BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER

„Only the most broken people can be great leaders.“

Black Panther: Wakanda Forever ~ USA 2022
Directed By: Ryan Coogler

Ein Jahr nach dem (natürlichen) Tod von König T’Challa führt dessen Mutter Ramonda (Angela Bassett) die monarchischen Regierungsgeschäfte von Wakanda. Das internationale Interesse an dessen exklusiver Ressource, dem Metall Vibranium, lässt derweil nicht nach. Just als die Dora-Milaje-Kriegerin Okoye (Danai Gurira) wieder ein paar umtriebige Spione hochnimmt, entdecken die Amerikaner im Atlantik eine unterseeische Vibranium-Quelle. Die maritime Expedition wird jedoch von unbekannten Wesen komplett aufgerieben. Als Urheber jener Aktion erweist sich Namor (Tenoch Huerta), Oberhaupt der mehrere Jahrhunderte alten, submarinen Zivilisation Talokan, die um jeden Preis unentdeckt bleiben soll. Namor zwingt Ramonda und T’Challas Schwester Shuri (Letitia Wright), ihm die Erfinderin des neuartigen Vibranium-Sensors zu bringen und auszuliefern, eine brillante amerikanische Studentin namens Riri Williams (Dominique Thorne), die nebenbei noch eine neue Iron-Man-Rüstung entwickelt hat. Nachdem Shuri und Okoye sie aufspüren können, gelangen Riri und Shuri in Namors Gewalt, können jedoch von T’Challas vormaliger Geliebter Nakia (Lupia Nyong’o) begreit werden, woraufhin ein Krieg zwischen Wakanda und Talocan entbrennt, der erst beendet werden kann, als Shuri als neuer Black Panther Namor im Duell in die Knie zwingt.

Prinz Namor oder auch der Submariner zählt zu den ältesten Marvel-Figuren. Vor nunmehr ganzen 83 Jahren debütierte er bei Timely Comics als elementarer Gegenpol zum feurigen Androiden Jim Hammond, der ersten „Human Torch“. Während Namor zunächst eher schurkische Züge innehatte – er pflegte einen unbezähmbaren Hass auf die Oberflächenbewohner und drohte unter anderem, Manhattan zu ertränken, zog er gemeinsam mit Hammond und Captain America Steve Rogers im Zuge jugendgerechter Kriegspropaganda gegen die Achsenmächte ins Feld. Mit Ausnahme ein paar spärlicher Auftritte wurde es dann ruhig um den Submariner, bevor er in den frühen Sechzigern Teil von Stan Lees großangelegtem Marvel-Launch wurde und in der Reihe „Fantastic Four“ (in der ja auch T’Challa debütierte) zu einem eminenten Charakter jenes Comic-Universums avancierte. Wiederum blieben Namors Motive wechselhaft und undurchschaubar; mal trieben ihn seine latenten Eroberungsgelüste in den Kampf gegen die anderen Superhelden, mal unterstützte er sie im Kampf gegen noch mächtigere Bedrohungen. Zeitweilig war er sogar ein Avenger. Dass Namor erst so spät Teil des MCU wurde, lässt sich wohl mit dem sich für ein diesbezüglich unbeflissenes Kinopublikum ohnehin bereits gewaltig ausnehmendem Überschwang an Haupt- und Nebenfiguren erklären. Zudem bleiben hinsichtlich seiner späten Einführung einige logi(sti)sche Fransen, so etwa die Fragen, warum er sich nicht bereits in den Konflikt gegen Thanos involvierte, der ja doch eine ungleich größere Bedrohung darstellte als die Vibranium-Gier der verhassten „surface dwellers“.
Nun denn, Namor ist also here to stay und mit ihm gleich noch eine gehörigst umgedichtete origin, die ihn als mutierten Maya-Abkömmling ausweist und zugleich seine mittelamerikanisch anmutende Physiognomie erklärt. Den albernen Nasenschmuck hätte man allerdings auch weglassen dürfen. Gewiss dient „Black Panter: Wakanda Forever“ demzufolge primär zu Namors Initiation – als Requiem auf Chadwick Boseman und Black Panther funktioniert der Film trotz gegenseitiger Beteuerungen seitens Kevin Feige und Konsorten eher bedingt. Auf der ästhetischen Ebene hat Cooglers Sequel indes Reichliches und Kostspieliges zu bieten; insbesondere Shuris Reise nach und durch Talokan gestaltet sich als ein visuelles, psychedelisch betuchtes Fest; die zwei Haupt-Actionsequenzen, in denen Wakandaner und Talokaner aufeinanderprallen und sich bekriegen, erweisen sich als gewohnt rasant und kinetisch inszeniert. Zudem tauchen die meisten Nebenfiguren aus „Black Panther“ abermals auf und das, auch eine Leistung, ohne den bloßen Wiedererkennungseffekt zu bedienen.
Insgesamt ein erfreulicher MCU-Beitrag, der es mit dem Erstling nicht ganz aufnehmen kann, für meinereiner aber immer noch hinreichend Glücksmomente bereithält.

7/10

BLACK ADAM

„Force is always necessary.“

Black Adam ~ USA/CA/NZ/HU 2022
Directed By: Jaume Collet-Serra

Kahndaq, ein kleines Land im Mittleren Osten, 2600 v.u.Z.: Hurut (Jalon Christian), der Sohn des versklavten Minenarbeiters Teth-Adam (Benjamin Patterson), erhält durch den Zauberer Shazam (Djimon Hounsou) gottgleiche Kräfte, setzt diese nach seiner Verwandlung zum Champion der Stadt jedoch scheinbar zu blutigen Rachezwecken gegen das Regime des Königs Ahk-Ton (Marwan Kenzari) ein, wird daher flugs wieder eingefangen und für die kommenden Jahrtausende sicher verwahrt.
In der Gegenwart steht Kahndaq wiederum unter einer Minidiktatur, die diesmal die kriminelle Organisation Intergang zu verantworten hat. Die Archäologin und Widerständlerin Adrianna Tomaz (Sara Shahi) will verhindern, dass Intergang in den Besitz der Krone von Sabbac gerät, die seinerzeit schon Ahk-Ton seine Macht verlieh. Während eines Scharmützels mit Söldnern befreit sie den noch immer verzauberten Champion aus seinem Gefängnis. Dieser setzt seinen gewalttätigen Feldzug sogleich fort, rettet Adrianna jedoch das Leben. Zeitgleich wird die umtriebige Amanda Waller (Viola Davis) auf die Ereignisse in Kahndaq aufmerksam und entsendet mit Carter „Hawkman“ Hall (Aldis Hodge), Kent „Dr. Fate“ Nelson (Pierce Brosnan), Maxine „Cyclone“ Hunkel (Quintessa Swindell) und Al „Atom Smasher“ Rothstein (Noah Centineo) vier Mitglieder der JSA (Justice Society of America), um den mächtigen Wüterich auf den Weg zur Tugend zurück zu führen. Dieser lässt sich jedoch nichts sagen und prügelt unverzagt gegen das Superheldenquartett los, bis er sich als Teth-Adam entpuppt, auf den Hurut einst seine Kräfte übertrug. Nach einem vermeintlich siegreichen Kampf gegen Intergang-Oberhaupt Ishmael (Marwan Kenzari), der sich als letzter lebender Nachfahr König Ahk-Tons der Krone von Sabbac zu bemächtigen trachtet, ergibt sich Teth-Adam der JSA und lässt sich in kryogenischen Schlaf versetzen. Doch Ishmael kehrt als Sabbac himself aus der Hölle zurück und nun bedarf es doch wieder eines Teth-Adam, um Kahndaq und die gesamte restliche Welt ein weiteres Mal zu retten…

„Black Adam“ erweist sich schon nach den ersten Minuten als bislang zweitschwächster Vertreter des revitalisierten Kino-DCEU, nur unwesentlich ansehnlicher als der erste „Suicide Squad“-Beitrag von David Ayer (wobei ich „Birds Of Prey And The Fantabulous Emancipation Of One Harley Quinn“ allerdings wohlweislich ausgespart habe). Die Gründe für das mäßige Abschneiden von Collet-Serras Comicadaption sind dabei durchaus vielgestaltig: Der Film versteht sich in seiner Gesamtheit zuvorderst als Vehikel für seinen Hauptdarsteller, dessen gebuildeter Body selbst noch gut sichtbar durch das schwarze Shazam-Kostüm des Titelhelden prangt. Immerhin bekommt man mit „dem Felsen“ unter Verzicht auf die pomadige Frisur und die spitzen Ohren des gezeichneten Vorbildes ein amtliches physiognomisches Alias geliefert, der die tiefbrodelnde Wut des aus der arabischen Antike stammenden, Fascho-Liberalen Teth-Adam sogar momentweise zu transportieren weiß. So erreicht „Black Adam“ seine denkwürdigsten Momente, wenn der kräftemäßig Superman durchaus gewachsene Protz mit den bösen Jungs von Intergang aufräumt und seinem kleinen Stadtstaat quasi im Alleingang eine Führungsrenovierung verabreicht. Daran, den insbesondere u.a. von den Autoren James Robinson, David S. Goyer und Geoff Johns (der hier wie so oft mitproduziert hat) innerhalb der ab 1999 formidabel relaunchten JSA-Strecke reaktivierten Black Adam in all seiner facettenreichen Charakterisierung zu zeigen, ist der Film indes mitnichten interessiert. Als buchstäblicher Anti-Held, der im Gegensatz zu diversen seiner Kolleginnen und Kollegen einen sehr dehn- und somit streitbaren Moralbegriff pflegt, ist Teth-Adam zugleich auch Massenmörder, Verschwörer und Diktator; einer, der stets die eigenen Ziele im Blick hat und mit Kahndaq, ähnlich wie der bei der Konkurrenz von Marvel beheimatete Dr. Victor Von Doom mit Latveria, seinen eigenen, kleinen Problem- und Schurkenstaat regiert. Für derlei Tiefenschärfe findet sich in dem auf oberflächlichen Popcornrabatz getunten „Black Adam“ jedoch kein Platz. In ihrem ersten Kinoauftritt schrumpft die JSA, immerhin das allererste Superheldenteam überhaupt und seit 82 Jahren zur Stelle, zweifelsohne der Komplexitätsreduktion wegen auf ein eher niedliches Miniclübchen zusammen, das in dieser Ausprägung natürlich nicht gegen Teth-Adam bestehen kann. Es macht jedoch selbst mit Einschränkungen Freude, Figuren wie Hawkman und Dr. Fate in Aktion auf der großen Leinwand erblicken zu können. Und dann ist da ja noch Henry Cavills Auftritt während der end credits. Dass wahre Gänsehautmomente – und dies sei bitte ironisch aufzufassen – sich am besten im Abspann machen, hat DC immerhin von Marvel gelernt. Leider nicht wesentlich mehr.

6/10

THOR: LOVE AND THUNDER

„It’s hammerin‘ time!“

Thor: Love And Thunder ~ USA/AUS 2022
Directed By: Taika Waititi

Wie sich zuvor bereits abzeichnete, verträgt sich die mehr und mehr ausufernde Hybris des mittlerweile wieder in körperlicher Bestform befindlichen Thor Odinsohn (Chris Hemsworth) nicht allzu gut mit den pausenlosen Egotrips von Peter Quill (Chris Pratt) und denen der übrigen Guardians Of The Galaxy – umso leichter fällt beiden Fraktionen [Thor wird weiterhin begleitet von seinem felsigen, treuen Bro Korg (Taika Waititi)] der Abschied voneinander. Ein Hilferuf führt den Donnergott a.D. zu seiner früheren Gespielin Sif (Jaimie Alexander) – diese hat im Kampf gegen den rachsüchtigen, dämonenhaften Gorr (Christian Bale) einen Arm eingebüßt – und dann weiter nach New Asgard auf der Erde. Dort begegnet Thor neben Valkyrie (Tessa Thompson) auch seiner alten Liebe Jane Foster (Natalie Portman) wieder, die nunmehr als „Lady Thor“ den wieder zusammengesetzten Mjölnir schwingt. Gemeinsam macht man sich an die Verfolgung Gorrs, der eine größere Gruppe von Kindern aus New Asgard entführt hat und damit einen ganz bewussten Köder legt: Gorr, dessen Ziel darin besteht, sämtliche Götter des Universums hinzuschlachten, benötigt nämlich Thors Streitaxt Sturmbringer. Jene vermag nämlich eine Regenbogenbrücke zu der kosmischen Entität Eternity, welche einem seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, zu schlagen…

Die Marschrichtung, die sich im letzten Thor-Abenteuer „Ragnarok“ bereits so überdeutlich abzeichnete, verfolgt Regisseur Taika Waititi mit „Love & Thunder“ nur umso konsequenter weiter – er überführt den einstmals biernen Ernst der Figur und der sie umwabernden Mythologie endgültig auf das Terrain der Komödie. Für Hauptdarsteller Hemsworth nebenbei ein regelrechtes Familienunternehmen, bestimmen nunmehr quirkiness, queerness und camp den Duktus des jüngsten MCU-Kinobeitrags, in dem der schöne Ase vollends zur Selbstpersiflage geführt wird. Selbstherrlich, arrogant und nicht allzu intelligent gelingt es Odinsohn, kaum eine Heldentat ohne kleinere oder größere Katastrophen zu vollbringen, vom freilich nach wie vor der alten Dramatik verpflichteten Showdown gegen Gorr gewiss abgesehen. Nachdem bereits die meisten der jüngeren MCU-Zuwächse von stetig wachsender Ironie und Spaßverpflichtung geprägt waren, lässt Waititi nunmehr die blanke Absurdität triumphieren, indem er pausenlos Einfälle abfeuert, die den Titelhelden und seinen bisherigen Leinwand-Werdegang karikieren und dekonstruieren. Garantiert keine pathetisch geschwungene Rede, die nicht irgendwie ausfranst und nach hinten losgeht, garantiert kein machistischer Wesenszug, der ungesühnt bleibt. Seinen Gipfel erreicht das Ganze in jener in mehrerlei Hinsicht zentralen Sequenz, in der Thor und seine GefährtInnen in die Allmachtsstadt reisen, den interdimensionalen Göttertreff, um dort die Hilfe von Zeus (Russell Crowe) persönlich zu ersuchen. Jener erweist sich als spaßsüchtiger, aufgedunsener alter Filou mit Hang zur Clownerie, der sich lediglich auf die nächste Orgie freut, dabei jedoch keinerlei Interesse hegt, gegen einen Götterschlächter mit Nekroschwert ins Feld zu ziehen. Den frech protestierenden Thor macht er darauf kurzerhand zum unfreiwilligen Chippendale. Das Ganze erinnert in Aufzug, Visualisierung und grotesker Narration – wohl kaum von ungefähr – an Mike Hodges‘ seligen „Flash Gordon“, respektive jene unnachahmliche Szene in Imperator Mings Thronsaal, in der man American Football spielt. Es würde mich demnach kaum wundern, wenn „Love And Thunder“ ein ganz ähnliches Schicksal wie einst auch diese Preziose erleiden sollte; Thor Nr. 4 macht es großen Teilen seines prinzipiell avisierten Publikums infolge seiner gnadenlos parodistischen Agenda nämlich nicht eben leicht. Selbst dem Nebenschauplatz Brustkrebs, der die arme Jane Foster ereilt und der gerade durch deren Nutzung Mjölnirs besonders fatale Ausmaße animmt, wird im Grunde kaum der gebührende Ernst eingeräumt. Schließlich muss man sagen, dass die „Guardians“-Reihe den Einsatz klassischer Rocksongs wesentlich einfallsreicher handhabt. Viermal Guns N‘ Roses (freilich in denkbar offensichtlichster Präsentation) und einmal Dio (zum Abspann) erfordert jedenfalls keine sonderlich sorgfältige Kuratierung.
Möglicherweise ist „Thor: Love And Thunder“ einfach ein Film, dem noch eine größere Zukunft beschieden ist; kommende Generationen von Filmhistorikern werden in ihm vielleicht das reaktionäre Produkt einer globalen Depression als Zeitzeichen ausmachen oder seinen Status innerhalb des MCU als stilistische Initiallösung oder thematische Zäsur analysieren. Gegenwärtig pendeln meine Eindrücke wohlwollend irgendwo zwischen „nett“ und „amüsant“.

7/10

ETERNALS

„When you love something, you protect it.“

Eternals ~ USA 2021
Directed By: Chloé Zhao

Zehn nicht alternde, außerirdische Superwesen – Ajak (Salma Hajek), Ikaris (Richard Madden), Sersi (Gemma Chan), Thena (Angelina Jolie), Kingo (Kumail Nanjiani), Phastos (Bryan Tyree Henry), Gilgamesh (Dong-seok Ma), Druig (Barry Keoghan), Makkari (Lauren Ridloff) und die ewig in einem Kinderkörper gefangene Sprite (Lia McHugh) – die Eternals, wurden vor 7000 Jahren auf die Erde gesandt, um die Menschen vor den Deviants, ebenfalls extraterrestrischen, monströsen Kreaturen zu beschützen und so die ungestörte Entwicklung des homo sapiens zu gewährleisten – zumindest glauben die meisten von ihnen das. Tatsächlich, so müssen die verbliebenen Eternals in der Gegenwart nach dem unerwarteten Tod ihrer Anführerin Ajak erfahren, dient ihre Anwesenheit auf dem Planeten einem ganz anderen Zweck: Geschaffen als künstliche Handlanger der gottgleichen Celestials, kosmischer Entitäten, die die Geschicke des Universums lenken, liegt die heimliche Aufgabe der Eternals darin, die Geburt eines weiteren Celestials, Tiamut, der seit Äonen im Erdinneren seiner Erweckung harrt, vorzubereiten. Die ebenfalls von den Celestials kreierten Deviants dienen dabei eigentlich als reines Ablenkungsmanöver, doch auch einer von ihnen, Kro (Bill Skarsgård), durchlebt eine rasche Evolution, indem er sich die Essenz der toten Ajak einverleibt. Als die heuer in London lebende Sersi durch eine telepathische Brücke von Ajak und den hernach folgenden Kontakt zum Celestial Arishem die Wahrheit über ihr Hiersein erfährt, beginnt eine verlustreiche Schlacht um das Schicksal der Welt.

Der stilprägende Autor und Zeichner Jack Kirby, vielleicht etwas vollmundig auch als „William Blake der Neunten Kunst“ hofiert, der gemeinsam mit Stan Lee im Silver Age für einige der wichtigsten Kreationen der Marvel Comics verantwortlich zeichnete, genoss nicht zuletzt aufgrund seines überwältigenden Renommees in der Szene in den Siebzigern umfassende künstlerische Narrenfreiheit, wenngleich er selbst sich von seinem Hausverlag zwischenzeitlich unfair behandelt wähnte. Diese gestattete es ihm, sowohl für die Konkurrenz von DC als später dann auch für Marvel, einige höchst eigenwillige, überbordernde high concept cosmic operas mit psychedelischem Anstrich zu schaffen, die zunächst jeweils kommerziell erfolglos blieben, in beiden Comic-Universen jedoch ein bis in die Gegenwart reichendes Echo hinterließen. Im Falle Marvel handelte es sich dabei um die Eternals, weithin in cognito lebende, uralte Beschützer aus dem All, die wiederum von den übermächtigen Celestials geschaffen wurden. Die wahren Hintergründe ihrer Existenz wurden dabei in den Folgejahrzehnten von anderen Autoren unregelmäßig immer wieder aufgegriffen, erweitert und ausgebaut. Es erstaunt nicht wenig, dass ausgerechnet diese inhaltlich sperrigen, wenig zeitgemäßen Figuren für ein Werk der jüngsten MCU-Phase adaptiert wurden und auch das dazugehörige, filmische Resultat vermag jene Verwunderung auf den ersten Blick kaum auszuhebeln. Die Bezüge zwischen den Eternals/Celestials und dem restlichen Marvel-Universum dürften vonehmlich emsigen Comicphilologen geläufig sein und wirken hinsichtlich des zwar zunehmend komplexer werdenden, aber noch überschaubaren MCU-Narrativs vermutlich eher befremdlich. Für die Regisseurin Chloé Zhao dürften derlei akademische Spitzfindigkeiten allerdings ohnehin bestenfalls nebensächlich gewesen sein; sie bemüht sich redlich, ihren inszenatorischen Einstieg ins big business halbwegs amtlich über die Runden zu bringen und schafft dies nach meinem Dafürhalten auch in zufriedenstellender Weise zumindest für Zuschauer, die der optionalen, mythologischen Geräumigkeit des Konzepts MCU offen gegenüberstehen. Zhao als Co-Scriptorin interessiert sich vornehmlich für gesellschaftsrelevante Gegenwartsbezüge in Form gezielt installierter Diversität und die philosophischen Dimensionen, die die Eternals umwabern: bei ihr nimmt sich der kosmische Genpool ostentativ multiethnisch aus, Ajak, Makkari und Sprite wechseln ihr Geschlecht von männlich zu weiblich (womit das ursprüngliche Geschlechterverhältnis der Gruppe von 8:2 zu 50/50 changiert) und zumindest Phastos (im Film zudem kein muskulös gezeichneter Adonis, sondern unglamourös übergewichtig) lebt heuer offen homosexuell. Der strahlend-engelsgleich erscheinende Ikaris, ein unzweideutiges Pendant zu DCs Superman, entpuppt sich als der im Kern misanthropische, sein determiniertes „Schicksal“ als willfähriger Wegbereiter der Apokalypse ungerührt ausführender Holzkopf (ein Image, mit dem das Original ja seit eh und je konfrontiert wird), Kingo genießt seinen etwas albern anmutenden, popkulturellen Ruhm als Bollywood-Ikone und Druig pflegt die offene Rebellion gegen sein zur Passivität verdammtes Schicksal. Erstaunlicherweise gelingt es Zhao binnen der zweieinhalb Stunden Erzählzeit recht gut, fast all diesen Charakteren (einzig Gilgamesh und Makkari, zwei eigentlich doch sehr interessante Mitglieder der Eternals, bleiben bedauernswert unterentwickelt) eine hinreichend greifbare Basis nebst Weiterentwicklung zu verschaffen. Keinesfalls unintelligent strukturiert, vermag der Film ferner, die von steten Selbstzweifeln überlagerte, millenienlange Anwesenheit der Eternals auf der Erde mittels kompakt gefasster, welthistorischer Stationen zusammenzufassen. Außerdem wird endlich Dane Whitman (Kit Harrington) aka der zweite (gute) „Black Knight“ eingeführt, einer meiner Lieblingshelden seit Kindertagen, der hoffentlich in Kürze komplett berüstet und mit seinem geflügelten Ross Aragorn durch die MCU-Lüfte segeln wird. Die naturgemäß vornehmlich um Scharmützel mit den Deviants kreisenden Actionsequenzen bieten mediokren MCU-Standard und besitzen freilich nicht den choreographischen Schmiss einer perfekt inszenierten Avengers-Schlacht, aber auch das dürfte Chloé Zhao am Allerwertesten vorbeigehen. Für semiorgiastisch-geekige Glücksmomente sorgen natürlich wieder die Abspann-Einsprengsel: Thanossens diametral orientierter Bruder Eros/Starfox (Harry Styles) und Pip, der Troll (Patton Oswalt) vollziehen ihre überraschende Premiere; den neuen Blade (Mahershala Ali) kann man ganz zum Ende wenigstens schonmal akustisch genießen.
Nach „Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ hält die Qualitätsdemarkation jedenfalls ihr Niveau und euer Chronist ist, wenn schon nicht vollends begeistert, so doch (wiederum) satt und zufrieden.

7/10

VENOM: LET THERE BE CARNAGE

„Something wicked this way comes…“

Venom: Let There Be Carnage ~ USA 2021
Directed By: Andy Serkis

Eddie Brock (Tom Hardy) und der mit ihm verbundene Alien-Symbiont Venom leben ihre fusionierte Existenz mittlerweile wie ein altes Ehepaar. Als sich Brock die Chance eröffnet, durch ein Interview mit dem im Todestrakt von San Quentin einsitzenden Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson) seiner Reporterkarriere neuen Schub zu verleihen, nutzt er diese – zunächst erfolgreich. Ein weiteres Treffen mit Kasady kurz vor dessen Hinrichtung endet jedoch katastrophal: es gelingt dem Killer, sich ein Stück von Venom einzuverleiben, womit eine neue, todbringende Kreatur namens Carnage geboren ist. Kasady/Carnage entkommt, um sich mit seiner in der Anstalt Ravencroft einsitzenden Jugendliebe, einer mörderischen Mutantin namens Frances Barrison (Naomie Harris) alias Shriek, wiederzuvereinen und gemeinsam ihr früheres Kinderheim „St. Estes“ dem Erdboden gleichzumachen. Derweil trennen sich Brock und Venom nach einem heftigen Streit vorübergehend voneinander, müssen sich aber schließlich doch wieder zusammenraufen, um gemeinsam Carnages und Shrieks Amoklauf Einhalt zu gebieten.

Zu den eklatanten, aber noch langmütig aushaltbaren Problemen des Vorgängers gesellen sich im nunmehr von Andy Serkis inszenierten Sequel noch ein paar weitere hinzu. „Let There Be Carnage“ begreift sich primär als fröhlicher monster mash mit Partyallüren und leidet wiederum nachhaltig unter seiner erklärten Jugendfreundlichkeit, die selbst einem blutrünstigen Massenmörder wie Cletus Kasady noch den sinistren Nimbus nimmt. Mit seiner allenthalben überhasteten Dramaturgie und dem seine selten geistreichen Dialoge unter Dauerfeuer ausspeienden Script erinnert der zweite „Venom“ eher an die beiden sträflich missglückten „Batman“-Filme, die Joel Schumacher in den Neunzigern inszenierte und die den Dunklen Ritter nebst seiner finsteren Genesis zu einer bunten Zirkusattraktion aufweichten. Als hätte es sie letzten zwei Jahrzehnte Genrebildung im Superhelden-Adaptionsfach nicht gegeben, pfeift „Let There Be Carnage“ zu obigen Vorbildern passend auf jedwede Ernsthaftigkeit und tritt sowohl die existenzialistische Schwere der Snyder-Filme fürs DCEU als auch die zunehmende inhaltliche Komplexität des MCU so dreist wie lustvoll mit Füßen – es braucht dann auch nicht mehr die gewohnte Überlänge, um flaue Gags, Computerspielästhetik und entseelte CGI-Superwesen-Kloppereien in solch konzentrierter, dabei jedoch völlig unsubstanzieller Form aufzubieten. Ob man diesen buchstäblichen Affront gegen so ziemlich alles, was dem Superheldenfilmfan mittlerweile lieb und teuer ist, als notwendige Stilprovokation zu goutieren bereit ist oder eher genervt mit den Augen rollt, mag zu einem Teil reiner Rezeptionsdialektik geschuldet sein – offenkundige Schwächen wie die, kein konzises Gesamtbild hinterlassen zu können, lassen sich jedoch so oder so nicht fortleugnen. Der vermeintlich größte Clou findet sich dann erwartungsgemäß während der end credits, die, ermöglicht durch die Einführung des Multiverse-Konzepts drüben bei Disney, eine Brücke zum dort installierten „Spider-Man“ schlagen, was Sony in Kürze selbst unter nochmaliger Befleißigung dieses albernen Titelhelden neue Zuschauerrekorde bescheren wird.

4/10

SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TEN RINGS

„Welcome to the circus.“

Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings ~ USA/AUS 2021
Directed By: Destin Daniel Cretton

Wie seine jüngere Schwester Xialing (Meng’er Zhang) stammt Shang-Chi (Simu Liu) aus der märchenhaften Verbindung des uralten Eroberers und Meisters der Zehn Ringe, Xu Wenwu (Tony Leung), und der aus der magischen Zwischendimension Ta Lo stammenden Wächterin Li (Fala Chen). In San Franciscos Chinatown lebt Shang-Chi, seine Vergangenheit ignorierende, unter dem unverbindlichen Alias Shaun ein unspektakuläres Leben als Servicekraft – bis sich sein Vater auf brutale Weise zurück in seine Existenz mischt. Der trauernde Xu Wenwu glaubt, einen Hilferuf seiner bereits vor Jahren getöteten Li aus Ta Lo zu vernehmen. Dass sich dahinter tatsächlich ein weltenbedrohender Seelenfänger-Drache verbirgt, der mit Xu Wenwus Hilfe aus seinem Gefängnis entfliehen will, möchte dieser nicht wahrhaben. Es ist daher an Shang-Chi, seine beträchtlichen Fähigkeiten als Kung-Fu-Meister zu perfektionieren und seinem Vater gemeinsam mit seinen Verbündeten Einhalt zu gebieten, bevor der Seelenfresser den Weg in die Menschenwelt findet.

In der vierten MCU-Phase, die ja zu nicht unerheblichen Teilen auch von ihren bis dato durchweg gelungenen Serials zehrt und lebt, treten nunmehr auch weniger populäre HeldInnen in Aktion, darunter der 1973 debütierte „Master Of Kung Fu“ Shang-Chi. Dieser war, ähnlich wie zuvor Black Panther und Luke „Powerman“ Cage“ als Repräsentanten des new black consciousness, konzipiert als Comic-Antwort auf die vor allem durch Bruce Lee personifizierte Martial-Arts-Welle. Während damals noch diverse Verknüpfungen mit der Pulp-Figur Dr. Fu-Manchu, als dessen Sohn Shang-Chi vorgestellt wurde, in den Vordergrund gerückt wurden, hat der 25. MCU-Film derlei hausbackene Klischees nicht mehr nötig. Tatsächlich scheint man sich – soweit ich als diesbezüglicher Volllaie das beurteilen kann – um die eine oder andere ernstzunehmende Verbeugung vor der reichhaltigen chinesischen Mythologie bemüht zu haben und lässt dazu passend auch manch attraktives Wuxia-Element mit einfließen, freilich nicht, ohne die diversen obligatorischen Zwinkerer Richtung comicgeschultes Publikum zu vergessen. Ganz hübsch nehmen sich etwa die Reaktivierung des verschollen geglaubten Akteurs Trevor Slattery (Ben Kingsley) oder der überraschende Gastauftritt von Emil „Abomination“ Blonsky (Tim Roth) aus. Continuity wird weiterhin groß geschrieben im MCU, auch in der vermeintlichen Peripherie.
„Shang-Chi And The Legend Of The Ten Rings“ ist resümierend kein wirklich besonderer oder gar großartiger Film, er gefällt jedoch als farbenprächtiges und bildgewaltiges Fantasyspektakel, das auch Kindern Freude bereiten soll und dürfte. Ich persönlich hätte mir im Gegenzug vielleicht einen etwas erwachseneren, möglicherweise finstereren Ansatz gewünscht, aber man kann ja nicht alles haben.

7/10

THE SUICIDE SQUAD

„Nom-nom?“

The Suicide Squad ~ USA/CA/UK 2021
Directed By: James Gunn

Die aus im Gefängnis einsitzenden, kriminellen oder geistesgestörten Metawesen bestehende, von Agent Amanda Waller (Viola Davis) rekrutierte „Task Force X“ aka „Suicide Squad“ erhält in weitgehend neuer Zusammensetzung einen weiteren Auftrag: Die Truppe soll auf der von einer Militärjunta beherrschten Karibikinsel Corto Maltese einfallen und eine von Regierungstruppen schwer bewachte Festung namens „Jotunheim“ zerstören, in der ein mysteriöses Forschungsprojekt names „Starfish“ beheimatet ist. Die Suicide Squad landet in zwei Abteilungen an der Küste von Corto Maltese, wobei die erste, mit Ausnahme von Colonel Rick Flag (Joel Kinnaman) und der verrückten Harley Quinn (Margot Robbie), unmittelbar aufgerieben wird. Die kleinere, aber deutlich wehrhaftere Abordnung besteht aus dem Söldner Robert DuBois (Idris Elba) alias „Bloodsport“, dem selbsternannten „Peacemaker“ Christopher Smith (John Cena), dem irren Laborexperiment Abner Krill (David Dastmalchian) alias „Polka-Dot-Man“, dem maritimen Halbgott Nanaue (Sylvester Stallone) alias „King Shark“ und der mit absoluter Macht über Ratten ausgestatteten Cleo Cazo (Daniela Melchior) alias „Ratcatcher II“. Gemeinsam arbeitet sich das Team bis in die Hauptstadt vor, nimmt den Projektleiter Gaius Grieves (Peter Capaldi) alias „Thinker“ gefangen und gelangt mit dessen Hilfe in die Mauern von Jotunheim. Die ursprüngliche Mission kann unter Verlusten erfüllt werden, doch mit der Einebnung des Gebäudes wird zugleich eine neue, furchtbare Gefahr entfesselt. Von nun an muss die Suicide Squad auf eigene Rechnung arbeiten…

Wie der „Guardians Of The Galaxy“-Betreuer James Gunn zu seinem Zwischenspiel beim DCEU kam, dürfte ja hinlänglich bewusst sein. Dass damit zugleich ein kleiner, kreativer Brückenschlag zwischen den beiden Comicfilm-Riesen vollzogen wurde, erweist sich als so gleichermaßen reizvoll wie schadenfreudig: Während Disney und MCU-Mastermind Kevin Feige Gunn vormals eher in weitgehend domestizierten Schranken arbeitenund seine bekanntermaßen im derberen Filmschaffen wurzelnde Kreativenergie sich in psychedelischen Space-Gags sublimieren ließen, konnte er bei DC zum ersten Mal seit seinem zweiten Film „Super“ wieder vollends die Sau durchs Dorf und es gerade so bunt treiben, wie ihm der freche Schnabel gewachsen ist. Das Resultat ist die erste echte splatter comedy im großbudgetierten High-End-Superheldenfilm, eine liebenswert-böshumorige Burleske, in der geholzt wird, dass die Schwarte kracht. Dabei wird die makrokosmische Anbindung an Zack Snyders DC-Trilogie aufrecht erhalten und es handelt sich tatsächlich auch nicht, wie gelegentlich aufzuschnappen war, um ein Reboot von David Ayers „Suicide Squad“, sondern um ein echtes Sequel, das zur gleichen Zeit allerdings eine umfassende Renovierung des Originals betreibt. Bekanntermaßen wurde Ayer damals gehörigst in die Schranken gewiesen und dazu angehalten, seine Vision dieses verlottertsten aller Heldenteams so jugendfrei als möglich abzuliefern. Die Gags darin nahmen sich dementsprechend eher durchgemangelt aus und der overfiend wenig denkwürdig. Mit all diesen kleinen und großen Faux-pas räumt Gunn in seiner sehr persönlich gefärbten Vision der Squad rigoros auf: Ihren selbstmörderischen Beinamen trägt die Task Force X nunmehr völlig zu Recht; unmittelbar zu Beginn wird der gewissermaßen zur Ablenkung der Kerngruppe dienenden Vorhut der Garaus gemacht, als gäbe es kein Morgen mehr und die Marschrichtung des Films damit auch gleich unumwunden vorgegeben. Der im Folgenden von Gunn ausgerollte Irrsinnsteppich besteht aus einem Füllhorn mitunter brillanter visueller Einfälle, kleinen, manchmal etwas überschmückt scheinenden Nebenepisödchen [über Wert und Nutzen der als Bypass eingeflochtenen Kurzromanze zwischen Harley Quinn und dem Inseldespoten Luna (Juan Diego Botto) ließe sich etwa diskutieren – zweifelsohne dient sie in erster Linie dazu, Robbie Screentime zu verschaffen] und natürlich dem famosen Endkampf gegen den klassischen JLA-Gegner Starro, einen gewaltigen, außerirdischen Seestern, der sich seine Untertanen mittels kleiner Versionen seiner selbst, die er auf deren Gesichter pflanzt, gefügig macht. Wenn man es recht bedenkt, konnte der in Gestalt und Ausprägung nicht mehr ganz zeitgemäße Starro auch nur von einem wie Gunn zum Leinwandleben erweckt werden, die meisten anderen Filmemacher hätten sich vermutlich bis auf die Knochen blamiert. Schließlich lassen sich Gebrauch und Kompilierung der Figuren als gehörig sarkastisches Statement begreifen – die zur neuen Suicide Squad zählenden Charaktere sind, natürlich mit Ausnahme von Fanliebling Harley Quinn, die, ohne allzu augenfällige Beschränkungen zu erfahren, im Prinzip das einzig greifbare räsonistische Bindeglied zwischen dem etablierten DCEU und Gunns abgefucktem Grand-Guignol-Zirkus darstellt, allesamt letztklassige Seitenfüller, an die sich in erster Linie wohl nur wandelnde Comic-Enzyklopädien erinnern werden. Dass es zugleich aber nur solche vergessenen TertiärschurkInnen sein können, mit denen Gunn ins Feld zieht, ist letzten Endes so evident wie eigentlich alles andere auch an diesem rüpelhaft-spaßigen Film.

8/10

BLACK WIDOW

„It still fits!“

Black Widow ~ USA 2021
Directed By: Cate Shortland

Während Black Widow Natasha Romanoff (Scarlett Johansson) wegen ihrer Verstöße gegen das Sokovia-Abkommen weltweit von den US-Militärs gesucht wird und sich in Norwegen versteckt, spüt sie eine martialisch kostümierte, schwerbewaffnete Attentäterin namens „Taskmaster“ (Olga Kurylenko) auf, die ein unbewusst in Natashas Besitz befindliches Köfferchen sucht. Darin finden sich wiederum einige Phiolen mit einem roten Gas mysteriösen Ursprungs. Natasha kann Taskmaster mitsamt den Gasphiolen entkommen und reist nach Budapest, wo sie ihre vormalige „Pseudoschwester“ Yelena Belova (Florence Pugh) wiedertrifft, die von dem russischen General Dreykov (Ray Winstone) wie Natasha seit frühester Kindheit zu einer Superspionin ausgebildet wurde. Yelena klärt Natasha auf, dass der von ihr totgeglaubte Dreykov noch lebt und weiterhin rund um den Globus kleine Mädchen entführt, um sie in seinem geheimen „Red Room“ zu Widows der neuesten Generation heranzuzüchten. Dazu macht er sie mittels einer Suggestivchemikalie zunächst hörig und willenlos. Bei dem Gas in den Phiolen handelt es sich um ein Antidot, das den Mädchen, wie kurz zuvor auch Yelena, ihr eigentliches Bewusstsein zurückgibt. Gemeinsam mit zwei alten Bekannten, dem sowjetischen Captain-America-Gegenstück „Red Guardian“ Aleksej Shostakov (David Harbour) und der mit Dreykov zusammenarbeitenden Wissenschaftlerin und früheren Black Widow Melina Vostokoff (Rachel Weisz), infiltriert Natasha Dreykovs fliegende Festung.

Mit den Miniserienformaten erschließen sich die Marvel Studios unter Disney just ja ganz neue Vertriebswege. Zumindest die ersten beiden Serials, „WandaVision“ und „The Falcon And The Winter Soldier“ („Loki“ sehe ich mir erst an, wenn die Verfügbarkeit komplett ist), weisen im Prinzip sämtliche Qualitäten der gelungeneren Kinowerke auf und gefallen selbst mir als weitgehendem Serienignoranten ausnehmend gut. Als erster Filmbeitrag zur Phase 4 im MCU bildet „Black Widow“ ergänzend dazu zugleich eine ökonomische Reaktion Disneys auf das globale Pandemiegeschehen und die damit verbundene Kinoregression: Cate Shortlands Werk startet zeitgleich im Stream und auf der Leinwand. Da die Figur der Natasha Romanoff sich in „Avengers: Endgame“ so tapfer anstelle von „Hawkeye“ Clint Barton geopfert hatte, konnte sie nurmehr im Zuge eines Prequels wiederauftreten und damit zugleich den Weg für ihre potenzielle Nachfolgerin Yelena Belova bereiten. Scarlett Johannson verleiht ihrer Titelrolle trotz deren tödlichen Aktionismus‘ wiederum jene entspannte, klug dosierte Sanftmut, die man von ihr seit ihrem charismatischen Debüt in „Iron Man 2“ kennt. Innerhalb der Filme stellte Natasha Romanoff als erste und weitgehend einzige Frau im Bunde stets das moralisch integre Rückgrat der Avengers dar, das wesentliche Stabilitätsgarant und gewissermaßen zugleich Mutter- und Schwesterfigur. Ihr „eigenes“ Abenteuer fungiert insofern auch als verspätet nachgereichte, psychologische Blaupause, in der Biographie, Motivations- und Emotions-Motoren zumindest grob skizziert werden. Die originäre Comicfigur war ein mäßig interessant eingeführtes Produkt des Kalten Krieges, das irgendwann von den Sowjets zu den Amerikanern (nominell S.H.I.E.L.D.) überlief und dann diversen Heldenteams zugehörig, ebenso häufig jedoch in solitären Abenteuern umtriebig war. Anders als im MCU verbindet sie darin elementare Liebesbeziehungen mit Clint Barton und vor allem „Daredevil“ Matt Murdock, mit dem sich ihre Wege immer wieder kreuzten. Ihr Film-Alias musste aus naheliegenden Gründen ja gezwungenermaßen umstrukturiert werden; so ist der Red Guardian (der in vorhandener Ausprägung auch gut von Will Ferrell hätte gespielt werden können) hier nicht wie ehedem Natashas Ehegatte, sondern ihr auf die dreijährige Zeit einer längewierige Spionagemission begrenzter Quasi-Adoptivvater. Unter anderem diese ungewöhnliche Konstellation nutzt „Black Widow“, um gezielt dem der Widow-Historie wesentlich inhärenten Pfad immer wieder aufploppender Melodramatik zu entsagen und stattdessen jenem eigenwilligen, manchmal gar ins Groteske abschweifenden Humors zu folgen. So kerntragisch sich die Schicksale der von Dreykov gekidnappten, gewaltsam ihren eigenen Vitae entledigten und zu bloßen Marionetten verformten Mädchen ausnehmen – wenn sich die zersprengte, vierköpfige Spionfamilie von einst wiedervereint, hat das annähernden Sitcom-Charakter und greift damit die unberechenbare, humorige Leichtigkeit von „WandaVision“ auf. Die Plotstruktur indes gleicht auffallend der von „The Falcon And The Winter Soldier“ – zwei dickköpfige PartnerInnen wider Willen raufen sich zusammen, um weltweit einem handlungsspendenden Macguffin nebst verdeckt operierendem Overfiend nachzujagen und ihre eigentlich doch offensichtliche Freundschaft zu kultivieren. Die gebürtige Australierin Shortland macht daraus in ihrem vierten Film den ersten zumindest annähernd feministischen Beitrag zum MCU und koppelt daran scriptbedingt zugleich klassische Pulpphantasien um Finsterlinge mit tödlichen Mädchenarmeen, wie sie der geneigte Filmhistorienwühler noch aus Mottenkugeln wie „Deadlier Than The Male“, den „Dr. Goldfoot“- oder den „Sumuru“-Filmen in Erinnerung haben mag. Auch der deutlich jüngere „Red Sparrow“ liegt als Inspirationsquell freilich nicht fern. Ein diesbezüglich hübsches Bonmot leistet sich „Black Widow“ zudem und spannt damit zugleich den Bogen zum Fallschirm-Showdown: Bei Natasha Romanovs augenscheinlichem Lieblingsfilm, den sie sogar auswendig mitsprechen kann, handelt es sich um keinen geringeren als den stets gern belächelten Bond-Querschläger „Moonraker“.

7/10

SNOWPIERCER

„We go forward.“

Snowpiercer ~ KR/CZ 2013
Directed By: Joon-ho Bong

Wieder einmal erweist sich ein radikaler, wissenschaftlich implizierter Schritt zur Weltenrettung nurmehr als Beschleuniger des Armageddon: Nach Einsatz eines chemischen Kältemittels erstarrt der gesamte Globus zu einer einzigen Eiswüste. Die letzten etwa eintausend Überlebenden rasen in einem gewaltigen Zugungetüm, dem „Snowpiercer“, in endloser Umrundung um die Erde. Alles in dieser letzten großen Arche funktioniert scheinbar autark, der Antrieb, die Ernährung der Passagiere. Allerdings bleibt die Menschheit auch nach 17 Jahren „Snowpiercer“ strikt ihren althergebrachten Sozialstrukturen verhaftet: Das in Dreck, Dunkelheit und Gestank hausende Prekariat pfercht sich, ernährt von faden Proteinregeln und unter permanenter Knechtung von Wachtposten und der die Zugspitze repräsentierenden, unleidlichen Ministerin Mason (Tilda Swinton) in die hinteren Waggons, derweil die Oberklasse im vorderen Bereich ihren eigenen, sorgsam bewahrten Luxusgeschäftigkeiten nachgeht. Natürlich hat die revolutionäre Gärung unter den Armen längst eingesetzt, zumal ständig Kinder ohne weitere Erklärung mit nach vorn genommen werden und ein unbekannter Gesinnungsgenosse geheime Informationen aus dem Vorderzug absetzt. Diese gelangen in die Hände des Chefauständlers Curtis (Chris Evans), der schließlich die Rebellion wagt und sich mit seinen ihn begleitenden Leuten sowie der unverzichtbaren Unterstützung des unterdessen aus dem Tiefschlaf befreiten Ingenieurs Namgoong Minsoo (Kang-ho Song) immer weiter durch den Snowpiercer kämpft – bis ihn an dessen Spitze eine unerwartete Überraschung empfängt…

Joon-ho Bongs erster anglophoner Film mit einer sehr prominenten Besetzung basiert auf einer vierteiligen französischen Comicalbenreihe, die zwischen 1982 und 2015 erschien. Der Finalband wurde mit fünfzehn Jahren Abstand von einem anderen Autoren nachgesetzt, worauf wiederum mutmaßlich die vorliegende Adaption nachhaltigen Einfluss hatte. „Snowpiercer“ geriert sich auf den ersten Blick als relativ klassische Dystopie. Der Mensch erweist sich abermals als des Menschen Wolf und sorgt zunächst durch den von ihm selbst induzierten Klimawandel und hernach durch den verzweifelten Versuch, ebendiesen abzuwenden, für das (vorübergehende) Aus all seiner Existenzgrundlagen. Die vormalige Hierarchie zwischen Arm und Reich, Knechtschaft und Herrschertum projiziert sich auf die letzten Überlebenden. Wie in allen gegenwärtigen Hierarchien zeigt sich dabei schlussendlich, dass die dekadente Elite lediglich durch die „Pflege“ der Ärmsten ihren gewohnten Lebensstil pflegen und vor der totalen Derangierung bewahrt werden kann; ein Paradoxon, zumal die tote Außenwelt sich insgeheim bereits stellenweise zu erholen beginnt. Wie ebenfalls aus dem Plexus dystopischer Phantasien gewohnt, muss auch in „Snowpiercer“ der wohl nicht von ganz ungefähr mit Captain-America-Darsteller Evans besetzte Held eine verlustintensive Erkenntnisreise auf sich nehmen, um dem Ungeheuerlichen, das jene verwerflichen Systematiken am Laufen hält, auf die Spur zu kommen. Ebendiese Reise führt durch den „Snowpiercer“, einmal von ganz hinten bis nach ganz vorne und aus ebender Fragmentierung dieses Trips, die mit der sukzessiven „Erschließung“ immer weiterer, immer bizzarerer, physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Raum und Begrenzung scheinbar immer weniger gehorchenden Waggons einhergeht, liegt zugleich der Hauptreiz des Films. Curtis und seine Getreuen beteugen in symbolhafter Darstellung gewissermaßen die gesamte maslowsche Bedürfnispyramide in aufsteigendem Durchsturm, bis der gerecht zürnende Dissident, der die letzten zweieinhalb Dekaden von drögen, aus Ungeziefer bestehenden Proteinregeln leben musste, schließlich an des Großen Bruders Milfords (Ed Harris) Tafel sitzt, ein edles Filet auf dem kostbaren Teller. Der besagte Weg, der dorthin führt, erschließt in durchaus geschickter Weise, was die allermeisten von uns antreibt. Unabhängig von den aktionsreichen, natürlich stets aufregend bebilderten Kämpfen und Erleuchtungen, deren Bestreiten eher als schicke Makulatur im Gedächtnis bleibt, subsummiert sich Bongs Film auf die große, kosmische Wahrheit: Die einen fressen Scheiße, während die anderen Partys feiern in Saus und Braus. Der „Snowpiercer“ liefert für diese jahrtausendealte lediglich ein weiteres, postmodernes Bild – wobei es davon ja im Prinzip nie genug geben kann.

8/10

THE EMPTY MAN

„Already you’re startin‘ to lose me.“

The Empty Man ~ USA/UK/SA 2020
Directed By: David Prior

Der Ex-Polizist James Lasombra (James Badge Dale) muss sich mit einer traumatischen jüngeren Vergangenheit herumschlagen. Als seine Bekannte Nora (Marin Ireland) ihn verzweifelt darüber informiert, dass ihre Tochter Amanda (Sasha Frolova) unter merkwürdigen Umständen verschwunden ist, betätigt Lasombra sich als Detektiv in eigener Sache. Er stößt auf einen sonderbaren Legendenkult, der etwas mit dem „Empty Man“, offenbar eine Art mysteriöser, dämonischer Entität, zu tun hat sowie eine sektenähnlichen Gemeinschaft namens „Pontifex Institute“, die auf übersinnlichem Wege mit ebenjenem Wesen in Verbindung steht. Gleich mehrere Jugendliche aus Amandas Umfeld werden tot aufgefunden, einige davon von Lasombra selbst. Seine weiteren Ermittlungen führen ihn schließlich zu einem höchst unerwarteten Ziel.

Über „The Empty Man“ zu stolpern, erfordert schon eine gewisse Koinzidenz. Der eigentlich bereits vor vier Jahren gedrehte und für ein verspätetes, halsbrecherisches Release im Oktober 2020 avisierte Film hatte nämlich denkbar viel Pech, von seinem Regisseur ganz zu schweigen: es handelte sich bei „The Empty Man“ um eine der letzten Produktionen, die bei 20th Century Fox vor der Übernahme durch den Disney-Konzern entstanden und deren klägliches Veröffentlichungsschicksal auf unglücklich verlaufene test screenings, rein monetär orientierte Gewinnabwägungen und natürlich die ganz allgemein rekurrierenden Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen sind. Für David Prior, ein Protegée von David Fincher und über Jahre hinweg vor allem als emsiger Making-Of-Dokumentarist für Heimkino-Releases umtriebig, sollte „The Empty Man“ das erste große Eigenprojekt darstellen. Der jenem zugrunde liegende Stoff kapriziert sich dabei auf eine in drei Etappen veröffentliche Mystery-/Horror-Comicreihe des renommierten Autors Cullen Bunn, wobei der Film keine direkte Adaption bildet, sondern einzelne Motive aus Bunns dystopischen Universum aufgreift und weiterverarbeitet.
Dabei heraus kam ein ungewöhnlich aufgezogener, verschachtelter Film, dessen Narrativ auf eine ganze Menge an Vorbildern zurückgreift und daraus am Ende doch etwas unerwartet Genuines destilliert. Auf knappe 140 Erzählminuten legt Prior sein Werk an, darunter eine rund 25-minütige, 23 Jahre in der filmischen Vergangenheit angesiedelte Exposition, die in Bhutan spielt und in der gewissermaßen der Einzug des Empty Man in die postmoderne Realität geschildert wird. Der nachfolgende Sprung macht uns dann umgehend mit dem Protagonisten vertraut, an dessen Seite wir den Rest der zermürbenden Geschichte bezeugen werden. Prior erweist sich dabei als ein in Sachen Genrehistorie beschlagener Aficionado, dessen Einflüsse notorische Lovecraft-Mythen über Urban-Legend- und jüngeren Sektenkulthorror sowie neo noir bis hin zu Alan Parkers „Angel Heart“ umspannen und den rätselnden Rezipienten ebenso häufig ins Leere laufen lassen wie sie ihn mittels kluger Kompaktheit überraschen. Die verfrühte und in der desinteressierten Werbung suggestierte Annahme, hier abermals mit einem weiteren, dullen „Kausaldämon“ konfrontiert zu werden, der durch die Neugier ein paar gelangweilter Stadtteenies heraufbeschworen wird, könnte dabei falscher kaum sein und führt trotz entsprechender Ansätze glücklicherweise bald ins Leere. Die entsprechende Ebene verfolgt „The Empty Man“ als eine von vielen anfangs zwar durchaus, lässt sie dann aber bald fallen, wie sich am Ende die gesamte erzählte realis als großes, in weiten Teilen rein illusorisches Mosaik offenbaren wird. Es gilt vielmehr, die kleinen Zeichen zu beachten, derer sich Prior geschickt befleißigt – die graphischen Darstellungen an den Wänden etwa, die leere Flasche als zweckentfremdetes Gefäß, die Brücke als permanentes Symbol der Wahrnehmungserweiterung und der damit verknüpfte Begriff des „Pontifex“ (etymologisch „Brückenbauer“), der Nachname des Protagonisten, der auf spanisch „der Schatten“ bedeutet, die anfangs als Investigativziel aufploppende, nach Derrida, dem Begründer der Dekonstruktion, benannte Highschool von Amanda und ihren Freunden. Analog dazu gerät „The Empty Man“ mehr und mehr zu einer hermeneutischen (Selbst-)Reflexion. Prior unternimmt seine Reise also auf sehr viel komplexeren Pfaden als es zunächst den Anschein hat, weshalb ich auch nicht glaube, seinem Film nach einmaliger Betrachtung vollumfänglich gerecht werden zu können. Es lohnt sich insofern, ihm auf seine Brücke ins Irgendwo zu folgen.

7/10