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Le Silence De Lorna (Lornas Schweigen) ~ BE/F/I/D 2008
Directed By: Jean-Pierre Dardenne/Luc Dardenne
Für die gebürtige Albanerin Lorna (Arta Dobroshi) gestaltet sich der Weg zum ersehnten, privaten Glück alles andere als leicht. Nachdem sie, um die belgische Staatsbürgerschaft zu erlangen, eine Scheinehe mit dem Junkie Claudy (Jérémie Renier) eingegangen ist, benötigt sie Geld, um den gemeinsamen Traum einer eigenen Snack-Bar mit ihrem tatsächlichen Freund Sokol (Alban Ukaj), der als illegaler Schwarzarbeiter in Deutschland lebt, zu verwirklichen. Dafür hängt sie sich wiederum an den Ganoven Fabio (Fabrizio Rongione), der ihr den reichen Russen Andrei (Anton Yakovlev) als nächsten Ehemann vermittelt. Zuvor gilt es jedoch, Claudy loszuwerden, vorzugsweise durch einen inszenierten Unfall via tödlicher Überdosis. Claudy jedoch versucht just, clean zu werden, und scheinbar sogar erfolgreich. Lorna, die vermeiden möchte, dass man Claudy einfach so ermordet, versucht, eine Schnellscheidung in die Wege zu leiten, doch Fabio und Andrei sind noch weitaus skrupelloser als es zunächst den Anschein macht.
Mit „La Silence De Lorna“ vollzogen die Dardennes einen weiteren Schritt in die Internationalität und konnten ihren Beliebtheitsgrad bei Kritik und Publikum nochmals ausweiten. Mit italienischen und deutschen Produktionszuschüssen lassen sich zugleich auch stilistische Novitäten verzeichnen – so fand hier erstmals das 35mm-Format Verwendung, es gibt wesentlich mehr Totalen und Halbtotalen als bislang gewohnt, die Kamera findet einen nochmals beweglicheren Einsatz als es sich bereits in „L’Enfant“ andeutete und der Abspann schließlich findet sich – eine weitere Premiere – von Musik in Form einer Pianosonate unterlegt. Cast, Ensemble und Sprechrollen wurden deutlich vergrößert, wobei mit der in jeder Beziehung wunderbaren Arta Dobroshi sogar erstmals eine Nicht-Belgierin als Protagonistin zum Einsatz kam. Die Verpflichtung dieser bezaubernden Schauspielerin, der vor vierzehn Jahren anlässlich „Lorna“ allerorten eine große Star-Zukunft bescheinigt wurde, die sich jedoch leider nicht eingelöst hat, erweist sich als besonderer Coup, wobei auch die allermeisten Stammschauspieler der Dardennes erneut am Start sind. Jérémie Renier erweist sich abermals als formidable Entdeckung (wobei diese Kategorie mittlerweile wohl längst kaum mehr greift) und erweitert sein darstellerisches Spektrum um eine weitere Nuance als Junkie auf dem Absprung. Dann gibt es – auch das bis dato stets abwesend – noch eine berückende Liebes- bzw. Sexszene, die freilich mit einem sanften Gespür für erotische Nuancierung und dabei absolut sinnstiftend integriert wurde, zumal sie gewissermaßen den Kern von Lornas Persönlichkeitsentwicklung bildet. Im weiteren Verlauf ihrer sich zusehends fatal ausnehmenden Geschichte wird sie sich mehr oder weniger aktiv von sämtlichen weiteren toxischen Männern in ihrem Umfeld lossagen und befreien müssen, wobei die Dardennes uns schlussendlich das möglicherweise mysteriöseste Finale aller ihrer bisherigen Filme überantworten – Lornas weiteres Schicksal bleibt so vage wie kein anderes der zuvor kennengelernten ProtagonistInnen.
8/10