LE GAMIN AU VÉLO

Zitat entfällt.

Le Gamin Au Vélo (Der Junge mit dem Fahrrad) ~ BE/F/I 2011
Directed By: Jean-Pierre Dardenne/Luc Dardenne

Cyril (Thomas Doret), ein Junge von vielleicht 12, 13 Jahren, lebt im Heim. Als er registriert, dass sein Vater Guy (Jérémie Reiner) nicht nur sang- und klanglos den Wohnort gewechselt, sondern auch Cyrils geliebtes Fahrrad verkauft hat, hat, wird sein Verhalten noch renitenter als ohnehin schon. Verzweifelt versucht er, den Kontakt zu Guy wieder aufzunehmen. Durch Zufall begegnet Cyril bei seinen Nachforschungen der Friseurin Samantha (Cécile de France), die sich ohne zu zögern des Jungen annimmt, ihm sein Fahrrad zurückkauft und ihn sogar an Wochenenden in ihre Obhut nimmt. Nachdem Cyril nach einem gemeinsam Besuch mit Samantha bei seinem Vater, der eine neue Lebensgefährtin (Selma Alaoui) hat und in deren Restaurantküche arbeitet, aufs Schmerzlichste erfahren muss, dass Guy keinen Kontakt mehr mit ihm wünscht, gerät er an den kriminellen, jugendlichen Rattenfänger Wes (Egon Di Mateo), der Cyril zu einem Raubüberfall auf einen Zeitungsverteiler (Fabrizio Rongione) anstiftet. Mit allen Mitteln versucht Samantha, den Kontakt zwischen Cyril und Wes zu unterbinden – doch vergebens. Der Junge zieht den Überfall durch und wird dabei erkannt. Straffällig geworden, muss Cyril gleich in mehrfacher Weise Verantwortung für sein Handeln übernehmen.

„Le Gamin Au Vélo“ führt die Dardennes erneut ein kleines Stück weiter an den Gebrauch konventionellerer Mittel heran – mit Cécile de France leisteten sie sich erstmals eine bereits international etablierte Hauptdarstellerin und sogar eine kleine musikalische Weise darf mehrfach (insgesamt viermal) ertönen, die jeweils die Funktion einer Art Kapitelüberleitung übernimmt. Motivisch bewegt man sich indes auf etabliertem Terrain – eine Coming-of-Age-Story, in der ein/e bereits biographieversehrte/r ProtagonistIn sich den Wirrnissen des Lebens stellen muss, sich in diesen (vorübergehend) verliert und schließlich an eine existenzielle Weggabelung gerät, hatten die Dardennes ja bereits mehrfach angeordnet und auskultiert. Insoweit stellt Cyril eine weitere Facette jenes vormals eingehend behauenen Charaktertotems dar, dessen Ausprägungen auch Figuren wie Igor, Rosetta, Bruno und ansatzweise auch die verirrte Lorna hervorbrachte. Und wiederum gibt es Avancen an klassische Literaturvorbilder. Wie einst Oliver Twist an den üblen Fagin gerät Cyril an den „Organisator“ Wes und wie Pinocchio seine gute Fee findet Cyril die ihm gegen alle Widerstände beistehende Samantha. Einzig ihre wie aus heiterem Himmel fallende, kompromisslose Zuneigung und Liebe ermöglicht Cyril eine Begradigung seiner verwundeten Persönlichkeit und vermutlich auch ein krisenentledigteres Erwachsenwerden. Allerdings lassen die Dardennes an Cyril auch eine letzte, physisch spürbare Sanktion nicht vorübergehen, gewissermaßen eine möglicherweise notwendige Lebenslektion, die den Jungen erst auf ganzer Linie „begradigen“ wird. Inwieweit diese letzte „Tracht Prügel“ sowohl für Cyril als auch für den Film notwendig ist oder ob sie lediglich dazu angedacht war, ein klimaktisches Finale zu setzen und das Publikum noch ein letztes Mal emotional zu affizieren, erschließt sich mir nicht ganz. Dennoch ist man nunmehr aufrichtig davon überzeugt, dass Cyril seine Lektion gelernt hat.

8/10

2 Gedanken zu “LE GAMIN AU VÉLO

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