VACANZE PER UN MASSACRO

Zitat entfällt.

Vacanze Per Un Massacro (Toy) ~ I 1980
Directed By: Fernando Di Leo

Der Bankräuber Joe Brezzi (Joe Dallesandro) flieht aus dem Knast um seine sorgsam versteckte Millionenbeute einzusacken und damit um die Welt zu tuckern. Die Lire befinden sich, eingemauert unterhalb eines Kamins, in einer kleinen Jagdhütte nördlich von Rom, die mittlerweile dem Ehepaar Sergio (Gianni Macchia) und Liliana (Patrizia Behn) gehört. Ausgerechnet als Joe vor Ort eintrifft, kommen auch Sergio und Liliana nebst deren verluderter Schwester Paola (Lorraine De Selle) an, um ihr Wochenende dort zu verbringen. Was die treue Liliana nicht weiß, hat der sich anfangs versteckt haltende Joe bereits nach wenigen Stunden spitz: Sergio und Paola setzen der Ahnungslosen Hörner auf, wie und wo es nur geht. Als Sergio zu einem Jagdausflug aufbricht, nutzt Joe die Gunst der Stunde und überwältigt die zurückgebliebenen Frauen nicht nur mit seinem räudigen Charme. Mit Sergios Rückkehr erhält die mittlerweile transparent gewordene Beziehungskonstellation nochmals eine weitere Brisanz. Wer überlebt den mörderischen Ringelreihen?

Joe Dallesandro, genannt „Little Joe“, ist schon eine Marke. Das als ausnehmend maskulin und viril gefeierte, kernige Idol der Warhol-Factory führte seine frühe Biographie als familiär entwurzelten, kriminellen jungen Mann von Florida nach New York und durch diverse Besserungsanstalten und Erziehungsheime, bis Andy Warhol und Paul Morrissey ihn zufällig entdeckten und kurz darauf bereits zum Star einer eigenen Filmtrilogie machten. Danach ging es nach Europa, wo Dallesandro zunächst weiter mit Morrissey arbeitete und dann, ganz ähnlich wie sein zweimaliger Partner Udo Kier oder auch Helmut Berger, eine wechselvolle Karriere zwischen erbittertem Sleaze und hehrer Filmkunst beging, die ihn in die Arme kleiner Schundproduzenten ebenso trieb wie in die von ein paar der anerkanntesten Regisseure des letzten Jahrhunderts. Der 1980 entstande „Vacanze Per Un Massacro“ fällt natürlich in erstere Kategorie. Als „Terror“- und/oder „Home Invasion“-Film reiht sich Di Leos böses, kleines Schmierpsychogramm relativ nahtlos ein in eine kleine, zeitgenössische Phalanx ganz ähnlich gefärbter Werke wie Franco Prosperis „La Settima Donna“, Ferdinando Baldis „La Ragazza Del Vagone Letto“ oder Ruggero Deodatos „La Casa Sperduta Nel Parco“. All diesen Arbeiten ist neben ihrer grundsätzlichen atmosphärischen Nähe zum großen Vorbild „The Last House On The Left“ gemein, dass sie ein sehr pessimistisches, misanthropisches Bild eines funktionalen Zusammenlebens der Geschlechter entwerfen, harmonische Zweisamkeit vielleicht sogar als unerreichbare Utopie abstempeln. So geht es auch in „Vacanze Per Un Massacro“ hauptsächlich um die Verlogenheit eines scheinbaren Eheidylls, das erst durch die Intervention eines primär instinktgesteuerten Gewaltverbrechers offengelegt und geradegerückt werden werden kann. Einzig die verblendete, brave Liliana geht in all ihrer vormaligen Naivität als unschuldiges Viertel des Quartetts durch, zumindest bis Joe ihr mit aller Härte einbläut, in welchem Vipernnest sie sich lange Zeit gut aufgehoben glaubte: Ihre Schwester Paola ist ein moralisch zutiefst verdorbenes, nymphomanes Früchtchen, das selbst seine (bewusst ausgestellte) Vergewaltigung durch Joe als beiläufigen, sogar gefälligen Akt abtut und den später wiederum durch Joe erzwungenen, öffentlichen Koitus mit ihrem Schwager wie dieser auch offenbar sehr genießt. Der armen Liliana offenbart sich dadurch, auf forciertem Wege und vermutlich nicht unbedingt zu ihrem psychischen Benefizium, binnen weniger Stunden die ganze Niedertracht des Menschengeschlechts, wofür auch sie am Ende ihre Rache einfordert. Wie es danach mit ihr weitergeht, lässt sich nur mutmaßen, aber es wäre wenig verwunderlich, wenn auch sie sich auf den verlockenden Pfad der Verlotterung begäbe, mit der Kohle durchbrennt und selbst zum Arschloch wird. Di Leo, der vor allem in späteren Karrierejahren die dem Gesellschaftsleben inhärente Schwärze abbildete, setzt hinsichtlich seiner Dramaturgie dabei weniger auf Gewalt denn auf Sexploitation. Behaglicher macht dies seinen rotzigen Film keineswegs.

7/10

YOURS, MINE AND OURS

„It’s giving life that counts.“

Yours, Mine And Ours (Deine, meine, unsere) ~ USA 1968
Directed By: Melville Shavelson

Sowohl der Navy-Offizier Frank Beardsley (Henry Fonda) als auch die Militär-Krankenschwester Helen North (Lucille Ball) sind verwitwet und stehen jeweils mit ganzen zehn bzw. acht Kindern unterschiedlicher Altersklassen da. Als sie sich eines Tages per Zufall kennenlernen und zu einem ersten Date verabreden, ist rasch wahre Liebe im Spiel, die Vernunft angesichts der jeweiligen Beichte ihrer monströsen Anhänge obsiegt jedoch und man trennt sich gütlich. Franks Freund Darrel (Van Johnson) hat jedoch längst registriert, dass die beiden (nebst ihren Familien) füreinander bestimmt sind und verkuppelt sie dann doch erfolgreich mit anschließender Heirat. Jetzt heißt es, die Riesenbagage erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Als sich schließlich ein erstes gemeinsames Baby ankündigt, wird das vorprogrammierte Chaos nicht kleiner…

Melville Shavelson schrieb und inszenierte gern und zuverlässig familientaugliches Studiokino auf der sicheren, oder, bös formuliert, biederen Seite. „Yours, Mine And Ours“ ist ür Shavelsons Arbeitsweise ein Vorzeigeexempel; eine liebenswerte, mit drei sympathischen Stars besetzte Komödie mit ein paar gelungeneren und ein paar ziemlich farblosen Situationsgags sowie wenigen dramatischen Kerben, die, dessen ist man sich sehr bald gewiss, jedoch nie das frohe Gesamtbild ins Taumeln bringen. An „Yours, Mine And Ours“ ist alles hübsche Routine. Er zeigt sich beeinflusst von den damals noch recht frischen TV-Sitcom-Formaten rund um herzliche, bourgeoise Familien und deren unaufgeregt gewöhnliche Alltagsexistenzen, wobei selbst die Regie höchstens einmal stellenweise und dann unwesentlich bis kaum spürbar von jenen bombensicheren Gewöhnlichkeitspfaden abweicht. Ähnlich wie James Stewart (der ohne Schwierigkeiten auch Fondas Rolle hätte spielen können) in seinen drei ebenfalls um diese Zeit entstandenen Koster-Filmen bildet auch „Yours, Mine And Ours“ einen jener spießig kolorierten, dabei völlig hilflosen Altstar-Versuche, gegen die immer stärker grollenden New-Hollywood-Umtriebe Front zu machen. Während in Südostasien der mit Napalm bombardierte Dschungel lichterloh brannte, mühte man sich unter anderem auch in massenkompatiblen Filmen wie diesen verzweifelt, das US-Militär in gerade Lichtverhältnisse zurückzurücken und ihren Entscheidungsträgern aufrichtige humane Grundgesinnungen angedeihen zu lassen: Ein sympathischer Offizier wie Frank Beardsley, der für ganze 19 Kinder verantwortlich ist und dessen Ältester (Tim Matheson) am Ende stolz erhobenen Hauptes zu den Marines geht kann ja faktisch nur ein erklärter Philanthrop sein. Dass die Chancen indes gut standen, dass die Beardsleys schon bald um einen Sprössling erleichtert werden würden, behielten Shavelson und sein Film derweil lieber für sich.

6/10

CAPTAIN MARVEL

„I’ll be back.“

Captain Marvel ~ USA 2019
Directed By: Anna Boden/Ryan Fleck

Zwischen den extraterrestrischen Imperien der Kree und der Skrull tobt ein ewiger Krieg. Während einer Rettungsmission geraten die ursprünglich von der Erde stammende, jedoch amnesische Kree-Soldatin Vers (Brie Larson) und ihre fünfköpfige Crew in einen Hinterhalt der Skrulls, die aufgrund ihrer Fähigkeit zur Gestaltwandlung strategische Vorteile genießen. Bei der anschließenden Flucht strandet Vers auf ihrem Herkunftsplaneten,  im Los Angeles des Jahres 1995. Dort findet sie sich zunächst kaum zurecht, bis sie auf S.H.I.E.L.D. und dessen Agenten Nick Fury (Samuel L. Jackson) trifft. Gemeinsam mit Fury und verfolgt von dem Skrull Talon (Ben Mendelsohn) macht sich Vers auf, ihre Vergangenheit zu entschlüsseln, wobei ihr ihre frühere beste Freundin Maria Rambeau (Lashana Lynch) behilflich ist: Einst war Vers die Kampfpilotin Carol Danvers, die seit sechs Jahren als tot gilt. Die Militär-Wissenschaftlerin Wendy Lawson (Annette Benning), an die Carol sich in ihren träumen erinnert, war in Wahrheit die abtrünnige Kree-Soldatin Mar-Vell, die kriegsmüden Skrull-Fküchtlingen einen sicheren Zufluchtsort verschaffen wollte, dann jedoch von dem Kree Yon-Rogg (Jude Law) entdeckt und getötet wurde. Just bei diesem Anschlag übertrug sich eine gewaltige Menge Energie aus dem in Mar-Vells Händen befindlichen Tesserakt auf Carol – der Ursprung ihrer Kräfte. Nachdem Carol abermals den Kree in die Hände fällt und verhört wird, gelingt es ihr, ein Regulierungsimplantat zu entfernen und so das volle Potenzial ihrer Macht zu entfalten. Im Alleingang nimmt sie es mit einer die Erde bedrohenden Kree-Flotte auf und verlässt ihren Heimatplaneten abermals, um den Konflikt zwischen Kree und Skrulls endgültig zu beenden – nicht jedoch, ohne Fury eine Kontaktmöglichkeit und den Tesserakt zu hinterlassen.

Eine Menge an inhaltlichem Holz präsentiert dieser „Avengers: Endgame“ vorbereitende MCU-Beitrag, der natürlich auch auf den „geheimnisvollen“ Cliffhanger aus „Infinty War“ rekurriert, in dem der sich just im Auflösen befindliche Fury gerade eben noch jenen mysteriösen Pager mit Starforce-Symbol bedienen kann, das Comicleser natürlich schon seit nunmehr rund fünfzig Jahren zu identifizieren wissen. Die ursprüngliche Geschichte von Mar-Vell, der als Captain Marvel gegen seinen früheren Freund Yon-Rogg, die Skrulls und natürlich Thanos zu kämpfen hatte, der als erster Superheld überhaupt einen spektakulären Tod (durch ganz profanen, irdischen Krebs) im Zuge einer wunderschönen Graphic Novel von Jim Starlin fand und, als einer der wenigsten seiner Zunft, seither nicht wiederauferstanden ist, ignoriert der Film kurzerhand, stellt sie auf den Kopf und widmet sich stattdessen Mar-Vells Nachfolgerin Carol Danvers. Die eigentliche zweite Captain Marvel, die Polizistin Monica Rambeau, tritt im Film als kleines Mädchen und Tochter von Carols bester Freundin (Akira Akbar) auf, was bereits darauf hindeutet, dass ihr künftiges, erwachsenes alter ego später noch eine wichtige Rolle bekleiden könnte. Auch sonst stellt sich „Captain Marvel“ also primär in den Dienst der veränderten MCU-Continuity und der nötigen Aufgabe, Thanos in Kürze ein ordentliches Pfund entgegensetzen zu können.
Freilich zählt „Captain Marvel“, trotz eines längeren Zwischenspiels auf der Erde, zu den Weltraum-Ablegern des MCU, ebenso wie die „Guardians Of The Galaxy“ oder „Thor: Ragnarok“, in denen bunte Laserstrahlen und interplanetarische Dimensionswirbel in den schillerndsten, halluzinogenen Farbmixturen durchs All zucken und wabern. Weder bietet er jedoch den kontextualisierten Witz der vorgenannten Beispiele noch deren spürbar innige Liebe zu ihren Figuren auf; vielmehr ist er krampfhaft darum bemüht, der nach wie vor männlich dominierten Superhelden-Mythologie, analog zu DCs „Wonder Woman“, mehr wuchtige Frauenschlagkraft zu verabreichen und etabliert damit zugleich eines der mächtigsten Wesen im MCU überhaupt, das im Finale so dermaßen rigoros im Kosmos herumholzt, dass Han Solo angesichts dessen eine Kiefersperre bekäme. Gedanke und Idee sind ergo völlig okay, nur mangelt es dem Film am Wesentlichen, was die letzten MCUs so schön machte: Den vielen, kleinen, echten Gänsehautmomenten. Relativ ungerührt nimmt man diesmal zur Kenntnis, was da in der üblichen audiovisuellen Perfektion dargeboten wird und wünscht sich mehr konzise Konzilianz. Die Kree kennen wir bereits, die Skrulls werden (überraschend differenziert immerhin) eingeführt. Ein verjüngter, haupthaariger Nick Fury, dessen charakteristische Augenklappe noch fehlt und der, ungewohnt begeisterungsfähig, unentwegt der Alienkatze Goose seine Putzigkeitsaufwartungen macht, ist gewiss nicht unwitzig, als Bindeglied zum gewaltigen Rest jedoch ein wenig wacklig. Zudem muss ich sagen, dass ich ganz persönlich mir anstelle von Annette Benning einen adäquateren Mar-Vell gewünscht hätte – immerhin handelt es sich bei ihm um eine meiner Lieblingsfiguren seit Kindheitstagen. Hätte man nicht wen anders nehmen können – Aaron Eckhart etwa? But this had to be a women’s thing, obviously and particularly.

7/10

BLACK ’47

„Beauty would be held in much higher regard, Sir, if it could be eaten.“

Black ’47 ~ IE/LU 2018
Directed By: Lance Daly

Irland, 1847. Während der großen Hungersnot kehrt der Militärveteran und Deserteur Martin Feeney (James Frecheville) nach Hause zurück und findet Mutter und Bruder tot vor. Nur seine Schwägerin Ellie (Sarah Greene) trotzt mit ihren Kindern noch verzweifelt dem Hungertod. Feeney, der plant, mit dem Rest seiner Familie nach Amerika zu emigrieren, bringt Ellie und deren Sprösslinge in eine der noch stehenden Hausbaracken unter, doch einige Lakaien des hiesigen Großgrundbesitzers Kilmichael (Jim Broadbent) verweigern ihnen unter Berufung auf die geltende Rechtslage den dortigen Aufenthalt. Beim anschließenden Scharmützel gerät die Ruine in Brand, Feeney wird gefangen genommen und weggebracht und sein Neffe getötet. Nachdem es ihm gelingt, sich zu befreien, hat Feeney auch Ellie und seine kleine Nichte zu beklagen, die unterdessen vor Kälte und Erschöpfung gestorben sind. Feeney begibt sich auf einen beispiellosen Rachefeldzug gegen sämtliche Verantwortlichen, derweil die Polizei ihm nachstellt: Eine kleine Abordnung um den arroganten Karrieristen Pope (Freddie Fox), den jungen Hobson (Barry Keoghan), Feeneys früheren Soldatenfreund Hannah (Hugo Weaving), der durch seine Bezeiligung an der Jagd der Aussetzung der eigenen Todesstrafe entgegensieht sowie dem gewitzten Tagedieb Conneely (Stephen Rea) begibt sich auf Feeneys blutige Spur, bekommt ihn jedoch nicht zu fassen, bis dieser schließlich Kilmichaels persönlich habhaft werden kann.

Es gibt australische, japanische, sogar einen österreichischen Western. Warum also nicht auch einmal einen irischen? Just einen solchen legt der landeseigene Filmemacher Lance Daly mit „Black ’47“ vor, dessen Titel sich auf das schlimmste Jahr der infolge von Kartoffel-Missernten grassierenden Hungersnot bezieht. Inmitten dieses historischen Katastrophen-Zustands versetzen Daly und sein Coautor P.J. Dillon ihre gleichermaßen reduzierte wie verschärfte „Michael- Kohlhaas“-Variation: Am persönlichen Verderben des Titelhelden, den den gesamten Film über ein nahezu gespenstisch-mystischer Hauch des biblischen Racheengels umweht, tragen einmal mehr der fette Geldadel und seine übervorteilende Gier Schuld, die das kleine Gemeinvolk unter ihren hochglänzenden Stiefeln zertreten. Dass es sich dabei in diesem Falle zudem um die verhassten Besatzer von der englischen Nachbarinsel und deren einheimische Abschöpfer handelt, überträgt dem wütenden Martin Feeney noch eine weitere Dimension des gerechtfertigten Hasses, die ihn als eine Art frühen IRA-Partisanen agieren lässt. Daly verleiht dem grausamen Zustand der Hungersnot mitsamt all ihren fürchterlichen humanitären Folgen die gräuliche Visualisierung postapokalyptischer Desolation: Das spätherbstliche Wetter ist grau und dürr und lässt die zerklüftete, karge und zeitweise unfruchtbare Landschaft nur noch lebensfeindlicher erscheinen. In diesen Zeiten heißt es nurmehr „Flucht oder Tod“, vermutlich auch der Grund, warum Feeney, über den wir später erfahren werden, dass er ein brillanter Soldat ist, der Hannah sogar einst das Leben gerettet hatte, seinen Einsatz für die Krone im fernen Afghanistan aufgegeben hat und zu seiner darbenden Familie zurückgekehrt ist. Doch in der Heimat begegnen ihm nurmehr Tod und noch mehr Verzweiflung, denen er mit dem Zorn des Guerillakämpfers begegnet.
„Black ’47“ hat dabei etwas Mühe, sich eindeutig zu einem Genre zu bekennen und setzt sich geflissentlich unsicher zwischen die Stühle. Für einen harten Veteranen- und Selbstjustiz-Actionfilm mit Vergeltungsthematik vor historischem Setting, der charakterliche Züge der „Rambo“-Filme oder der diversen „Punisher“-Inkarnationen trägt, ist er allzu gemächlich und zurückhaltend inszeniert; für ein intimes Ensemble-Drama indes sind seine Grundstimmung zu ruppig und seine Aggressionsfurchen zu tief.
Dennoch lohnt der Blick, schon allein im Hinblick auf die interessante, ungewöhnliche Melange des Films aus zeit- und kinohistorischem Abriss.

7/10

DARK WATERS

„Is our mother here?“

Dark Waters ~ I/UK/RU 1993
Directed By: Mariano Baino

Nach dem Tode ihres Vaters findet die Engländerin Elizabeth (Louise Salter) heraus, dass der Verblichene über viele Jahre hinweg ein entlegenes Nonnenkloster auf einer kleinen Schwarzmeerinsel finanziert hat. Um sich vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten zu machen, reist Elizabeth persönlich zu dem Eiland. Dort angekommen, muss sie feststellen, dass ihre bereits vorgefahrene Freundin Theresa (Anna Rose Phipps) unter mysteriösen Umständen verschwunden ist und sämtliche Einwohner des Klosters und der umliegenden Strandhütten sich überaus seltsam benehmen. Auch Elizabeth selbst empfängt merkwürdige Visionen und Flashbacks aus Kindheitstagen, die sie, wie sich herausstellt, bereits auf der Insel verlebt hat und die hinter omimösen Erinnerungsschleiern verborgen sind. Offenbar steckt hinter all den Mysterien ein heidnischer Kult um eine uralte, dem Meer entstiegene Wesenheit…

„Dark Waters“ gilt als einer der letzten nennenswerten Beiträge zum italienischen Horrorkino, den der neapolitanische Filmemacher Mariano Baiano als seinen ersten und bisher einzigen Langfilm als kostengünstige Produktion mit englischen Hauptdarstellerinnen in Russland und der Ukraine fertigte. Baiano liebäugelt dabei mit zahlreichen Einflüssen aus der phantastischen Literatur und der jüngeren, landeseigenen Kinohistorie, denen er seine offenkundige Ehrerbietung erweist; unübersehbar in erster Instanz die Einflüsse von Grimms Märchen ebenso wie die lovecraftscher Mythenbildung (insbesondere „Dagon“) um unfassliche Entitäten aus den Tiefen des Anderswo und der ihnen zugehörigen, äonenalten Kulte, die ihre verborgene Präsenz und/oder geplante Wiederkehr beschwören. Auch Bram Stokers „Dracula“, oder zumindest dessen erste Hälfte um den in Transsylvanien ankommenden Jonathan Harker findet sich vehement referiert, ebenso wie (auf inhaltlicher Ebene) Robin Hardys „The Wicker Man“. Auf filmästhetischer Ebene orientiert sich Baiano derweil eher an den in den Jahren zuvor entstandenen Filmen von Michele Soavi, insbesondere „La Chiesa“ und „La Setta“, denen es weniger um die Beschwörung inhaltlicher oder narrativer Stringenz geht, sondern wesentlich vordringlicher um die Erschaffung einer unheiligen, mit den Mitteln der Ratio kaum fassbaren Atmosphäre des Abseitigen, um paganistische Glaubenssätze und Anbetungen des Abgöttischen. Man möge sich für den befreiten Genuss von „Dark Waters“ also weniger auf die Suche begeben nach logischen Kausalitätsschemata, da sich Baianos Werk in solchem Falle als undankbar erweisen könnte. Unter Berücksichtigung seiner Gestaltung als freie, genießerische und dabei immens eigenwillige Vision eines Künstlers, der seinem persönlichen popkulturellen Lern- und Reifeprozess ein Denkmal setzte, sollte man sich in den nassforschen, faulig-fischigen Windungen von „Dark Waters“ indes bestens aufgehoben finden.

7/10

DIE JÄGER

„Ein herzliches Waidmanns Dank.“

Die Jäger ~ BRD 1982
Directed By: Károly Makk

Der wohlhabende Diplomat Stephan Mathiesen (Mel Ferrer) reist mit seiner jungen Frau Daniela (Barbara Sukowa) auf ein kleines Jagdschloss jenseits des Eisernen Vorhangs in der herbstlichen Tatra, um dort ein paar Tage lang der waidmännischen Passion osteuropäischer Jagdtradition zu frönen. Besonders Bären haben es dem arrivierten Mathiesen als nervenkitzelnde Beute angetan. Erst nach und nach bemerkt Mathiesen, dass Daniela und der Jagdführer Boris (Helmut Berger) sich offensichtlich von früher kennen und ein unheiliges Geheimnis teilen, das auch den Verwaltern des Chalais (Karin Baal, Jozef Kroner) nachhaltiges Kopfzerbrechen bereitet…

Produziert von Dieter Geissler und inszeniert und geschrieben von dem ungarischen Filmemacher Károly Makk kam 1982 dieses behäbige Äquivalent zu einem Kitschroman in die bundesdeutschen Kinos. Zu bieder für ein ausgesprochenes Stück Kolportage reizt nunmehr lediglich die illustre Besetzung zu einer revisionistischen Beschau des zwischen Wildromanze und konsalikscher Dramaturgie eingerichteten Stücks, in dem, offensichtlich im Zuge einer echten Jagdsaison vor Ort, etliche kleine und größere Tiere abgeknallt werden in Bildern, die dem passionierten westdeutschen Nimrod anno dunnemals vermutlich die Freudentränen kullern ließen – und nicht nur diese.
Die zur Aufpeppung der gleichförmig-trägen Narration immer wieder bemühte On/Off-Affäre zwischen Berger und Sukowa, zu der standesgemäß auch ein lauwarmes  Techtelmechtel inmitten weißer Felle in einer abgelegenen Hütte gehört, lockt da wenig, zumal dem Zuschauer recht bald egal ist, wie das Dreieck der unseligen Lüste nun enden mag. Um meinen Beitrag auf Länge zu bringen, verrate ich’s trotzdem: Die Sukowa dreht durch, nachdem Berger sie mit ihrem gemeinsamen, alten Geheimnis (er hat sie einst per Meineid vor Gericht gedeckt, nachdem sie ihren grobschlächtigen, ersten Ehemann im Zuge eines angeblichen „Jagdunfalls“ erschossen hatte) erpresst, damit sie wieder zu ihm zurückkehrt und knallt nunmehr auch ihn ab. Danach ist sie reif für die Klappse und der sich über den gesamten Film ignorant gebende Ferrer steht mit einem Nervenwrack da. Hätte er nur zuvor auf sie gehört und wäre flugs wieder mit ihr abgereist – die ganze Unbill wäre ihm und ihr erspart geblieben. Gisela Hahn ist noch toll als versoffene, Ketten rauchende und um koitale Gefälligkeiten bettelnde Establishment-Schlampe und eigentlich das Beste am ganzen Film. Roland Baumgartners Musik wäre derweil dazu angetan, eine zeitgenössische „Traumschiff“-Folge zu veredeln, sonst gibt’s wie gesagt nicht viel zu holen. Für Komplettisten und Masochisten.

4/10