„Help!“
La Traque ~ F/I 1975
Directed By: Serge Leroy
Die an der Uni von Caen tätige Engländerin Helen Wells (Mimsy Farmer) plant, sich für ein paar Herbsttage auf ein entlegenes Grundstück in der Normandie zurückzuziehen. Ihre Ankunft vor Ort fällt auf ein Treibjagdwochenende, zu dem der wohlhabende Pächter Sutter (Michael Lonsdale) eingeladen hat. Zu dessen ausschließlich männlichen Gästen zählen auch die rüpelhaften Danville-Brüder Albert (Jean-Pierre Marielle) und Paul (Philippe Léotard), die sogleich ein Auge auf Helen werfen. Als sie ihnen bei einem Spaziergang im Wald begegnet, vergewaltigt Paul die junge Frau mithilfe Alberts. Eine kurz darauf stattfindende, weitere Begegnung mit der angsterfüllten Helen endet für Paul mit einer Gewehrkugel im Bauch. Stillschweigend und unausgesprochen beschließt der Jagdtross, einen Skandal zu vermeiden. Das bedeutet, dass Helen verschwinden muss…
Im neowoken Zeitalter von #MeToo kommt die Wiederentdeckung von Serge Leroys „La Traque“ gewissermaßen der Hebung eines kleinen, vergessenen Schatzes galliger filmischer Gesellschaftskritik gleich. Fast gänzlich ohne die explotativen Elemente zeitgenössischer, wütend-berüchtiger Rape-&-Revenge-Filme wie Cravens „The Last House On The Left“, Lados quasi-analogem „L’Ultimo Treno Della Notte“, Collinsons „Open Season“ oder Zarchis „I Spit On Your Grave“ auskommend, gleicht Leroys Drama eher einer bitterbösen Sozialstudie inmitten ähnlich konnotierter Arbeiten von Chabrol oder Buñuel, dabei jedoch ohne den Einsatz stilistischer Extravaganzen oder gar Surrealismen. Vielmehr erzählt Leroy so straight, irden und schmucklos wie irgend möglich vom heimlichen Überleben ruraler Feudalismusstrukturen in der französischen Provinz, die, geprägt von einem gleichermaßen ständisch wie maskulin geprägtem Selbstverständis, bis in die Gegenwart reichen und ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen. Die Jagdgesellschaft besteht ausschließlich aus wohlhabenden Männern mittleren Alters, deren heimlicher Kopf mit David Sutter zugleich der Reichste und gesellschaftlich Höchststehende von ihnen ist. Doch auch der Rest der Gruppe hat ihre wohlfeil zugewiesenen Plätze – Mansart (Jean-Luc Bideau), aufstrebender Lokalpolitiker, ist einerseits von der Gunst Sutters abhängig, setzt ihm auf der anderen Seite jedoch Hörner mit dessen Frau Françoise (Françoise Brion) auf; der alternde Rollin (Paul Crauchet) sucht als trockener Alkoholiker, der einst eine schwere, ungesühnte Bürde auf sich geladen hat, sein Heil im Katholizismus; für Kriegsveteran Nimier (Michel Constantin) gehen Ehrenkodex und Gruppenzusammenhalt über alles; der nervöse, unbeholfene Chamond (Michel Robin) gilt dem Rest eher als Spottzielscheibe. Aufseher Maurois (Gérard Darrieu) gibt ganz den untertänigen Knecht. Die Danvilles schließlich, ihres Zeichens Altmetallhändler, wissen um jeden Dreck, den die Übrigen am Stecken haben und vervollständigen als laut krakeelende Proletarier das durchweg unsympathische Kränzchen. Wie ein unangepasster Fremdkörper platzt die zierliche Britin Helen in diesen festgefahrenen Mannesfilz, wird gnadenlos missbraucht, gejagt und ausgespien. Dass weder Moral noch irgendeine andere Form von Gerechtigkeit soweit ab von der Zivilisiertheit der Großstadt einen Platz haben kann oder gar darf, wird auch im Gefüge des vom Script sorgfältig aufgebauten Personengefüges rasch offenbar – der als Opfer eines übermächtigen Mikrokosmos designierten Helen Wells werden weder Gnade, noch Flucht oder gar Gegenwehr zuteil.
8/10