschönheiten aus allen Teilen des Landes einfliegen, die eine komfortable Bleibe und ein Festgehalt bekommen, während sie vor Ort in „Wartestellung“ zu verbleiben haben. Eine davon ist die Baptistin Marla Mabrey (Lily Collins) aus Virginia. Während Marla fest daran glaubt, eine Chance als kommender Filmstar zu haben, bahnt sich eine zarte Romanze zwischen ihr und dem nicht minder naiven exklusiv für Hughes arbeitenden Chauffeur Frank Forbes (Alden Ehrenreich) an. Ein alkoholisiertes, nächtliches Techtelmechtel zwischen Hughes und Marla hat schwerwiegende Folgen für sie, während Frank, im festen Glauben an eine gemeinsame Zukunft mit Marla, seine bisherige Verlobung löst. Ohne von ihr die Wahrheit zu erfahren, wird Frank wiederum von Marla fallen gelassen, steigt seinerseits jedoch zu einem engen persönlichen Vertrauten Hughes‘ auf und lernt die zahllosen Marotten des zunehmend entfesselten Superreichen quasi hautnah kennen. Erst einige Jahre später kann auch er dem übermächtigen Schatten des Moguls entsteigen.

Für den New-Hollywood-Veteranen Warren Beatty, der bereits seit rund vier Dekaden mit dem Wunsch nach einem Biopic über Howard Hughes schwanger ging und bereits einige Erfahrung mit der darstellerischen Interpretation schillernder authentischer Figuren hatte, ist seine jüngste Regiearbeit die fünfte binnen 38 Jahren und die erste seit 1998. Dass der Mann auf keinem seiner bevorzugten Kreativareale an Können eingebüßt hat, beweist „Rules Don’t Apply“ nachgerade: Der Film ist eine ebenso lustvolle wie verschmitzte Hommage an Hauptfigur und Ära. Beattys Hollywood der Spätfünfziger und Frühsechziger ist ein bonbonfarbenes Perversikum der dämmernden Studioära, der entfesselten, alternden Tycoons und ihrer Obsessionen. Dabei lässt Beatty himself es sich nicht nehmen, dem bereits zu dieser Zeit psychisch schwer angegriffene Hughes, just im Begriff, vom Management der TWA verklagt zu werden, von Medikamentenmissbrauch gezeichnet und irgendwo zwischen bipolarer und Angststörung vegetierend, höchstpersönlich sein Antlitz zu leihen. Mancherlei Assoziation an seine Interpretation des Bugsy Siegel in Levinsons Film von 1991 verschaffen sich da Raum, wenn Hughes sich ebenso wie einst der Gangster sich zielgerichtet in die Sackgasse narzisstischer Egomanie manövriert, um dort zusehends zu verwelken. Anders als Scorseses „The Aviator“ ist Beatty dabei nicht an biographischer Akkuratesse interessiert. Er nutzt Eckdaten und Episoden lediglich, um eine fiktionale Anekdote mit und über Hughes zu erzählen, in der selbiger zwar eine Schlüsselposition einnimmt, die eigentlich jedoch dem von ihm behinderten Liebespaar Marla und Frank gewidmet ist. Schon die Doppelinitialen ihrer beider Namen suggerieren eine gewisse, romantische Märchenhaftigkeit, die sich dann auch zunehmend und besonders zum Finale hin Bahn bricht.
Ein wunderhübsches Alterswerk ist „Rules Don’t Apply“, frei vom Ballast kommerzieller Erwartungshaltungen und auch sonst so flügge, wie ein Hollywoodfilm anno 16 überhaupt nur sein kann.

9/10