„I do not want you to go out.“
Straight On Till Morning (Ehe der Morgen graut) ~ UK 1972
Directed By: Peter Collinson
Brenda Thompson (Rita Tushingham) ist ein junges, bei seiner Mutter (Claire Kelly) lebendes Naivchen aus Liverpool, das sich gern einfältige Märchengeschichten zusammenträumt – mit sich höchstpersönlich als Protagonistenprinzessin, die ihren Traumprinzen findet. Um sich selbst zu verwirklichen, lügt die nicht allzu attraktive Brenda ihrer Mom eines Tages vor, dass sie schwanger sei und geht nach London. Während sie bei der promisken Hipster-Bohèmienne Caroline (Katya Wyeth) unterkommt, sucht sie verzweifelt nach einem potenziellen Partner. Den findet sie schließlich in dem etwas sonderbaren, aber engelsgleich aussehenden Peter (Shane Briant). Nach einem kleinen Dognapping-Manöver erhält sie dann auch Gelegenheit, Peter kennenzulernen. Doch was zunächst die große Erfüllung verspricht, zerschellt bald in tausend Scherben, denn Peter heißt in Wahrheit Clive und entpuppt sich als sadistischer Psychopath und Frauenmörder.
Wie kein anderer mir bekannter Film der Hammer steht „Straight On Till Morning“, die einzige Regiearbeit Peter Collinsons für das Studio, für die sich zunehmend verzweifelt ausnehmenden Versuche der Traditionsgesellschaft, neue und zeitgemäßere Bahnen einzuschlagen. Statt sich in der Viktorianischen Ära oder in verwunschen, osteuropäischen Fantasiedörfchen anzusiedeln, setzt sich „Straight On Till Morning“ regelrecht breitärschig mitten in das bereits angrauende Swinging London der Gegenwart nebst seinen von Alkohol, Drogen und unverbindlichem Sex geschwängerten Subkulturen, in denen die graue Maus Brenda, die eigentlich gern Rosalba hieße, sich vorkommt wie Alice im Wunderland. Und just ebenso überfordert mit dem sie urplötzlich umgebenden Anti-Establishment, das sie aus ihrer bunten Kleinkinder-Traumwelt mitten in die Seitenstraßen der Realität katapultiert, gerät Brenda erwartungsgemäß an und in den größtmöglichen Albtraum. Dabei sind es eigentlich weniger Plot und Setting, die „Straight On Till Morning“ antizyklisch erscheinen lassen, denn vielmehr seine Form. Ist man bei Hammer üblicherweise solide, handwerklich geradlinige Traditionsarbeit gewohnt, stellt Collinson plötzlich all das radikal auf den Kopf. Wilde jump cuts und Stakkatomontagen, Ellipsen, einstellungsüberlagernde Dialoge sowie stream of consciousness kennzeichnen die Beinahe-Anti-Dramaturgie der ansonsten durchaus konventionellen Story und folgen damit moderneren Genre-Strömungen, die man in ähnlicher Ausprägung vielleicht bestenfalls bei Polanski oder Peckinpah erwarten würde. Selbst rückblickend scheint man mit dem akzentuiert-exaltierten Stil des Films nicht warmgeworden zu sein; vielerorts ist zu lesen, „Straight On Till Morning“ wirke verhoben, manieriert, oder (besonders böses Attribut:) prätentiös. In der Tat macht der Film es einem nicht immer leicht – er missachtet vorsätzlich Konventionen, schürt für einen Thriller keinen wirklichen Spannungsbogen und scheint sich den eigentlichen, destruktiven Irrsinn Clives, seine tiefe, narzisstische Bosheit nebst der Entledigung jedweder Empathie erst für den Schluss aufzubewahren, der dann noch nichtmal eine zufriedenstellende conclusio bereithält. Kein Wunder ergo, dass dieses mattschimmernde, unikale, unfreundliche Rohdiamantlein weniger Freunde denn Gegner kennt.
8/10