„Either wear the Jersey or get off the field.“
The Mauritanian (Der Mauretanier) ~ UK/USA 2021
Directed By: Kevin Macdonald
Nach den 9/11-Anschlägen fordert der von Bush Jr. und Rumsfeld deklarierte Krieg gegen den Terror Angeklagte, Schuldige und notfalls auch Sündenböcke. Als einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Katastrophe wird der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) im November 2001 in seiner Heimat festgenommen und in das Militärgefängnis Guantánamo verschleppt. Etwas über drei Jahre später wird die Staranwältin und Menschenrechtsaktivistin Nancy Hollander (Jodie Foster) auf Slahis Fall aufmerksam und reist nach Kuba, um sich seines Zustandes zu versichern und Slahi anzubieten, ihn vor Gericht zu vertreten. Parallel dazu wird der eherne Marine Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) mit Slahis formeller Anklage betraut und sieht seine Aufgabe zunächst voller Elan entgegen. Doch sowohl Hollander als auch Couch erhalten keine Einsicht in die offiziellen Verhörprotokolle Slahis, der zu diesem Zeitpunkt längst ein Geständnis bezüglich seiner Mitwirkung bei den Anschlägen unterschrieben hat. Verteidigerin und Ankläger stoßen gleichermaßen auf eine Mauer des Schweigens und der Geheimhaltung; Zensur, geschwärzte Berichte und fehlende Freigaben erschweren ihre Vorbereitung auf den Fall immens. Schließlich erfahrend beide den Grund: Slahis Geständnis wurde durch gezielte Folter und Bedrohung erzwungen, eine offizielle Begründung für seine Inhaftierung gab es nie. Im Frühjahr 2010 wird Slahi in erster Instanz freigesprochen, doh es dauert noch sechs weitere Jahre, bis er aus der Gefangenschaft entlassen wird.
Kevin Macdonalds sechster Spielfilm nach einer immerhin siebenjährigen Pause basiert auf Mohamedou Ould Slahis niedergeschriebenen Memoiren „Guantánamo Diary“, die sich mit seiner rund vierzehn Jahre währenden Gefangenschaft auf dem kubanischen Marine-Stützpunkt befassen. Möglicherweise ist „The Mauritanian“ Macdonalds beste, fesselndste Arbeit bislang, seine Dokumentationen nicht berücksichtigend. Gewiss – ein Stoff wie dieser ist a priori von gewaltiger Prestigeträchtigtkeit und bereits rein prinzipiell ein Gewinner und Publikumsliebling. Umso wichtiger jedoch ist es andererseits, Klischees und überborderndes Pathos zu umschiffen und ein fiktionalisierte Version der Ereignisse auch langfristig valide dastehen zu lassen. Genau das gelingt Macdonald jedoch; „The Mauritanian“ besitzt zum einen alle wichtigen Charakteristika eines guten Politthrillers und macht die Geschichte Slahis als Repräsentation für die in Guantánamo unter der Protegierung der US-Regierung, der CIA und des Militärs durchgeführten Praktiken umso ergreifender. Macdonald offenbart sich hier als legitimer Erbe großer Ahnherren wie Constantin Costa-Gavras, Alan J. Pakula oder Oliver Stone und deren entsprechenden Werken, die es allesamt zu ihrer Zeit vortrefflich verstanden, im Namen angeblich freiheitlich konnotierter Staatsräson ungeheuerliche Vorgänge in Form fesselnder Spielfilme aufleben zu lassen. Der dräuenden Frage danach, ob ein dramaturgisch aufbereiteter, kommerzorientierter und mit Stars aufbereiteter Abriss in jener medialen Form, der sich ferner stets von der unter Umständen tendenziösen Signatur seiner AutorInnen gebeugt wähnen muss, überhaupt einen sittlichen oder gar moralischen Wert bekleidet, muss sich ein jedes Kunstprodukt berechtigterweise immer wieder aufs Neue stellen. Andererseits darf der didaktische Impact all jener oftmals hervorragenden Filme nicht unterschätzt werden, sind sie doch stets dazu angetan, Geschichts- und Nachrichten- und Informationsmuffel wenngleich auf unterhaltsame Weise mit der Nase voran auf Sujets zu stoßen, die sie andernfalls möglicherweise nie erreicht hätten und sei es auch nur, um ein vages Interesse anzustoßen, das gegebenenfalls in weitere, intensive Beschäftigung mündet. „The Mauritanian“, der am Ende seinen authentischen Titelhelden zeigt, frohgemut, lachend, gelöst und bar allen doch so verständlichen Verdrusses, gehört genau in diese Phalanx. Wenn es sein Glaube ist, der diesen um etliche Jahre seines Lebens betrogenen Mann so ungebrochen zuversichtlich erscheinen lässt, dann, in schā‘ Allāh, kann nicht alles daran falsch sein. Und aufrichtige, pointierte Kritik an der fetten, alten Sau Amerika und ihren Tausenden von Ferkeln ist ja schon im Grundsatz eh immer zu begrüßen.
9/10