„I tried to run, but for no purpose.“
You Should Have Left (Du hätest gehen sollen) ~ USA 2020
Directed By: David Koepp
Abgesehen von ihrem doch immensen Altersunterschied müssen die Ehepartner Susanna (Amanda Seyfried) und Theo Conroy (Kevin Bacon) mit noch ein paar anderen unausgesprochenen Divergenzen umgehen. Was sie zusammenschweißt, ist die bedingungslose Liebe zu Töchterchen Ella (Avery Tiiu Essex). Um wieder mehr zu sich selbst zu finden, mietet man kurzerhand eine moderne Villa in der walisischen Provinz an, die einem gewissen Stetler gehört. Vor Ort angekommen, plagen nicht nur dräuende Albträume die kleine Familie; auch das Haus selbst scheint ein höchst sonderbares Eigenleben zu führen. Als die schwelenden Konflikte zwischen Theo und Susanna schließlich aufbrechen, demonstriert endgültig auch Stetlers Haus ersterem, dass die eine oder andere teure Lebensrechnung noch offen ist…
Die Erwartungen waren nicht eben gering, als sich abzeichnete, dass das einstige winning team Koepp/Bacon rund zwanzig Jahre nach seinem schönen Geisterfilm „Echoes“ zu einem möglichen Revial ansetzte. Beinahe schon obligatorisch unter der omnipräsent scheinendenen Genreägide von Blumhouse griff Regisseur und Autor Koepp abermals, wie schon beim „Vorgänger“, dessen altehrwürdige Ideenschmiede Richard Matheson verantwortet hatte, auf eine bestehende literarische Vorlage zurück. Koepps Meriten als Veredler vorgefertigter Plots schienen mir bislang unbestritten, nun, da er, dem Vernehmen nach eher infolge reiner kreativer Koinzidenz, eine Novelle von Daniel Kehlmann umfrisierte, trübt sich die diesbezügliche Sicherheit ein wenig.
„You Should Have Left“ bedient sich auf den ersten Blick ähnlicher Topoi und Strukturen wie „Echoes“. Hier wie dort geht es um eine sukzessiv vom Auseinanderbrechen bedrohte Kleinfamilie, deren emotionale Sollbruchstellen primär von einem durch zunächst irrational erscheinende Manien besessenen Ehemann und Vater verursacht werden, wobei in beiden Fällen das Kind eher seine Perspektive bestärkt. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch ebenso deutliche Differenzen. Während „Echoes“ eine Menge seiner spezifischen Zugkraft aus der Ansiedlung im kleinbürgerlichen Vorstadtmilieu bezieht, wechselt „You Should Have Left“ in die eher distanzbetonte Welt der upper class – sie eine Hollywood-Schauspielerin, er ein schwerreicher Banker. Ferner bedingt die teils vorgeprägte, teils selbstgewählte Isolation der Conroys eine unweigerliche Konzentration auf den familiären Mikrokosmos und somit deutliche Beschränkungen des sich bei „Echoes“ noch als besonders vital erweisenden (und letzten Endes ja sogar motivstiftenden), nachbarschaftlichen Interaktionismus. „You Should Have Left“ bewegt sich sehr viel dichter entlang verwandter kingscher Psychostudien wie „The Shining“, „The Dark Half“ oder „The Secret Window“ (den Koepp ja sogar selbst inszeniert hat) und verspielt damit zugleich ein gerütteltes Maß an notwendiger Innovation. Die faszinierendsten Einfälle, die sich vor allem auf die Unzuverlässigkeit physikalischer Gesetzmäßigkeiten stützen, erweisen sich tatsächlich mitnichten als solche, sondern belegen lediglich ein aufmerksames Studium von Gattungsbeiträgen aller Richtungen, deren Aufzählung ich mir an dieser Stelle ersparen möchte. Besser gut geklaut als schlecht erfunden wäre da noch die eheste Weise, um die paar zumindest leidlich unterhaltsamen Facetten des Films in ein halbwegs positives Licht zu rücken.
Typische Blumhouse-Kost aus dem leicht angehobenen Mittelsektor, als Quasi-Nachfolger von „Echoes“ jedoch – bedauerlicherweise – bass enttäuschend.
6/10