KING OF THE KHYBER RIFLES

„The scales are balanced now. There is no past.“

King Of The Khyber Rifles (Der Hauptmann von Peshawar) ~ USA 1953
Directed By: Henry King

Die North West Frontier, 1857. Hauptmann Alan King (Tyrone Power) wird in eine Garnison nahe Peschawar versetzt. Seine Herkunft als Sohn eines englischen Offiziers und einer muslimischen Inderin macht ihm das Leben in der Armee nicht eben leicht, dennoch erweist er sich immer wieder als formvollendeter Soldat, selbst, als Susan (Terry Moore), die offenherzige Tochter des kommandierenden Generals Maitland (Michael Rennie), heftig um ihn wirbt und immer wieder in Gefahr gerät. Während die rebellischen Kräfte im ganzen Land brodeln angesichts einer bevorstehenden Großoffensive gegen die Kolonialmacht, muss King erkennen, dass es sich bei dem Hauptaufrührer Karram Khan (Guy Rolfe) in den Chaiber-Bergen um niemand anderen handelt als seinen Jugendfreund Hassan. Zwischen Liebe und Pflichterfüllung stehend, macht sich King auf eigene Faust daran, einen Anschlag auf Karram Khan zu verüben…

Die vierte CinemaScope-Produktion der Fox und Henry Kings erste Regiearbeit in und mit dem spektakulären Breitwand-Format bildete dieses vergleichsweise bescheiden ausgestattete Kolonialabenteuer nach einem Roman von Talbot Mundy, eine weitere von diversen Kollaborationen des Regisseurs und seines Stars Tyrone Power in einer für ihn typischen Rolle. Vor dem Hintergrund des großen Aufstands spielend, beinhaltet der Film auch jene authentische Episode um die Weigerung der muslimischgläubigen Soldaten in der Armee, mit den brandneu hergestellten Khyber Rifles zu schießen, da zuvor das Gerücht gestreut wurde, deren Projektile, die vor dem Laden aufgebissen werden müssen, seien mit Schweinefett eingeschmiert. Natürlich erledigen King und seine wackeren Mannen die ihnen auferlegte Mission auch mit dem lediglichen Gebrauch ihrer Messer.
Ein paar ebenso schöne wie liebenswerte Scriptideen sichern „King Of The Khyber Rifles“ abseits seiner oftmals hervorstechenden zeitgenössisch bedingten Einfalt allerdings einige Erinnerungswürde. Da wären zunächst Kings Kampf mit den rassistischen Ressentiments seiner Kommandantur, die ihm etwa die Teilnahme an einem Geburtstagsball zu Ehren Königin Victorias versagt. Als Reaktion darauf tanzt die liebesdürstende Susan Maitland einen Walzer mit ihm abseits des Ballsaals auf der nächtlichen Terrasse. Kings Sympathie und Respekt für die einheimische Kultur erweisen sich schließlich als so gewichtig, dass er die Entscheidung seiner Untergebenen, die angeblich verunreinigten Geschosse zu benutzen, nicht nur akzeptiert, sondern sogar eigenaktiv mitträgt. Dass er selbst schließlich im Zweikampf (abermals) seinem Widersacher Karram Khan unterliegt und lediglich durch einen auf diesen abgegebenen Blattschuss durch einen Fußsoldaten überlebt, erweist sich als weitere, aparte kleine Volte.
„King Of The Khyber Rifles“ hätte nebenbei auch einen vorzüglichen Western abgegeben – nicht nur, dass er ohnehin zu großen Teilen in der kalifornischen Sierra Nevada gedreht wurde, geben die Hauptmotive um die Halbblut-Problematik oder die Vereinigung unterschiedlicher Stämme zum Zwecke eines Großangriff astreine Gattungstropen ab. Vielleicht waren Power und King „ihr“ Wildwest-Geschäft in jenen späten Karrierejahren aber auch einfach leid (seinen letzten Western, „Bravados“, inszenierte King fünf Jahre später mit Gregory Peck).

7/10

TRIANGLE OF SADNESS

„I sell shit!“

Triangle Of Sadness ~ S/F/D/UK/TR/GR/DK/CH/MEX/USA 2022
Directed By: Ruben Östlund

Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) sind zwei ausgesprochen schöne, junge Menschen, demzufolge Models und auch ein Paar. Durch ihren Status als Influencerin ergattert Yaya für die beiden die Teilnahme an einer Mittelmeerkreuzfahrt auf einer Luxusyacht gemeinsam mit diversen anderen, reichen Menschen. Deren Crew setzt sich zusammen aus einem ständig besoffenen, in marxistischer Literatur vertieften Kapitän (Woody Harrelson), einer zur unbedingten Serviceerfüllung angehaltenen Uniformiertenstaffel unter Leitung der entsprechend gedrillten Chefstewardess Paula (Vicki Berlin) sowie der fast ausschließlich aus Philippinos bestehenden ArbeiterInnenschaft. Nach einem stürmischen Kapitänsdinner, das in einer Orgie aus Kotze, Dünnpfiff und Suff endet, wird das Schiff von Piraten gekapert und versenkt. Acht Überlebende stranden auf einer scheinbar verlassenen Insel: neben Paula, Yaya und Carl sind dies der App-Entwickler Jarmo (Henrik Dorsin), der dekadente Oligarch Dimitry (Zlatko Buric), die nach einem Schlaganfall teilgelähmte Theres (Iris Berben), der Pirat Nelson (Jean-Christophe Folly) und die Putzfrau Abigail (Dolly De Leon). Als einzige in händischer Arbeit erfahrene Person übernimmt in Anbetracht der desolaten Situation rasch Abigail die Führung über die kleine Gruppe und erklärt sich selbst zur Kapitänin. Eine ganz neue Erfahrung für sie.

Wo viel Hype ist, da ist naturgemäß auch immer viel Geraune. Und wie es so ist im Leben, positioniert man sich seiner individuellen Perzeption gemäß mal auf der einen und mal auf der anderen Seite. Im Falle „Triangle Of Sadness“, der seinem Regisseur Ruben Östlund neben diversen anderen Preisen bereits die zweite Palme d’Or eingetragen hat, stellt sich im Hinblick auf Meinungsdiversität rasch die primäre Frage nach „gelungener“ oder auch „treffender“ Satire, ähnlich wie bei der Netflix-Produktion „Don’t Look Up“ im letzten Jahr, deren zumindest ansätzliche Ausprägung der von Östlunds Film nicht unähnlich ist. In einer Zeit, da Menschen wie Elon Musk die globale Aufmerksamkeit bündeln und die Diskussion um das perverse Ungleichgewicht monetärer Mittel immer allgegenwärtiger wird, sind filmgewordene Spottschriften wie diese zunächst einmal eine offensichtliche Erscheinung. Nur: wie subtil und sophisticated haben sie zu sein? Oder darf es auch „in your face“ zugehen, laut, ordinär und vulgär gar? Der Weg, den „Triangle Of Sadness“ wählt, passt. In seiner ein ums andere Mal zutiefst abjekten Vorgehensweise trifft das Script vielleicht nicht jedes Mal punktgenau, meist aber doch sehr zielsicher ins Schwarze. Das buchstäblich aus dem Ruder laufende captain’s dinner auf der Yacht mit seiner anschließenden Kontrastierung aus humaner Komplettentleerung und moralöknomischer Grundsatzdiskussion im Vollrausch zweier Delirprofis empfand ich nicht nur himmelschreiend witzig, sondern darüberhinaus als komödiantischen Höhepunkt, der in einer Reihe steht mit den großen Slapstick- und Screwball-Szenarien von Chaplin über die Marx Brothers bis hin zu Jerry Lewis und vielleicht eines schönen Tages mit diesen in einem Atenzug genannt werden wird. Als gänzliches Juwel besteht „Triangle Of Sadness“ trotz dieser grandiosen Klimaxminuten allerdings nicht; die das Geschehen einfassende Beziehung von Yaya – Charlbi Dean makellos schön, mir zuvor gänzlich unbekannt und entsetzlicherweise schon so jung verstorben – und Carl karikiert zwar ganz hübsch die fahle Ausgehöhltheit solcher, von erschreckend-permanenter Selbstillustration geprägter Insta-Existenzen, taugt als Rahmung jedoch eher bedingt und lässt durchblicken, dass Östlund hier und da selbst nicht so recht wusste, was er da eigentlich genau aufs zu Korn nehmen gedachte. Ähnliches gilt für das natürlich mit Golding und Orwell kokettierendem Inselkapitel, das wohl die Frage nach Machtumverteilung, sowie deren adäquatem Ge- bzw. Missbrauch ausloten soll. Hier versagt sich der Film leider jene Geschlossenheit und Konsequenz, derer er als veritables Meisterwerk unerlässlich bedurft hätte. So bleiben exquisite Glanzlichter neben manchem Fragezeichen, wobei erstere ihre Dominanz in der Rückschau glücklicherweise stante pede verteidigen.

8/10

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY

„I’ve learned through bitter experience that an anonymous invitation is not to be trifled with.“

Glass Onion: A Knives Out Mystery ~ USA 2022
Directed By: Rian Johnson

Gemeinsam mit einigen anderen mehr oder weniger wertigen Gästen findet sich der weltbeste Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf der sonnenverwöhnten, privaten Ägäis-Insel des exzentrischen Multimilliardärs Miles Bron (Edward Norton) wieder. Dieser hat seinen erlesenen Freundeszirkel für ein Exklusivwochenende in seinen luxuriösen Wohnkomplex „Glass Onion“ eingeladen, um dort ein gleichfalls partyseliges wie kriminalistisch herausforderndes Wochenende zu verbringen, mit ihm selbst als Mordopfer und der sich daraus ergebenden Frage um den Täter und dessen Motiv. Da mit Ausnahme des Detektivs alle Anwesenden gleichermaßen in einem perfiden Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem „Freund“ und Gastgeber stehen, kommt jeder in Frage, doch Blanc, der, wie sich bald herausstellt, mitnichten auf Brons Wunsch hin vor Ort ist, torpediert dessen Spiel kurzum und nonchalant. Bald jedoch gibt es eine wirkliche Leiche…

Benoit Blancs wiederum von Rian Johnson geschriebenes und inszeniertes zweites Filmabenteuer wird aktuell direkt von bzw. via Netflix lanciert, was eigentlich auch ganz gut passt zu dem sich bereits jetzt als strukturgewohnt abzeichnendem Kriminal-Serial. Seine satireaffine Poirot-Liebe bringt Johnson abermals in Höchstmaßen zu Geltung; wer die Kinostücke um Peter Ustinov kennt, weiß grob umrissen bereits, was Daniel Craig alias Benoit Blanc zu bieten hat: mondäne Schauplätze, luxuriöses Ambiente, spektakuläre Architektur und Interieurs. Dazu ein zumindest halbwegs prominent besetztes Ensemble, das genussvoll eine Schar grober, von Egozentrik, Gier und Arroganz zerfressener Unsympathen darbietet, an deren Spitze – natürlich – das (in diesem Fall eigentlich nur potenzielle) Mordopfer steht. Als recht witzig entpuppen sich die diersen Seitenhiebe in Richtung der Covid-Pandemie und des zeitweiligen Umgangs mit ihr, die darüberhinaus zahllos okkurierenden Popkultur- (und Selbst-)referenzen zu entdecken, überlässt Johnson findigen Zuschauern noch als zusätzliches Bonmot. Wesentlich mehr jedoch bleibt sich über den allseitig professionell (und demzufolge gediegen überrschungsfrei) gehandhabten „Glass Onion“, der seinen etwas unsinnigen Untertitel wohl ausschließlich zur Steigerung des Wiedererkennungseffekts trägt, kaum zu sagen. Das Beziehungsgeflecht der illustren Beteiligtenschar nimmt sich ebenso vordergründig kompliziert wie obsolet aus und dient allein dem Alibi der großzügigen Erzählzeit. Es hagelt MacGuffins in Hülle und Fülle, sowohl in Objektform, als auch in narrativen Finten. Spaß macht „Glass Onion“ nichtsdestotrotz schon, zumal er in kommenden Jahren vielleicht als endgültige Initiation einer Art internationaler „Traumschiff“-Variante für die Festtagssaison gelten mag. Einen Blanc alle zwei, drei Jahre zu Weihnachten, hell, schick und ein kleines bisschen hohl, fände ich durchaus erträglich. Den als einziges Ingredienz völlig aus dem Rahmen fallenden, schlurrigen Kifferhippie Derol (Noah Segan), der erfreulicherweise gar keine Funktion besitzt (außer vielleicht die, findigen Freizeitdetektiven frustrierte Fragezeichen zu entlocken), sollte man allerdings als künftigen running gag gern beibehalten.

7/10

BONES AND ALL

„Maybe love will set you free.“

Bones And All ~ USA/I 2022
Drected By: Luca Guadagnino

Virginia, um die Mitte der achtziger Jahre. Die Teenagerin Maren (Taylor Russell) lebt mit ihrem Vater (André Holland), der versucht, sie weitestgehend von Gleichaltrigen und der Gesellschaft überhaupt abzuschirmen, in einem kargen Bungalow. Als sich Maren eines Abends zu einer Freundin (Kendle Coffey) schleicht, um an einer Pyjama-Party teilzunehmen, kommt es zu einem befremdlichen Ereignis: Maren beißt einem der Mädchen selbstvergessen in den Finger und isst das Fleisch. Kurz darauf ist ihr Vater, dem Maren das Ganze zuvor beichtet, verschwunden. Außer ihrer Geburtsurkunde, ein wenig Bargeld und einer Cassette mit ausführlichen Erläuterungen ihres Dads darauf hinterlässt er ihr nichts. Maren beginnt eine lange Reise Richtung Minnesota, wo ihre ihr unbekannte Mutter Janelle (Chloë Sevigny) leben soll. Durch das Tape und die Begegnung mit einem kauzigen alten Drifter namens Sully (Mark Rylance) erfährt Maren, wer und was sie ist: Sie gehört zu einer genetisch mutierten Gemeinschaft kannibalistisch lebender Außenseiter, den sich selbst so nennenden „Eaters“, die von Zeit zu Zeit der unbändige Drang überkommt, Menschenfleisch zu verzehren und deren Phänotyp sich von Generation zu Generation weitervererbt. Als Maren während der Eiterfahrt auf den etwa gleichaltrigen Eater Lee (Timothée Chalamet) trifft, bahnt sich zwischen den beiden eine Romanze an, die Maren nach einem verstörenden Treffen mit ihrer psychiatrisch institutionalisierten Mutter jedoch wieder abbricht. Schließlich begreift sie, dass sie und Lee sich brauchen und kehrt zu ihm zurück. Gemeinsam beschließt man, sich eine konventionelle Existenz aufzubauen, doch das Schicksal meint es anders…

Mit „Bones And All“, der Adaption eines romantischen Jugend-Horrorromans von Camille DeAngelis, legt Luca Guadagnino ein elegisches, ebenso behutsam wie gemächlich erzähltes Road Movie vor, das den traditionellerweise eher garstig konnotierten Genretopos Kannibalismus (die Eaters könnten eine Art Nachfahren des mythologischen „Wendigo“-Dämons sein) auch für ein wohlfeil abgestecktes Arthouse-Publikum goutierbar werden lässt. Diese zugegebenermaßen etwas brüske Einordnung ist dabei keineswegs abschätzig gemeint, sondern soll vielmehr unterstreichen, in welche Richtung sich das Horrorkino in den letzten Jahren entwickelt. Filme wie „dieser“Bones And All“ beweisen eindrucksvoll, dass die Gattung sich eine Form der Anerkennung und Mündigkeit erobert hat, die vor einem Vierteljahrhundert in dieser Ausprägung noch undenkbar gewesen wäre; raus aus dem schummrigen Dämmerlicht des stets als etwas schmuddelig verrufenen Effektevents für verschwitzte Convention-Besucher hin zum respektierten Gesellschaftsdiskurs mit Blut und Eingeweiden. Wie James Grays just von mir genossene, überaus wesensverwandte Coming-of-Age-Bestandsaufnahme „Armageddon Time“ blickt auch „Bones And All“ zurück auf die den nordamerikanischen Kontinent ergreifende Verzweiflung der aufziehenden respektive bereits aufgezogenen Ära Reagan und reflektiert anhand dieser die nicht minder akute, zeitgenössischere Ratlosigkeit Trump-Jahre. Die in Anbetracht des sie nachhaltig verunsichernden Realitätsabgleichs in Abgründe starrende Maren und der jüngere New Yorker Paul Graff haben mancherlei gemein: Als Außenseiter einer zunehmend reaktionärer und repressiver agierenden Gesellschaft sehen sie sich, an biographischen Wegscheiden stehend, mit basalen Existenzfragen konfrontiert: Wie viel von mir darf ich überhaupt noch ausleben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen? Wie viel unbequeme Individualität ist gestattet in einer Welt aus Angst und Hass? Der Kannibalismus als ultimatives Sozialtabu lässt sich da leicht als übergeordnetes Bild interpretieren für alles Mögliche, was der Konservativismus an Zielscheiben ausersieht; seien es Ressentiments gegen bestimmte Ethnien, sexuelle Orientierungen oder andere vermeintliche Unangepasstheiten. Das durchaus konsequente Ende erschien mir dann wie ein versöhnlich umgedeuteter Brückenschlag zu Eckhart Schmidts exakt vierzig Jahre älterem „Der Fan“ (mit dem eine gemeinsame Betrachtung vielleicht ohnehin gar nicht uninteressant wäre): Die komplette Einverleibung des Geliebten als ultimativer Treuebeweis.

9/10

THE UNBEARABLE WEIGHT OF MASSIVE TALENT

„Nick… . FUCKIIIIIIIIING Cage!“

The Unbearable Weight Of Massive Talent (Massive Talent) ~ USA 2022
Directed By: Tom Gormican

Um seiner geflissentlich darbenden Karriere und dem damit einhergehend darbenden Bankkonto zu begegnen, nimmt Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage (Nicolas Cage) leicht widerwillig ein außergewöhnliches Engagement an: Er soll gegen eine Million Dollar als prominenter Geburtstagsgast des auf Mallorca lebenden Unternehmenschefs Javi Gutierrez (Pedro Pascal) erscheinen. Javi, ein glühender Verehrer von Cage und seinem Gesamtwerk, der jenen außerdem gern als Hauptdarsteller für sein erstes, eigenes Drehbuch gewönne, lockt den zunächst distanzierten Star mit Drinks und anderen Lustigmachern, woraufhin sich rasch tatsächliche Sympathien zwischen den beiden Männern entwickeln. Doch die putzige Harmonie trübt alsbald ein: Die CIA hat Javi im Visier als Kidnapper der Tochter (Katrin Vankova) des katalinischen Präsidenten und setzt ausgerechnet den überrannten Cage als Maulwurf gegen seinen Gastgeber ein. Tatsächlich jedoch ist ohne dessen Wissen Javis Cousin, der Mafioso Lucas (Paco Léon) für die Entführung verantwortlich. Dies rettet zwar die Freundschaft der beiden männer, macht ihre Gesamtsituation jedoch nicht weniger lebensgefährlich…

Dass Hollywood-Schaffende sich immer wieder selbst spielen, bildet zwar keine Seltenheit; dass sie sich höchstselbst als Protagonisten eines fiktiven Abenteuers um ihre eigene Person zur Verfügung stellen, darf man jedoch nach wie vor als kleine Rarität erachten. Vor diesem Hintergrund stellen sich dann auch mehr oder weniger unweigerliche Assoziationen zu einer anderen, noch sehr viel grotesker aufgezogenen Selbstdemontage eines amerikanischen Weltstars ein, nämlich zu Spike Jonzes „Being John Malkovich“. Gegen den Wahnwitz von Jonzes und Charlie Kaufmans wahnwitziger Dramödie, die einst Malkovich himself zum Endgefäß für einen bizarren, mentalen Geburtskanal modelte, kommt „The Unbearable Lightness Of Massive Talent“ zwar nicht an, findet aber dennoch hübsche Wege, das Buddy-Duo Cage und Pascal vor der lichtdurchfluteten, mallorquinischen Kulisse in ein paar lustige, später auch actionreiche Episoden zu verstricken. Dabei gibt der Leinwand-Cage, ebenso wie damals der Leinwand-Malkovich freilich, eine Alternativversion seines tatsächlichen Selbst; so werden ihm etwa eine fiktive Ex-Frau (Sharon Horgan) und Teenagertochter (Lily Mo Sheen) herbeigedichtet, die er durch seine arrogante Selbstherrlichkeit verprellt.
Im weiteren Hergang outet sich der Film schließlich als ähnlich versiert in punkto Cage-Facts wie seine zweite Hauptfigur Javi Gutierrez; es kommt erwartungsgemäß zu diversen title drops und Reminiszenzen an frühere Beiträge aus dem umfangreichen Œuvre des Darstellers, der unterdessen allenthalben von seinem eigenen, jüngeren alter ego aus der Ära „Wild At Heart“ heimgesucht und traktiert wird. Das nimmt sich alles recht amüsant und tragfähig aus, verzichtet jedoch nicht auf die eine oder andere Redundanz. Am komischsten empfand ich dabei dabei jene Szenen, in denen Cage, intoxiniert durch diverse Rauschmittel von Alkohol bis Acid (einmal sogar durch ein hochpotentes Spionage-Sedativ), torkelnd oder sonstwie diffus durch die mediterrane Gegend laviert. Nicht, dass der Film unter späterem Verzicht auf derlei Sperenzchen gegen Ende hin geerdeter würde; es bleibt angenehm bescheuert. Trotzdem – auf den ganz großen Anarcho-Irrsinn, die totale Cage-Kirmes gewissermaßen, wird wohlweislich verzichtet. Schade.

7/10

ROMEO IS BLEEDING

„You don’t own love. Love owns you.“

Romeo Is Bleeding ~ USA/UK 1993
Directed By: Peter Medak

Der im Zeugenschutzprogramm tätige Jack Grimaldi (Gary Oldman) gehört zur schlimmsten Sorte korrupter Cops. Gegen saftiges Entgelt verrät er die Aufenthaltsorte brisanter Kronzeugen an die Mafia und nimmt dafür auch in Kauf, dass bei den anschließenden Exekutionsaktionen seine eigenen Kollegen dran glauben müssen. Seine Ehefrau Natalie (Annabella Sciorra) betrügt er derweil mit der naiven Kellnerin Sheri (Juliette Lewis). Als Grimaldi von Berufs wegen die russische Profikillerin Mona Demarkov (Lena Olin) kennenlernt, gerät er zwischen alle Fronten. Während Mafiaboss Falcone (Roy Scheider) die Demarkov, mit der er früher ein Techtelmechtel hatte, tot sehen will und Grimaldi erpresserisch nötigt, den Auftrag auszuführen, verführt diese den irrlichternden Beamten und bringt ihn dazu, ihr dabei zu helfen, ihren eigenen Tod zu fingieren. Doch nicht nur, dass sie sich hernach weigert, Grimaldi zu bezahlen, wird die psychotische Mörderin für ihn selbst zur tödlichen Gefahr…

„Romeo Is Bleeding“ entstand im Zuge der Neo-Noir-Welle in den frühen bis mittleren Neunzigern, während derer eine ganze Reihe in Aficionadokreisen beleumundeter Filmemacher der allmählich aufziehenden Ratlosigkeit des zusehends blasierter werdenden Blockbuster-Kinos entsprechende Werke entgegensetzten. Loner und Drifter waren deren Antihelden, betrügerische Femmes fatales und korrupte Bullen, mutige Kleinstadtsheriffs, unbeirrbare Killer, obercoole Gangster und Pärchen auf der Flucht. Die gezeigte und suggerierte Gewalt nahm sich häufig übermäßig aus und selten kam es zu glücklichen Abschlüssen für die ProtagonistInnen. Quentin Tarantino profitierte bekanntermaßen ganz besonders von dieser Strömung, avancierte zu everybody’s darling und hernach zu deren vorderstem Leitwolf und Stichtwortgeber, indem er die zuvor noch bierernst durchgespielte Nostalgie der relativ dicht an die klassischen hardboiled stories angelehnten Krimis ironisch aufbrach und seinem ausgesprochen kalifornischen Märchengauneruniversum einverleibte. Zuvor jedoch gab es Filme wie den vorliegenden von Peter Medak, in dem der ungebremste, tiefe Fall der Hauptfigur im Zentrum steht, gänzlich unkomisch und ergänzend mit dem diegetischen Pathos des Off-Kommentars versehen.
Jack Grimaldi wird von Gary Oldman wie eine Art Vorstudie zu seinem kurz darauf interpretierten, noch hundertmal toxischeren Polizisten Stansfield aus Luc Bessons „Léon“ angelegt. Dessen endgültige Gewissenlosigkeit und haltlose Diabolik muss sich Grimaldi erst noch aneignen, vielleicht wird er später unter anderem Namen bei den New Yorker Narcs anfangen. Dabei ist sein abwärts gerichtetes Schicksal rundheraus selbst verschuldet: Dieser Polizist lügt, betrügt, übervorteilt und verkauft die eigene Seele, bis er allein in irgendeinem Kleinstadtkaff vergeblich auf die unter Garantie niemals eintretende Erlösung wartet. Dabei meint es auch das Fatum selbst alles andere als gut mit ihm; der sinistren Cleverness seiner Widersacherin etwa ist Grimaldi völlig unterlegen. Sie bringt ihn dazu, seine Frau aufzugeben, sein Betthäschen und später noch den hiesigen Paten umzubringen. Von seinen sorgsam angehäuften, im Garten verscharrten Müllsäcken mit schmutzigem Cash wird er nichts mehr haben. Der letzte Akt der Abrechnung schließlich kommt so verzweifelt wie persönlich daher, doch auch dieser kann Grimalds tote Träume nicht wieder zum Leben erwecken.

7/10

SAVAGE SALVATION

„Welcome to the family, Shelby John.“

Savage Salvation (Pfad der Vergeltung) ~ USA 2022
Directed By: Randall Emmett

Kriegsveteran Shelby John (Jack Huston) und seine Freundin Ruby Red (Willa Fitzgerald) sind Heroinjunkies. Ihren Stoff beziehen sie von dem rücksichtslosen Straßendealer Elvis (Swen Temmel), der recht ungehalten reagiert, als das Paar durchblicken lässt, nach einem kalten Entzug clean geworden zu sein und auf den Pfad der Tugend zurückkehren zu wollen. Shelby hat Ruby mittlerweile sogar einen Heiratsantrag gemacht und sie möchte sich darüberhinaus zur Feier der Entwöhnung baptistisch taufen lassen. Doch dazu kommt es nicht mehr; Elvis bringt Ruby auf dumme Gedanken, woraufhin diese sich den goldenen Schuss setzt. Für den wutschäumenden Shelby – ganz zum Unwillen von Sheriff Church (Robert De Niro) – Grund genug, seine kombattanten Fertigkeiten zu reaktivieren und sich mit deren Einsatz bis zum unerwarteten Kopf der hiesigen Drogenmafia vorzuarbeiten…

Als wahres Cringefest entpuppte sich dieser offenbar von der Baptistenkirche gesponsorte, erzreaktionäre Film aus dem Bodensatz einer spezifischen medialen Trübnis, in der ich künftig erst gar nicht weiter stochern möchte. Natürlich lockten die Namen De Niro und Malkovich, bis vor rund zwei Dekaden zwei der zuverlässigsten und besten Schauspieler im anglophonen Raum, von denen man nie und nimmer gedacht hätte, dass sie ihr Brot dereinst so sauer würden verdienen müssen. Es dürfte ihnen, wie ja offenbar recht vielen betagteren Darstellern, die ihr Altersauskommen in käsigem Genreschmodder für den DTV-Markt gefunden haben, mittlerweile recht mies gehen, um ihre Kunst für Müll wie „Savage Salvation“ korrumpieren lassen zu müssen. Der Regisseur Randall Emmett entpuppt sich nach kurzer Recherche als bedauernswerter Produzent zahlloser Bruce-Willis-Vehikel, den der dem Vernehmen nach recht lädierte Akteur einzig und allein durch Mini-Auftritte seinen Stempel aufdrückte und die recht unansehnlich sein sollen. Für seine zweite eigene Inszenierung standen Emmett dann zumindest drei renommierte Namen zur Verfügung, doch was helfen die im Angesicht einer dezidiert biblisch-konservativ konnotierten Rachegeschichte, die letztlich nur für regelmäßige Kirchgänger und Sonntagsspaziergänger genießbar sein kann?
„Savage Salvation“ bedient ausnahmslos jedes zur Verfügung stehende dulle figurale Klischee; der PTBS-versehrte Veteran und seine schöne Maid ziehen sich gegenseitig am Schopf aus dem Sumpf der Drogenhölle, nur um dann doch wieder zu Opfern der unnachgiebigen Pusher zu werden, jene natürlich vornehmlich unkaukasischer Ethnie zugehörig. Dem trauernden Verlustierer bleibt nurmehr blutige Vigilanz, irgendwann sogar mit dem zähneknirschenden Segen des treusorgenden Sheriffs, der den eigenen Sohnemann einst ebenfalls ans Rauschgift verlor. Am auch noch die allerletzten Sympathien kapernden Ende lässt sich dann auch Shelby John nach getanem Werk kopfüber in den Fluss tunken – ein Schäfchen mehr für Gottes wackre, weiße amerikanische Reihen. Dass dabei selbst die versprenkelt eingestreuten Actionszenen lahm und unbeholfen daherkommen – geschenkt. Ernsthaft: schon lange nicht mehr so im Strahl gekotzt.

2/10

THE FRIGHTENERS

„Death ain’t no way to make a living!“

The Frighteners ~ NZ/USA 1996
Directed By: Peter Jackson

Seit einem Autonunfall vor einigen Jahren nebst persönlicher Nahtoderfahrung, bei dem auch seine Ehefrau Debra (Angela Bloomfield) starb, hat der Ex-Architekt Frank Bannister (Michael J. Fox) die vormalige Profession aufgegeben und arbeitet seither, stets kurz vor der Pleite stehend, als Geisteraustreiber. Möglich machen im dies seine tatsächlich hinzugewonnene Fähigkeit, Kontakt mit verstorbenen Seelen im Zwischenreich aufzunehmen sowie drei befreundete Zwischengänger: der in den Siebzigern verblichene, straßenweise Hustler Cyrus (Chi McBride), der bereits seit rund vierzig Jahren tote Student Stuart (Jim Fyfe) und ein aus dem Alten Westen stammender, schießfreudiger Richter (John Astin). Das derangierte Trio sucht zum Schein die Häuser unbedarfter Bürger heim, die dann in ihrer Not Bannister, den die meisten Ortsansässigen für einen spinnerten Scharlatan haltan, herbeirufen, um sich von ihm helfen zu lassen. Jüngst sorgt dieser dafür, das spießige Eigenheim des Ehepaars Lynskey „reinigen“ zu dürfen, nachdem Frank zuvor unfällig deren Vorgarten umgepflügt hat. Gesagt, getan, doch kurz darauf stirbt Ray Linskey (Peter Dobson) an einem Herzanfall. Nur einer von einer ganzen Reihe fast identisch gelagerter Todesfälle, die Bannister bald unter handfesten Verdacht stellen. In Wahrheit steckt jedoch eine ganz andere, jenseitige Entität hinter der Mordserie. Nunmehr ist es an Frank und Rays Witwe Lucy (Trini Alvarado), den wahren Killer dingfest zu machen. Kein leichtes Unterfangen, zumal auch der wirre FBI-Agent Dammers (Jeffrey Combs) ihnen diverse Steine in den Weg rollt…

Man muss sich kaum kognitiv ins Zeug legen, um „The Frighteners“, Peter Jacksons erste, von Robert Zemeckis protegierte Studioproduktion (Universal) nach einem Trio ebenfalls in Neuseeland entstandener, rasch zu anarchischen Underground-Lieblingen aufgestiegener Indie-Liebhaberstücke sowie einem feuilletontauglichen Coming-of-Age-Drama, als teures, familienkompatibles und inhaltlich verkomplexiertes, respektive andere motivische Schwerpunkte setzendes Remake seines eigenen Drittfilms „Braindead“ auszumachen. Ein junger Mann, einsam, traumatisiert und in seinem kleinen sozialen Mikrokosmos als Sonderling geltend, erlebt seine dräuende Alltagsmorbidität bald zu zusehends unkontrollierbarem Eigenleben erwacht. Der unfreiwillige Flirt mit Tod und modriger Vergänglichkeit bestimmt bald seine gesamte Existenz, bringt bei aller Turbulenz auch eine wahrhaft mörderische, monströse Bedrohung hervor und kann erst durch die heilende Kraft der Liebe von Erlösung und Neuanfang abgelöst werden. Soweit eine grobe Zusammenfassung beider Inhalte. Selbst einzelne Nebencharaktere erleben ihre Analogisierung oder zumindest eine Art „Remix“. Während „Braindead“ allerdings noch gezielt das Konzept des Splatterfilms dermaßen ad absurdum führte, dass jenes sich zugleich mit seinem eigenen, postmodernen Finalpunkt konfrontiert sah, rudert „The Frighteners“ zumindest in Bezug auf seine ästhetische Entfesselung wieder zurück. Oder anders gesagt: er substituiert die manuell beförderten und entleerten Gallonen von Kunstblut und -eingeweiden durch aufwändige, von Jacksons eigener, damals erst drei Jahre junger Firma „WETA Digital“ erstellte Computeffekte. Diese galten zeitgenössisch schon aufgrund ihres inflationären Einsatzes als ziemlich sensationell, was sich heuer eher beiläufig zur Kenntnis nehmen lässt. Das bei Jackson übliche vintage flair der Erzählung beschädigen sie jedenfalls glücklicherweise nicht, sondern hofieren den etwas stoffeligen Charme des comicesken, an die „Tales From The Crypt“-Comics angelehnten Plots, der zwanzig, dreißig Jahre zuvor gewiss auch einem William Castle kreative Höhenflüge entlockt hätte. Das dehnt sich zuweilen etwas und mag nicht immer auf den narrativen Überhang verzichten – eine originelle Arbeit aber ist „The Frighteners“ allemal und bestimmt dient er sich auch trefflich dazu an, Jacksons damals noch wesentlich prägnanter okurrierende Qualitäten als auteur zu identifizieren.

7/10