THE GIFT

„Kids are mean.“ – „Kids are honest.“

The Gift ~ USA 2015
Directed By: Joel Edgerton

Das Ehepaar Simon (Jason Bateman) und Robyn Callem (Rebecca Hall) zieht von Chicago nach Los Angeles, wo Simon einen aufstiegsversprechenden Posten angetreten hat. Während die beiden dabei sind, das neue Haus einzurichten, treffen sie in der Mall auf Gordon Moseley (Joel Edgerton), einen alten Schulkameraden von Simon, an den dieser sich jedoch nicht unmittelbar erinnert. Von diesem Moment an heftet sich Gordon, genannt „Gordo“, immer dichter an das Ehepaar, hinterlässt Geschenke und besucht Robyn häufiger, wenn Simon auf der Arbeit ist. Diesem werden Gordos Aufdringlichkeiten bald zuviel und im Zuge eines etwas seltsam verlaufenden Besuch in dessen Haus macht Simon Gordo klar, dass er ihn und Robyn künftig in Ruhe lassen soll. Obschon Gordo in einem Brief versichert, dass er sich dieem Wunsch fügen wird, kommt es zu immer bedrohlicheren Ereignissen im Haus der Callems: Der Hund verschwindet für ein paar Tage spurlos, Robyn, die meint, einen Fremden im Haus zu sehen, erleidet einen mehrstündigen Blackout. Als sie schließlich schwanger wird – zum zweiten Mal, nachdem sie einst eine stressbedingte Fehlgeburt hatte -, und Simon befördert wird, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Eine Monate später stattfindende, zufällige Begegnung mit Gordo führt dazu, dass Robyn schließlich ihre eigenen Nachforschungen über dessen und Simons gemeinsame Vergangenheit anstellt. Diese offenbaren ihr vor allem eine Erkenntnis: Ihr Gatte ist nicht der Mann, den sie seit Jahren zu kennen glaubt…

Sein Langfilmdebüt als Autor und Regisseur konnte Joel Edgerton bei Blumhouse unterbringen, wobei „The Gift“ sich zumindest auf den ersten Blick durchaus konform in das genregeprägte Portfolio von Jason Blums Company eingliedert. In rein dramaturgischer Hinsicht arbeitet der Film nämlich zuvorderst mit zweierlei durchaus gängigen Suspense-Elementen: Der Evozierung einer von zunehmender Bedrohung geprägten Stalking-Atmosphäre sowie dem sorgsam vorbereiteten twist, der die vormals als halbwegs zuverlässig eingestufte Wahrnehmung der Rezipientenschaft mit der genüsslichen Weisheit der sich allmählich anbahnenden, eigentlich doch längst offensichtlichen Erkenntnis auf den Kopf stellt. Während mit Simon Callem und Gordo Moseley zwei männliche Antagonisten mit gemeinsamer, trüber Vergangenheit, die ganz genau um die sie unweigerlich aneinander schweißenden, lange zurückliegenden Ereignisse wissen, ihr heimliches Katz-und-Maus-Spiel entfesseln, ist man als ZuschauerIn auf die Perspektive der Protagonistin Robyn Callem angewiesen, einer von Rebecca Hall wie gewohnt als selbstbewusste, kluge und sympathische Person gespielten „Frau „woman with issues“. Denn auch diese gibt es, wie sich bald zeigt – Robyn litt vormals unter anscheinend paranoiden Episoden, die die Nutzung starker Beruhigungsmittel erforderten und wohl auch mitverantwortlich waren für den unfreiwilligen Schwangerschaftsabbruch. Der Umzug nach Kalifornien soll demnach auch für sie eine biographische Zäsur mit sich führen – zumindest dürfte dies dem Traum ihres Ehemannes von einem makellosen Familienleben zupass kommen. Doch ist Simon eben nur vorgeblich selbst frei von charakterlichem Dunst. Ob er am Ende, als er, schicksalsbedingter wie moralisch ausgebooteter Verlierer und finale Projektionsfläche seiner Ränkespiele, alles verloren hat, zur große Selbsterkenntnis befähigt sein wird, bleibt fraglich. Wenn jedoch in jüngeren psychologisch gefärbten Medienessays von Narzissten, Sozio- oder Psychopathen und Gaslightern die Rede ist, dann ist zumindest die Publikums-„Analyse“ schnell bei der Hand: Um so einen (oder vielleicht alles auf einmal) handelt es sich auch bei Simon Callem, der zeitlebens rücksichtslos verbrannte Erde hinterlässt, weil er es eben kann.
Simons Demaskierung nun geht, mit Ausnahme des Verlusts von ein paar Koi-Karpfen, stets in halbwegs zivilisierten Bahnen vonstatten; selbst der putzige Haushund Mister Bojangles baumelt nicht wie zunächst befürchtet am Apfelbaum im Garten, sondern kommt einfach zurück. Moseley erweist sich als geschickt genug, seine frühere Nemesis mit den eigenen Waffen zu schlagen, ohne dabei selbst zum Kapitalverbrecher zu werden. Timing und suggestive Verunsicherung genügen. Damit ist „The Gift“ womöglich der cleanste Rachethriller der letzten zehn Jahre.

7/10

HALLOWEEN ENDS

„You’re only a man.“

Halloween Ends ~ USA/UK 2022
Directed By: David Gordon Green

Oktober 2022: Vier Jahre nach Michael Myers‘ (James Jude Courtney) letztem Amoklauf, den damit verbundenen schrecklichen Ereignissen und seinem spurlosen Verschwinden leben Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) sowie ihre Enkelin Allyson (Andi Matichak) gemeinsam im neu hergerichteten Haus von Michaels früherer Familie. Laurie ist es gelungen, ihre Obsession um den „Schwarzen Mann“ mit therapeutischer Unterstützung weitestgehend beizulegen. Sie bemüht sich sogar, Allyson mit einem jungen Mann namens Corey Cunningham (Rohan Campbell) zu verkuppeln – erfolgreich, wie sich bald zeigen soll. Doch Corey schützt eine dunkle Vergangenheit vor: ein drei Jahre zurückliegender Babysitterjob endete mit dem Unfalltod des schutzbefohlenen Jungen (Jaxon Goldenberg). Seither gilt Corey als gemiedener Außenseiter in Haddonfield. Ein gemeinsamer Besuch mit Allyson bei einer Maskenparty endet für Corey katastrophal und beinahe tödlich als er schließlich Michael Myers begegnet. Der Wahnsinnige erkennt in dem unsicheren Sonderling eine verwandte Seele und lässt ihn zunächst ziehen. In den kommenden Tagen bekommt es die kleine Stadt mit zwei geisteskranken Mördern zu tun…

Wie bereits die beiden Vorgänger von David Gordon Greens höchst privater „Halloween“-Sequel-Trilogie, „Halloween“ und „Halloween Kills“, müht sich auch „Ends“ um eine diskursive Durchbrechung tradierter Slasher-Prinzipien und versucht, das klassische Subgenre um die Akzentuierung bislang weniger beachteter Topoi anzureichern. So spielen im Finale die seelischen Narben der abermals tiefversehrten Kleinstadt Haddonfield eine wesentliche Rolle, nebst den kollateralen Mitleidenschaften, die das Duell zwischen Laurie Strode und ihrer lebenslangen Nemesis Michael Myers in diesem Zuge hinterlassen haben. Ferner werden das Wesen und die Ausprägungen des menschlichen Bösen in reichlich vulgärphilosophischer Weise zu analysieren versucht. Der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen liegt darin, dass Myers ein kaum weniger sinistrer, in punkto Blutrunst gar gleichwertiger Geselle anheim gestellt wird, ein optionaler Erbe des haltlosen Irrsinns gewissermaßen. Offenbar genügt die frühere, elementare Bedrohung durch „The Shape“ (dessen Boogeyman-Nimbus nunmehr wieder auf ein relativ semirealistisches Maß zurechtgestutzt wird) nicht mehr in einer Welt, in der das wahre Grauen von unberechenbaren Regierungsspitzen und gierigen Autokraten ausgeht, deren medial-globale Omnipräsenz de facto keine Maske benötigt. Dieses bereits in seiner Blaupausenform fragwürdig anmutende Konzept geht allerdings nur bedingt und, wenn überhaupt, aus einer abstrakten Warte heraus betrachtet auf; als Spannungs- oder Suspense-Film ist „Halloween Ends“ gänzlich uninteressant. Ein paar illustre kills in der zweiten Hälfte können immerhin mit netten Makeup-Effekten glänzen; inwieweit die zentrale Vierecksbeziehung zwischen Laurie, Michael, Allyson und Corey sich im Zuge dessen entwickelt, bleibt jedoch belanglos. Stattdessen ergeht sich Green in einem Füllhorn mal mehr, mal weniger einfallsreicher Reminiszenzen an Carpenters ohnehin in jedweder Hinsicht unantastbares Original: Diverse Einstellungen daraus etwa finden sich in Konzentraten referenziert, exakt übernommen, variiert oder unerwartet aufgelöst, statt Nybys und Hawks‘ „The Thing From Another World“ gibt es Carpenters Remake im Halloween-TV-Programm und zum Abspann läuft sinnigerweise abermals der unverwüstliche Blue Öyster Cult – Klassiker „(Don’t Fear) The Reaper)“. Dass man es hier mit zu Staube kriechenden fanboys zu tun hat, wäre folglich minimal eklatant.
Eine weitere, eindimensionale Mordparade mochte man somit ergo nicht liefern, was ich als grundsätzlich respektabel erachte. Die Zeit wird zeigen, ob Greens kleinem Zyklus innerhalb der nunmehr elf Filme umfassenden Saga dereinst ein gewichtigerer Platz zuteil werden wird oder nicht.

5/10

THE BLACK PHONE

„I almost let you go.“

The Black Phone ~ USA 2021
Directed By: Scott Derrickson

North Denver, Colorado, 1978. Der Jugendliche Finney Shaw (Mason Thames) leidet unter den Attacken diverser Bullys an seiner Schule. Zudem kanalisieren sich die Depressionen seines alleinerziehenden Vaters (Jeremy Davies) in Form von Gewaltausbrüchen, die er und seine jüngere Schwester Gwen (Madeleine McGraw) zu erdulden haben. Mit dem wehrhaften Robin (Miguel Cazarez Mora) gewinnt Finney immerhin einen schlagkräftigen Freund, doch auch dieser Lichtblick schwindet bald wieder – Robin wird Opfer des „Grabber“ (Ethan Hawke), eines als Zauberer verkleideten Kidnappers, der in der Gegend Jungen im Teenager-Alter verschleppt und spurlos verschwinden lässt. Eines Tages gerät auch Finney in die Fänge des Verbrechers und erfährt nach und nach die schreckliche Wahrheit über den ihm ausschließlich maskiert gegenübertretenden Psychopathen, der vor Finney bereits fünf Kids in seinem Keller gefangen gehalten und ermordet hat. Über ein in jenem Verlies befindliches, anschlussloses Telefon erhält Finney bald darauf Anrufe seiner „Vorgänger“, die ihm aus einer Art Zwischendimension heraus dabei helfen wollen, dem Grabber zu entkommen…

Mit „The Black Phone“, einer weiteren Blumhouse-Produktion, wildert nun auch Scott Derrickson im offenbar noch lange nicht versiegten Reservoir der immer zahlloser werdenden Retro-Genre-Produktionen, die sich so überaus darin gefallen, die siebziger und achtziger Jahre als periodische Kulisse für ihre mehr oder minder innovativen Storys zu nutzen. Dieses Vorgehen gelingt analog dazu, zumal in Anbetracht seines inflationären Einsatzes, in wechselnd ansprechender Form, wobei das reanimierte Zeitkolorit zusehends selten wirklich zweckmäßig erscheint. Immerhin liefert selbiges einen beständigen Vorwand, ein paar knackige Rocksongs der Ära auf die Tonspur zu zaubern.
Derrickson, der in Bezug auf die Qualität seiner Filme ein bis dato relativ heterogenes Werk aufweist und binnen relativ kurzer Zeit sowohl Ordentliches („Sinister“) als auch harsch Enttäuschendes („Deliver Us From Evil“) vorlegte, begibt sich mit „The Black Phone“ schnurstracks in den mediokren Sektor jener Welle. Zwischen altbekannten Versatzstücken, vom Telefon als Kommunikationsmittel ins Jenseits über den Kidnappingplot und die übersinnlich begabte Schwester bis hin zum identitätsgestörten Serienmörder, der sein gewalttätiges alter ego vornehmlich über das Tragen einer Maske definiert, befleißigt sich Derrickson recht hausbackener Elemente, um sein jüngstes Gattungsstück an Frau und Mann zu bringen. Zwar gelingt es ihm vereinzelt, durchaus schöne Momente zu schaffen (so verändert sich der spirituelle Zustand der vormaligen Opfer-Geister jeweils rückwirkend zur zeitlichen Distanz ihres Todestags) und sein Publikum trotz des eher kurzfilmtauglichen Narrativs behende am Ball zu halten, das stets zuverlässige Auffangnetz der Konventionalität verlässt er de facto jedoch zu keiner Sekunde.
So bleibt „The Black Phone“ mit dem Abstand von ein paar Tagen als passabler, wenngleich wenig aufregender Mosaikstein seiner Alltagsprovenienz im Gedächtnis, der als modernisierte „Hänsel-&-Gretel“-Variation mit seinen rar gesäten Ausreißern nach oben kaum wirklich protzen kann.

6/10

HALLOWEEN KILLS

„Evil dies tonight!“

Halloween Kills ~ USA/UK 2021
Directed By: David Gordon Green

Dank der eilends eintreffenden Feuerwehr kann Michael Myers (Nick Castle/James Jude Courtney) seinem Kellergefängnis in Laurie Strodes (Jamie Lee Curtis) brennendem Haus entkommen, derweil Laurie, ihre Tochter Karen (Judy Greer) und ihre Enkelin Allyson (Andi Matichak) auf dem Weg ins Krankenhaus sind. Nachdem Michael sämtliche vor Ort befindlichen Feuerwehrleute massakriert hat, tritt er seinen leichengesäumten Rückweg nach Haddonfield an, wo alte Bekannte, darunter Tommy Doyle (Anthony Michael Hall), Lindsey Wallace (Kyle Richards) und Michaels frühere Krankenschwester Marion (Nancy Stephens) den vierzigsten Jahrestag von Michaels erstem Wiederauftauchen memorieren. Als sie von seinem neuerlichem Amoklauf erfahren, bildet man eilends eine Bürgerwehr, die sich im Krankenhaus zu einem blindwütigen Lynchmob formiert. Diesem fällt der zuvor mit Michael geflohene Psychiatrieinsasse Lance Tovoli (Ross Bacon) zum Opfer, derweil Myers, nachdem er seine Blutspur verlustreich fortsetzt, in sein altes Familienhaus zurückkehrt…

David Gordon Green setzt den mit seiner jüngsten Revitalisierung des „Halloween“-Franchise installierten Wiederbeginn fort und legt damit gleichfalls den Mittelteil seiner als Trilogie konzipierten Sequel-Reihe vor. Diese ignoriert bekanntermaßen sämtliche Fortsetzungen und Reboots, die nach Carpenters 78er-Original entstanden waren und knüpft inhaltlich unmittelbar an den monolithischen Klassiker an. Einige noch schuldige Rückblenden, die sich aus diesem Ansatz ergeben, legt „Halloween Kills“ nun nach; unter anderem erfahren wir, dass auch der damals noch als unangenehmer Bully gezeichnete Lonnie Elam (Robert Longstreet) auf Michael getroffen war, und dass Officer Hawkins (Will Patton) sich unmittelbar vor Michaels Festnahme in jener Nacht eine schwere Blutschuld aufgeladen hat. Das Script müht sich also nach Kräften, sowohl personelle wie inhaltliche Verknüpfungen zu arrangieren als auch verbliebene lose Fäden zu fixieren und legt sein Augenmerk auf ein multiples Ensemble, was wiederum die Gestaltung diverser, voneinander losgelöster Szenarien gestattet. Michael Myers‘ Motivation und Charakterisierung, um die sich frühere Beiträge der Serie immer wieder mehr oder weniger zielführende Gedanken gemacht haben, bleiben indes nebulös; einzig sein Status als mysteriöse, nicht aufzuhaltende Entität des ultimativ Bösen findet sich weiter zementiert, ebenso wie sein verzweifeltes Streben nach der unverzichtbaren, da identitätsspendenden Maske. Der effektaffine Horrorfreund wird in „Halloween Kills“ durch Myers‘ qualitativ wie quantitativ gesteigert-rabiates Vorgehen beschwichtigt, denn so blutrünstig wie hier hat sich „The Shape“ noch durch keines seiner vormaligen Abenteuer gemetzelt. Tatsächlich rahmen gleich zwei opferintensive Massenmorde, wie man sie in solch effektiver Ausprägung von dem eigentlich eher als träge bekannten Myers noch nicht gesehen hat, sein Treiben in diesem elften Derivat ein.
Mit dem mittelteils eingeschobenen, tragisch endenden Lynch-Subplot, der wohl irgendwie nachvollziehbar demonstrieren soll, wie die mit Michaels Rückkehr einhergehende Aura des Bösen die gesamte Kleinstadtbevölkerung von Haddonfield erfasst und zu mittelbaren Handlangern avancieren lässt, verhebt sich Greens Film allerdings tüchtig. Jene Episode – so sie denn überhaupt notwendig ist – hätte man auch deutlich pointierter unterbringen mögen. Ansonsten hält „Halloween Kills“, seinem eindeutigen Repetitierungsstatus gemäß, zumindest das leicht überdurchschnittliche Niveau seines Vorgängers, was ja auch schon mal was ist.

6/10

THE HUNT

„The jackrabbit always wins.“

The Hunt ~ USA/J 2020
Directed By: Craig Zobel

Eine Gruppe bunt zusammengewürfelter US-Bürger erwacht mitsamt versiegelten Mundknebeln irgendwo mitten in der Provinz, ohne zu wissen, wie sie überhaupt dorthin gelangt sein könnten. Nachdem man eine Kiste mit allerlei Waffen gefunden hat und die ersten Mitglieder der Gruppe von Heckenschützen abgeschossen wurden, kommt man auf die Idee, dass es sich hier um nichts Geringeres als die reale Umsetzung von „Manorgate“ handeln muss. Dieser rechtskonservativen Netz-Verschwörungstheorie zufolge verschleppen elitäre, reiche Deep-State-Repräsentanten „wohlinformierte“ Kleinbürger auf ein abgelegenes Terrain irgendwo in Arkansas und machen sie zur sportlichen Beute sadistischer Menschenjagden. Es dauert nicht lange, bis die meisten der Entführten auf oftmals blutige Weise das Zeitliche gesegnet haben. Nur die schweigsame Crystal (Betty Gilpin) nimmt sich deutlich wehrhafter aus, als ihre JägerInnen vermutet haben…

Die öffentlich diskutierte politische Kontroverse, die Craig Zobels (respektive Damon Lindelofs) „The Hunt“ im letzten Jahr ausgelöst hat, gibt bereits implizit eine Menge an Auskünften über die USA der Gegenwart und dürfte seiner vom Film so rundheraus wie selbstbewusst ausgestrahlten trickiness eine dufte PR beschert haben. Dabei entbietet „The Hunt“ kaum mehr denn ziemlich billig konstruierte Holzhammer-Satire, wie man sie von Blumhouse, die auch die ähnlich semigescheite, dystopische „Purge“-Reihe verantworteten, ohnehin erwarten kann. Jason Blum setzt ja gern auf modische Sozialkritik in Genregewändern, haut damit aber, von wenigen Ausnahmen wie Jordan Peeles „Get Out“ abgesehen, in der Regel ziemlich zielsicher daneben. „The Hunt“ nimmt sich nun immerhin naseweis genug aus, keine eindeutige Position zu beziehen; die QAnon-Fraktion bekommt ebenso ihr breites Scriptfett weg wie die reichen Salonlinken und Post-Preppies; red states vs. blue states etc. pp.chen. Im Prinzip eigentlich nicht der schlechteste Ansatz, um eine Wahljahr-Groteske vom Stapel zu lassen, mit dem leidlich kalkulierebaren Element des Humors, einer diesbezüglich jedoch verpflichtend tragfähigen Ingredienz, haut’s dann aber doch nicht so ganz hin. Dieser kapriziert sich nämlich auf vermeintliche Kabinettstückchen wie jenes, die zu Beginn zentrierten Figuren schnellst- und derbstmöglich wieder aus dem Plot zu reißen, indem sie explodieren oder ihnen die Köpfe weggeballert werden, was dann vor allem den eher juvenilen bis unbedarften gorelover zu Begeisterungsstürmen hinreißen wird. Auch dass die Lektüre von Orwell – obligatorischer Schulliteratur – als intellektuelles Maß aller Dinge herhalten muss, zeugt von einer gewissen zerebralen Bescheidenheit, die wahlweise den Autoren zuzuschreiben wäre oder auch ihrer Wahrnehmung des Zielpublikums. Beide Optionen nähmen sich letzten Endes wenig schmeichelhaft aus, wie ich meine. Auch die sich wiederum superschlau wähnende Auflösung, dass erst die Existenz des Mythos dessen anschließende Realisation bedingt, schafft da keine wirkliche Abhilfe. Dass sich im Finale nicht etwa reiche Demokratin und misstrauische Republikanerin gegenüberstehen, sondern irgendwie doch bloß wieder Lance Henriksen und Jean-Claude Van Damme in jeweils weiblicher Gestalt, zeugt abschließend abermals von der intellektuellen Inkonsequenz des ganzen Unterfangens.
Subtilität und wirkliche Cleverness bleiben demzufolge Mangelware in „The Hunt“, der sich zumindest als temporeicher Actionfilm in der langen und ungebrochenen Genealogielinie von „The Most Dangerous Game“ einigermaßen sehen lassen kann. Für seine eigentliche Agenda ist das allerdings deutlich zu wenig.

5/10

BLOODLINE

„Please describe to me the feelings and sensations you experience.“

Bloodline ~ USA 2018
Directed By: Henry Jacobson

Evan Cole (Seann William Scott) ist seit Kurzem aufopferungsvoller Vater eines kleinen Sohnes und treusorgender Ehemann der sensiblen Lauren (Mariela Garriga). Seinen Lebensunterhalt verdient der stets emotionslos wirkende Evan als Sozialarbeiter in der High School. Leider kann er den von ihm betreuten Kids nicht ansatzweise die Hilfen zukommen lassen, die sie wirklich bräuchten – nur wenige offenbaren sich zur Gänze, wenn die auf eine Schulstunde begrenzte Sitzungszeit überhaupt dafür reicht.
Doch auch in Evan selbst schlummern unwägbare Untiefen. Sein gewalttätiger Vater (Matthew Bellows) hat ihn als Kind (Hudson West) geschlagen und wurde dann von Mutter Marie (Cassandra Ballard) ermordet. Auch heute noch ist Marie (Dale Dickey) praktisch omnipräsent und kümmert sich – vielleicht etwas zu intensiv – um ihren Enkel. Eines Tages reißt in Evans Innenleben die dünne Wand zwischen Akzeptanz und Aktionismus und er lässt all den brutalen Erwachsenen, die seine Schutzbefohlenen quälen, deren nach seinem Dafürhalten gerechte Strafe zukommen.

Und noch eine Blumhouse-Produktion, diesmal eine, die mit einiger Verspätung bei uns landete (da sie wohl den mit Universal üblichen, großen Distributor zu ermangeln hat). Tatsächlich handelt es sich bei „Bloodline“ um eine der besseren, mutigeren und beachtenswerteren Arbeiten der Blum-Schmiede, die mit einiger Großzügigkeit an dem, was das Massenpublikum augenscheinlich für akzeptabel halten dürfte, vorbeischippert.
Stattdessen schlägt Jacobsons Langfilmdebüt sehr viel wüster in die Kerbe „good old fashioned serial killer movie“, indem es bewusst Erinnerungen an die Klassiker des Subgenres weckt – sowohl in psychologischer wie in stilistisch-ästhetischer Hinsicht. Der (ödipal geprägte) Mutterkomplex fehlt da ebensowenig wie der frühzeitig entsorgte, gewalttätige Vater, dessen genetischer und habitueller Schatten unentwegt über dem Protagonisten schwebt. Jener sieht sich derweil den üblichen, gesellschaftlichen Hindernissen gegenüber; einem allzu neugierigen, leider viel zu gescheiten Polizeiermittler (Kevin Carroll), innermoralischem Dissens und schließlich der mangelnden Toleranz jener, denen er doch eigentlich helfen möchte, seinem blutigen Treiben gegenüber. Gewissermaßen neu ist die prägnante Konnexion mit dem Vigilanten-/Selbstjustizler-Film, denn Evan Jacobs tötet im Gegensatz zu vielen seiner filmischen Ahnen weder wahllos noch aus einem tiefenpsychologisch verankerten Reflex heraus. Seine Opfer snd wohlfeil ausgewählte Kinderschänder, Misshandler, Junkies, Nazis, Säufer, Sozialschmarotzer; aus Evans von seinem pathologischen Hang nach Verantwortungsbewusstsein und familiärer Harmonie heraus geprägter Agenda demnach Typen, die es nicht nur verdient haben, wegzukommen, sondern unweigerlich wegmüssen. Dass er selbst ein Produkt offener Gewalt ist, die er durchlebt, aber vor allem bezeugt hat, ist aus Evans Tunnelperspektive heraus unersichtlich für ihn, womit der Kreis sich zu Frauen-, Kinder-, Homosexuellenmördern am Ende doch wieder schließt.
Dass „Bloodline“ (ausgerechnet) Seann William Scott, der vor rund zwanzig Jahren das lustige Porno-Akronym „MILF“ kultivierte und kurz darauf das durch ebensolche praktizierte Prostatamelken salonfähig machte, in einer völlig untypischen Rolle featuret, tut beiden durchaus gut. Dass er zudem einerseits auch feine Ironie nicht ausspart und andererseits mit den üblichen, kleinen Dramaturgiezerrern arbeitet, die Evans Entdeckung infolge immer wieder auftretender faux-pas aufs Spiel stellen, darf man dem ansonsten gewiss gelungenen Erstlingswerk großmütig verzeihen.

7/10

YOU SHOULD HAVE LEFT

„I tried to run, but for no purpose.“

You Should Have Left (Du hätest gehen sollen) ~ USA 2020
Directed By: David Koepp

Abgesehen von ihrem doch immensen Altersunterschied müssen die Ehepartner Susanna (Amanda Seyfried) und Theo Conroy (Kevin Bacon) mit noch ein paar anderen unausgesprochenen Divergenzen umgehen. Was sie zusammenschweißt, ist die bedingungslose Liebe zu Töchterchen Ella (Avery Tiiu Essex). Um wieder mehr zu sich selbst zu finden, mietet man kurzerhand eine moderne Villa in der walisischen Provinz an, die einem gewissen Stetler gehört. Vor Ort angekommen, plagen nicht nur dräuende Albträume die kleine Familie; auch das Haus selbst scheint ein höchst sonderbares Eigenleben zu führen. Als die schwelenden Konflikte zwischen Theo und Susanna schließlich aufbrechen, demonstriert endgültig auch Stetlers Haus ersterem, dass die eine oder andere teure Lebensrechnung noch offen ist…

Die Erwartungen waren nicht eben gering, als sich abzeichnete, dass das einstige winning team Koepp/Bacon rund zwanzig Jahre nach seinem schönen Geisterfilm „Echoes“ zu einem möglichen Revial ansetzte. Beinahe schon obligatorisch unter der omnipräsent scheinendenen Genreägide von Blumhouse griff Regisseur und Autor Koepp abermals, wie schon beim „Vorgänger“, dessen altehrwürdige Ideenschmiede Richard Matheson verantwortet hatte, auf eine bestehende literarische Vorlage zurück. Koepps Meriten als Veredler vorgefertigter Plots schienen mir bislang unbestritten, nun, da er, dem Vernehmen nach eher infolge reiner kreativer Koinzidenz, eine Novelle von Daniel Kehlmann umfrisierte, trübt sich die diesbezügliche Sicherheit ein wenig.
„You Should Have Left“ bedient sich auf den ersten Blick ähnlicher Topoi und Strukturen wie „Echoes“. Hier wie dort geht es um eine sukzessiv vom Auseinanderbrechen bedrohte Kleinfamilie, deren emotionale Sollbruchstellen primär von einem durch zunächst irrational erscheinende Manien besessenen Ehemann und Vater verursacht werden, wobei in beiden Fällen das Kind eher seine Perspektive bestärkt. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch ebenso deutliche Differenzen. Während „Echoes“ eine Menge seiner spezifischen Zugkraft aus der Ansiedlung im kleinbürgerlichen Vorstadtmilieu bezieht, wechselt „You Should Have Left“ in die eher distanzbetonte Welt der upper class – sie eine Hollywood-Schauspielerin, er ein schwerreicher Banker. Ferner bedingt die teils vorgeprägte, teils selbstgewählte Isolation der Conroys eine unweigerliche Konzentration auf den familiären Mikrokosmos und somit deutliche Beschränkungen des sich bei „Echoes“ noch als besonders vital erweisenden (und letzten Endes ja sogar motivstiftenden), nachbarschaftlichen Interaktionismus. „You Should Have Left“ bewegt sich sehr viel dichter entlang verwandter kingscher Psychostudien wie „The Shining“, „The Dark Half“ oder „The Secret Window“ (den Koepp ja sogar selbst inszeniert hat) und verspielt damit zugleich ein gerütteltes Maß an notwendiger Innovation. Die faszinierendsten Einfälle, die sich vor allem auf die Unzuverlässigkeit physikalischer Gesetzmäßigkeiten stützen, erweisen sich tatsächlich mitnichten als solche, sondern belegen lediglich ein aufmerksames Studium von Gattungsbeiträgen aller Richtungen, deren Aufzählung ich mir an dieser Stelle ersparen möchte. Besser gut geklaut als schlecht erfunden wäre da noch die eheste Weise, um die paar zumindest leidlich unterhaltsamen Facetten des Films in ein halbwegs positives Licht zu rücken.
Typische Blumhouse-Kost aus dem leicht angehobenen Mittelsektor, als Quasi-Nachfolger von „Echoes“ jedoch – bedauerlicherweise – bass enttäuschend.

6/10

GLASS

„This was an origin story the whole time.“

Glass ~ USA 2019
Directed By: M. Night Shyamalan

Als der mittlerweile jahrelang incognito als „Overseer“ im Vigilantengeschäft tätige, mittlerweile verwitwete David Dunn (Bruce Willis), unterstützt von seinem Sohn Joseph (Spencer Treat Clark), auf den multipel gestörten Serienmörder Kevin Wendell Crumb (James MacAvoy) alias „The Horde“ aufmerksam wird und ihn kurz vor dessen nächster Schreckenstat stellt, werden beide gefasst, in in psychiatrische Sicherheitsverwahrung und dort unter die Obhut von Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) verfrachtet. Dort begegnet David auch seinem alten Widersacher Elijah „Mr.“ Glass (Samuel L. Jackson) wieder, der hier stark sediert und depressiv seine Tage fristet. Dr. Staple ist Expertin für scheinbar Größenwahnsinnige mit dem Hang, sich selbst als Superwesen oder Metamenschen zu betrachten und setzt sich zum Ziel, das Trio mithilfe gruppentherapeutischer Sitzungen vom Gegenteil zu überzeugen. Doch im brillanten Hirn hinter seinem nur vorgespielt lethargischen Blick gärt er bereits wieder bei Mr. Glass…

Nachdem M. Night Shyamalan mittels einem das Publikum aufjuchzen lassenden Epilog zuletzt bereits den Protagonisten seines nach wie vor schönsten Films „Unbreakable“ mit der Story von „Split“ koppelte, ließ sich bereits erahnen, was da kommen mochte. Nicht zuletzt die Tatsache, dass der im Jahr 2000 gestartete „Unbreakable“ die in den letzten zwei Dekaden zum maßgeblichen Blockbustersegment avancierte Superheldencomic-Adaption durch seine geschliffene Mythologiedialektik entscheidend vor- und mitbereitet hat, erschien ein Wiederaufgreifen des darin vorgestellten Ansatzes sinnvoll. In Kombination mit dem gegen Ende selbst phantastische Züge annehmenden „Split“ eine umso vielversprechendere Angelegenheit. Shyamalan feilt dann auch eifrig weiter an seinem ganz eigenen Superhelden-Universum und gibt Mittel und Wege für ein weiteres potenzielles Franchise vor, dessen serieller Charakter sich nach dem Ende von „Glass“ jedoch etwas fragwürdig gestaltet. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Geschichte abermals weitergehen kann und/oder wird. Der vorliegende Film begnügt sich indes (noch) damit, auf die gewaltigen CGI- und Materialschlachten aus MCU und DCEU zu verzichten. Kündigt sich durch Mr. Glass‘ massenmörderische Planungen bereits ein urbaner Showdown mit allerlei Kollateralschäden an, bleibt es dann doch bei einem einzigen aktionsbetonten Widerstreit der naturgewaltigen Übermenschen vor den Toren der psychiatrischen Klinik, an dem die jeweils wichtigsten Bezugspersonen der drei Antagonisten, also Dunns Sohn Joseph, die Crumb zuvor notgedrungen entkommene und nunmehr in bizarrer Beziehung zu ihm stehende Casey Cooke (Anya Taylor-Joy) und schließlich Elijahs Mutter (Charlayne Woodward), ebenso wie eine sich erst gegen Ende herausschälende, vierte Partei maßgeblich beteiligt sind. Zuvor nimmt sich Shyamalan abermals Muße und Gelegenheit, der kulturellen und literarischen Genealogie des Superheldencomics, seiner Wurzeln, Anfänge und Ausprägungen durch Glass‘ Analysen Raum zu geben und sich mit der (nur kurze Zweifel aufwerfenden) Frage nach dem Geisteszustand von Dunn, Crumb und Glass zu befassen. Ansonsten gehört dieser Film schon durch seine figuralen Erfordernisse eindeutig den „Bösen“, Bruce Willis/David Dunn ist eher Stichwortgeber und Nebenfigur, während MacAvoy abermals ausgiebig Gelegenheit erhält, seine multiplen Persönlichkeiten in oftmals rasanter Abfolge aufblitzen zu lassen und Jackson eben weiterhin den ebenso fragilen wie sinistren Strippenzieher zu geben hat.
Der Gesamteindruck ist durchaus gut, aber – leider? – nicht epochal.

7/10

THE VISIT

„I never liked you anyway.“

The Visit ~ USA 2015
Directed By: M. Night Shyamalan

Damit die gebeutelte Mama (Kathryn Hahn) einmal bei einer Kreuzfahrt entspannen kann, entschließen sich ihre beiden Kids, die Teenager Becca (Olivia De Jonge) und Tyler (Ed Oxenbould), eine Woche lang ihre Großeltern in der Provinz zu besuchen, die sie Zeit ihres Lebens noch nie gesehen haben. Becca, eine Hobbyfilmerin, die zudem das schwierige Verhältnis ihrer Mom zu ihren Großeltern psychologisch aufdröseln möchte, hält den Trip dokumentarisch mit ihrer Kamera fest. Bei Oma (Deanna Dunagan) und Opa (Peter McRobbie) angekommen, scheinen das alte Paar zunächst sehr putzig und nett zu sein, dann jedoch entdecken die Kinder nach und nach immer mehr sonderbare Verhaltensweisen bei den beiden, die ihnen den Aufenthalt zunehmend unangenehm gestalten…

Spätestens wenn die „Großmutter“ Becca zum ersten Mal bittet, komplett in den riesigen Küchenofen zu krabbeln, um ihn zu säubern, wird klar, woher M. Night Shyamalan die wesentliche Inspiration für sein vielerseits als „Comeback-Werk“ erachtetes, düsterhumoriges Werk bezog: „Hänsel und Gretel“ stand eindeutig Pate für „The Visit“, wenngleich die böse Prämisse der Originalgeschichte, in der die Kinder aus wirtschaftlichen Gründen im Wald ausgesetzt werden, um zu verhungern, hier einem in soziologischer Hinsicht sehr viel moderateren Kontext weichen durfte. Zudem wird aus der kannibalisch veranlagten Hexe ein psychopathisches Substitutspärchen, das sein wahres Gesicht erst im Zuge des typisch shyamaln’schen twist zum Ende hin offenbart und den Kindern gleich im Doppelpack zu schaffen macht. Dazwischen ist allerlei Zeit für ein paar fiese, geschmacksunsichere Gags um einen Jahjresvorrat vollgeschissener Inkontinenzwindeln und einer blitzschnell unter der Veranda umherkrabbelnden „Nana“. Dennoch, und auch das ist ein stetes Werksmerkmal des Regisseurs, hält sich „The Visit“ in punkto allzu graphischer Ausprägung seiner in einen ziemlich handfesten Showdown mündenden Inszenierung zurück. Recht interessant ist ferner, wie Shyamalan, der ja ebenso traditionell mit langen, bisweilen aufreizend lakonisch wirkenden Einstellungen eine bildinhärente Dynamik zu erzeugen weiß, dass Konzept des embedded filming handhabt. Denn obwohl wir alles durch das subjektive Auge von Beccas Kamera sehen, fällt der Regisseur nie der Versuchung anheim, sich durch Hektik oder Unübersichtlichkeit aus der stoischen Ruhe bringen zu lassen. Insofern bietet „The Visit“ auch einen durchaus als innovativ zu bezeichnenden Beitrag zu jener ja längst etablierten, formalen Spielart.

7/10

BLACKKKLANSMAN

„All power to all the people.“

BlacKkKlansman ~ USA 2018
Directed By: Spike Lee

Colorado Springs, 1972. Der afroamerikanische Police Detective Ron Stallworth (John David Washington) leidet zunehmend unter den repressiven und rassisistischen Bedingungen, die auch sein exekutives Berufsfeld keineswegs ausspart. Als er sich eigeninitiativ entschließt, undercover statt der regionalen „Black Power“-Bewegung den Ku-Klux-Klan zu infiltrieren, geben seine Vorgesetzten ihm und zwei Kollegen (Frederick Weller, Adam Driver) eher widerwillig grünes Licht. Tatsächlich gelingt es Stallworth, sich beim Klan und insbesondere bei dessen Grand Wizard David Duke (Topher Grace) über Telefongespräche einzuschmeicheln. Rons vorgebliches „Gesicht“ bei den bald folgenden Treffen übernimmt sein Partner Flip Zimmerman (Driver). Dass es letztlich ihrem Engagement zu verdanken ist, dass ein Sprengstoffattentat fehlschlägt, wird klammheimlich unter den Teppich gekehrt…

Auch wenn ich Spike Lee, früher mal einer meiner vordersten Lieblingsregisseure, diesen jüngsten Publikumstriumph absolut gönne und das (auhentische) Sujet seines period piece aller politischen Ehren wert ist – seinen kreativen Zenit hat der Filmemacher längst hinter sich. Weder den fiebrigen, aggressiven bis wütenden Duktus seiner frühen Filme, noch sein nicht minder florierendes Talent als formvollendeter Geschichtenerzähler und New-York- bzw. Brooklyn-Chronist, die ihn in einer exemplarischen, fast ununterbrochenen Linie diverse Meisterwerke inszenieren ließen, sind bei dem scheinbar etwas müde gewordenen Lee noch in der wünschenswerten Weise spürbar. Vielmehr wirkt „BlacKkKlansman“ oftmals wie ein Schattenriss diverser Vorzüge des einstigen Genius, etwa, wenn er den neunzigjährigen Harry Belafonte in Gegenmontage zu einem Klan-Kongress über einen Lynchjustizfall vor dem Hintergrund der Uraufführung von Griffiths „The Birth Of A Nation“ (zu dem Lee eine ewige, flirrende Hassbeziehung pflegt) berichten lässt. Solche Szenen hinterlassen bedauernswerterweise eher die Impression kantenloses Tagewerks, dessen mit Ausnahme der hinreißenden Laura Harrier von einer mäßig überraschenden Darstellerriege (darunter erstaunlicherweise diverse Verwandte berühmterer Familienmitglieder) getragene Pflichtbemühtheit wehmütig an die schwitzige, emotionsaufgeladene Unmittelbarkeit einstiger Großtaten wie „Do The Right Thing“ denken lässt.
Was demnach bleibt, ist für Lees Verhältnisse ungewohnt abgesichertes, mit wenigen wirklich nachhaltigen Momenten versetztes, in Anbetracht der tragikomischen, zugleich aber recht antiklimaktischen Story gefertigtes Routinement, das durchweg in Ordnung geht, an einstige Großtaten jedoch nicht mehr heranzureichen vermag.

6/10