LA CRIME

Zitat entfällt.

La Crime (Wespennest) ~ F 1983
Directed By: Philippe Labro

Der renommierte Wirtschaftsanwalt d’Alins (Jacques Dacqmine) wird in seinem Büro im Justizpalast von zwei als Gendarmen verkleideten Killern (Charlie Nelson, Bernard Tixier) erschossen. Commissaire Martin Griffon (Claude Brasseur), Vorsitzender einer Sonderabteilung, macht sich im direkten Auftrag des Innenministeriums an die hochbrisanten Ermittlungen. Dabei wird ihm als Anstands-Wauwau sein alter Kollege Rambert (Jean-Claude Brialy) zur Seite gestellt. Während d’Alins‘ linkischer Sohn Philippe (Daniel Jégou) den Anschein erwecken möchte, sein Vater sei das Opfer irgendeines rachsüchtigen, früheren Klienten geworden, ist Griffon rasch davon überzeugt, dass wesentlich mehr hinter der Sache steckt. Gemeinsam mit der Jungjournalistin Sybille (Gabrielle Lazure) beginnt er tiefer zu bohren und stößt auf eine gewaltige Mauer des verschleiernden Widerstands, die noch weitere Tote mit sich bringt.

Ein sonderbarer Film ist Philippe Labros „La Crime“, und das ganz gewiss nicht aufgrund seines durchaus konventionellen Kriminalplots nebst allem Dazugehörigen von Verschwörung über Korruption bis hin zum Verrat. Vielmehr wirkt er wie der leicht irrläufige Versuch, den klassisch-finsteren Polar der Vorgängerdekade an die insbesondere durch Delon und Belmondo stark modifizierten, kommerzialisierten Genrestrukturen der achtziger Jahre zu adaptieren. Claude Brasseur als Hauptdarsteller steht ganz für die innere Zerrissenheit von „La Crime“: in einer Mischung aus systembedingter Resignation, persönlicher Depression und Lakonie als Selbstschutz bewegt er sich, belgisches Bier trinkend (jede Flasche wird mit den Zähnen geöffnet), Kette rauchend und hustend von Setting zu Setting, interviewt, verhört, verachtet lässt jede/n seine rotzige Geringschätzigkeit spüren mit Ausnahme eines jungen, aufrechten Kollegen (Luc-Antoine Diquéro), der als einziger noch seinen Anstand wahrt. Das Ganze inszeniert Labro mit einem beinahe analog scheinendem Eklektizismus: manche Einstellungen wirken beinahe aufreizend unbetreiligt bis lustlos, gerade so, wie für eine x-beliebige TV-Serie inszeniert, wieder andere scheinen ultradramatischen Seufzern gleich, so etwa die, in der die Prostituierte Suzy (Dayle Haddon), just, als sie auf dem Wege ist, um reinen Tisch zu machen, in einem Fahrstuhl mit Benzin übergossen und angezündet wird, untermalt vom berühmten 2. Satz aus Beethovens 7. Sinfonie. Typen wie der verzweifelt strampelnde Philippe d’Alins, der einmal eine Dose Eierravioli serviert, wirken beinahe wie ein comic relief, derweil Trintignant nach einem prägnanten Kurzauftritt Seppuku mit einem Schälmesser begeht.
„La Crime“, immerhin ein sehr interessantes, durchaus launiges Werk (und von Dominik Graf wohl sehr geschätzt), lässt also schon das eine oder andere Fragezeichen aufploppen, die sich dann auch bewusst aller Antwort verweigern.

7/10

LE CHOC

Zitat entfällt.

Le Choc (Der Schock) ~ F 1982
Directed By: Robin Davis

Der seit Jahren für eine kriminelle Organisation tätige Auftragskiller Martin Terrier (Alain Delon) plant, sich zur Ruhe zu setzen, worüber sich sein Chef Cox (François Perrot) alles andere als erfreut zeigt. Es kommt, wie es kommen muss: Cox akzeptiert Terriers Entschluss nicht, zumal eine weitere brisante Mission ansteht. er lässt ihm nachstellen, wovon sich Terrier jedoch recht unbeeindruckt zeigt. Der zieht es vor, sich erstmal vorübergehend auf eine entlegene Truthahnfarm in der Bretagne zurückzuziehen, die seine Freundin und Geldverwalterin Jeanne (Stéphane Audran) ihm als Anlagemöglichkeit gekauft hat. Vor Ort begegnet er der unglücklich mit dem Farmverwalter Félix (Philippe Léotard) verheirateten Claire (Catherine Deneuve). Man verliebt sich ineinander und plant bereits durchzubrennen, da erscheint ein Trio deutscher Terroristen auf dem Hof, das sich für ein altes Attentat Terriers rächen und an sein erspartes Vermögen will. Es gelingt Terrier und Claire, alle drei zu beseitigen. Auch Félix stirbt. Nunmehr auch auf der Flucht vor der Polizei, wählt Terrier den offenen Kampf gegen Cox und einen weiteren Gegner, der sich bisher nicht offenbart hat…

„Le Choc“, mit dem der nominelle Regisseur Robin Davis dem Vernehmen nach völlig überfordert war, zumal die divenhafte Deneuve ihn nicht akzeptieren mochte und den Delon daher in Teilen selbst inszeniert hat, genießt kein sonderlich positives Renommee, was ihm nach meinem Dafürhalten nicht gerecht wird. Der Film passt sich nahtlos an das übrige, zeitgenössische Œuvre Delons an und ergibt mit „Pour La Peau D’Un Flic“ und „Le Battant“, beide ja ebenfalls zugleich Regiearbeiten des Hauptdarstellers, gewissermaßen eine inoffizielle Trilogie, als deren Nachklapp man noch José Pinheiros 85er-Selbstjustiz-Kracher „Parole De Flic“ werten kann. Alle vier Werke bewegen sich nicht nur auf einem sehr ähnlichen Level was die Gestaltung des Protagonisten und auch die zwischen laxem Humor und roher Gewalt oszillierende Grundstimmung angeht; sie alle umreißen zudem hervorragend den neuen Heldentypus, den Delon in den Achtzigern sozusagen im Alleingang von sich installierte und etablierte. Ob Detektiv, Gangster, Killer oder Ex-Polizist – im Prinzip spielt der französische Star zwischen Mitte 40 und Anfang 50 stets mit denselben Charakteristika. Seine Antihelden sind ebenso lakonische wie coole Profis mit ungebleicht gebleckten Raucherzähnen und etwas glasig wirkendem Blick, die von einer sich überlegen wähnenden Übermacht herausgefordert und hernach von Delon mit rigoroser firepower in Grund und Boden gestampft werden. Alle sind sie zudem fast beiläufige Womanizer, die sich von deutlich jüngeren, immer wieder nackt ins Bild gesetzten Frauen, die gleichfalls problemlos Töchter der Hauptfigur sein könnten, geradezu schmachtend angehimmelt finden. Zumindest diesbezüglich bildet „Le Choc“ allerdings eine kleine Ausnahme: Mit Catherine Deneuve, die als wenig tief konturierte, aber charismatische Claire bald Terriers zuvor eingeführtes Liebchen Mathilde (Catherine Leprince) ablöst, steht ihm ausnahmsweise eine Frau „auf Augenhöhe“ zur Seite. Und (auch das wurde auf diesen Seiten just bereits umrissen): wo Delons zutiefst amoralisch agierende Figuren in den Vorgängerdekaden selbst ein gewaltsames Ende hätte erfahren müssen, dürfen sie nunmehr reüssieren und sich in exotischen Gefilden zur Ruhe setzen. „Le Choc“ bildet ungeachtet oben angeführter Querelen somit ein Kettenglied, das ebensoviel Freude macht wie seine Nachbarfilme, zumindest, wenn man sich an dem freilich völlig überkommenen Zeitgeist, den sie konserviert haben, nicht stößt.

7/10