POINT BLANK

„You done everything you could for him.“

Point Blank ~ USA 1998
Directed By: Matt Earl Beesley

Um sich der drohenden Todesstrafe zu entziehen, arrangiert eine Gruppe Schwerverbrecher unter der Leitung des Waffenhändlers Howard (Paul Ben-Victor) eine groß angelegten Flucht aus einem Hochsicherheitsbus mitsamt anschließender Geiselnahme eines Einkaufszentrums in Fort Worth. Auch Joe (Kevin Gage), der jüngere Bruder des mittlerweile auf der Farm seines Das (James Gammon) arbeitenden, ehemaligen Soldaten und Texas Rangers Rudy Ray (Mickey Rourke), gehört zu der Gang. Rudy beschließt, vor Ort nach dem Rechten zu sehen und seinen Bruder gegebenenfalls auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.

Aus der meritenreichen Kategorie „muss man gesehen haben, um es zu glauben“ stammt Matt Earl Beesleys einzige Langregiearbeit, in keinster Weise zu verwechseln mit John Boormans gleichnamigem Meisterwerk von 1967.
Das vornehmliche, mir seit der Betrachtung von „Point Blank“ im Kopf herumwabernde Attribut ist „kaputt“. Herrschaftszeiten, welch ein kaputter Film. Möglicherweise geplant als eine Art Rip-off-Konglomerat der Blockbuster „Die Hard“ und „Con Air“, mag das sich in den ästhetischen Bahnen typischer 90er-B-Film-Genreware, wie sie etwa die PM Entertainment Group zu kultivieren pflegte, bewegende Timbre des Projekts auf dem Planungspapier noch durchaus sinnstiftend gewirkt haben, das, was dann, konserviert für die staunende Nachwelt, in seine so abjekte wie amorphe Form gegossen wurde, lässt sich mit Worten jedoch tatsächlich kaum beschreiben. Die im Grunde gar nicht zu verachtende Besetzung – neben Stars der zweiten Reihe wie Michael Wright als wegen Selbstjustiz verurteilter Veteran Sonny oder dem unvermeidlichen Danny Trejo als psychotischem Indianer Wallace gibt es den Coppola-Veteranen Frederic Forrest als Rudys Mentor und Ausbilder zu (im wahrsten Wortsinne) bestaunen – ist natürlich Mickey Rourke die vorrangige, personelle Attraktion des Ganzen. Neben seinen bereits damals ungut aussehenden Gesichtschirurgie-Narben hatten Anabolika Bi- und Trizeps des vormals hochgelobten method actors auf schwarzeneggersche Maße anschwellen lassen und er durfte Roundhouse Kicks wie der selige Chuck Norris verteilen. Überhaupt ist Rourkes wortkarge Rolle kaum greifbar; er wirkt als Rudy Ray eher wie ein wandelnder Stereotyp, ein vorübergehend in Fleischgestalt gefangenes Schemen, das in kurzen, von jaulenden E-Gitarren unterlegten Zwischenschnitten Gangster abserviert. Darin verdeutlicht sich zugleich auch die verkorkste Mise-en-scène Beesleys. Er gefällt sich nachhaltig darin, die Kamera immer wieder in 45-Grad-Schieflage zu bringen und seinen Film damit auch visuell wortwörtlich schräg dastehen zu lassen; die wirre, elliptische Schnittkonzeption von „Point Blank“ könnte avantgardistisch gemeint sein, wirkt aber am Ende doch bloß auf inkompetente Art eklektisch. Beesley tritt Dramaturgie und Filmschulweisheit auf aggressive Weise mit Füßen, schneidet vollkommen willkürlich aus einem melancholischen Dialog mitten in eine Actionsequenz und wieder zurück, pfeift kurzerhand auf althergebrachte Schuss-Gegensuchuss-Schemata und macht jede Halbtotale und jeden Close-up zu einem lodernden Fanal der Hässlichkeit. Ähnliches gilt für das von nicht weniger als vier Autoren zusammengeklöppelte Script, das vermutlich mit mindestens so viel Koks gepudert wurde wie Trejo (dessen Figur Herz und Seele von „Point Blank“ vermutlich am Treffendsten subsummieren) es sich im Laufe des Films durch die Nase zieht. Überhaupt scheint Kokain mir für die Entstehung dieser zelluloidgewordenen Abseitigkeit ein nicht zu unterschätzender Motor zu sein. „Point Blank“ gefällt sich zudem in seiner überschwänglich dargebotenen Brutalität, die primär auf das Konto von Trejos sadistischer Wallace-Figur geht. Dass Beesley auch wohlplatzierten Hommages nicht abgeneigt ist [„Cobra“ und „The Wild Bunch“ (letzter in Sonnys mit „Silent Night, Holy Night“ unterlegter Sterbeszene nebst Gatling Gun) etwa finden sich genuin zitiert], gehört allerdings zum damals längst von Tarantino und seinen Jüngern eingeläutetem, postmodernen Genrefilm.
Dass dieser „Point Blank“, dessen deutscher Untertitel „Over And Out“ sich geradezu prophetisch ausnimmt, in all seiner ostenativen Misslungenheit natürlich trotz oder gerade wegen seiner irrlichternden Gestaltung einen wunderlichen, in der Summe seines gewaltigen Scherbenhaufens dann doch wieder flirrend glitzernden „baddie“ abgibt, möchte ich zu schlechter Letzt aber bitte nicht unerwähnt wissen.

4/10

OUT OF TIME

„485 grand… can I touch it?“

Out Of Time ~ USA 2003
Directed By: Carl Franklin

Matthias „Matt“ Whitlock (Denzel Washington) ist Police Chief von Banyan, einer der Florida Keys. Mit seiner Noch-Frau Alex (Eva Mendes), frisch zum Detective beim Morddezernat befördert, lebt er in Scheidung, derweil er eine größenteils von freundschaftlicher Fürsorge geprägte, verdeckte Affäre mit Ann Harrison (Sanaa Lathan) pflegt, deren Gatte Chris (Dean Cain) wiederum sie allenthalben verprügelt. Die ohnehin komplizierte Situation spitzt sich zu, als Matt erfährt, dass Ann Krebs im Endstadium hat und ihn als Begünstigten ihrer Lebensversicherungspolice einsetzt. Daraufhin trifft Matt die impulsive Entscheidung, sich mit Ann und einer knappen halben Million Dollar Drogengeld, die er als Beweisstück im Polizeisafe lagert, nacxh Europa abzusetzen. Noch in der Folgenacht brennt jedoch das Haus der Harrisons ab und zwei verkohlte Leichen – augenscheinlich die von Ann und Chris – werden in der Ruine entdeckt. Das Ganze stellt sich als Brandstiftung heraus und ausgerechnet Alex ermittelt im Folgenden wegen Mordes. Da zu allem Überfluss noch eine alte Dame (Evelyn Brooks) Matt kurz vor dem Feuer am Haus der Harrisons gesehen hat, wird er endgültig zum heimlichen Hauptverdächtigen und hat nunmehr alle Hände voll damit zu tun, Alex‘ Untersuchungen zu torpedieren…

Acht Jahre nach dem schick ausgestatteten „Devil In A Blue Dress“ kamen dessen Regisseur Carl Franklin und Hauptdarsteller Denzel Washington abermals zusammen, um einen weiteren, auf verschlungenen Plotpfaden wandelnden film noir zu drehen. Diesmal handelte es sich allerdings nicht um ein in Los Angeles spielendes period piece, sondern um ein im Florida der Gegenwart angesiedeltes Kriminalstück, dessen Herz jedoch nicht minder im Takt klassischer Noir-Stoffe schlägt. In „Out Of Time“, den Franklin im karibischen Gestus sonniger Salsa-Rhythmen inszeniert, wird Denzel als reichlich narzisstischer, arroganter und vor allem impulsiver Polizist von einer seine naive Gutgläubigkeit ausnutzenden femme fatale gnadenlos aufs Kreuz gelegt, um ihm die sauer erbeutete Geldsumme aus einem öffentlichkeitswirksam gelösten Drogenfall abzuluchsen. Der clever arrangierte Plan gelingt zunächst auch; im Nachhinein retten dann allerdings Matts Hartnäckigkeit, vor allem jedoch diverse glückliche Zufälle und schließlich sowohl die jeweilige Liebe seiner Gattin als auch die seines treuen Adlatus‘ und besten Freundes (John Billingsley) ihm den Hals. Den Weg dorthin dirigiert Franklin, der leider nur wenige gute, dafür dann aber auch wirklich sehenswerte Filme gemacht hat, mit einer Menfe subtilen Humors, der das Katz-und-Maus-Spiel des Polizisten-Ehepaars zwischen Suspense und Slapstick ansiedelt. „Out Of Time“ geriert trotz seines dementsprechend verlockenden Sujets nie zum schweren Thriller. Statdessen verlagert er sich viel lieber auf sein grundierendes Sunshine-State-Flair und zieht den Rezipienten auf die tatsächlich gar nicht mal so sonderlich sympathische Seite seines sich immer weiter im Fangnetz verheddernden Protagonistenfisches. Hier und da muss man sowohl Franklins gelegentlich auf biederem TV-Serien-Niveau befindliche Regie sowie die sich mitunter doch etwas arg ausnehmenden Konstruiertheiten von David Collards Script in Kauf nehmen, um den Film halbwegs reuelos genießen zu können, was unter selbiger Voraussetzung dann aber auch recht gut funktioniert.
Der ganz große Wurf ist „Out Of Time“ sicherlich nicht, auch erreicht er kaum die elegante Qualität von Denzels und Franklins vormaliger, obig genannter Kollaboration, geschweige denn die des veritablen Meisterstücks „One False Move“, aber für die Ausstaffierung eines gediegenen Sommerabends langt es allemal.

7/10