KING OF THE KHYBER RIFLES

„The scales are balanced now. There is no past.“

King Of The Khyber Rifles (Der Hauptmann von Peshawar) ~ USA 1953
Directed By: Henry King

Die North West Frontier, 1857. Hauptmann Alan King (Tyrone Power) wird in eine Garnison nahe Peschawar versetzt. Seine Herkunft als Sohn eines englischen Offiziers und einer muslimischen Inderin macht ihm das Leben in der Armee nicht eben leicht, dennoch erweist er sich immer wieder als formvollendeter Soldat, selbst, als Susan (Terry Moore), die offenherzige Tochter des kommandierenden Generals Maitland (Michael Rennie), heftig um ihn wirbt und immer wieder in Gefahr gerät. Während die rebellischen Kräfte im ganzen Land brodeln angesichts einer bevorstehenden Großoffensive gegen die Kolonialmacht, muss King erkennen, dass es sich bei dem Hauptaufrührer Karram Khan (Guy Rolfe) in den Chaiber-Bergen um niemand anderen handelt als seinen Jugendfreund Hassan. Zwischen Liebe und Pflichterfüllung stehend, macht sich King auf eigene Faust daran, einen Anschlag auf Karram Khan zu verüben…

Die vierte CinemaScope-Produktion der Fox und Henry Kings erste Regiearbeit in und mit dem spektakulären Breitwand-Format bildete dieses vergleichsweise bescheiden ausgestattete Kolonialabenteuer nach einem Roman von Talbot Mundy, eine weitere von diversen Kollaborationen des Regisseurs und seines Stars Tyrone Power in einer für ihn typischen Rolle. Vor dem Hintergrund des großen Aufstands spielend, beinhaltet der Film auch jene authentische Episode um die Weigerung der muslimischgläubigen Soldaten in der Armee, mit den brandneu hergestellten Khyber Rifles zu schießen, da zuvor das Gerücht gestreut wurde, deren Projektile, die vor dem Laden aufgebissen werden müssen, seien mit Schweinefett eingeschmiert. Natürlich erledigen King und seine wackeren Mannen die ihnen auferlegte Mission auch mit dem lediglichen Gebrauch ihrer Messer.
Ein paar ebenso schöne wie liebenswerte Scriptideen sichern „King Of The Khyber Rifles“ abseits seiner oftmals hervorstechenden zeitgenössisch bedingten Einfalt allerdings einige Erinnerungswürde. Da wären zunächst Kings Kampf mit den rassistischen Ressentiments seiner Kommandantur, die ihm etwa die Teilnahme an einem Geburtstagsball zu Ehren Königin Victorias versagt. Als Reaktion darauf tanzt die liebesdürstende Susan Maitland einen Walzer mit ihm abseits des Ballsaals auf der nächtlichen Terrasse. Kings Sympathie und Respekt für die einheimische Kultur erweisen sich schließlich als so gewichtig, dass er die Entscheidung seiner Untergebenen, die angeblich verunreinigten Geschosse zu benutzen, nicht nur akzeptiert, sondern sogar eigenaktiv mitträgt. Dass er selbst schließlich im Zweikampf (abermals) seinem Widersacher Karram Khan unterliegt und lediglich durch einen auf diesen abgegebenen Blattschuss durch einen Fußsoldaten überlebt, erweist sich als weitere, aparte kleine Volte.
„King Of The Khyber Rifles“ hätte nebenbei auch einen vorzüglichen Western abgegeben – nicht nur, dass er ohnehin zu großen Teilen in der kalifornischen Sierra Nevada gedreht wurde, geben die Hauptmotive um die Halbblut-Problematik oder die Vereinigung unterschiedlicher Stämme zum Zwecke eines Großangriff astreine Gattungstropen ab. Vielleicht waren Power und King „ihr“ Wildwest-Geschäft in jenen späten Karrierejahren aber auch einfach leid (seinen letzten Western, „Bravados“, inszenierte King fünf Jahre später mit Gregory Peck).

7/10

CONGO CROSSING

„Well, the Belgians will need a chief of police too.“

Congo Crossing (Blutroter Kongo) ~ USA 1956
Directed By: Joseph Pevney

Congotanga, eine kleine, politisch autarke, westlich-abgespaltene Region des kongolesischen Staatsterritoriums, liefert keine Kriminellen aus. Daher gilt das Fleckchen auch als Paradies für halbseidene Flüchtlinge aus Europa, die allenthalben per Flugzeug hier ankommen und vor Ort versuchen, sich mit krummen Geschäften über Wasser zu halten. Der sich geflissentlich überfordert gebende Polizeichef Colonel Arragas (Peter Lorre) hält den status quo mit leidgeprüfter Miene aufrecht. Wahrlich unter den Zuständen zu leiden hat jedoch der aufrechte Arzt Dr. Gorman (Rex Ingram), der versucht, sein Urwaldkrankenhaus am Laufen zu halten, derweil Gangsterboss Rittner (Tonio Selwart) sämtliche seiner Medikamentenlieferungen abgreift und weiterverkauft. Der Landvermesser David Carr (George Nader) indes versucht Gorman zu helfen und findet insgeheim die passende Methode: Weil ein Kongo-Zufluss den natürlichen Lauf verändert, verschöbe sich auch die Staatsgrenze zu Belgisch-Kongo, womit Gormans Krankenhaus auf sicherem Terrain läge. Rittner versucht mit aller Gewalt, an Carrs Karten zu kommen. Jener wiederum muss sich zudem noch mit der Mordverdächtigen Louise Whitman (Virgina Mayo) abplagen sowie dem geldgierigen O’Connell (Michael Pate), der bei Bedarf über Leichen geht…

Den unübersichtlichen Anschein, den obige Synopse hinterlassen mag, bestätigt Joseph Pevneys „Congo Crossing“ eigentlich kaum. Der inmitten einer gewaltigen Flut kleinerer Universal-Produktionen der fünfziger Jahre entstandene Abenteuerfilm gefällt sich schlicht darin, eine Vielzahl ominöser Charaktere in seinen narrativen Schmeltiegel zu werfen und gründlich auszukochen. Nicht nur infolge des Auftritts von Peter Lorre lässt das Szenario häufig an „Casablanca“ denken und dessen schurkenaffine Noir-Atmosphäre, die auch „Congo Crossing“ trotz seines (behaupteten) Afrika-Dschungel-Ambientes vorschützt. Gut, Lorre wäre hier, seine unnachahmliche Präsenz berücksichtigend, eher das Pendant zu Claude Rains‘ Polizeipräfekt Renault und die Liebesgeschichte zwischen Nader und Mayo kommt deutlich pulpiger daher, aber ansonsten passt die schwitzige Menagerie zwilichtiger bis übler Gesellen recht genau.
Pevney, einer der vielen zuverlässigen Routiniers seiner produktiven Ära, der als Schauspieler am Theater begann, ab 1950 in die Filmregie wechselte und erst 2008 im gesegneten Alter von 96 Jahren verstarb, war überhaupt stark darin, kostengünstiges, ehrliches Leinwandhandwerk zu zimmern, ohne den oftmals gewaltigen Putz der A-Garde aufzutünchen. „Man Of Thousand Faces“, eine vergleichsweise aufwändige Lon-Chaney-Biographie mit James Cagney in der Titelrolle, hätte Pevneys Prestige und Marktwert deutlich aufmöbeln sollen, blieb jedoch eine Fußnote. In seinen insgesamt zweiunddreißig Regiearbeiten, vornehmlich Genrefilmen jedweder Couleur, standen ihm dennoch meist ordentliche Besetzungen und trefflicher Stabsupport zur Seite. Wie viele Kollegen ereilte ihn gegen Ende der sechziger Jahre das branchenübliche Schicksal, nurmehr Episoden für TV-Serien (darunter allein vierzehn „Star Trek“-Folgen) inszenieren zu können, was in Anbetracht flotter Kost wie „Congo Crossing“ durchaus bedauernswert anmutet.

7/10

THIRTEEN LIVES

„Can we go out now?“

Thirteen Lives (Dreizehn Leben) ~ UK 2022
Directed By: Ron Howard

Der Tham Luang–Khun Nam Nang Non-Waldpark, Thailand, 2018: Aus einer Hals über Kopf geborenen Abenteueridee begeben sich zwölf Kids eines lokalen Jugend-Fußballteams mitsamt ihrem Trainer in das örtliche Gebirgshöhlensystem. Der urplötzlich einsetzende Monsun sorgt dafür, dass die dreizehn jungen Männer in einer Kaverne eingeschlossen werden und nicht wieder herauskönnen. Bald darauf schlussfolgert die örtliche Polizei den Verbleibsort der mittlerweile vermisst gemeldeten Gruppe. Im Zuge einer groß angelegten, waghalsigen Rettungsaktion vor globalem Medienecho können sämtliche Verunglückten nach fünfzehn Tagen Gefangenschaft befreit werden.

Ähnlich wie seinen Künstlerkollegen und Berufsgenossen Clint Eastwood und noch andere arrivierte Filmemacher veranlassen Ron Howard allenthalben authentische Begebenheiten – Katastrophen, Rettungen, Helden, große und kleine Wunder – zu neuerlichen Kreativprozessen. „Thirteen Lives“ befasst sich (in dem Vernehmen nach höchst akkurater Weise) mit der spektakulären Rettung dreizehn in einer überfluteten Höhle in der thailändischen Chiang-Rai-Provinz eingeschlossener Unglücksopfer. Zwei erfahrene englische Taucher, Rick Stanton und John Volanthen, im Film gespielt von den publikumsvertrauten Gesichtern Viggo Mortensen und Colin Farrell, gelang es mithilfe weiterer Kollegen und unter denkbar schwierigsten Bedingungen und nach langer Vorbereitung, die gesamte Fußballmannschaft binnen drei Tagen herauszuholen. Die geschwächten Jungen mussten zunächst sediert und anästhesiert, hernach noch fixiert und ohne Bewusstsein von einem Begleittaucher durch die engen, völlig verschlammten Tauchgänge bis zum Ausgang transportiert werden. Zuständig für die korrekte Medikation war Stantons und Volanthens Bekannter Richard Harris (Joel Edgerton), selbst ein erfahrener Höhlentaucher und berufsmäßiger Anästhesist. Das gesamte Procedere erwies sich sowohl als verzweifeltes Vabanque-Spiel wie auch als Pionierleistung auf seinem Gebiet. Eine andere Möglichkeit, die Gefangenen noch rechtzeitig lebend zu bergen, hätte es de facto nicht gegeben; die Risiko- und Verlustoptionen mussten nüchtern und objektiv gegeneinander aufgewogen werden.
Daran, dass Howards Inszenierung und das von dem diesbezüglich erfahrenen Scriptautoren William Nicholson adaptierte, klaustrophobische Geschehen formaltechnisch einwandfrei umgesetzt werden würden, sollten angesichts der jeweiligen Meriten a priori kaum Zweifel bestehen. Entsprechend gewogen darf man dem durchweg sorgfältig gefertigten, spannenden Resultat gegenüberstehen, zumindest, wenn man ein Faible für dramaturgisiertes storytelling aufbringt. Diesbezüglich besteht „Thirteen Lives“ als profunder Gattungsbeitrag, der sich gerade so wichtig nimmt, wie es seinem Sujet gebührt. Dabei erweisen sich kleine Bedenklichkeitsschlenker wie die Kaprizierung auf den Klimawandel als Katastrophenbeschleuniger oder die latente Unterdrückung der (staatenlosen) Wa-Minderheit als relativ leicht verschmerzbare Nebenerscheinungen. In Anbetracht der Faktenumsetzung mit etablierten westlichen Stars wurden zudem teils antizipierbare, kritische Stimmen vernehmbar, die eine mögliche White-Savior-Glorifizierung als hollywood-obligate Rassismusinsinuierung vermuteten. Ob man diesen Verdächtigungen Recht zuspricht, scheint mir letzten Endes (einmal mehr) unerheblich, denn die vorhandenen Tatsachen sprechen unumstößlich für sich und dem Film dürfte ohnedies kaum an derlei Plumpheiten gelegen sein. Möge ein/e jede/r die heuer sowieso unvermeidliche Wokeness-Goldwaage für sich selbst austarieren.

8/10

PREY

„I’m smarter than a beaver.“

Prey ~ USA 2022
Directed By: Dan Trachtenberg

Die Great Plains, 1719. Das Komantschenmädchen Naru (Amber Midthunder) ist mir ihrem determinierten Sozialstatus als Heilerin alles andere als glücklich. Vielmehr will sie sich als geschickte Jägerin beweisen, ganz wie ihr Bruder Taabe (Dakota Beavers), dessen Freunde bloß Spott für Narus Ambitionen hegen. Schon bald bekommt Naru jedoch hinreichend Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren – sie muss sich gegen einen Predator (Dane DiLiegro) zur Wehr setzen, der das gesamte Territorium zu seinem Jagdrevier macht und nicht nur Narus Stammesbrüder dezimiert, sondern auch eine Gruppe von Voyageurs, die sich in der Gegend aufhalten. Schließlich ist es ausschließlich an Naru, dem ruppigen Alien Einhalt zu gebieten.

Die Vorschusslorbeeren für diesen, exklusiv bei Hulu bzw. Disney+ gestarteten, jüngsten Beitrag zum „Predator“-Franchise waren ja doch recht beträchtlich – so hieß es etwa, Trachtenbergs Film könne es durch die Darbietungen seiner Eins-Zu-Eins-Duellsituation sowie seines Wald-/Wiesen-Settings sogar mit John McTiernans mittlerweile 35 Jahre altem Original aufnehmen. Nun sind derlei Lobpreisungen rund um den Premierentermin keine Seltenheit und relativieren sich in der Regel recht bald. Auch „Prey“ wird es dereinst so gehen, denn natürlich hält er erwartungsgemäß keinem Vergleich mit „Predator“ Stand. Gewiss mag man den Einfall, einen historischen Überbau für das storytelling zu wählen, grundsätzlich schätzen, zumal die zuletzt zum grenzalbernen Spektakel aufgeblähte Reihe diesbezüglich bereits arg ins Schleudern zu geraten drohte. Dennoch nimmt sich „Prey“ schon infolge seiner Protagonistin eher wie ein mit sanften Gänsehaut-Avancen liebäugelnder Abenteuerfilm für ein dezidiert jugendliches Publikum aus, der die einst von McTiernan so vortrefflich sezierten Genrewurzeln gezielt konterkariert und stattdessen so gänzlich wie ironiebefreit auf Gegenwartsbezüge setzt. J. F. Cooper mit Außerirdischem, gewissermaßen. Längst umweht den Predator, eine popkulturell ja komplett etablierte Gestalt, schon nicht mehr der Hauch des Monströsen oder gar Geheimnisvollen; seine Ziele sowie seine technologischen Fertigkeiten sind hinlänglich bekannt und lediglich ein paar neue Gadgets unterscheiden den hier auftretenden Extraterrestrier von seinen Vorgängern. Umso weniger bedrohlich wirkt seine Präsenz. Ansonsten kreist das Narrativ des Films um Zivilisationskritik (die Franzosen, ohnehin eine durchweg garstige Meute, schlachten eine Büffelherde ab und charakterisieren sich dadurch als noch weitaus schlimmer und barbarischer denn der Predator), Coming of Age und Genderdiskurse, die es, so versichert uns „Prey“, auch schon bei den American Natives vor 300 Jahren gab und die dort ähnlich schwer zu lösen waren wie heute, ohne sich dabei allerdings um sonderliches Geschick zu bemühen. Zudem verkneift sich das Script Redundantes ebensowenig wie Unpassendes. Ich bin sonst kaum interessiert an der (realististischen) Qualität von CGIs, aber die hier vorliegenden kamen selbst mir recht unorganisch vor und ließen mich einmal mehr wehmütig an den (zudem erst jüngst nochmal geschauten) Urfilm denken und mit welch rundum perfektionierter Finesse dieser, zumal im direkten Vergleich, doch gestaltet ist.

6/10

THOR: LOVE AND THUNDER

„It’s hammerin‘ time!“

Thor: Love And Thunder ~ USA/AUS 2022
Directed By: Taika Waititi

Wie sich zuvor bereits abzeichnete, verträgt sich die mehr und mehr ausufernde Hybris des mittlerweile wieder in körperlicher Bestform befindlichen Thor Odinsohn (Chris Hemsworth) nicht allzu gut mit den pausenlosen Egotrips von Peter Quill (Chris Pratt) und denen der übrigen Guardians Of The Galaxy – umso leichter fällt beiden Fraktionen [Thor wird weiterhin begleitet von seinem felsigen, treuen Bro Korg (Taika Waititi)] der Abschied voneinander. Ein Hilferuf führt den Donnergott a.D. zu seiner früheren Gespielin Sif (Jaimie Alexander) – diese hat im Kampf gegen den rachsüchtigen, dämonenhaften Gorr (Christian Bale) einen Arm eingebüßt – und dann weiter nach New Asgard auf der Erde. Dort begegnet Thor neben Valkyrie (Tessa Thompson) auch seiner alten Liebe Jane Foster (Natalie Portman) wieder, die nunmehr als „Lady Thor“ den wieder zusammengesetzten Mjölnir schwingt. Gemeinsam macht man sich an die Verfolgung Gorrs, der eine größere Gruppe von Kindern aus New Asgard entführt hat und damit einen ganz bewussten Köder legt: Gorr, dessen Ziel darin besteht, sämtliche Götter des Universums hinzuschlachten, benötigt nämlich Thors Streitaxt Sturmbringer. Jene vermag nämlich eine Regenbogenbrücke zu der kosmischen Entität Eternity, welche einem seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, zu schlagen…

Die Marschrichtung, die sich im letzten Thor-Abenteuer „Ragnarok“ bereits so überdeutlich abzeichnete, verfolgt Regisseur Taika Waititi mit „Love & Thunder“ nur umso konsequenter weiter – er überführt den einstmals biernen Ernst der Figur und der sie umwabernden Mythologie endgültig auf das Terrain der Komödie. Für Hauptdarsteller Hemsworth nebenbei ein regelrechtes Familienunternehmen, bestimmen nunmehr quirkiness, queerness und camp den Duktus des jüngsten MCU-Kinobeitrags, in dem der schöne Ase vollends zur Selbstpersiflage geführt wird. Selbstherrlich, arrogant und nicht allzu intelligent gelingt es Odinsohn, kaum eine Heldentat ohne kleinere oder größere Katastrophen zu vollbringen, vom freilich nach wie vor der alten Dramatik verpflichteten Showdown gegen Gorr gewiss abgesehen. Nachdem bereits die meisten der jüngeren MCU-Zuwächse von stetig wachsender Ironie und Spaßverpflichtung geprägt waren, lässt Waititi nunmehr die blanke Absurdität triumphieren, indem er pausenlos Einfälle abfeuert, die den Titelhelden und seinen bisherigen Leinwand-Werdegang karikieren und dekonstruieren. Garantiert keine pathetisch geschwungene Rede, die nicht irgendwie ausfranst und nach hinten losgeht, garantiert kein machistischer Wesenszug, der ungesühnt bleibt. Seinen Gipfel erreicht das Ganze in jener in mehrerlei Hinsicht zentralen Sequenz, in der Thor und seine GefährtInnen in die Allmachtsstadt reisen, den interdimensionalen Göttertreff, um dort die Hilfe von Zeus (Russell Crowe) persönlich zu ersuchen. Jener erweist sich als spaßsüchtiger, aufgedunsener alter Filou mit Hang zur Clownerie, der sich lediglich auf die nächste Orgie freut, dabei jedoch keinerlei Interesse hegt, gegen einen Götterschlächter mit Nekroschwert ins Feld zu ziehen. Den frech protestierenden Thor macht er darauf kurzerhand zum unfreiwilligen Chippendale. Das Ganze erinnert in Aufzug, Visualisierung und grotesker Narration – wohl kaum von ungefähr – an Mike Hodges‘ seligen „Flash Gordon“, respektive jene unnachahmliche Szene in Imperator Mings Thronsaal, in der man American Football spielt. Es würde mich demnach kaum wundern, wenn „Love And Thunder“ ein ganz ähnliches Schicksal wie einst auch diese Preziose erleiden sollte; Thor Nr. 4 macht es großen Teilen seines prinzipiell avisierten Publikums infolge seiner gnadenlos parodistischen Agenda nämlich nicht eben leicht. Selbst dem Nebenschauplatz Brustkrebs, der die arme Jane Foster ereilt und der gerade durch deren Nutzung Mjölnirs besonders fatale Ausmaße animmt, wird im Grunde kaum der gebührende Ernst eingeräumt. Schließlich muss man sagen, dass die „Guardians“-Reihe den Einsatz klassischer Rocksongs wesentlich einfallsreicher handhabt. Viermal Guns N‘ Roses (freilich in denkbar offensichtlichster Präsentation) und einmal Dio (zum Abspann) erfordert jedenfalls keine sonderlich sorgfältige Kuratierung.
Möglicherweise ist „Thor: Love And Thunder“ einfach ein Film, dem noch eine größere Zukunft beschieden ist; kommende Generationen von Filmhistorikern werden in ihm vielleicht das reaktionäre Produkt einer globalen Depression als Zeitzeichen ausmachen oder seinen Status innerhalb des MCU als stilistische Initiallösung oder thematische Zäsur analysieren. Gegenwärtig pendeln meine Eindrücke wohlwollend irgendwo zwischen „nett“ und „amüsant“.

7/10

ETERNALS

„When you love something, you protect it.“

Eternals ~ USA 2021
Directed By: Chloé Zhao

Zehn nicht alternde, außerirdische Superwesen – Ajak (Salma Hajek), Ikaris (Richard Madden), Sersi (Gemma Chan), Thena (Angelina Jolie), Kingo (Kumail Nanjiani), Phastos (Bryan Tyree Henry), Gilgamesh (Dong-seok Ma), Druig (Barry Keoghan), Makkari (Lauren Ridloff) und die ewig in einem Kinderkörper gefangene Sprite (Lia McHugh) – die Eternals, wurden vor 7000 Jahren auf die Erde gesandt, um die Menschen vor den Deviants, ebenfalls extraterrestrischen, monströsen Kreaturen zu beschützen und so die ungestörte Entwicklung des homo sapiens zu gewährleisten – zumindest glauben die meisten von ihnen das. Tatsächlich, so müssen die verbliebenen Eternals in der Gegenwart nach dem unerwarteten Tod ihrer Anführerin Ajak erfahren, dient ihre Anwesenheit auf dem Planeten einem ganz anderen Zweck: Geschaffen als künstliche Handlanger der gottgleichen Celestials, kosmischer Entitäten, die die Geschicke des Universums lenken, liegt die heimliche Aufgabe der Eternals darin, die Geburt eines weiteren Celestials, Tiamut, der seit Äonen im Erdinneren seiner Erweckung harrt, vorzubereiten. Die ebenfalls von den Celestials kreierten Deviants dienen dabei eigentlich als reines Ablenkungsmanöver, doch auch einer von ihnen, Kro (Bill Skarsgård), durchlebt eine rasche Evolution, indem er sich die Essenz der toten Ajak einverleibt. Als die heuer in London lebende Sersi durch eine telepathische Brücke von Ajak und den hernach folgenden Kontakt zum Celestial Arishem die Wahrheit über ihr Hiersein erfährt, beginnt eine verlustreiche Schlacht um das Schicksal der Welt.

Der stilprägende Autor und Zeichner Jack Kirby, vielleicht etwas vollmundig auch als „William Blake der Neunten Kunst“ hofiert, der gemeinsam mit Stan Lee im Silver Age für einige der wichtigsten Kreationen der Marvel Comics verantwortlich zeichnete, genoss nicht zuletzt aufgrund seines überwältigenden Renommees in der Szene in den Siebzigern umfassende künstlerische Narrenfreiheit, wenngleich er selbst sich von seinem Hausverlag zwischenzeitlich unfair behandelt wähnte. Diese gestattete es ihm, sowohl für die Konkurrenz von DC als später dann auch für Marvel, einige höchst eigenwillige, überbordernde high concept cosmic operas mit psychedelischem Anstrich zu schaffen, die zunächst jeweils kommerziell erfolglos blieben, in beiden Comic-Universen jedoch ein bis in die Gegenwart reichendes Echo hinterließen. Im Falle Marvel handelte es sich dabei um die Eternals, weithin in cognito lebende, uralte Beschützer aus dem All, die wiederum von den übermächtigen Celestials geschaffen wurden. Die wahren Hintergründe ihrer Existenz wurden dabei in den Folgejahrzehnten von anderen Autoren unregelmäßig immer wieder aufgegriffen, erweitert und ausgebaut. Es erstaunt nicht wenig, dass ausgerechnet diese inhaltlich sperrigen, wenig zeitgemäßen Figuren für ein Werk der jüngsten MCU-Phase adaptiert wurden und auch das dazugehörige, filmische Resultat vermag jene Verwunderung auf den ersten Blick kaum auszuhebeln. Die Bezüge zwischen den Eternals/Celestials und dem restlichen Marvel-Universum dürften vonehmlich emsigen Comicphilologen geläufig sein und wirken hinsichtlich des zwar zunehmend komplexer werdenden, aber noch überschaubaren MCU-Narrativs vermutlich eher befremdlich. Für die Regisseurin Chloé Zhao dürften derlei akademische Spitzfindigkeiten allerdings ohnehin bestenfalls nebensächlich gewesen sein; sie bemüht sich redlich, ihren inszenatorischen Einstieg ins big business halbwegs amtlich über die Runden zu bringen und schafft dies nach meinem Dafürhalten auch in zufriedenstellender Weise zumindest für Zuschauer, die der optionalen, mythologischen Geräumigkeit des Konzepts MCU offen gegenüberstehen. Zhao als Co-Scriptorin interessiert sich vornehmlich für gesellschaftsrelevante Gegenwartsbezüge in Form gezielt installierter Diversität und die philosophischen Dimensionen, die die Eternals umwabern: bei ihr nimmt sich der kosmische Genpool ostentativ multiethnisch aus, Ajak, Makkari und Sprite wechseln ihr Geschlecht von männlich zu weiblich (womit das ursprüngliche Geschlechterverhältnis der Gruppe von 8:2 zu 50/50 changiert) und zumindest Phastos (im Film zudem kein muskulös gezeichneter Adonis, sondern unglamourös übergewichtig) lebt heuer offen homosexuell. Der strahlend-engelsgleich erscheinende Ikaris, ein unzweideutiges Pendant zu DCs Superman, entpuppt sich als der im Kern misanthropische, sein determiniertes „Schicksal“ als willfähriger Wegbereiter der Apokalypse ungerührt ausführender Holzkopf (ein Image, mit dem das Original ja seit eh und je konfrontiert wird), Kingo genießt seinen etwas albern anmutenden, popkulturellen Ruhm als Bollywood-Ikone und Druig pflegt die offene Rebellion gegen sein zur Passivität verdammtes Schicksal. Erstaunlicherweise gelingt es Zhao binnen der zweieinhalb Stunden Erzählzeit recht gut, fast all diesen Charakteren (einzig Gilgamesh und Makkari, zwei eigentlich doch sehr interessante Mitglieder der Eternals, bleiben bedauernswert unterentwickelt) eine hinreichend greifbare Basis nebst Weiterentwicklung zu verschaffen. Keinesfalls unintelligent strukturiert, vermag der Film ferner, die von steten Selbstzweifeln überlagerte, millenienlange Anwesenheit der Eternals auf der Erde mittels kompakt gefasster, welthistorischer Stationen zusammenzufassen. Außerdem wird endlich Dane Whitman (Kit Harrington) aka der zweite (gute) „Black Knight“ eingeführt, einer meiner Lieblingshelden seit Kindertagen, der hoffentlich in Kürze komplett berüstet und mit seinem geflügelten Ross Aragorn durch die MCU-Lüfte segeln wird. Die naturgemäß vornehmlich um Scharmützel mit den Deviants kreisenden Actionsequenzen bieten mediokren MCU-Standard und besitzen freilich nicht den choreographischen Schmiss einer perfekt inszenierten Avengers-Schlacht, aber auch das dürfte Chloé Zhao am Allerwertesten vorbeigehen. Für semiorgiastisch-geekige Glücksmomente sorgen natürlich wieder die Abspann-Einsprengsel: Thanossens diametral orientierter Bruder Eros/Starfox (Harry Styles) und Pip, der Troll (Patton Oswalt) vollziehen ihre überraschende Premiere; den neuen Blade (Mahershala Ali) kann man ganz zum Ende wenigstens schonmal akustisch genießen.
Nach „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ hält die Qualitätsdemarkation jedenfalls ihr Niveau und euer Chronist ist, wenn schon nicht vollends begeistert, so doch (wiederum) satt und zufrieden.

7/10

THE GREEN KNIGHT

„I fear I am not meant for greatness.“

The Green Knight ~ IE/UK/CA/USA 2021
Directed By: David Lowery

Gawain (Dev Patel), Neffe von König Artus (Sean Harris), mag sich den Gepflogenheiten eines standesgemäßen Ritterdaseins noch nicht stellen. Lieber verbringt er seine Zeit in Bordellen und Tavernen oder mit seiner Lieblingsmetze Essel (Alicia Vikander). Um Gawains Würde für einen Platz in der Tafelrunde des Königs auf die Probe zu stellen, beschwört seine Mutter (Sarita Choudhury) ein übernatürliches Wesen, den Grünen Ritter (Ralph Ineson), herauf. Dieser erscheint am Weihnachtsabend in Artus‘ Thronsaal und bietet den Anwesenden an, einen Streich an ihm auszuführen. Der Herausgeforderte müsse jedoch genau ein Jahr später die Grüne Kapelle aufsuchen und dort exakt denselben Hieb durch den Grünen Ritter entgegennehmen. Gawain enthauptet den Ritter daraufhin mit dem Schwert Excalibur und wird als Held gefeiert. Seine eigentliche Prüfung steht ihm jedoch noch bevor, in Form der elf Monate später beginnenden Queste, allerdings nicht, ohne sich eines Schutzzaubers in Form eines von seiner Mutter hergestellten, magischen Gürtels zu bedienen…

David Lowerys jüngste Regiearbeit ist eine sehr besonders gestaltete Adaption des mittelenglischen Textes „Sir Gawain And The Green Knight“, der als eine der Weiterführungen der traditionellen Artus-Geschichten fungierte. Darin findet sich neben einer Vielzahl mythologischer Aspekte im Wesentlichen die Kernweise um die Stabilität ritterlicher Ideale im Angesicht vielgestaltiger Versuchung. Auf seiner Queste nach der Grünen Kapelle und damit der Erfüllung seines eigenen Schicksals muss sich Gawain hinterlistiger Wegelagerer erwehren, die ihn um fast all sein mitgeführtes Hab und Gut erleichtern, er begegnet der kopflosen Geisterfrau Winifred (Erin Kellyman), die ihn um ihre Erlösung ersucht, schließt Bekanntschaft mit einem zutraulichen Fuchs und landet in der Burg eines gastfreundlichen adligen Ehepaars, von dem der Mann (Joel Edgerton) die meiste Zeit mit der Jagd verbringt, während die Frau (Alicia Vikander) Gawain offene Avancen macht. Schließlich steht dieser, am Ende seines spirituellen Weges angelangt, vor dem Grünen Ritter, der von Gawain seine Revanche fordert. Eine letzte Vision trägt ihn, nachdem er dem Todeshieb des Ritters mithilfe seines Zaubergürtels entgehen kann, in eine oberflächlich zwar glorreich scheinende, für ihn persönlich aber doch tiefunglückliche Zukunft voller Ausflüchte und Verlogenheit. Daraufhin entledigt sich Gawain des Gürtels und erwartet sein Schicksal.
Während sich in der originallen Moritat der Grüne Ritter als verwandelter Burgherr entpuppt und Gawain, der fortan seinen Ruhm, sich dem Unausweichbaren tapfer gestellt zu haben, lachend mit jenem Gewissen ziehen lässt, endet der Film mit einem unzweifelhaft versprechenden „Off with the head“ durch den Grünen Ritter, Gawain und mit ihm das Publikum im Ungewissen zurücklassend. So rätselhaft wie jener Abschluss gestaltet sich der gesamte Film, der, was kaum verwundert, verliehen und coproduziert wurde durch das bereits sehr für sein oftmals eigenwilliges Œuvre bekannten, noch jungen Studios A24. „The Green Knight“ spielt mit allem, was ihm unter die Finger gerät; mit der Historie, die sich selbst im Rahmen eines mittelalterlichen Fantasystücks kaum auhentisch, sondern als eklektisch-verschrobenes Realitätskonstrukt erweist; mit seinen Figuren, die einen durchweg metaphorischen bis symbolischen Charakter einnehmen und bewusst kaum mit Namen versehen sind sowie natürlich mit dem Ursprungstext, dessen latente Ironie er aufgreift und in ein vorsätzlich diffizil arrangiertes Kunstwerk der Gegenwart transponiert. Fernab jedweder leichten Konsumierbarkeit erweist sich Lowerys vordergründig lehranekdotenhaft erzählter Film als ebenso großes Paradoxon wie sein Erzählgegenstand: er ist unzugänglich, ohne sperrig und verrückt ohne wirr zu sein. Seinem Rezeptionszirkel macht es „The Green Knight“ alles andere als einfach. Er verlangt ihm im Gegenteil ein hohes Maß an Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung ab, belohnt ihn im Gegenzug jedoch (nicht nur) mit ausgesuchter visueller Pracht und bildnerischer Schönheit.

8/10

ROB ROY

„Honor is a man’s gift to himself.“

Rob Roy ~ UK/USA 1995
Directed By: Michael Caton-Jones

Schottland, 1713. Während das altehrwürdige Clansystem allmählich zerfällt, spielt der als Rob Roy bekannte Hochland-Patriarch Robert Roy MacGregor (Liam Neeson) den Privatpolizisten für den Edelmann Marquess of Montrose (John Hurt). Nachdem er eiune gestohlene Rinderherde zurückbringen kann, erbittet MacGregor einen stolzen Kredit beim Marquess, um sich selbst einen Viehbestand zulegen und diesen hinterher wieder gewinnbringend veräußern zu können. Doch Montroses gieriger Verwalter Killearn (Brian Cox) und die exzentrische Hofschranze Archibald Cunningham (Tim Roth) durchkreuzen MacGregors Pläne, töten den Geldboten (Eric Stoltz) und kassieren die geliehene Summe selbst. Der über den Verlust ungehaltene Marquess nötigt MacGregor, den Herzog von Argyll (Andrew Keir) als Jakobiten zu verleumden, was dieser jedoch ablehnt und sich somit Montrose zum Intimfeind macht. MacGregor flüchtet in die Berge, derweil Cunningham dessen Frau Mary (Jessica Lange) vergewaltigt und seinen Besitz niederbrennt. Später kommt noch MacGregors aufsässiger, jüngerer Bruder (Brian McCardie) zu Tode. Erst die Intervenierung des Herzogs sorgt für MacGregors Freispruch und gibt ihm die Chance zur Rache an Cunningham.

Im unabdingbaren Vergleich mit Mel Gibsons oscarprämiertem, im selben Jahr entstandenem Mittelalter-Epos „Braveheart“ erwies sich die Publikumsaufmerksamkeit um die gut 4 Jahrhunderte später angesiedelte, ebenso prominent besetzte Mär um einen weiteren schottischen Geschichtshelden und Aufständischen als eher instabil. Tatsächlich geht Caton-Jones wesentlich weniger grell und flamboyant zu Werke; die von Gibson präservierte, in vielerlei Hinsicht mediävistische Heldenverehrung seines in Schlachtfeldblut watenden Titelhelden William Wallace weicht einem eher traditionell erzählten Abenteuerstoff, der in ähnlicher Auprägung auch zwanzig oder dreißig Jahre früher seinen Weg auf die Leinwand hätte finden mögen. Das Konzept „Musketen statt Breitschwertern“ geht in diesem Zusammenhang nur bedingt auf: mit Ausnahme des von Tim Roth vorzüglich-überkandidelt gespielten Adelsgünstlings und Bösewichts Cunningham, der mit seiner sadistischen, fiesen Charakteristik im Grundsatz ebenso vortrefflich in das Figurenensemble von „Braveheart“ gepasst hätte, bewegt sich alles in einem wohlbewährten Rahmen, der im Irgendwo zwischen cleaner Highland-Romantik und Robin-Hood-Varianz changiert. Freilich geriert das finale Klingenduell der beiden Antagonisten nicht von ungefähr zur unangefochtenen Klimax. Neeson war in dieser Karrierephase beinahe schon darauf abonniert, markige historische Persönlichkeiten dazubieten, seien es Oskar Schindler, Michael Collins oder Jean Valjean. Entsprechend routiniert fällt auch seine vorliegende Leistung aus, die im Großen und Ganzen ironischerweise als farbloseste von den für „Rob Roy“ wesentlichen bezeichnet werden kann. Carter Burwells Dudelsäcke dröhnen sich derweil mit Volldampf durch die knapp 140 zumindest bildgewaltigen Minuten, die alles in allem jedoch den kraftvollen Narzissmus sowie das brachial-verkitschte Selbstverständnis eines entfesselten Mel Gibson ermangeln.

7/10

CAPTAIN FROM CASTILE

„God’s love is a heavy burden.“

Captain From Castile (Der Hauptmann von Kastilien) ~ USA 1947
Directed By: Henry King

Kastilien im Jahre 1518. Der Edelmann Pedro De Vargas (Tyrone Power) gerät in einen Konflikt mit seinem Nachbarn Diego De Silva (John Sutton), einem ruchlosen Emporkömmling. Um einem Duell aus dem Wege zu gehen, nutzt De Silva seine Verbindungen zur Inquisition und lässt Pedros gesamte Familie wegen Ketzerei einkerkern. Seine kleine Schwester Mercedes (Dolly Arriaga) stirbt den Foltertod und er selbst schwört blutige Rache. Mithilfe eines neuen Freundes, des Schurken Juan Garcia (Lee J. Cobb) können Pedro und seine Eltern (Antonio Morena, Virginia Brissac) dem Gefängnis entfliehen. Pedro, Juan und das arme Waisenmädchen Catana (Jean Peters) gelingt es, sich nach Kuba abzusetzen, wo sie sich dem Eroberer Hernán Cortés (Cesar Romero) anschließen, der just einen Eroberungszug in Mexiko plant. Nur sehr zögerlich gewinnt Pedro das Vertrauen Cortés‘, das auf eine neuerlich harte Probe gestellt wird, als der totgeglaubte De Silva in Mexiko auftaucht, um auch dort die Santa Hermandad voranzutreiben…

Dieses ausufernde, kostbare Epos, eine der vielen Kollaborationen des dream team King/Power für die Fox, zählt zugleich zu den schönsten Arbeiten des Regisseur-Hauptdarsteller-Gespanns. Unter Befleißigung crispen Technicolors und überlanger Fabulierkunst erzählt „Captain From Castile“ die erste Hälfte des gleichnamigen Erfolgsromans von Samuel Shellabarger nach, das den Eroberungszug des Konquistadoren Cortés gegen den Aztekenkönig Moctezuma aus der Sicht eines unfreiwilligen religiösen Flüchtlings schildert. In der seinen Filmen nicht selten üblichen Mischung aus wildromantischem Abenteuer und pathetischem Schicksalsbericht entwirft King ein erlesen photographiertes, glänzend ausgestattetes Imperialismuspanorama, das einerseits gegen die Willkür der Inquisition wettert und auf der anderen Seite den Eroberungsdurst der Conquista romantisiert. Cesar Romero spielt den goldgierigen Cortés als breit grinsenden, flamboyanten Abenteurerburschen, dessen unbeugsamer Siegeswille auf dem Terrain der Neuen Welt, so in etwa die Metathese, langfristig mit dazu führte, dass Kings Film runde vierhundert Jahre später überhaupt entstehen konnte. Power als Protagonist und strahlender Titelheld trägt das Ganze souverän über die volle Erzähldistanz, doch erst schillernde Nebencharaktere wie der von Cobb glänzend dargebotene Garcia, der eherne Padre Romero (Thomas Gomez) oder der bucklige Glücksritter Professor Botello (Alan Mowbray) reichern den Film um seinen wahren Charme an.
Ein Bravourstück alter Schule, das den verblassten Glanz goldener Hollywoodtage auf das Formidabelste präserviert.

9/10

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TEN RINGS

„Welcome to the circus.“

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings ~ USA/AUS 2021
Directed By: Destin Daniel Cretton

Wie seine jüngere Schwester Xialing (Meng’er Zhang) stammt Shang-Chi (Simu Liu) aus der märchenhaften Verbindung des uralten Eroberers und Meisters der Zehn Ringe, Xu Wenwu (Tony Leung), und der aus der magischen Zwischendimension Ta Lo stammenden Wächterin Li (Fala Chen). In San Franciscos Chinatown lebt Shang-Chi, seine Vergangenheit ignorierende, unter dem unverbindlichen Alias Shaun ein unspektakuläres Leben als Servicekraft – bis sich sein Vater auf brutale Weise zurück in seine Existenz mischt. Der trauernde Xu Wenwu glaubt, einen Hilferuf seiner bereits vor Jahren getöteten Li aus Ta Lo zu vernehmen. Dass sich dahinter tatsächlich ein weltenbedrohender Seelenfänger-Drache verbirgt, der mit Xu Wenwus Hilfe aus seinem Gefängnis entfliehen will, möchte dieser nicht wahrhaben. Es ist daher an Shang-Chi, seine beträchtlichen Fähigkeiten als Kung-Fu-Meister zu perfektionieren und seinem Vater gemeinsam mit seinen Verbündeten Einhalt zu gebieten, bevor der Seelenfresser den Weg in die Menschenwelt findet.

In der vierten MCU-Phase, die ja zu nicht unerheblichen Teilen auch von ihren bis dato durchweg gelungenen Serials zehrt und lebt, treten nunmehr auch weniger populäre HeldInnen in Aktion, darunter der 1973 debütierte „Master Of Kung Fu“ Shang-Chi. Dieser war, ähnlich wie zuvor Black Panther und Luke „Powerman“ Cage“ als Repräsentanten des new black consciousness, konzipiert als Comic-Antwort auf die vor allem durch Bruce Lee personifizierte Martial-Arts-Welle. Während damals noch diverse Verknüpfungen mit der Pulp-Figur Dr. Fu-Manchu, als dessen Sohn Shang-Chi vorgestellt wurde, in den Vordergrund gerückt wurden, hat der 25. MCU-Film derlei hausbackene Klischees nicht mehr nötig. Tatsächlich scheint man sich – soweit ich als diesbezüglicher Volllaie das beurteilen kann – um die eine oder andere ernstzunehmende Verbeugung vor der reichhaltigen chinesischen Mythologie bemüht zu haben und lässt dazu passend auch manch attraktives Wuxia-Element mit einfließen, freilich nicht, ohne die diversen obligatorischen Zwinkerer Richtung comicgeschultes Publikum zu vergessen. Ganz hübsch nehmen sich etwa die Reaktivierung des verschollen geglaubten Akteurs Trevor Slattery (Ben Kingsley) oder der überraschende Gastauftritt von Emil „Abomination“ Blonsky (Tim Roth) aus. Continuity wird weiterhin groß geschrieben im MCU, auch in der vermeintlichen Peripherie.
„Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ ist resümierend kein wirklich besonderer oder gar großartiger Film, er gefällt jedoch als farbenprächtiges und bildgewaltiges Fantasyspektakel, das auch Kindern Freude bereiten soll und dürfte. Ich persönlich hätte mir im Gegenzug vielleicht einen etwas erwachseneren, möglicherweise finstereren Ansatz gewünscht, aber man kann ja nicht alles haben.

7/10