„When she was bad, she was horrid.“
Becky ~ USA 2020
Directed By: Jonathan Milott/Cary Murnion
Die dreizehnjährige Rebecca „Becky“ Hooper (Lulu Wilson) hat es nicht leicht. Ihre Mutter ist vor einiger Zeit an Krebs gestorben und ihr Dad (Joel McHale) beabsichtigt, sich neu zu verheiraten. Bereits die Vorstellung Beckys und der Stiefmutter (Amanda Brugel) in spe nebst deren Filius (Isaiah Rockcliffe) gerät zur Kleinkatastrophe, der die renitente Becky aus dem Weg geht, indem sie sich mit ihrem treuen Hund Diego in ihrer Waldhütte verschanzt. Zeitgleich taucht in dem entlegenen Wochenendhaus ein Quartett Krimineller (Kevin James, Robert Maillet, Ryan McDonald, James McDougall) auf, das von dem entflohenen Häftling und Neonazi Dominick (James) angeführt wird, der einen ominösen, im Haus versteckten Schlüssel sucht. Als Becky erkennen muss, dass mit den Verbrechern nicht zu spaßen ist, lässt sie ihrer lange im Verborgen gehaltenen Wut freien Lauf.
„Children In Heat“ sang Glenn Danzig einst, aber das mit „no resistance“ trifft auf Becky Hooper alles andere als zu. „You can’t control them“ schon eher. Eine der schönsten Überraschungen der letzten Zeit war dieser doch schwer Staunen machende Knüppelausdemsack des mir bislang unbekannten Regieduos Milott/Murnion. Zunächst lag „Becky“ gar nicht innerhalb meines Planungsradius, aus naheliegenden Gründen. Der den Film umwabernde, virale Dunst schien etwas in der Art einer derberen „Home-Alone“-Variante zu versprechen und auf ein naseweises Kind, dass Kevin James als Obergangster Mausefallen an die Nase pappt, hatte ich nicht wirklich Bock. Glücklicherweise hat mich ein nachgehend kaum mehr verifizierbarer, urplötzlicher Jieper doch noch umgestimmt – „glücklicherweise“, weil ich ja nicht ahnen konnte, welch böse, bärbeißige Überraschung sich hinter diesem oberflächlich so trivial anmutenden Kleinod verbirgt.
Der unscheinbar betitelte „Becky“ entbietet sich als ein gar nicht mal komischer, herber Home-Invasion- respektive Revenge-Thriller, garniert mit höchst unüblichen, weil extrem unbequem eingewebten Coming-of-Age-Versatzstücken. Wir hätten hier also ein nachhaltig frustriertes, frühpubertäres Mädchen in der Postlatenz, das ohnehin eine heftige Identitätskrise durchleben muss. Die Mutter tot, der Vater auf der Suche nach dem Weiterleben, der eine der beiden (Familien-)Pitbulls (Dora) everybody’s cozy darling. Bleibt eigentlich nur Beckys herzenstreuer Liebling Diego, der ihr dann auch nach Kräften im adrenalinzehrenden Kampf gegen die vier Unholde beisteht. Bei selbigem entwickelt die junge Dame dann höchst unfeine Einfälle, die sie mit aller unterschätzten Willenskraft in die Tat umsetzt, was für die Gangster bedeutet, dass die spätere Identifikation ihrer Leichen sich teils extrem schwierig gestalten wird. Wie Milott und Murnion jenen kleinen Feldzug gestalten, das ist tatsächlich ganz wunderbar und meistert die schwierige Gratwanderung zwischen Groteske und ernstzunehmendem Splatter absolut behende.
Lulu Wilson, die den Wahnsinn ja bereits per se ein wenig im Blick trägt, kultiviert ihre Titelrolle mittels einer bravourösen Mischung aus Orientierungslosigkeit, Traurigkeit und sublimierter Aggression, die Becky trotz ihrer verlorenen Position zu Beginn des grausamen Spiels tatsächlich zu einem Faktor macht, mit dem zu rechnen ist. Kevin James derweil genießt mit dick in den Nacken tätowierter Swastika erwartbar ausgiebig den Bonus, ausnahmsweise auch mal den bad guy geben zu können, was wiederum mit höchstens ganz feinen, ironischen Spitzen geschieht, die seinen als Nazi sowieso von grundauf verachtenswerten Charakter dessen angestammten Antagonistenplatz stets zur Gänze zugewiesen lassen. Dass die (MacGuffin-)Funktion jenes seltsamen Schlüssels, in dessen Besitz sich Becky bis zum Abspann befindet, der Publikumsspekulation überlassen bleibt, finde ich derweil wenig ansprechend gelöst. Eine mögliche Fortsetzung, in der die Kurze im amerikanischen Nazi-Untergrund aufräumt, möge uns um Himmels Willen erspart bleiben, der sehr gute Eindruck des rotzigen „Becky“ wäre gewiss dahin.
8/10