AFTERMATH

„I would like for someone to say that they’re sorry.“

Aftermath (Vendetta – Alles was ihm blieb war Rache) ~ USA/UK 2017
Directed By: Elliott Lester

Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände verursacht der Fluglotse Jake Bonanos (Scoot McNairy) einen Crash zweier Verkehrsmaschinen in der Luft, dem 271 Menschen zum Opfer fallen, darunter auch die Frau und die schwangere Tochter des Bauarbeiters Roman Melnyk (Arnold Schwarzenegger). Sowohl Bonanos als auch Melnyk erwartet eine Zeit tiefster Desolation: Der Eine wird nicht mit seiner drückenden Schuld fertig und entfremdet sich von seiner Familie, der andere findet weder eine befriedigende Form von Gerechtigkeit noch inneren Frieden.

Dies ist tatsächlich der erste Film, der Arnold Schwarzenegger weder als Superhelden oder Übermenschen zeigt, noch seine Filmfigur in ein realitätsfernes Szenario einbindet. Tatsächlich bekommt der Mann hier mit seinen nunmehr stolzen siebzig Lenzen, Bi- und Trizeps nach wie vor imposant, ansonsten jedoch bei altersentsprechender Form (wie Arnie sich nicht nehmen lässt, zu Beginn zu demonstrieren) die Gelegenheit zur Darstellung einer bis ins tiefste Innere gebrochenen Figur und akzeptierte ferner eine Rolle, die einen weiteren Hauptcharakter (McNairy) absolut gleichberechtigt neben ihm agieren lässt, und das in einer völlig effektbefreiten, tieftristen Kleinproduktion, deren Budget vermutlich gerade mal ein Zwanzigstel jedes neuen „Terminator“-Films ausmacht. Wenn überhaupt. Lesters an tatsächlichen Ereignissen orientierter Film geriert sich als stilles, äußerst intimes und gemächliches Drama um urplötzlichen Verlust und die entsetzliche Unmöglichkeit, sich seiner zu erwehren oder gar, seiner Herr zu werden. Von einem auf den anderen Tag wartet das Nichts auf zwei zuvor im Leben stehende Männer; dem einen wird die Familie genommen, dem anderen seine grundlegende Stabilität. Beide versuchen fortan verzeifelt, sich mit der grundlegend veränderten Situation zu arrangieren, doch nur einer wird nach langen Monaten genug Kraft aufwänden, um ganz vallmählich dem tiefen Loch zu entsagen, dass ihn zwischenzeitlich völlig aufgesogen hat. Das Schicksal – in Person des anderen Mannes – versagt ihm jedoch eine endgültige Rückkehr in die ansätzliche Normalität, indem es den Antagonisten wiederum den letzten und einzigen Weg gehen lässt, der für ihn noch eine Option darstellt. Dass am Ende auch die Hoffnungslosigkeit in eine Kausalitätskette mündet, ist die finale, ernüchternde Botschaft, die „Aftermath“, ein Film, der unvorbereitet nachdenklich und bleibeschwert zurücklässt, bereithält. Vor allem für seine beiden glänzenden Hauptdarsteller eine bedeutsame (und bedeutende) künstlerische Errungenschaft, die auch beim Rezipienten tiefe Narben schlägt. Den „deutschen“ Titel mag man getrost vergessen.

8/10

SKYJACKED

„What is it?“ – „Some kind of a detonator.“

Skyjacked (Endstation Hölle) ~ USA 1972
Directed By: John Guillermin

Während eines Routine-Linienflugs nach Minneapolis muss Captain Hank O’Hara (Charlton Heston) feststellen, dass einer der Passagiere seiner Boeing 707 ein Luftpirat ist, der offenbar eine Bombe an Bord versteckt hat und seine bedrohlichen Botschaften zunächst mit Lippenstift hinterlässt. Die Maschine soll nach Anchorage umgeleitet werden. Die Identität des Hijackers ist jedoch bald herausgefunden: Es handelt sich um den hochdekorierten, aber schwersttraumatisierten Veteran Jerome K. Weber (James Brolin), der sich von seinem Land verraten fühlt und zu den Sowjets überlaufen will. Von Anchorage soll die Reise daher nach Moskau weitergehen…

Einer der weniger gut erinnerten Katastrophenfilme der Siebziger ist dieser campige Luftfahrtthriller des englischen Regisseurs John Guillermin, der mit all seinen Attributen von der prominenten Besetzung über das Thema und den unverhohlen klischeeüberladenen Aufzug auch ebensogut in die „Airport“-Serie gepasst hätte, jedoch von der Konkurrenz (hier: dem Produzenten Walter Seltzer und der MGM) in die Kinos gebracht wurde. Seltzer, der um diese Zeit häufig mit Charlton Heston zusammenarbeitete, konnte den alternden Star auch für dieses Projekt gewinnen, in dem Heston nicht allzu viel zu tun hat, außer hier und da eine Pfeife zu rauchen und sich klamme Dialogduelle mit seinem Widersacher James Brolin zu liefern. Der wiederum spielt seinen Part als zunehmend wirrer werdender Flugzeugentführer hübsch kitschig aufbrausend und mit rollenden Augen, als ganz traditionsverrückte, tickende Zeitbombe nebst Handgranaten und MP im Handgepäck. Dass Weber, wie sein Part getauft wurde, PTBS-geschädigter Vietnamveteran ist, lässt das Script zwar unerwähnt, es dürfen jedoch wenige Zweifel bestehen, woher zu damaliger Zeit ein so junger Mann dermaßen viele Orden an der Brust hat. Sein Motiv, hinter den Eisernen Vorhang abzutauchen, bleibt leider ziemlich schwammig. Offenbar leidet Weber, darauf weisen Rückblicke und Wahnvorstellungen hin, neben anderen psychischen Sollbruchstellen auch an einer tief gestörten Beziehung zu seinem Vater (Dan White).
Richtig schön albern wird’s gegen Ende, wenn der Flieger in den sowjetischen Luftraum eindringt und tatsächlich in Moskau landet, wo es zwar ungemütlich aussieht, die russischen Polizisten den verrückten Weber jedoch genau so „willkommen“ heißen, wie es zuvor das FBI in Anchorage tat.
Dass die ZAZ-Verballhornung „Airplane!“ auch „Skyjacked“ eine Menge an Inspiration verdankt, lässt sich ganz nebenbei vortrefflich nachzeichnen und lädt auch bei der Betrachtung dieses Quellmaterials das ein ums andere Mal zum Schmunzeln ein.
Für bezüglich solcher Stoffe Begeisterungsfähige eine hübsche Angelegenheit, durchaus.

7/10

DUEL AT DIABLO

„I was better off with the Indians!“

Duel At Diablo (Duell in Diablo) ~ USA 1966
Directed By: Ralph Nelson

Der frühere Scout Jess Remsberg (James Garner) findet in der Wüste die von kriegerischen Apachen bedrohte Krämersfrau Ellen Grange (Bibi Andersson) und nimmt sie mit zur nächsten Stadt – ganz zu ihrem eigenen Unwillen und auch dem ihres Mannes Willard (Dennis Weaver), der sie eigentlich gar nicht mehr zurückhaben will. Remsberg erhält dort außerdem Kenntnis darüber, dass seine eigene Frau, eine Komantschin, von einem Unbekannten brutal ermordet wurde. Außer sich vor Rachedurst erfährt er, dass Marshall Clay Dean (John Crawford) in Fort Concho wohl mehr über die Bluttat weiß und macht sich auf den Weg durch die Wüste. Parallel dazu bricht auch ein kleiner Kavallerie-Trek nach Concho auf, den neben dem Ex-Sergeant und Pferdeexperten Toller (Sidney Poitier) auch Willard Grange zu Handelszwecken begleitet. Die Gruppe wird von den Apachen überfallen und sitzt fest. Remsberg, der zuvor die ausgerückte Ellen, die, wie sich herausstellt, ein Baby bei den Apachen hat, zurückholt und sich daraufhin allein nach Concho durchschlägt, ist die letzte Hoffnung der Belagerten.

Ralph Nelsons erster Western ist anders als der später entstandene, wütende „Soldier Blue“, noch ein sehr traditionsverhaftetes, klassisches Genrestück, dem es vor allem um Dynamik, Spannung und Action geht. Die thematischen Zwischennuancen bleiben eher in sekundärer Instanz haften; die Unmöglichkeit von Rot und Weiß, eine funktionale Beziehung über die geltenden Schranken hinweg aufzubauen, etwa. Während Jess Remsbergs Frau ermordet und skalpiert wird, nur, weil sie eine Indianerin ist, hat sich Ellen Grange mit ihrem Schicksal, ursprünglich gewaltsam von den Apachen entführt und von einem der ihren zu seiner „Frau“ gemacht worden zu sein, schon deshalb verzweifelt arrangiert, weil ihr seither in der feinen, weißen Zivilisations-Gesellschaft niemand mehr über den Weg traut. Dass beide Schicksale, also die von Remsberg und Ellen, miteinander verwoben sind, behält der Film bis zum letzten Fünftel für sich und lässt dann sozusagen seinen göttlichen Zorn in Form böser Apachenfolter auf den enttarnten Mörder herabregnen.
Überaus interessant ist derweil, wie Poitiers Figur ins Narrativ integriert wird. Sein Status als Afro-Amerikaner spielt nämlich überhaupt keine Rolle für die Entwicklung des Films, als sei es im Westen der Zeit nach dem Sezessionskrieg respektive 1967 eine Selbstverständlichkeit, dass ein afroamerikanischer Dandy sämtliche im Film vorkommenden Weißen einschließlich des Haupthelden an Intelligenz, Können, Chuzpe, Stil, Selbstbewusstsein und Cleverness mühelos in den Schatten stellt. So etwas ging damals wohl auch nur mit Sidney Poitier, wobei Nelson durch seinen Ansatz, ebenjene Tatsache erst gar nicht zum Thema zu machen, sondern sie schlicht als gegeben zu formulieren und ihr damit erst gar keine unnötige Brisanz zukommen zu lassen, entscheidend dazu beiträgt. Tatsächlich eine unbedingt probate Methode für Diskurse in Richtung Rassismus – man räumt ihm erst gar keinen Raum ein und erstickt ihn somit quasi vor seiner Geburt.
Der dennoch omnipräsente Rassismus in „Duel At Diablo“ ist ausschließlich ein Thema zwischen Indianern und Weißen und seine Natur nicht auf ethnischen oder genetischen Differenzen fußend, sondern eine reine Frage von unausgeglichenen Machtverhältnissen und Territorialität. Nelson schließt seinen Film mit dem Dialog „I wonder if they’ll stay on the reservation this time.“ – „Why should they?“ und expliziert damit seine heimlichen Sympathien. Dass diese nicht beim Büro für Indianerangelegenheiten liegen und auch nicht bei weißen Siedlern, Offizieren und Politikern, formulierte Nelson vier Jahre danach umso eindringlicher, mit Blut und Feuer.

8/10