MR. KLEIN

Zitat entfällt.

Mr. Klein (Monsieur Klein) ~ F/I 1976
Directed By: Joseph Losey

1941, im Vichy-Paris. Lebemann Robert Klein (Alain Delon), genießt die für Zeitgenossen wie ihn gewinnbringende Situation und schwelgt im Luxus. Als Antiquitätenhändler kauft er die wertvollen Besitztümer jüdischer Flüchtlinge auf, die das Geld dringend zur Emigration benötigen. Als ihm eines verkatertern Morgens ein verzweifelter Mann (Jean Bouise) ein Gemälde von van Ostade gezwungenermaßen zu einem Spottpreis überlässt, findet Klein ein Exemplar des Blatts „Informations Juives“ vor seiner Haustür. Peinlich berührt über das offensichtliche Versehen begibt sich Klein zur Präfektur, um dort sicherzustellen, dass er ganz bestimmt nicht jener Robert Klein sei, an den die Zeitung adressiert ist. Tatsächlich scheint es einen weiteren Pariser mit demselben Namen zu geben, der zudem allerlei physiognomische und auch charakterliche Ähnlichkeiten mit Klein, dem Kunsthändler, aufweist und der eindeutig jüdischer Abstammung ist. Klein spürt seinem offensichtlichen Doppelgänger nach und wird dabei zusehends paranoid. Immer häufiger kommt es in der Folge zu Verwechslungen auch seitens der Behörden, derweil Klein sich mit seinem „alter ego“ mehr und mehr identifiziert…

Von Delon selbst produziert, bildete „Mr. Klein“ vor allem für seinen Hauptdarsteller ein ersehntes Prestigestück, doch auch Losey, der als McCarthy-Flüchtling in den fünfziger Jahren zunächst nach England übergesiedelt war, um weiter als Filmemacher tätig sein zu können, konnte in seinem berückenden Meisterwerk einmal mehr persönliche Traumata aufgreifen und modellieren, nachdem Costa-Gavras aus dem Projekt ausgestiegen war. In Frankreich galt der Film bei seiner Veröffentlichung als mittlerer Skandal, da er als einer der ersten (nach Max Ophüls‘ als diesbezügliches Pionierprojekt geltendem „Le Chagrin Et La Pitié“) die Umtriebe der in den Nachkriegsjahren so gern als betont passiv kolportierten Stellvertreterregierung Pétain nachzeichnete. Die Pariser Behörden, Präfektur und Polizei, werden viel mehr als willfährige Erfüllungsgehilfen der Nazis porträtiert, die Judenverfolgung und -Deportation engagiert mittrugen. So zeichnet der Film etwa die von der Polizei im Juli 42 durchgeführte Razzia nach, im Zuge derer über 13.000 Menschen im Vélodrome d’Hiver zwischeninterniert und von dort aus wohlfeil organisiert in die Vernichtungslager weiterverfrachtet wurden. Auch Klein fällt dieser zum Opfer – mittlerweile gewandelt zum willfährigen, jüdischen Bürger, der seinem Schicksal mehr oder weniger stoisch entgegensieht. Der Weg zwischen dem misogynen Opportunisten und dem vom Vernichtungssturm mitgerissenen, stillen Beobachter seiner letzten Tage gestaltet sich als kafkaeskes Vexierspiel (Robert Klein als Josef K.), das Losey immer wieder mit surrealistischen, traumlogischen Momenten durchsetzt: Die Suche nach dem anderen Monsieur Klein gerät zur Verfolgung des eigenen Schattens. Niemals geraten die zwei Kleins in direkten Kontakt und doch ist er stets da, Klein N° 2, oft nur ein paar Meter weit entfernt und dann schon wieder weg. Die Wege der beiden Männer gleichen schließlich zwei Parallelen, die sich nie kreuzen können, sich aber durch den redundanten Versuch des einen, sein determiniertes Schicksal auszubremsen, doch wechselseitig verhängnisvoll beeinflussen, bis hin zur Abfahrt von Austerlitz in den Tod.

10/10

EXPLORERS

„Shut up, Heinlein!“

Explorers ~ USA 1985
Directed By: Joe Dan
te

In einem verschlafenen Kleinstädtchen in Maryland finden sich drei Außenseiterjungs zusammen, um eine interstellare Reise zu unternehmen: Der aus behütetem Hause stammende Ben Crandall (Ethan Hawke) liebt neben der Schulschönheit Lori Swenson (Amanda Peterson) ganz besonders die Invasionsfilme der fünfziger Jahre und träumt eines nachts von einem Trip ins All. Sein bester Kumpel Wolfgang Müller (River Phoenix), ein präpubertärer Einstein und Computernerd, ist bestens dafür geeignet, Bens Visionen in handfeste Materie zu überführen. Der etwas verlotterte Darren Woods (Jason Presson) schließlich hat das Herz am rechten Fleck. Gemeinsam baut das Trio mit Schrottplatzutensilien ein kleines Raumschiff, das mithilfe einer aus dem All stammenden Energiekugel tatsächlich fliegen kann. Was die Freunde schließlich jenseits der Erdatmosphäre erleben, gestaltet sich recht unerwartet…

Joe Dante hat ja eigentlich ausschließlich echte Herzensfilme gemacht. Nach „Gremlins“ auf dem Höhepunkt seiner kommerziellen Auswertbarkeit angelangt, wählte der pulpkulturbeflissene Meister für seinen nächsten, bei Paramount entstandenen Film ein prototypisches Mittachtziger-Sujet, das ebensogut aus der Spielberg-Factory hätte stammen mögen und dann auch in zeitnaher Konkurrenz (mit fünf Wochen Abstand, um genau zu sein) zu Richard Donners „The Goonies“ gestartet wurde. Wo Donners Film letztlich reüssieren konnte, weil er mit viel Humor und Action ein breitgefächertes Publikum anzusprechen vermochte, blieb „Explorers“ eher eine wohlbehütete Preziose, ein Film primär von, über, mit und für Geeks. Wie gewohnt propfen Dante und Scriptautor Eric Luke ihre Geschichte voll mit Reminiszenzen an die gute alte Zeit der Drive-In-Kinos, Pulpcomics und SciFi-Klassiker und kombinieren diese mit den heimlichen Phantasmagorien der ersten Gamergeneration und dem Überfluss des in den USA bereits inflationären TV-Angebots. Folglich spielen der Computer, dazu passend computerbasierte Effekte und eben die zu jener Zeit quantitativ bereits beträchtliche Fernsehhistorie eine wesentliche Rolle innerhalb der von Dante porträtierten, popkulturellen Schnittmenge.
Ein wenig verliert man über diesen beinahe totalitären Referenzialitätscharakter des Ganzen das Innenleben der Protagonisten aus dem Blick – Ben, Wolfgang und Darren treiben natürlich nicht nur spaßbasierte Abenteuerlust um, sondern mindestens genau so sehr all die anderen Dinge, die Kids in ihrem Alter so beschäftigen, von der ersten großen Liebe über unverständige bis unfähige Eltern und gedankliche Instabilitäten bis hin zur ewigen Wegscheide des Coming of Age. Entsprechende inhaltliche Eckpunkte hätten sich angeboten, bleiben jedoch zumeist in den Startlöchern hängen. Man muss allerdings gleichsam hinzufügen, dass Dante nicht seine definitive Schnittfassung fertigstellen konnte, da das Studio hinsichtlich eine beschleunigten Release im Sommer insistierte und diverse eigentlich gefilmte Szenen außen vor bleiben mussten. Diese Inkonsistenz merkt man „Explorers“ nachhaltig an. Dennoch bleibt die conclusio – orientierungssuchende Teenager von unterschiedlichen Planeten mit ziemlich analogen Nöten und Träumen haben ein Meeting im All, werden Freunde und zeigen, dass vermeintliche Differenzen oftmals nur aus einem oberflächlichen Moment irriger Ersteindrücke resultieren – schlussendlich so charmant wie universell: Eine wohltuende Vorstellung, dass auch Aliens nur Menschen sind.

8/10