„You’re truly a man of vision, Slue.“
Sonny Boy (Satanic – Ausgeburt des Wahnsinns) ~ USA/I 1989
Directed By: Robert Martin Carroll
Der Psychopath Slue (Paul L. Smith) hat die gesamte Wüsten-Gemeinde Harmony unter seiner Fuchtel. Zusammen mit seinen beiden Liebhabern Pearl (David Carradine) und Weasel (Brad Dourif) bewohnt er eine kleine Farm unweit des Ortskerns, von der aus das Trio seine miesen Hehlereigeschäfte organisiert. Stets behilflich dabei ist ihnen der nicht minder abgründige Charlie P. (Sydney Lassick). Als Weasel eines Tages ein junges Ehepaar ermordet und unwissentlich dessen Baby mitnimmt, kann Pearl Slue nur mit Mühe überreden, den Kleinen nicht gleich zu entsorgen. Stattdessen komplettiert „Sonny Boy“, wie der Junge getauft wird, bald das dysfunktionale Familienleben. Zu einer Art Kampfhund-Ersatz trainiert und seiner Zunge entledigt, haust Sonny Boy fortan zeitlebens in einem Getreidesilo und wird, zum jungen Mann (Michael Boston) herangewachsen, nur herausgelassen, wenn Slue ihn für spezielle Killerjobs benötigt. Als Sonny Boy eines Tages entwischt und mit einem ungehalten reagierenden Rockerpärchen (Christopher Bradley, Samantha Phillips) konfrontiert wird, wollen die Leute von Harmony Slues Treiben nicht länger zusehen und bilden, unter der Führung der resoluten Sandy (Savina Gersak), einen Lynchmob um der Clique ein für allemal den Garaus zu machen. Einzig der versoffene Doc Bender (Conrad Janis) und die junge Rose (Alexandra Powers) haben ein Herz für Sonny Boy.
Ein hübsch verrücktes, dabei sehr poetisches Stück Film, so abseitig und zielgenau am Massengeschmack vorbei, dass es ihm nie leicht fiel, sich irgendwo dauerhaft setzen zu können. Herstellungsgeleitet von Ovidio G. Assonitis, bevor dieser kurz darauf CEO bei Cannon wurde und versuchte, sich mit oftmals etwas seltsamen, italienisch-amerikanischen Co-Produktionen für den US-Markt zu empfehlen, ist „Sonny Boy“ ein Film, der mit breit ausgestelltem Selbstbewusstsein zwischen allen Stühlen Platz nimmt und sich folglich auch einer eindeutigen Genre-Kategorisierung verweigert. Western, Horror, Terror- Gangsterfilm gar? Spielt keine Rolle. Ein bisschen was von allem findet man ohne es zu suchen in dieser bizarren Kaspar-Hauser-Paraphrase, wobei man sie wohl noch am ehesten als Groteske oder auch als schwarze Komödie bezeichnen könnte. New Hollywood blitzt hier und da auf; Dennis Hopper oder Carl Reiner, derwel Philip Ridley und Rob Zombie antizipiert zu werden scheinen. Carrolls Werk spielt in einer Art gegenwärtigem, nichtsdestotrotz aber postapokalyptischem Metaamerika, in dem der dicke, schwitzende Protagonist Paul Smith, den man als Second-Hand-Bud-Spencer aus den Siebzigern kennt, als widerwärtigen Gefängnisboss in „Midnight Express“ und aus zig anderen, sonderbaren Nebenrollen, wiederum wirkt wie ein aus seiner Zeit gerissener Al Swearengen, ein frontier badman, der sich bequem in seinem kleinen, vom Rest der Welt losgelösten Mikrokosmos eingerichtet hat. So, wie sie es sich machen, gestaltet sich das Leben durchaus idyllisch für Slue und seine Transgender-Frau Pearl, die David Carradine mit ganz viel abgründiger Hingabe interpretiert. Mit Pearl, dem vom wie immer zuverlässigen Brad Dourif gespielten, tatsächlich wieselhaften Wüstenpunk Weasel und ergänzt um den nicht minder unverkennbaren Sydney Lassick als verschlagenem Gernegroß Charlie P. ergibt sich ein anarchisches quartet infernal, das keinerlei gesellschaftliche Normen und Dogmen für sich gelten lässt. Slue betätigt sich nebenbei als Maler interessanter Gemälde wie überhaupt das Meiste auf der Farm, die Türme alter Schwarzweiß-Fernseher oder eine Plastikpyramide, in der die Männer ihr Zeug horten, etwas von Installationskunst besitzt. Die den Plot begründende Tatsache, dass die kleine Gang mal ebenso nebenbei den Lebensweg eines Babys umleitet, den Jungen hernach einer lebenslangen psychischen und physischen Tortur aussetzen und ihn zum Killer machen, hindert den Film allerdings nicht, ihnen verquere Sympathien zu lassen, was es ihm zusätzlich schwer gemacht haben wird. Auf die Titelfigur fokussiert „Sonny Boy“ sich dann erst mit zunehmender Erzählzeit, wobei auch das im Prinzip völlig nebensächlich, weil nicht minder entrückt ist als andere in Carrolls Film. Am Ende, wenn der trotz seines Martyriums stets hübsch gebliebene Sonny Boy eine neue Zunge erhält und die verbale Kommunikation zurückgewinnt, erhält das Ganze sogar noch märchenhaftere Züge als ohnehin schon. Nicht das Ziel zählt hier, sondern der behaglich-wahnsinnige Weg dorthin. Der wunderbare, von David Carradine geschriebene und gesungene Titelsong beschreibt das eigentlich schon ganz passend.
7/10
Ein Gedanke zu “SONNY BOY”