LE BATTANT

Zitat entfällt.

Le Battant (Der Kämpfer) ~ F 1983
Directed By: Alain Delon

Jacques Darnay (Alain Delon) kommt nach acht Jahren Haft vorzeitig aus dem Knast. Er saß wegen eines Überfälls auf den Diamantenhändler Chabry, der bei dem Bruch erschossen wurde. Auch der Tote ging zu Lasten Darnays, obwohl er diesen gar nicht wirklich auf dem Gewissen hat. Die Diamanten im Wert von sechs Millionen Francs sind seither verschwunden, im Gegensatz zur Gier früherer Verbündeter und neuer Widersacher, die sich die Steine unter den Nagel reißen wollen und zu diesem Zweck alles andere als zimperlich vorgehen. Nachdem bereits Darnays alter Freund Mignot (Michel Beaune) und seine Geliebte Clarisse (Marie-Christine Descouard) ermordet wurden, steht Darnay zusehends mit dem Rücken zur Wand. Doch der Kämpfer gibt nicht auf. Mithilfe seiner neuen Gespielin Nathalie (Anne Parillaud), die dem ruchlosen Kredithai Ruggieri (François Périer) entlaufen ist, eröffnet Darnay das Gegenfeuer.

Delons letzte von drei Regiearbeiten binnen drei Jahren (bei der mittleren davon, „Le Choc“, allerdings unkreditiert) widmet der Star zum Abspann „seinem Meister“ René Clement und bestätigt damit schlussendlich nochmals ausdrücklich die für „Le Battant“ gewählte Ausrichtung. Sein zeigefreudiges Liebchen Anne Parillaud aus „Pour La Peau D’Un Flic“ in einer ähnlich fragwürdigen Rolle mitführend, braucht auch Delon selbst keine großen charakterlichen Volten zu vollziehen, um aus dem Detektiv einen Gangster zu machen. Wie Choucas ist Darnay einer, der grundsätzlich reine Platte macht und, dem Titel gemäß, rigoros alles und jeden aus dem Weg räumt, der ihm ans Bein zu pinkeln versucht. Ohne konkret durchzublicken schafft Darnay es stets, souverän zu bleiben und aus jeder noch so unvorhersehbaren Situation als Gewinner hervorzugehen. Am Ende könnte er ohne weitere Komplikationen verschwinden, will entgegen der warnenden Worte Nathalies jedoch nicht auf seine finale, persönliche Rache verzichten. Eine solch unsinnige Aktion gehe im Kino stets ungut für den Helden aus meint Nathalie, doch Darnay belehrt sie eines Besseren: Dies sei bloß der (moralisch unabdingbaren) Zensur des Filmgeschäfts geschuldet. Und Delon wird Recht behalten, er selbst entlässt sich nach getaner Arbeit mit seiner jungen Schönen und den Klunkern nach Südamerika, ganz zum verschmitzten Vergnügen seines Publikums, das seinen Heros, anders als noch bei Melville etwa, nicht mehr zu betrauern hat. Flott.

7/10

LE JEUNE AHMED

„In schā‘ Allāh.“

Le Jeune Ahmed ~ BE/F 2019
Directed By: Jean-Pierre Dardenne/Luc Dardenne

Der dreizehnjährige Ahmed (Idir Ben Addi) wächst in einer weitgehend säkularisierten Familie auf. Seine alleinerziehende Mutter (Claire Bodson) verzichtet auf den Hijab und trinkt zum Essen ein Glas Wein, seine ältere Schwester (Cyra Lassman) kleidet sich figurbetont. In Imam Youssouf (Othmane Moumen), der eine strenge, radikale Interpretation des Koran predigt, findet Ahmed, dessen Cousin als IS-Märtyrer gestorben ist und von der einschlägigen Internet-Community als Märtyrer verehrt wird, eine Art Ersatzvater. Ahmeds eigene Radikalisierung dauert nur wenige Wochen und geht sowohl mit strengstens praktizierten Riten als auch einer wachsenden, sich zunächst richtungslos aufbauenden Aggression einher. Sein Hass kanalisiert sich schließlich auf die Person einer der Lehrerin Madame Inès (Myriem Akkheddiou), die jungen, muslimischen Immigranten umgangssprachliches, vom Koran abgewandtes Arabisch beibringen möchte und dabei zudem „unkonventionelle“ Methoden wie Musikunterricht einfließen lässt. Auch Imam Youssouf ist die progressiv denkende Frau ein Dorn im Auge. Für Ahmed steht fest, dass es seine Aufgabe als eherner Gotteskrieger ist, Inès zu töten. Der umgehend geplante und ausgeführte Versuch misslingt jedoch und Ahmed landet in einer Besserungsanstalt. Es bedarf jedoch erst eines spürbaren Schicksalsschlags um ihn zu echter Reue zu bewegen.

Der vorletzte Film der Frères Dardenne wurde vom internationalen Feuilleton so kontrovers aufgenommen wie keiner zuvor. Die so zuverlässig kunstfertigen, seit nunmehr über zwei Dekaden für bewegendes Autorenkino stehenden Filmemacher schienen also mit Mitte 60 urplötzlich die Chuzpe, sich eines aktuellen, dazu akut dräuenden politischen Themas anzunehmen, das ziemlich weit über ihren bislang so wohlfeil gepflegten, sozialkritischen Duktus hinausschoss und mit selbigem scheinbar so gar nichts mehr zu tun haben mochte; eines Themas zudem, das doch bereits in den Jahren zuvor so ergiebig von anderen Kunstschaffenden verhandelt wurde. Eine ausgefeilte Psychologisierung des Protagonisten befände sich da in lässlicher Ermangelung, die Perspektive auf den komplexen Topos sei eine entschieden tendenziöse. Das die Läuterung implizierende „Schicksalsende“ schließlich käme hilflos bis banal daher. Die Dardennes befleißigten sich sogar gezielter „Horrormechanismen“, um Ahmed als emotionslosen, bösen Wechselbalg dastehen zu lassen. In Anbetracht dieser seltsam uniform anmutenden, mitunter unglaublich daneben liegenden Rezensionen bleibt nur der Schluss, dass eine auch nur ansatzweise auteuristische Sicht auf „Le Jeune Ahmed“ zugunsten salonlinker Selbstproduktion der AutorInnen fast schon stoisch ausgespart wurde. Der Hauptfehler besteht zunächst darin, dem Film einen politisch relevanten Ansatz zu unterstellen. Eine solche rezeptorische Prämisse muss zwangsläufig ins Leere laufen, denn darum geht es wenn überhaupt nur allerhöchst partiell. Diverse Sujets und Elemente früherer Dardenne-Filme finden sich stattdessen unschwer auffindbar in „Le Jeune Ahmed“, der wie jeder weitere Film der Brüder aus dem immergleichen, dabei in steter Bewegung befindlichen Motivpool schöpft, um dessen bewusste Topoi nurmehr aufs Neue zu repetieren und zu variieren. Lässt man die narrative, im Prinzip völlig austauschbare Folie des radikalisierten Nachwuchsmuslim kurzerhand beiseite, bleibt im Nukleus die Geschichte eines verwirrten, haltlosen Jungen an der Schwelle zur Pubertät, der sich ebenso nach erwachsenen, dezidiert männlichen Bezugspersonen sehnt wie nach Verständnis, Zärtlichkeit und Liebe und im Angesicht von deren jeweiliger Versagung eine falsche Abzweigung nimmt. Als denkbar greifbarste und naheliegendste Emotion, die ihn aus der Orientierungslosigkeit herausführt, wählt Ahmed jene verhängnisvolle Kombination aus extremistischer Disziplin und gezielt projiziertem Hass, die den im Diffusen geführten Djihad für entsprechend anfällige Kinder und Jugendliche so reizvoll macht. Auch ein Katalysator ist rasch bei der Hand – die ebenso aufopferungsvolle wie weltoffene Lehrerin Inès, die sich besonders engagiert um ihre Schützlinge kümmert und von Ahmed (dessen akute Wandlung ihr natürlich nicht verborgen bleibt) erwartet, dass er ihr zum Abschied die Hand gibt. Seine erklärte Mission, Inès im Auftrag Gottes zu töten, trägt Ahmed fortan durch die Tage, Wochen und Monate und verliert trotz aller Bemühungen seitens Sozialarbeit, Psychologie und Rehabilitation niemals an Gewicht. Ahmed verschließt sich in sich selbst, bleibt höflich, aber stets reserviert im Umgang und wahrt geschickt seine klar konturierten Scharia-Prinzipien zwischen harām und halal, ohne Verdacht zu erregen. Als die Farmerstochter Louise (Victoria Bluck) Ahmed gesteht, dass sie sich in ihn verliebt hat und ihn küsst, kulminiert die hormonelle Konfusion des Jungen abermals, woraufhin er den Mord an Inès zum nunmehr dritten und entscheidenden Mal in die Tat umzusetzen sucht. Es bedarf, wie bereits bei Ahmeds Alters- und Leidensgenossen Cyril in „Le Gamin Au Vélo“ erst einer buchstäblich geraumen Fallhöhe, um ihn zum endgültigen Umdenken zu bewegen. Ob dies von Dauer sein wird, bleibt wie üblich der guten Hoffnung des Publikums überlassen. Anders als die Erkenntnis, dass die Dardennes ungebrochen exzellente Arbeit liefern.

8/10