„Hol den Stier!“
Sukkubus – Den Teufel im Leib ~ BRD 1989
Directed By: Georg Tressler
Die Schweizer Alpen im 19. Jahrhundert: Drei Männer, der Senn (Peter Simonischek), der Hirt (Giovanni Früh) und ein Lehrlingsjunge (Andy Voß) treiben Milchkühe auf. Das eintönige Tagesgeschäft macht dem gleichfalls gottesfürchtigen wie abergläubischen Trio zu schaffen; vor allem die zur Brachlage gezwungene Libido gilt es immer wieder zu zäumen. Eines Abends steht der Schnaps auf dem Tisch. Der zunächst noch gradlinige Senn lässt sich im Suff vom Hirten überreden, einen „Tuntsch“ zu fertigen, einen weiblichen Fetisch, der aus Stroh und Lumpen besteht. Das heidnische Konstrukt erwacht, als Senn und Hirt sich an ihm vergehen, kurz zu fleischlichem Leben (Pamela Prati), verschwindet jedoch unmittelbar darauf wieder. Am nächsten Tag, die Männer schieben das unheimliche Ereignis stillschweigend beiseite, taucht der Tuntsch wieder auf und jagt ihnen eine Todesangst ein. Und tatsächlich müssen die beiden Älteren ihren Frevel teuer bezahlen…
Die traditionsreiche Alpensage um das Sennentuntschi, dessen gottlose Erweckung grauenvolle Ereignisse nach sich zieht, stand Pate für Georg Tresslers mit einigem Abstand entstandene, elfte und letzte Kinoregie, bevor er nurmehr Episoden für maue TV-Serien inszenierte. Franz Seitz schrieb das Drehbuch, er und Luggi Waldleitner produzierten. Der große kommerzielle Erfolg war dem phantastisch-morbiden Heimatdrama erwartungsgemäß nicht beschieden, als rares Genrestück blieb er eigentlich ein Apokryph der (west-)deutschen Filmhistorie. Allzu merkwürdig und sperrig wird „Sukkubus“ dem damals von diversen Hollywood-Blockbustern überfluteten Publikum vorgekommen sein; ich selbst, damals dreizehn Jahre alt und scharf auf alles, was ich an eigentlich nicht jugendfreiem Horror- oder Actionstoff in die Finger bekommen konnte, erinnere mich noch an die Besprechungen und Werbeanzeigen in den eingängigen Filmblättern (die spätere VHS-Veröffentlichung wurde dann nochmal deutlich intensiver beworben) und dass ich daraufhin beschloss, den Film doch lieber nicht sehen zu wollen. Gut, die sich auf dem Kinoposter und den Programmfotos nackt bleckende, archaisch wirkende Pamela Prati mit ihren bleichen Augenlinsen war da für mich auch noch nicht hinreichend reizvoll – ein Umstand, der sich in den Folgejahren ändern sollte. Heute erscheint mir vor allem jene Sequenz einprägsam, in der sich die Männer daran machen, eine vom Hang gestürzte Kuh zu häuten.
Tatsächlich gestaltet „Sukkubus“ sich primär auf einer sehr erwachsenen, sinnlichen Ebene unheimlich. Die alte Fabel warnt vor der Übermannung durch unmäßige, vor allem jedoch unkontrollierte Geilheit, davor, dass man den Herrgott zugunsten der im tiefen Inneren lauernden Instinktivität vergessen und daraufhin nie wieder gut zu machende Fehler begehen könnte. Tatsächlich ist es die ewig lauernde Libido, die vor allem die zwei älteren Viehhirten nicht loslassen mag – während der Senn seine Bedürfnisse unter einem kalten Gebirgswasserfall abtötet, vergreift sich der mit schwarzmagischer Folklore liebäugelnde Hirt einmal beinahe an dem Jungen und ist dann auch der Initiator der Tuntsch-Erweckung. Im festen Glauben, dass die Menschen in ihrem Tun bloß Spielzeuge zwischen Himmel und Hölle sind, ertönt allabendlich der Gebetsspruch des Sennen über der Alp, bis er sich, benebelt vom Hochprozentigen, eines nachts zu einer bösen Verballhornung alles Christlichen umformiert. Damit ist zugleich der Untergang besiedelt.
8/10