COME TO DADDY

„I can burp on command if you don’t mind. It’ll cheer you up.“

Come To Daddy ~ USA/CAN/NZ/IE 2019
Directed By: Ant Timpson

Der bei seiner alleinerziehenden Mutter im luxuriösen Beverly Hills aufgewachsene Möchtegern-Musikproduzent Norval Greenwood (Elijah Wood) hat seinen Vater Brian (Martin Donovan) seit Kinsheitstagen nicht gesehen. Auf dessen briefliche Einladung hin besucht Norval nun erstmals nach etlichen Jahren seinen Dad, der ein ablegenes Küstenhaus in Oregon bewohnt. Der etwas fatzkenhaft geratene junge Mann ahnt daher nicht, dass der Mensch (Stephen McHattie), der ihm bei seiner Ankunft vor Ort die Tür öffnet, mitnichten sein Vater ist. Entsprechend verstört reagiert Norval auf das sonderbare Verhalten jenes knorrigen Typen, der, nachdem er Norval schließlich mit einem Fleischerbeil bedroht, urplötzlich einem Herzinfarkt erliegt. Tatsächlich befindet sich Norvals richtiger Dad angekettet im Keller des Gebäudes, wo der Tote – wie sich herausstellt, ein Krimineller namens Gordon – sowie zwei weitere sadistische Gesellen (Michael Smiley, Simon Chin), ihm das Geldversteck aus einem Jahre zurückliegenden Coup entfoltern wollen. Dem eigentlicht zartbesaiteten Norval bleibt nur die harte Gegenwehr.

„Come To Daddy“, eine hier und da recht blutig geratene Farce, hätte mit seiner Mischung aus lakonischem Humor, überspannter Gewalt und obskurem Dialog eigentlich besser in die Mitt- bis Spätneunziger gepasst, als das noch beständig nachsprießende Tarantino-Gefolge genau solche Filme en masse ausstieß. Damit dürften auch zugleich Habenseite und Crux von Ant Timpsons inszenatorisches Debüt weitgehend subsummiert sein: „Come To Daddy“ nimmt sich streckenweise recht amüsant aus (die zitierte Szene mit Garfield Wilson als merkwürdigem Cop ist die witzigste des Films), verfügt über gute Darsteller und einen Regisseur, der sich trotz seiner Unerfahrenheit auf diesem Sektor zumindest nicht blamiert. Seine großen Schwächen offeriert das Ganze in der Scriptgestaltung, die sich kaum um den eigentlichen Plot oder die grundsätzlich herausfordernde Psychologisierung der Vater-Sohn-Beziehung schert, sondern vornehmlich darum, ihre einzelnen, verqueren Einfälle in mehr oder weniger voneinander separierten Aufzügen vom Stapel zu lassen. Ebendiesen mangelt es wiederum an der notwendigen Konzision; der primäre „Witz“ liegt darin, wie der überrumpelte Norval sich nach und nach des Gangstertrios entledigt, das seinem Vater auf die Pelle rückt.
„Come To Daddy“ leidet also unter einer ziemlich mangelhaften Ausbalancierung, die eben auf Kosten seines vorsätzlichen schwarzen Humors in Kombination mit rigoros vorgeschützter Derbheit vernachlässigt wurde. Hätte andernfalls gewiss deutlich gewinnender ausfallen können.

6/10

NABARVENÉ PTÁČE

Zitat entfällt.

Nabarvené Ptáče (The Painted Bird) ~ CZ/SK/UA 2019
Directed By: Václav Marhoul

Osteuropa, im Zweiten Weltkrieg. Aus für ihn selbst unerfindlichen Gründen zunächst von seinen Eltern bei einer Tante (Nina Suvenic) in der tiefsten Provinz versteckt, wartet auf den kleinen Joska (Petr Kotlár) nach deren Tod eine Odyssee durch die Kriegswirren, die ihn einer umfassenden Palette menschlicher Abgründe und Perversionen aussetzt. Am Ende seiner zermürbenden Reise hat Joska das Kindsein längst verlernt.

Der bereits 1965 in englischer Sprache erstveröffentlichte Roman „The Painted Bird“ von Jerzy Kosiński (eigentlich Józef Lewinkopf), einem im selben Jahr in die USA emigrierten polnischen Juden, verursachte, analog zur Vita seines Autors, im Laufe der Jahre stetig neue Kontroversen. Zunächst weitflächig euphorisch gefeiert für seinen involvierenden, nach Kosińskis Bekunden autobiograpisch geprägten Abriss einer Kindheit im Krieg, erwiesen sich die im Buch geschilderten Ereignisse schließlich als pure Fiktion und somit der Urheber im Hinblick auf seine Selbstauskunft, ebenjene persönlich bezeugt zu haben, als Hochstapler. Tatsächlich, so die investigativen Recherchen, habe Kosiński die Holocaust-Jahre nicht als umherwandernder Vagabund erlebt, sondern sei von einer katholischen polnischen Familie bis Kriegsende versteckt gehalten worden. Anhaltende Diskussionen um eine mögliche, polenfeindliche Grundhaltung sowie sein eklatanter Antikommunismus rückten Kosiński und seinen Roman wiederum in kein positiveres Licht. In den frühen achtziger Jahren unterstellte ihm die US-Presse zudem fortwährenden Plagiarismus, gemeinschaftlich mit der stets in Augenschein belassenen Spekulation, für keines seiner bis dahin entstandenen Werke komplett selbstverantwortlich zu sein.
Die Frage, inwieweit jene doch schwerwiegenden Punkte das betreffende Kunstwerk herabstufen müssen, können oder dürfen, obliegt schlussendlich der individuellen Perspektivierung. Ich selbst kenne den Roman noch nicht und kann den Film daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur losgelöst von ihm bewerten.
Die Adaption von Václav Marhoul, wohlweislich unter Verwendung der Kunst- bzw. Plansprache Interslawisch gefertigt, um dem möglichen Vorwurf völkischer Schuldzuweisungen vorzubeugen, vermeidet gleich a priori den Weg akuten, konsequent beschrittenen Realismus‘. Gewiss, die Geschichte erinnert in ihrem transgressiven Impetus an Elem Klimovs „Idi I Smotri“ (dessen Hauptdarsteller Aleksey Kravchenko sich hier sogar in einer kleinen Rolle als Rotarmist zurückmeldet) findet ihre Umsetzung in formalästhetischer Hinsicht jedoch an einem ganz anderen Ende des Spektrums. Photographiert in sanften, bewegungsarmen Einstellungen, in Scope und kristallinem Schwarzweiß, kontrastiert die unentwegt bewahrte Poesie der Bilder die grauenhaften Erlebnisse Joskas nur umso diametraler. In neun Episoden gliedert Marhoul die Höllenfahrt (oder wahlweise Passion) seines kindlichen Protagonisten; neun Geschichten, die jeweils mit den Namen der sie bestimmenden Figuren eingeleitet werden. Einiges an internationaler Schauspielprominenz stand ihm dafür zur Seite; oftmals in wenig schmeichelhaften Parts. Denn was Joska ohne zu suchen findet, ist ein beeindruckend infernalisches Panoptikum menschlicher Schlechtigkeit: Herzlosigkeit, Kälte, Aberglaube, Opportunismus, Bigotterie, Betrug, Gewalttätigkeit, Verrat, Sadismus, Eigennutz, Korruption, Inzucht, Tierquälerei, Kindesmissbrauch, Mord, Hybris – all das erlebt der Junge im Laufe seiner Reise; Güte und Verständnis blitzen derweil immer nur für Sekundenbruchteile auf. Nicht nur seine körperliche und sittliche Unschuld kosten ihn diese amoralischen Lehrjahre, sie lassen ihn auch (Menschen gegenüber) zeitweilig verstummen, schließlich zum Plünderer, Dieb, Totschläger aus Notwehr und Mörder aus Rache werden. Am Ende findet Joskas Vater (Petr Vanek), der unterdessen selbst in KZ-Haft war, seinen Sohn in einem Waisenhaus wieder. Ob und wann der Junge, der sich immerhin seines Namens erinnert, ihm „vergeben“ kann, ob die Option dieser Art des Überlebens die Nazi-Gefangenschaft aufwiegt; auch diese unwillkürlich aufpoppenden Denkbläschen lässt Marhoul glücklicherweise unbeantwortet.
Dass seinem Film künftig noch größere internationale Popularität zuteil wird, wäre jedoch noch uneingeschränkt wünschenswert.

9/10

PET SEMATARY 2

„No brain, no pain… think about it!“

Pet Sematary 2 (Friedhof der Kuscheltiere 2) ~ USA 1992
Directed By: Mary Lambert

Als seine Mutter (Darlanne Fluegel), eine bekannte Hollywood-Actrice, infolge eines von ihm miterlebten Unfalls am Set stirbt, ist der Teenager Jeff (Edward Furlong) am Boden zerstört, zumal sie sich möglicherweise bald wieder mit seinem Dad, dem Tierarzt Chase Matthews (Anthony Edwards), versöhnt hätte. Um seinen Filius auf andere Gedanken zu bringen, zieht Chase mit ihm in die Kleinstadt Ludlow in Maine, wo zudem einen vakante Praxis auf Chase wartet. Die örtlichen High-School-Bullys, allen voran der fiese Clyde Parker (Jared Rushton), machen es Jeff alles andere als leicht. Nur im fülligen Drew Gilbert (Jason McGuire) findet er einen Freund. Doch auch Drew hat schwer zu knabbern – an seinem Stiefvater Gus Gilbert (Clancy Brown) nämlich, einem Arschloch vor dem Herrn und dazu noch der hiesige Sheriff. Nachdem Gilbert eines Abends Drews geliebten Hund Zowie abknallt, bittet Drew seinen neuen Kumpel Jeff, das Tier mit ihm zu begraben – auf einem gewissen, im Wald verborgenen Indianerfriedhof, dem spezieller Eigenschaften zugeschrieben werden. Doch dies ist lediglich der Anfang einer Kette blutiger Ereignisse…

Zunächst einmal mutet es in Anbetracht des Scipts ein wenig bizarr an, dass Mary Lambert, die Regisseurin des ersten, beinahe makellos schönen „Pet Sematary“, sich bereit erklärte, auch dieses Sequel zu inszenieren, denn „Pet Sematary 2“ macht sich keinerlei Mühe, einen der King-Adaption in Atmosphäre oder Habitus auch nur im Ansatz ähnliches Werk vorzulegen. Wo dieses nämlich, zumindest auf dem damals eingeschränkten Feld des Mainstream-/Studio-Horror, eine der vordringlichsten und geschlossensten Arbeiten der Spätachtziger darstellt, spielt die Forsetzung mit einem gänzlich anders gearteten Blatt Mau-Mau statt Skat. Sie liebäugelt nämlich unverhohlen mit Drive-In, Camp und Grand Guignol, setzt über weite Strecken Kids in die treibenden Parts, um sich dann im letzten Drittel zu einer liebevoll übersteigerten Zombie-Mär aufzutürmen, die zumindest auf der reinen Mentalitätsebene wesentlich mehr mit O’Bannons „The Return Of The Living Dead“ und dem zum gegebenen Zeitpunkt zwar noch nicht existenten, aber in Teilen doch stark antizipierten „Braindead“ zu tun haben als mit dem eigentlichen Vorläufer. Zwar werden immer wieder kleine regionale und inhaltliche Bezugspunkte gesetzt, die eine Nachfolgeschaft zumindest offiziell kenntlich machen, dabei beließ man es aber auch.
Entsprechend weitflächig bis universell war und ist die Ablehnung, die „Pet Sematary 2“ seit eh und je entgegenwogte, bis heute. Ich bin mal so kühn, zu behaupten, der Grund dafür sei rasch zur Hand: „Pet Sematary“, das Original, geht (auch) durch als ein Film für Menschen, die Stephen King im Urlaub am Strand lesen und die von Kino wenig mehr erhoffen oder erwarten denn abendfüllendes Amüsement. Sein Nachfolger indes ist eindeutig und mehr oder weniger explizit für dedizierte Horrorliebhaber gedacht und gemacht. Hier werden zudem die vordringlichen Topoi noch um einiges subtiler und gleichzeitig psychologisch fundierter verhandelt. Es geht, und dies nicht unbedingt allzu offensichtlich, um Themen wie den frühen Verlust von Elternteilen,die daraus resultierende Sehnsucht nach deren Rück- (oder besser Wieder-) Kehr sowie den schwerigen Umgang mit ihrem Tod, die fehlende Akzeptanz für deren potenziellen Ersatz, aber auch um das Gefühl von Ablehnung in der Pubertät, dysfunktionale Familienstrukturen und Orientierungslosigkeit, kurz: ums stets präsente coming of age. Wo der erste Teil noch Louis Creed als mehrkanaligen Zerstörer seiner Familie zentriert, der durch seine ebenso unablässigen wie törichten Versuche, alles wieder geradezurücken, schließlich auch sich selbst und seinen letzten Freund ins Verderben reißt, übernehmen hier alsbald die untoten Wiedergänger, und das auf eine zunehmend abseitige Weise. Eine unglaubliche Szene und vielleicht die, die „Pet Sematary 2“ über alle Sphären hebt, zeigt den wiederauferstandenen Clancy Brown als Gus Gilbert, wie er mit seinem Stiefsohn Drew und dessen Kumpel Jeff beim Abendessen sitzt. Gus stellt widerliche Dinge mit der Nahrung (Kartoffelbrei und Erbsen) an, die er ja eigentlich gar nicht mehr benötigt, nur, um die Jungen zu ekeln und lacht sich selbst schlapp darüber. Erinnerungen an Clancy Browns nicht minder sagenhafte Kurgan-Interpretation in „Highlander“, die sich im Folgenden sogar noch intensivieren, sind da bereits unvermeidlich und geben dann auch die vorherrschende Tonart an. Damit hat der Film zumindest meine Wenigkeit komplett im Sack.
Die Zombies entwickeln im Sequel eine gemeinschaftliche Agenda, säen (noch mehr) Tod und Untergang, können sprechen, Auto fahren, und organisieren sich, mit dem ja bereits zu unseligen Lebzeiten bösartigen Gilbert als Anführer, sogar wider die Lebenden. Da ist dann richtig was los im Staate Maine. Und dann gibt es auf der Tonspur statt eines einzigen Ramones-Songs im Abspann diesmal noch eine ganze, modische Musikkompilation von Clip-Meisterin Lambert (u.a. mit The Jesus & Mary Chain, L7 und einer weiteren Ramones-Nummer).
Kein Wunder, dass His Majesty mit „Pet Sematary 2“ (im ersten hatte er sich noch ein Cameo als Priester gegönnt) am Ende nichts mehr zu tun haben wollte und seinen Namen komplett aus den credits streichen ließ. Derart kreuzsympathischer Überschwang war dann selbst einem nominellen Schreibkönig zuviel.

8/10

TURBULENCE

„Say your prayers.“

Turbulence ~ USA 1997
Directed By: Robert Butler

Just an Heiligabend werden zwei vermeintliche, arretierte Schwerverbrecher in einer ansonsten fast leeren Linienmaschine von New York nach Los Angeles überführt. Einer von ihnen, Ryan Weaver (Ray Liotta), der als Serienmörder bereits mehrere Frauen auf dem Gewissen haben soll, konnte nur deshalb verhaftet werden, weil der ermittelnde Polizist (Hector Elizondo) gezielt Beweise gefälscht hatte. Weaver beteuert derweil vehement seine Unschuld. Als der andere Kriminelle, Stubbs (Brendan Gleeson), an Bord der bereits in der Luft befindlichen Maschine Amok läuft, kann Weaver ihn aufhalten. Zu diesem Zeitpunkt ahnt die zunächst erleichterte Flugbegleiterin Teri Halloran (Lauren Holly) noch nicht, dass Weaver tatsächlich ein gemeingefährlicher Psychopath ist…

Das Szenario der mit einem wahnsinnigen Mordbuben auf engstem Raum eingepferchten, zunächst schutzlos erscheinenden Frau beschreibt im Psycho-Thriller ein bereits mehrfach variiertes Motiv. Die Hilflosigkeit der Heldin wird dabei oftmals noch durch ein zusätzliches körperliches oder räumliches Handicap unterstrichen beziehungsweise intensiviert: In Richard Fleischers „See No Evil“ beispielsweise bekam Mia Farrow es als Blinde in einem entlegenen Landhaus mit einem garstigen Mehrfachmörder zu tun; im erst letzthin noch von revisionierten „Dead Calm“ von Phillip Noyce hieß es für die schwersttraumatisierte Nicole Kidman, sich des Irren an Bord eines weitab segelnden Schoners erwehren muss. „Turbulence“ greift diese Grundprämisse erneut auf und versetzt sie in das kurz zuvor mit Bairds „Executive Decision“ und „Con Air“ reaktivierte Action-Flight-Setting, das seine Wurzeln wiederum im klassischen Katastrophenfilm hat. Besonders der zeitweilig irrlichternde Spaßfaktor des letztgenannten findet sich auch in Butlers Film wieder, der sich im Prinzip gleich von Beginn an und dann über die gesamte Spielzeit hinweg nie wirklich ernst nimmt. Allein die Plotbasis, zwei besonders schwere Jungs von vier mehr oder weniger überforderten Agents in eine Verkehrsmaschine zu setzen, darf man wohl als höchst hanebüchene Ausgangslage bezeichnen, die analog zu dem sich mehr und mehr exaltiert verhaltenden Liotta (der eine ganze Portion überkandidelter Spielfreude an den Tag legt) dann auch bald nochmal an Überzuckerung gewinnt. Das sich über den Wolken entspinnende Duell zwischen ihm und Lauren Holly als über sich hinauswachsende Stewardess geriert sich entsprechend spaßig und seine potenzielle Terrorgenealogie eifrig mit Füßen tretend. Nette Ideen wie die (im modernen Weihnachtsfilm offenbar ohnehin unvermeidliche) Reminiszenz an „It’s A Wonderful Life“ stützen den lustvoll ausgestellten Hyperrealismus des Ganzen. Eine allzu seriöse Begegnung mit „Turbulence“ gestaltet sich insofern als nahezu unmöglich, würde seinem Duktus als heimliche Komödie allerdings auch kaum gerecht.

6/10

DISCIPLE OF DEATH

„Whatever you do – don’t go near the old hall!“

Disciple Of Death (Das Monster mit der Teufelsklaue) ~ UK 1972
Directed By: Tom Parkinson

Cornwall, im 18. Jahrhundert: Ausgerechnet die mit einem Blutstropfen besiegelte, heimliche Verlobung des Bauern Ralph (Stephen Bradley) mit der Junkerstochter Julia (Marguerite Hardiman) sorgt dafür, dass der satanistische Selbstmörder Asher (Mike Raven) zu untotem neuen Leben erwacht. Sein diabolisches Ziel: sieben jungfräuliche Herzen zu extrahieren, um dann in die Ewigkeit eingehen zu können. Die bereits von ihm behexte Julia soll sein letztes Opfer sein. Gemeinsam mit dem Geistlichen Parson (Ronald Lacey) und mit der Hilfe eines mysteriösen Kabbalisten (Nicholas Amer) gelingt es Ralph, der bereits seine Schwester (Virginia Wetherell) an Asher verloren hat, dem Unhold und seinem aus der Hölle herbeigerufenen Zwergenadlatus (Rusty Goffe) den Garaus zu machen.

Nicht alles im britischen Horrorfach der Frühsiebziger stammte automatisch aus den qualitätsstandardisierten Produktionsschmieden der diesbezüglich spezialisierten Studios wie Hammer, Amicus oder Tigon. Es gab da auch die eine oder andere räudige Kleinstschindel, so etwa den vorliegenden „The Disciple Of Death“, der sich an die kurze Welle aus vornehmlich historisch gewandeten Folk- und Okkulthorrorfilmen hängte. Im Zentrum dieser einzigen Regiearbeit Tom Parkinsons, die als einzig vorhandene Musik Bachs „Toccata und Fuge“ in Dauerschleife verwendet, steht der schillernde Mike Raven alias Austin Churton Fairman, der in seinen knapp 73 Lebensjahren allerlei versuchte – und nur das Wenigste davon wirklich konstant oder gar längerfristig erfolgreich. Zu seinen selbsterkorenen Berufungen zählten neben der Filmerei, die ihn in eine Kurzkarriere von ganzen vier Projekten binnen zwei Jahren (die zwei davon, die ich noch nicht kenne, werde und muss ich – Erinnerungsnotiz – umgehend nachholen) führte, auch das Theaterspiel, der Ballettanz, ein paar Engagements als Flamenco-Gitarrist, die Radiomoderation, einige Jahre als Blues-DJ, die Arbeit als Autor und Skulpteur sowie die Schafzüchterei in Cornwall, im Zuge derer er auch als Co-Produzent für „The Disciple Of Death“ auftrat.
Jener hübsch einfältige, möglicherweise unter dem Einfluss des einen oder anderen bewusstseinserweiternden Derivats entstandene Leinwand-Plumpudding kombiniert seinen geradezu märchenhaften, infantil-naiven Plot mit einigen deftigen Make-up-Effekten, die die Zensoren trotz ihrer Durchschaubarkeit erwartungsgemäß auch hierzulande erzürnten. Mike Raven himself sorgte dafür, dass er besonders „effektvoll“ in Szene gesetzt wurde, was vor allem seine augenrollenden Beschwörungs- und Opferriten zu einer jeweils unnnachahmlichen Schau macht. Speziell die zweite Filmhäfte, beginnend mit dem Besuch in der Alchemistenstube des lustigen Kabbalisten (in der deutschen Synchronfassung freilich bloß ein weniger verfänglicher „Okkultist“), gerät zu einer delirierenden Karussellfahrt. Meine Lieblingsszene und überhaupt eine für die Ewigkeit ist die, in der Ronald Lacey mitsamt seiner unmöglichen Perücke von dem Zwerg praktisch widerstandsfrei zu Boden gerungen und ihm dann von selbigem die Kehle zernagt wird. Das sollte, dass muss man gesehen haben!
Die deutsche Synchronfassung mit einem zur Höchstform auflaufenden Christian Marschall sollte nicht unerwähnt bleiben – erweist sie doch dem freidrehenden, sich dabei völlig Ernst nehmenden Überschwall des Films nochmals ihre zusätzliche Ehre.
Un-ge-laublich.

5/10

BIOHAZARD

„You guys must be nuts.“

Biohazard ~ USA 1985
Directed By: Fred Olen Ray

Mittels des empathisch veranlagten, vollbusigen Mediums Lisa Martyn (Angelique Pettyjohn) gelingt es dem Wissenschaftler Dr. Williams (Art Payton), lebende und tote Materie herbeizuteleportieren. Das jüngste Experiment fördert einen Container außerirdischen Ursprungs zutage, dem alsbald ein kleinwüchsiges, mörderisches Alien (Christopher Ray) entspringt. Das Wesen zieht eine Blutspur quer durch die kalifornische Provinz, das Soldaten-Ass Mitchell Carter (William Faier) stets dicht auf den Fersen. Tatsächlich ist die Kreatur jedoch nicht der einzige Extraterrestrier in der Gegend…

Nach „Scalps“ hatte Fred Olen Ray dessen schmales Budget immerhin zur vierfachen Verfügung, konnte auf 35 mm drehen und den seinerzeit durch extremen Alkoholkonsum arg heruntergekommenen Aldo Ray für eine kleine Rolle als schimpfenden Offizier gewinnen. Ansonsten waren die Produktionsbedingungen nicht wesentlich besser; Ray, dessen trotz allem noch immer renommierter Name die Besetzungsliste anführt, erwies sich bei selbst nur drei vertraglichen Settagen als permanenter Risikofaktor und der monetäre Nachschub für die nach Tagessätzen bezahlten Cast- und Crewmitglieder ließ oftmals auf sich warten. So ganz aus der Guerillafilmer-Ecke katapultierte also auch „Biohazard“ Fred Olen Ray noch nicht heraus; diese Funktion erfüllten erst seine folgenden beiden Filme.
Im steifen Gummikostüm des kleinen Außerirdischen steckte Rays damals siebenjähriger Sohn Christopher – eine vornehmlich zeitökonomische Entscheidung, denn Ray war als alleinerziehender Vater für die Betreuung seines Filius verantwortlich.
„Biohazard“, dessen Fertigstellung in der Hauptsache wiederum dem stoischen Ehrgeiz seines Regisseurs zu verdanken ist, versteht sich zwar als Hommage an die billigen, kleinen Monsterfilme der fünfziger und sechziger Jahre, lässt andererseits aber auch keinerlei Zweifel daran, dass er sich seiner bescheidenen Konditionen jederzeit bewusst ist und daher zu gleichen Teilen der schlockigen Comedy zuspricht. Einzelne Szenen und Dialoge, vor allem die, in denen das Alien sich seine Opfer sucht, liebäugeln unzweideutig mit Groteske und absurdem Theater. Den Gipfel erreicht das Ganze dann im Finale, das nochmal einen komplett albernen (und dazu kongenial inszenierten) twist bereithält. Der mit einem wohlvernehmlichen „Cut!“ eineleitete Abspann, der, ähnlich wie bei Hal Needham, mit einer Zusammenstellung der schönsten bloopers unterlegt ist, lässt schließlich keinen Zweifel an Rays sympathisch-aufrichtiger Selbsteinschätzung und vor allem seinem goldigen Humor.
Eine vorsätzliche Gurke, ganz klar, dabei aber so schnuckelig wie ein ranziger Kuschelteddy.

4/10

SCALPS

„Now, he’s acting funny.“

Scalps (Der Fluch des blutigen Schatzes) ~ USA 1983
Directed By: Fred Olen Ray

Der Archäologe Professor Machen (Kirk Alyn) ist hinter indianischen Fundstücken her. In der kalifornischen Wüste befindet sich weitab vom Schuss ein diesbezüglich vielversprechendes Ausgrabungsgebiet, das jedoch auf geschütztem Stammesterritorium liegt. Die Artefakte dürften also nicht von dort entfernt werden. Dennoch schickt Machen eine sechsköpfige Gruppe junger Studierender voraus, die nach Relikten suchen, diese sammeln und katalogisieren soll. Die auf dem Weg vernommene Warnung eines alten Ureinwohners (George Randall) in den Wind schlagend, campen die jungen Leute in der Nähe eines unheiligen Areals, auf dem ehedem der abtrünnige Indianer Black Claw (Richard Hench) sein schwarzmagisches Unwesen trieb. Und tatsächlich fährt dessen noch höchst aktiver Geist in einen der Nachwuchsarchäologen (Richard Hench). Der Beginn eines blutigen Wochenendes…

Der immens arbeitsame Filmemacher und -liebhaber Fred Olen Ray ist nicht eben das, was man als einen filigranen Künstler bezeichnen würde. Vielmehr gilt er – gemeinsam mit seinem Kollegen und Kumpel Jim Wynorski – als illegitimer Nachfolger Roger Cormans, der auch vor allerbilligsten Produktionsbedingungen nicht zurückschreckt und dem in jedweder Beziehung Quantität stets weit über Qualität ging. Das Resultat dieser nicht locker lassenden Umtriebigkeit sind allein über 150 Regiearbeiten, die sich relativ proportional in Kino-, DTV- und Fernsehfilme dritteln lassen und jedes Genre abdecken, aus dem sich in irgendeiner Form sorglose Exploitation destillieren lässt. „Scalps“ bildete seine vierte Feature-Inszenierung und mit ganzen 15.000 Dollar Herstellungskosten gleichermaßen die letzte ultralow budgetierte und auf 16 mm gedrehte, bevor dann ab 1985 sein Œuvre mit „Biohazard“ zumindest an der auf 35 mm Panavision erweiterten Oberfläche wesentlich „kinotauglicher“ aussah und ein entsprechend größeres Publikum erreichen konnte.
„Scalps“ wohnt noch der unbedarfte, wenngleich euphorische Habitus des aufstrebenden Amateurfilmers inne, der nach höherem strebt, sich jedoch mit seinen schmalen Gegebenheiten zufrieden gibt und das Beste aus dem ihm zur Verfügung Stehenden macht. Ungeschlacht und teilweise ohne Regisseurssegen nachträglich montiert (Roger Ebert, der den Film wundersamerweise besprach, meinte Ray zufolge, „“Scalps“ wirke wie mit dem Tomahawk geschnitten“, was nicht von der Hand zu weisen ist), schafft der kleine, manchmal sogar deftige Slasher es dennoch, niemals langweilig zu werden und seine obschon dünne Atmosphäre über die gesamte Spielzeit aufrecht zu erhalten. Auch Rays stetes Gusto, immer mindestens einen prominenten Besetzungsnamen vorweisen zu können, griff schon damals. Der erste Kino-Superman Kirk Alyn stand ihm für einen Kurzaufritt ebenso zur Seite wie das kurzerhand reaktivierte Vampir-Starlet Carroll Borland und der berühmte Sammler von Phantastik-Memorabilia Forrest Ackerman. All diese Facetten sorgen dafür, dass „Scalps“ nie ganz in Vergessenheit geriet und, entsprechende Abstriche vorausgesetzt, noch immer als liebenswerter, kleiner Strauchfilm goutiert werden kann.

5/10

SIN CITY: A DAME TO KILL FOR

„This rotten town… it soils everybody.“

Sin City: A Dame To Kill For ~ USA 2014
Directed By: Robert Rodriguez/Frank Miller

Drei weitere Geschichten aus Basin „Sin“ City mit dem nicht klein zu kriegenden, kurzzeitamnesischen Eisenkinn Marv (Mickey Rourke) als narrativem Bindeglied: Der Zocker Johnny (Joseph Gordon-Levitt), ein uneheliches Kind des diabolischen Senators Roark (Powers Boothe), begeht den tödlichen Fehler, sich mit seinem Vater anzulegen; der Privatschnüffler Dwight McCarthy (Josh Brolin) wird zum Spielball seiner ihn als Mordwerkzeug benutzenden, ehemaligen Flamme Ava (Eva Green); die Stripperin Nancy (Jessica Alba) hat den Tod ihres Beschützers John Hartigan (Bruce Willis) auch Jahre später nicht überwunden und beweist Senator Roark, dass selbst er nicht allmächtig ist.

„Sin City: A Dame To Kill For“ war der falsche Film zur falschen Zeit am falschen Platz. Nachdem ich mit dem immerhin neun Jahre älteren Vorgänger, zu dem es mich, aus mir unerfindlichen Gründen wieder und wieder hinzieht (scheinbar geht es mir da ähnlich wie Marv, der jeden Abend obsessiv zu Nancys Auftritten rennt), mittlerweile immer besser zurechtkomme, habe ich den Nachfolger nun mit einiger Verspätung erstmals geschaut. Durch die relative Zeitnähe zur „Sin City“-Betrachtung konnte ich mich an das nach wie vor konsequent durchgezogene Stil-Potpourri aus Colorkey-Technik, Greenscreen, Scherenschnitt und Brutalkontrastierung recht umweglos adaptieren und es durchaus genießen. Inhaltlich nicht mehr ganz so sleazig und kaltschnäuzig wie in den Episoden des Vorgängers nehmen sich die wahlweise als Pre- und/oder Sequel fungierenden Segmente in „A Dame To Kill For“ aus; Elemente wie Kannibalismus, Kindesmissbrauch und Folter werden, analog zu Frank Millers Vorlagen freilich, fallengelassen. Stattdessen findet sich eher der klassisch-/traditionelle Noir-Faktor genährt, was sich natürlich insbesondere in der titelgebenden Episode um Eva Green als teuflisch-verrückte, männerverschleißende femme fatale niederschlägt. Dass die korrekte Chronologisierung der Geschichten den Filmen beinahe schon aufreizend gleichgültig ist und sie stattdessen vollständig dem Rezipienten obliegt, ist ebenfalls Millers Phantasmagorien zuzuschreiben, deren Veröffentlichungen sich auch nie um zeitliche Konstanz scherten, sondern längst totgeglaubte Figuren stets wieder auftauchen ließen durch den „Kniff“, sich keiner Chronologie zu versklaven. So kann sich unter anderem Mickey Rourke trotz seiner Hinrichtung im Original auch im zweiten Teil noch als Marv durch die Reihen seiner Feinde holzen und so erklärt sich auch, warum Dwight hier zunächst aussieht wie Josh Brolin und nicht wie Clive Owen. Das Blut, das vor allem die Katana-Schwingerin Miho (Jamie Chung) beim höchst opferintensiven Angriff auf Avas Witwenvilla fließen lässt, spritzt zumeist in leuchtendem Weiß und hielt darob auch die Zensoren im Zaum; leider aber nicht nur diese. „A Dame To Kill For“ schmierte in kommerzieller Hinsicht recht gnadenlos ab; neun Jahre später war das formalistisch brillante, intellektuell dafür grenzdebil exekutierte, filmische Kunstkonzept „Sin City“ offenbar nicht mehr gefragt bzw. erwünscht. Dabei ergänzen sich beide Filme beinahe ohne jedwede Trennschärfe und bestätigen ihre jeweilige Qualitäten mittels einer sich beinahe völlig nahtlos abwickelnden Wechselwirksamkeit. Damit ist „A Dame To Kill For“ so funktional, wie es eine Fortsetzung überhaupt nur zu sein vermag – sie könnte mit „Sin City“ theoretisch sogar den Platz bzw. Status tauschen.

8/10

JOAN OF ARC

„I’d rather go home and spin with my mother, for this is not my proper place.“

Joan Of Arc (Johanna von Orleans) ~ USA 1948
Directed By: Victor Fleming

Im Jahre 1429 erreicht die 17-jährige Johanna von Arc (Ingrid Bergman) eine Audienz beim Königshauptmann Baudricourt (George Coulouris). Einige Heilige, versichert sie ihm salbungsvoll, hätten zu ihr im Namen des Himmelskönigs gesprochen und ihr eröffnet, dass sie dazu bestimmt sei, die Engländer aus Frankreich zu vertreiben und dem Dauphin Charles VII (José Ferrer) dazu zu verhelfen, König zu werden. Nachdem bald darauf auch der Dauphin Johanna bei sich hat vorsprechen lassen und sich tief von der jungen Frau beeindruckt zeigt, erreicht sie, dass das darbende, gemeine Volk sich wieder hinter den letzthin eher schlechtgelittenen Charles stellt und neuen Patriotismus entwickelt. Johanna wird nach Orléans geschickt, um dort der Armee zuzusprechen. Trotz hoher Verluste auf beiden Seiten gelingt es den Franzosen unter Johannas moralischer Führung schließlich, die englische Festung Tourelles zu erobern. Charles wird zum König gekrönt, begreift jedoch, dass die eigentlichen Sympathien Frankreichs Johanna zufallen. Bevor sie mit den Soldaten gegen Paris marschieren kann, lässt Charles sich von seinen Gegnern, zu denen neben England auch die Burgunder zählen, korrumpieren und sorgt dafür, dass Johanna wieder ins Zivilleben zurückkehrt, wo ihr bereits die Verhaftung durch den Grafen von Luxemburg (J. Carrol Naish, einäugig) bevorsteht. Geleitet durch den arglistigen Bischof von Beauvais (Francis L. Sullivan) wird Johanna ein nur scheinbar kirchlicher Prozess gemacht, an dessen Ende ihre Verbrennung als Ketzerin auf dem Scheiterhaufen steht. Dadurch wird sie erst zur eigentlichen Legende.

Eine der bekannteren Verfilmungen um Leben und Tod der heiliggesprochenen Nationalheldin Jeanne d’Arc alias Johanna von Orléans bildet Victor Flemings letzte Regiearbeit. Für das produzierende Studio RKO unter Präsident Howard Hughes, damals noch den Big Five, also den fünf maßgeblichen US-Studios, zugehörig, galt das monumentale Projekt in Technicolor als Prestigefilm. Ingrid Bergman hatte bereits jahrelang um eine Realisation mit ihr in der Hauptrolle gekämpft, dabei bedeutete im Nachhinein just dieser Film eine jahrelange Hollywood-Flaute für sie. Der zu erwartende Erfolg bei Kritik und Publikum blieb nämlich zunächst aus verschiedenen Gründen aus – zum einen machte die anders als ihr deutlich jüngeres (und jungfräuliches), authentisches alter ego bereits 33 Jahre alte Bergman durch eine außereheliche Liaison mit dem italienischen Neorealisten Roberto Rosselini unvorteilhafte Schlagzeilen, die sie etliche erboste Zuschauer kosteten, zum anderen versagte die Academy „Joan Of Arc“ zuvor als bombensicher geltende Nominierungen in den Königskategorien. Der Effekt echot bis heute durch die Filmhistorie: Flemings durchaus prachtvoll arrangierte Biographie genießt global betrachtet bei weitem nicht die Popularität anderer zeitgenössischer und ähnlich budgetierter Historien- und Bibelepen, sondern scheint im Rahmen jener Gattung gemeinhin eher zur cineastischen Fußnote degradiert. Dabei ist vieles an ihm noch immer bestaunens- und liebenswert; seien es die opulenten Kostüme, die schönen settings, die glamouröse Besetzung, die zwar nicht vor Superstars strotzt, dafür aber ein umso beeindruckenderes Ensemble an Charakterdarstellern und Statistenaufgebot vorweist, oder natürlich die ausnehmend herrliche Farbphotographie (u.a. Winton C. Hoch). Auf große Totalen und Außenaufnahmen gilt es zu verzichten, dafür erweisen sich die Atelierkulissen und matte paintings als umso kunstvoller arrangiert und dem allgemeinen Eindruck von golden age cinema absolut zuträglich. Dass die Bergman hier zudem in einer ihrer aufregendsten anglophonen Rollen zu bewundern ist, erweist sich in Anbetracht ihres vorhergehenden Engagements und ihrer offenbar tiefen, persönlichen spirituellen Verbundenheit zur historischen Johanna (sie spielte die Rolle für Rosselini sechs Jahre später abermals) als eklatant.

8/10

AIR FORCE ONE

„Get off my plane!“

Air Force One ~ USA/D 1997
Directed By: Wolfgang Petersen

Als der kasachische Despot Radek (Jürgen Prochnow), der am liebsten wieder die Sowjetunion nebst allen kommunistischen Schikanen einführen würde, mithilfe der CIA hopp genommen und eingekerkert wird, ist der wackere US-Präsident James Marshall (Harrison Ford) nicht fern. Seinen offiziellen Staatsbesuch in Moskau nutzt er darüberhinaus gleich noch, um den Völkern in aller Welt drohend zu bedeuten, dass Amerika künftig als Weltpolizist noch wesentlich härter durchgreifen werde. Der Heimflug verläuft dann alles andere als angenehm: Einem Sympathisanten Radeks, dem nicht minder fanatischen Ivan Korshunov (Gary Oldman), und seinen Gefolgsleuten gelingt es, die Air Force One nebst Präsident zu hijacken. Korshunovs Ziel ist natürlich die Freipressung Radeks, was die sich umgehend zu kebbeln beginnenden Vizepräsidentin (Glenn Close) und Verteidigungsminister (Dean Stockwell) im Sinne des Nichterpressbarkeits-Kodex nur überaus ungern zuließen. Also muss der Präsi, seines Zeichens Vietnam-Veteran, höchstpersönlich ran…

Man sehnt sich förmlich zurück nach dem sogenannten „erzreaktionären“ Actionfilm der Vorgängerdekade, als die muskelbepackten, waffenstarrenden und/oder in martial arts versierten Fantasyhelden in den Resttagen des Kalten Krieges ihre majestätischen Naivmentalitäten in die Köpfe der kommunistischen Widersacher ebenso vehement hineindroschen wie -ballerten, nachdem man dieser auf Hochglanz polierten Klosettbürste angesichtig ward. Ironischerweise brüsten ausgerechnet die amerikanischen Neunziger-Filme „unserer“ beiden Hollywood-Exporte Petersen und Emmerich sich mit oftmals so ekelerregenden Pentagon-Arschkriechereien, dass es einem sich die Zehnägel aufrollt. Schlimmstes und gleichermaßen albernstes Beispiel: „Air Force One“. All die Friedensaktivisten, die noch fünfzehn bis fünf Jahre zuvor gegen die Pershings, Reagan, den Golfkrieg oder gegen „Rambo: First Blood Part II“ auf die Straße gegangen waren, hätten sich im Zuge der Premiere von Petersens sechstem anglophonen Film eigentlich kollektiv an den Kinosälen mindestens dieser Republik festketten müssen – denn was hier an ekelevozierender, hymnischer Lobhudelei über den US-Präsidenten als Ikone der westlichen Welt ausgeschüttet wird, das sucht wahrhaftig seinesgleichen. Worin unterscheidet sich ein Film wie „Air Force One“ von vermeintlichen Aggressionstreibern wie Milius „Red Dawn“ oder Zitos „Invasion U.S.A.“? Nun, wo diese noch auf exakt definierter Genreebene mit nachvollziehbaren Gemeinschaftsängsten spielten, sie aber in letzten Endes phantastische und somit goutierbare, dystopische Fiktionsszenarien setzten, macht Petersen abendfüllendes, teures, technisch exzellentes und von Disney coproduziertes Hochglanzkino für jedermann und -frau. Sein Held ist nicht nur kein jeansbewesteter Prolet oder Ninjakämpfer, auch kein Bodybuilder oder schwersttraumatisierter Kriegsheimkehrer – sein Held ist niemand Geringerer als der stolz geschwelte, jedweder Selbstreflexion abholde Präsident der USA, mit dem respektierten, beliebten, sympathischen Antlitz von Harrison Ford. Han Solo, Indiana Jones, Dr. Kimble, Jack Ryan und all die anderen liebenswerten Heroen mindestens einer ganzen Generation treten hier qua im Kombinat als liebenswerter Familienvater, Ehe- und Ehrenmann und eben als Führer der „Freien Welt“ an, einer von „Mütterchen Russland“ faselnden Mischpoke aus ewiggestrigen Kommiträumern gewaltig in den Arsch zu treten. Flankiert wird Ford darüber hinaus von einer darstellerischen crème de la crème der first acting class: ein aus weltformatigen Gary Oldman, Glenn Close, Dean Stockwell, William H. Macy, KaLeu Jürgen Prochnow (ohne EINE EINZIGE Dialogzeile) und anderen Hochkarätern bestehendes Ensemble, von dem man vieles erwartet hätte, nur nicht gerade, vereint in einem solch unsubtilen Rotzventilator anzutreten, macht Petersen und seiner hanebüchenen Geschichte seine Aufwartung. Davon hätten Sly, Arnie, Chuck oder Dudikoff dereinst nur träumen mögen.
Natürlich ist die Agenda jenes Präsidenten James Marshall vor allem eine ganz private – immerhin befinden sich dessen Gattin (Wendy Crewson) und Töchterchen (Liesel Matthews) an Bord des mirnichts dirnichts entführten Superfliegers und nicht zuletzt diese gilt es, zu beschützen und herauszuhauen. Die Art, wie „Air Force One“ moralische Integrität und Wehrhaftigkeit, aber auch Charme und Weisheit des höchsten Mannes der USA präserviert, dürfte nicht zuletzt dem fleischgewordenen running gag Donald Trump als willkommene Wichsvorlage dienen: „Look, that’s me up there! Only I’m even greater!“
Aber wisst ihr was? Wir verbuchen das Ganze rückblickend einfach trotzdem als Science Fiction. Genau wie Trump in hoffentlich spätestens einem halben Jahr.

4/10