THE GIFT

„Kids are mean.“ – „Kids are honest.“

The Gift ~ USA 2015
Directed By: Joel Edgerton

Das Ehepaar Simon (Jason Bateman) und Robyn Callem (Rebecca Hall) zieht von Chicago nach Los Angeles, wo Simon einen aufstiegsversprechenden Posten angetreten hat. Während die beiden dabei sind, das neue Haus einzurichten, treffen sie in der Mall auf Gordon Moseley (Joel Edgerton), einen alten Schulkameraden von Simon, an den dieser sich jedoch nicht unmittelbar erinnert. Von diesem Moment an heftet sich Gordon, genannt „Gordo“, immer dichter an das Ehepaar, hinterlässt Geschenke und besucht Robyn häufiger, wenn Simon auf der Arbeit ist. Diesem werden Gordos Aufdringlichkeiten bald zuviel und im Zuge eines etwas seltsam verlaufenden Besuch in dessen Haus macht Simon Gordo klar, dass er ihn und Robyn künftig in Ruhe lassen soll. Obschon Gordo in einem Brief versichert, dass er sich dieem Wunsch fügen wird, kommt es zu immer bedrohlicheren Ereignissen im Haus der Callems: Der Hund verschwindet für ein paar Tage spurlos, Robyn, die meint, einen Fremden im Haus zu sehen, erleidet einen mehrstündigen Blackout. Als sie schließlich schwanger wird – zum zweiten Mal, nachdem sie einst eine stressbedingte Fehlgeburt hatte -, und Simon befördert wird, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Eine Monate später stattfindende, zufällige Begegnung mit Gordo führt dazu, dass Robyn schließlich ihre eigenen Nachforschungen über dessen und Simons gemeinsame Vergangenheit anstellt. Diese offenbaren ihr vor allem eine Erkenntnis: Ihr Gatte ist nicht der Mann, den sie seit Jahren zu kennen glaubt…

Sein Langfilmdebüt als Autor und Regisseur konnte Joel Edgerton bei Blumhouse unterbringen, wobei „The Gift“ sich zumindest auf den ersten Blick durchaus konform in das genregeprägte Portfolio von Jason Blums Company eingliedert. In rein dramaturgischer Hinsicht arbeitet der Film nämlich zuvorderst mit zweierlei durchaus gängigen Suspense-Elementen: Der Evozierung einer von zunehmender Bedrohung geprägten Stalking-Atmosphäre sowie dem sorgsam vorbereiteten twist, der die vormals als halbwegs zuverlässig eingestufte Wahrnehmung der Rezipientenschaft mit der genüsslichen Weisheit der sich allmählich anbahnenden, eigentlich doch längst offensichtlichen Erkenntnis auf den Kopf stellt. Während mit Simon Callem und Gordo Moseley zwei männliche Antagonisten mit gemeinsamer, trüber Vergangenheit, die ganz genau um die sie unweigerlich aneinander schweißenden, lange zurückliegenden Ereignisse wissen, ihr heimliches Katz-und-Maus-Spiel entfesseln, ist man als ZuschauerIn auf die Perspektive der Protagonistin Robyn Callem angewiesen, einer von Rebecca Hall wie gewohnt als selbstbewusste, kluge und sympathische Person gespielten „Frau „woman with issues“. Denn auch diese gibt es, wie sich bald zeigt – Robyn litt vormals unter anscheinend paranoiden Episoden, die die Nutzung starker Beruhigungsmittel erforderten und wohl auch mitverantwortlich waren für den unfreiwilligen Schwangerschaftsabbruch. Der Umzug nach Kalifornien soll demnach auch für sie eine biographische Zäsur mit sich führen – zumindest dürfte dies dem Traum ihres Ehemannes von einem makellosen Familienleben zupass kommen. Doch ist Simon eben nur vorgeblich selbst frei von charakterlichem Dunst. Ob er am Ende, als er, schicksalsbedingter wie moralisch ausgebooteter Verlierer und finale Projektionsfläche seiner Ränkespiele, alles verloren hat, zur große Selbsterkenntnis befähigt sein wird, bleibt fraglich. Wenn jedoch in jüngeren psychologisch gefärbten Medienessays von Narzissten, Sozio- oder Psychopathen und Gaslightern die Rede ist, dann ist zumindest die Publikums-„Analyse“ schnell bei der Hand: Um so einen (oder vielleicht alles auf einmal) handelt es sich auch bei Simon Callem, der zeitlebens rücksichtslos verbrannte Erde hinterlässt, weil er es eben kann.
Simons Demaskierung nun geht, mit Ausnahme des Verlusts von ein paar Koi-Karpfen, stets in halbwegs zivilisierten Bahnen vonstatten; selbst der putzige Haushund Mister Bojangles baumelt nicht wie zunächst befürchtet am Apfelbaum im Garten, sondern kommt einfach zurück. Moseley erweist sich als geschickt genug, seine frühere Nemesis mit den eigenen Waffen zu schlagen, ohne dabei selbst zum Kapitalverbrecher zu werden. Timing und suggestive Verunsicherung genügen. Damit ist „The Gift“ womöglich der cleanste Rachethriller der letzten zehn Jahre.

7/10

DON’T WORRY DARLING

„Keep calm and carry on!“

Don’t Worry Darling ~ USA 2022
Directed By: Olivia Wilde

Dass irgendetwas nicht stimmt in der hermetisch abgeschotteten Firmenkommune Victory mit ihrer pastellfarbenen Fünfzigerjahre-Bonbonidylle nebst überkandidelter Werbeästhetik scheint die an der Oberfläche glücklich anmutende Alice (Florence Pugh) insgeheim längst registriert zu haben. Als ihre Freundin Margaret (KiKi Layne) sich im Sinne der wohlfeil organisierten Gemeinschaft zudem plötzlich höchst seltsam benimmt, diverse ortsgebundene Regeln übertritt und nach einem Selbstmordversuch spurlos verschwindet, manifestieren sich schließlich auch Alices Bedenken. Analog dazu als sie beginnt, die gleichförmige Alltagskulisse von Victory zu hinterfragen, im Trüben zu stochern und ihr nach dem Company-Patriarchen Frank (Chris Pine) und dessen Frau Shelley (Gemma Chan) auch noch ihr eigener, geliebter Mann Jack (Harry Styles) die Gunst entzieht, bricht sich ihr Unterbewusstsein Bahn…

Olivia Wildes zweiter Film „Don’t Worry Darling“ möchte leider wesentlich cleverer sein als er es letzten Endes zu sein bewerkstelligt. Seine dezidiert twistorientierte Ausrichtung, auf die mit aller Gewalt hingearbeitet wird, erweist sich als Konglomerat diverser mental anverwandter (Genre-)Vorläufer und/oder Archetypen, die vermutlich nur dann halbwegs effektiv funktioniert, wenn sie auf ein entsprechend unbeflissenes Publikum trifft. Andernfalls schießen einem geradezu unwillkürlich rasch etliche, mögliche Inspirationsquellen durch den Kopf, mit denen Script und Regie ausgiebig Schlitten fahren, um daraus ein immerhin mäßig launiges Feminismuspamphlet zu stricken. Man stelle sich vor, die urhebenden Damen haben ein großes Süppchen angerührt aus: „The Stepford Wives“, „Skeletons“, „Dark City“, „Pleasantville“, „The Truman Show“, „The 13th Floor“, „The Matrix“ bis hin zu „Antebellum“ sowie natürlich David Lynchs albtraumhaften Vorstadt-Zerrbildern nebst Artverwandtem und das Ganze hernach in eine zeitgemäß aufgebrezelte, zumindest ambitioniert und kompetent inszenierte Form gegossen.
Die plotinterne VR, die Victory-Realität nämlich, entpuppt sich also als durch und durch misogyn und patriarchalisch geprägte virtual reality im technischen Wortsinne (und nicht etwa in ihrer plastisch konstruierten Form wie etwa bei Levin/Forbes, DeCoteau oder Weir), innerhalb der mit ganz wenigen Ausnahmen nur die Männer wissen, dass ihre Körper im abgeschalteten Ruhezustand schlummern, während „ihre“ dauersedierten Frauen unfreiwillig einem obsoleten, archaischen Rollenverständnis zum Opfer gefallen sind. Dabei inszeniert sich der ominöse, grauenhaft ölige Frank (eine ironische, nominelle Reminsizenz an Dennis Hoppers gleichnamige Figur in „Blue Velvet“ möglicherweise…?) als eine Art gönnerhafter Sektenguru, der im Zuge pompöser Auftritte predigt, was seine fehlgeleiteten Testsosteronfollower von ihm erwarten, bis ihm irgendwann, als die ganze Geschichte implodiert, die eigene Gattin schließlich enerviert den Versagerstöpsel zieht.
„Don’t Worry Darling“ ist kein schlechter Film und beinhaltet sogar eine amtliche Regieleistung. Er vermag seine RezipientInnenschaft abzuholen und über die gesamte Distanz mitzunehmen, trägt schlussendlich jedoch die nicht zu unterschätzende Bürde der kompromisslosen Durchschaubarkeit, die nach einigem Abstand zur Betrachtung doch recht viel heiße Luft hinterlässt.

6/10

TOUCH

„Controversy is the oxygen I breathe.“

Touch ~ USA 1997
Directed By: Paul Schrader

Nachdem er vergeblich versucht hat, sich mit evangelikalem Kirchenpomp eine goldene Nase zu verdienen, macht der Glücksritter Bill Hill (Christopher Walken) in Wohnmobilen. Durch Zufall wird er eines Tages auf einen jungen Ex-Franziskaner namens Juvenal (Skeet Ulrich) aufmerksam, der wundersame Heilkräfte zu besitzen scheint und nunmehr in einer Suchtklinik für Alkoholiker lebt und arbeitet. Mithilfe seiner früheren Mitstreiterin Lynn Faulkner (Bridget Fonda) als Lockvogel macht sich Bill an den verschlossenen Juvenal heran. Lynn, die sich prompt in den tatsächlich Charlie Lawson heißenden Wunderheiler verliebt, stellt fest, dass dieser nicht nur tatsächlich über jene Fähigkeiten verfügt, sondern im Zusammenhang mit deren Gebrauch auch immer wieder kurzfristig blutende Stigmata aufweist. Während Bill Juvenal groß in den Medien herausbringen will, sieht der misogyne Glaubensfanatiker August Murray (Tom Arnold) in ihm den neuen Messias…

Basierend auf einem zehn Jahre zuvor erschienenen Roman von Elmore Leonard, der um diese Zeit mit den wesentlich populärer gewordenen (und deutlich spekatakuläreren) Adaptionen „Jackie Brown“ und „Out Of Sight“ ohnehin eine kleine Verfilmungsrenaissance erlebte, schrieb und inszenierte der hinsichtlich christlicher Metadiskurse ohnehin stets umtriebige Paul Schrader mit „Touch“ seine zehnte Regiearbeit für das Kino. Wiederum großartigst besetzt bis in die Nebenrollen blieb die kleine Indieproduktion jedoch stets eine Fußnote in Schraders Œuvre. Tatsächlich erinnerte mich der Film in seiner meist distanziert bis artifiziell anmutenden Form und Atmosphäre noch am ehesten an „The Canyons“, der ebenfalls sehr viel mehr Kopfgeburt als Herzensangelegenheit zu sein scheint. Das Sujet ist längst kein Unbekanntes – es geht um einen ebenso einsamen wie gütigen Altruisten und Humanisten, der als postmoderne Reinkarnation Christus‘ auf kalifornischem Boden wandelt und seine entsprechend persönliche, augenzwinkernde Passionsgeschichte durchlebt. Analog zum Finden und Leben der ersten, wahren großen Liebe fallen auch – wenngleich nur vorübergehend – seine göttlichen Fähigkeiten, denn Menschwerdung bedeutet zugleich stets auch einen Fall von der Gnade. Diverse Interessenparteien sind Juvenal flugs auf den Fersen und versuchen, ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, flankiert von einer Menagerie bizarrer Nebencharaktere, die von Paul Mazurskys als schmierig-kalauerndem Musikproduzenten über eine von Gina Gershon gespielte, überkandidelte Talkshow-Tussi bis hin zu einem semi-inkontinenten Altgeistlichen (Mason Adams) reichen. Freilich wendet sich im Laufe der obskuren, vornehmlich fremdgesteuerten Odyssee Juvenals vom naiven Klerusexoten hin zum aufgeklärten Liberalen doch noch alles zum Guten. Er darf, sämtliche Westküsten-Wirrnisse hinter sich lassend, mit seinem Mädchen nach Iowa abdampfen und dort ein glückliches US-amerikanisches Bible-Belt-Leben führen.
Hätte Jesus vor zweitausend Jahren bestimmt auch gern gemacht.

7/10

TOP GUN: MAVERICK

„I’m where I belong, sir.“

Top Gun: Maverick ~ USA 2022
Directed By: Joseph Kosinski

35 Jahre nach seiner eigenen Ausbildung in der Navy-Eliteeinheit TOPGUN ist Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise), noch immer ganz der renitente Heißsporn von dazumal, nunmehr tätig als Testpilot für Überschallmaschinen. Kurz bevor er wegen neuerlicher Subordination wieder einmal davorsteht, das Korps verlassen zu müssen, wird er nach Kalifornien beordert, einmal mehr protegiert von seinem alten Freund und Rivalen „Iceman“ Kazansky (Val Kilmer), der, mittlerweile todkrank, als Commander der Pazifikflotte stets seine schützende Hand über Maverick hielt. Dieser soll nun eine junge Fliegerstaffel auf einen eigentlich unmöglichen Einsatz in einem „Schurkenstaat“ vorbereiten. Der besondere Haken dabei: Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Mavericks verstorbenem besten Freund Goose, ist ebenfalls Teil der Truppe. Aufs Neue mit der traumatischen Vergangenheit konfrontiert, setzt Maverick alles daran, Rooster vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren wie es einst seinen Vater ereilte.

De facto ein Airforce-Remake von Clint Eastwoods hochreaktionärem, alten Gassenhauer „Heartbreak Ridge“, avancierte „Top Gun: Maverick“ im nicht mehr ganz so krisengeschüttelten Kinojahr 2022 zu everybody’s darling, zum Retter der Leinwände vor der abklingenden Corona-Hysterie und zu Tom Cruises bis dato erfolgreichstem Film. Sonnenlichtdurchflutete Militärromantik funktionierte im Hollywoodkino schon seit jeher vortrefflich als zuverlässige eskapistische Ingredienz; egal ob vor dem Hintergrund diverser Kampfeinsätze, in die die USA seit dem Zweiten Weltkrieg verwickelt war oder eben in Friedenszeiten. Schmucke junge und alte Männer in Uniform, ihre darbenden Dämchen daheim und ihre kernigen Kumpels an der Frontlinie, das entsprach stets dem Geschmack (nicht nur) amerikanischer Kinoaudienzen. Wie Tony Scotts seit ehedem gleichermaßen geliebtes wie gescholtenes Original setzt auch Joseph Kosinskis mit reichlicher Verspätung entstandene Fortsetzung auf die erwähnten Schemata und das mit – wie sich hinlänglich bewies – gigantischem Erfolg. Schon die Titelsequenz, die musikalisch und visuell analog zu der von 1986 gestaltet ist, kündigt an, wo die nun folgende Reise hingeht: ins Reich unumwundener nostalgischer Verklärung und eigentlich längst hoffnungslos verfilzt geglaubter Patriotismuspropaganda. Während in Osteuropa eine neue Form des Kalten Kriegs entfesselt wird, liefern Cruise und Produzent Bruckheimer also die „passende“ Replik aus Übersee: Higway to the danger zone. Die schönen Frauengesichter von vor 35 Jahren, die von (der zumindest in einer kurzen Rückblende und auf Fotos zu sehenden) Meg Ryan und Kelly McGillis nämlich, sind mittlerweile obsolet – als entstelltes Schönheits-OP-Monster scheint Ryan, 61, ähnlich unvorzeigbar im Sinne des hermetischen Ästhetikkonzepts des „Top Gun“-Universums wie McGillis, 64, mit ihrem Alter gemäßer Physis. Mavericks damalige Flamme „Charlie“ Blackwood wird auf inhaltlicher Ebene kurzerhand totgeschwiegen und durch die von vermutlich ewiger Schönheit begünstigte Jennifer Connelly, 51, substituiert in einer beschwingt-eindimensionalen Rolle, die in den vierziger und fünfziger Jahren von Donna Reed oder Phyllis Taxter gespielt worden wäre. Und wo ich gerade bei der vergleichenden Lebensjahrbezifferung bin: Cruise ist vier Jahre älter als Eastwood zum Drehzeitpunkt von „Heartbreak Ridge“, sieht aber mindestens zehn Jahre jünger aus. Gut – im Gegensatz zu Gunny Highway war Maverick ja auch weder in Korea noch in Vietnam. Die Golfkriegsnarben, sie sind offensichtlich nicht mehr so tief wie die von damals. Und Val Kilmer (62)? Der hat gelebt, man sieht’s ihm an, und er bekommt immerhin seinen knarzigen Kurzauftritt als (im Gegensatz zum Titelhelden) hochdekorierter Regierungsknecht und muss dafür auch flugs wieder scheiden, die traditionelle Begräbnisszene nebst Zapfenstreich inbegriffen.
Doch genug des ohnehin allzu offenkundigen p.c.-Geblökes – Kosinskis vierte Regiearbeit (und sein zweites Spätsequel nach dem 10er-„Tron“) liefert nicht zuletzt auch ein glänzendes Mainstream-Unterhaltungsprodukt, dem man in Anbetracht seiner sich so herrlich naiv gebenden Weltsicht trotz (oder vielleicht gerade wegen) sich geradezu maßgeschneidert selbsterfüllenden Kalküls kaum wirklich böse sein mag. „Top Gun: Maverick“ ist nämlich nicht nur in ideologischer Hinsicht im Prinzip ein Film von vorgestern. Auch auf der fomalästhetischen Ebene beschwört er die Ära von Regisseuren wie dem im Abspann gehuldigten Tony Scott, denen die eigene Kunstfertigkeit und der persönliche Inszenierungsstil weit über das zu bebildernde Sujet hinaus gingen. Entsprechend reichhaltig birst das Ganze vor atemberaubend choreographierten Fliegereiaufnahmen und perfekt durchgestylter Parallelrealität. Sonnenbräune, Schweiß, Haarlack, Goldkettchen, Sixpacks und Motorräder fungieren darin gewissermaßen als alternative Uniformierung und liefern auch heuer noch ungebrochen aufreizendes eye candy.
Es wird wohl seine Gründe haben, dass eine Menge Menschen diesen Film lieben.

7/10

NOPE

„Right here, you are going to witness an absolute spectacle!“

Nope ~ USA/CAN/J 2022
Directed By: Jordan Peele

Kein UFO, sondern ein UAP, genauer: ein lebendes, amorphes Wesen verbirgt sich hinter einer Wolke, die reglos am Himmel über der Pferderanch von Otis Junior (OJ) Haywood (Daniel Kaluuya) und seiner Schwester Emerald (Keke Palmer) steht. Ein halbes Jahr zuvor ist ihr Vater (Keith David) durch einen vom Himmel gefallenen Nickel getötet worden und OJ und Emerald haben seither alle Hände voll zu tun, das erfolgreiche Geschäft ihres Dads, eines renommierten Pferdetrainers für Hollywoodfilme, am Leben zu erhalten. Einen kleinen Notgroschen erhalten sie durch den Ex-Kinderstar Ricky Park (Steven Yeun), der unweit ihres Grundstücks die Westernstadt „Jupiter’s Claim“ als Ausflugsziel betreibt. Als OJ auf das fliegende Etwas aufmerksam wird, steht für ihn und Emerald relativ schnell fest, dass sie mit ein paar Aufnahmen des Ungetüms ganz groß rauskommen werden. Ihr Plan erweist sich jedoch als deutlich schwieriger in der Umsetzung – nicht nur, dass die Kreatur sich als sehr viel ungemütlicher (und gefräßiger) präsentiert denn zuvor angenommen; auch haben ein paar weitere Individuen bereits im Sinn, mithilfe des Monsters abzusahnen…

Einmal mehr erweist sich Jordan Peele mit „Nope“ als glänzender Satiriker, der seine kritischen Kommentare zur Weltlage und zur US-Gesellschaft im Speziellen wie beiläufig hinter einer Fassade aus audiovisuellem Einfallsreichtum, bizarren dramaturgischen Volten und erzählerischer Lakonie verbirgt. Diesmal treibt ihn vor allem der unbändige Drang der Social-Media-Sklaven, samt und sonders alles zu dokumentieren und Sensationen zu erheischen, um, wobei er auch auf einen galligen Kommentar zum historischen Beitrag der afroamerikanischen Kultur zur Geschichte der bewegten Bilder nicht verzichtet. Kaum von ungefähr repräsentieren seine Helden unterschiedliche, nichtweiße Ethnien und machen sich in der kalifornischen Wüste in dezidierten Westernmythen breit. Das fleischfressende, gesichtslose Monster, das mal wie eine fliegende Untertasse durch die Lüfte saust, um dann wieder molluskenartig oder wie ein Rorschach-Bild am Himmel zu wabern und das alsbald „Jean Jacket“ getauft wird, fungiert mitsamt seinen unheilvollen Kräften, die jede Form von Elektronik lahmlegen können, eher als eine Art MacGuffin innerhalb des recht sonderbaren Figurenmikrokosmos, den Peele ausbreitet. So hatte der Westernstadt-Betreiber Ricky Park einst als Kind (Jacob Kim) ein traumatisches On-Set-Erlebnis mit einem wild gewordenen Schimpansen, so jagt der renommierte, exzentrische Kameramann Antlers Holst (Michael Wincott) jenem letzten, großen Mysterium nach, das er bislang nicht ablichten konnte, so ist der Elektronikmarkt-Mitarbeiter Angel Torres (Brandon Perea) mindestens so angefixt von der Dokumentierungsidee wie die Geschwister, so pfeift ein martialisch kostümierter Reporter (Michael Busch) auf einem Motorrad auf sein Leben zugunsten einer Sensationsstory mit ihm selbst als Staropfer. Die zahlreichen Genrereminiszenzen, die blendend illustrieren, wie emsig und umfassend Peele sein Monsterkino studiert hat, machen „Nope“ schließlich vollends zum Vergnügen. Corey Harts „Sunglasses At Night“ wird man im Nachgang jedenfalls nie mehr hören können, ohne nicht zumindest ein bisschen Gänsehaut zu bekommen.

8/10

THE CANYONS

„It’ll be alright. It’ll be okay.“

The Canyons ~ USA 2013
Directed By: Paul Schrader

Christian (James Deen) produziert im sonnigen Hollywood kostengünstige Horrorfilme und genießt sein von materiellem Luxus erfülltes Dasein, das er allerdings fast ausschließlich einem väterlich finanzierten Treuhandfonds verdankt. Als libidinöser Soziopath kostet er es redlich aus, seine Freundin Tara (Lindsay Lohan) sexuell zu dominieren und zu via Datingseiten organisierten Swingertreffen zu nötigen. Tara liebt jedoch insgeheim noch ihren Freund Ryan (Nolan Gerard Funk), einen wenig talentierten und noch schlechter beschäftigten Nachwuchsschauspieler, der seine Teilzeitengagements als Kellner oder Model einzig seinem guten Aussehen verdankt und Tara seinerseits ebenfalls zurück will. Ryan ist wiederum mit Christians Agentin Gina (Amanda Brooks) liiert, die von den heimlichen Gelüsten ihres Partners nichts ahnt. Als der zutiefst eifersüchtige Christian Tara nachspionieren lässt und herausfindet, dass sie sich wieder mit Ryan, der dank Gina just einen Part in Christian neuestem Projekt ergattern konnte, trifft, entspinnt er eine hinterhältige Intrige gegen den Nebenbuhler. Ryan versucht sich zu wehren, macht damit jedoch alles nur noch schlimmer.

„The Canyons“ ist weniger als markante Regiearbeit bemerkenswert denn als Drehbuchdebüt von Bret Easton Ellis, der sein Script ähnlich wie viele seiner Romane als eine Art kalifornischer New-Age-Farce anlegte. Die aufreizend simpel konstruierte, campige Story kreist um Sex und dessen physisch schöne, innerlich jedoch ausgehöhlt wirkende Protagonisten, die sich beinahe ausschließlich darüber definieren, was sie im Bett von wem bekommen können und welche Abhängigkeitsverhältnisse sich daraus ergeben. Der günstig hergestellte Film wurde teils aus einer Crowdfunding-Kampagne heraus budgetiert und wurde von Schrader auch diesbezüglich als Symbolbild eines in Trümmern liegenden Hollywood-Empire bezeichnet, inszeniert von einem abgeschriebenen auteur mit einem Pornostar (Deen) in der einen Hauptrolle, einem letzthin vornehmlich durch Alkoholskandale aufgefallenen Ex-Kinderstar in der anderen und erzählt in Form einer paradoxerweise selbstbekokst-faszinierten und zugleich angewiderten Beziehungstriangel. Jene verleiht sich – auch das typischer Ellis-Stoff – im letzten Drittel die Mimesis eines Thrillermysteriums nebst blutiger Mordgeschichte, die Christian gewissermaßen endgültig zur annähernd metaphysischen Karikatur eines Hollywood-Antichristen stilisiert, mit dessen bedrohlicher Präsenz die angsterfüllte Tara stets zu rechnen haben wird.
„The Canyons“ verzichtet bewusst auf jedwede positiv konnotierte, personelle Identifikationsbasis und zentriert stattdessen den jeweiligen Opportunismus seiner drei auf ihre ganz individuelle Weise ungenießbaren Hauptfiguren und das sich immer gravierender manifestierende Machtgefälle zwischen ihnen. Jene Vorgehensweise trug „The Canyons“ wenig Sympathien ein, wobei es ohnehin gilt, ihn primär als zum Leben erweckte Ellis-Phantasie zu rezipieren, die ihren dramaturgischen Kitt statt durch den prägnanten Wortduktus des Literaten eben durch die audiovisuelle Illustration des Regisseurs erhält. Diese eklektische Mischung dürfte ihr Übriges dazu beigetragen haben, dem Film seit jeher lediglich äußerst geringen Zuspruch teilwerden zu lassen.

6/10

THE SEVENTH SIGN

„I used to think the world would change. But it hasn’t.“

The Seventh Sign (Das Siebte Zeichen) ~ USA 1988
Directed By: Carl Schultz

Just als sich die auf eine biblische Apokalypse hindeutenden Zeichen in Form diverser, global auftretender Naturkatstrophen häufen, zieht der geheimnisvolle David Bannon (Jürgen Prochnow) als Untermieter ins Haus des jungen Ehepaars Abby (Demi Moore) und Russell Quinn (Michael Biehn). Der grundsympathische, aber sehr still auftretende Fremde jagt der hochschwangeren, jedoch bereits unter mehreren Fehgeburten leidenden Abby zunehmend Schauer über den Rücken. Schließlich muss sie den Tatsachen ins Auge sehen: David ist niemand Geringerer als der auf seit seiner Wiederauferstehung auf Erden wandelnde Messias, der das heraufziehende Ende der Welt zu bezeugen hat und ihr bald geborener Sohn symbolisiert das Siebte Zeichen – er wird ein Kind ohne Seele sein. Während Abby verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht, die Ereigniskette zu unterbrechen, zieht allerdings noch ein weiterer, sinistrer Mitspieler seine Fäden im Hintergrund…

Als apokalyptischer Horrorfilm, der das heraufziehende Ende der Menschheit als Strafe Gottes für die beständigen Freveleien an seiner ureigenen Schöpfung thematisiert, hätte „The Seventh Sign“ eigentlich noch besser in die Reihe ähnlich gelagerter millenial movies gepasst, die um die Jahrtausendwende und auch noch danach mit den Ängsten vorm dräuenden Y2K-Armageddon kokettierten. So könnte man ihn gewissermaßen als antizipatorischen Vorläufer jener Welle erachten, der im Gegensatz zu okkultistisch eingefassten Genreklassikern wie Friedkins „The Exorcist“ oder Donners „The Omen“ nicht Dämonen oder gar Luzifer selbst, sondern die Gegenseite als mindestens ebenso naheliegenden Verursacher für das buchstäbliche Jüngste Gericht in Augenschein nimmt. In Anbetracht der (alt-)testamentarischen Charakterisierung Gottes, der seine enttäuschend verantwortungslose Kreation immer wieder mit Menetekeln, Strafen und Auslöschungsszenarien überzieht, eigentlich eine schon damals überfällige Variation der Gattung. Tatsächlich scheinen gerade Horrorfilmhistoriker sich mit der Einordnung von „The Seventh Sign“, der sechsten und vorletzten Kinoregie des aus Ungarn über England nach Australien emigrierten Filmemachers Carl Schultz, seit jeher schwer zu tun – Kategorisierungen von Mystery bis hin zu Fantasy lagen aus mutmaßlich traditionsverbundenen Gründen offenbar näher. Dabei erscheint die Vorstellung einer allmächtigen, launischen Entität, die mit dem sich selbst gegenüber immer wölfischer gebahrenden Menschengeschlecht ein für allemal tabula rasa macht, doch ziemlich unbequem. Nun, mit den ausgewalzt exploitativen, gewissermaßen eine infantile Lust an der Zerstörung fütternden Katastrophenszenarien, wie sie später etwa Emmerich oder Bay zum Besten geben sollten, kann der vergleichsweise geradezu kammerspielartig wirkende „The Seventh Sign“ gewiss nicht mithalten; dafür mangelte es zum einen an Budget und zum anderen an der entsprechenden Ausprägung der Story. So muss sich Demi Moore zwar einmal mit einem kräftigen Hagelschauer und bald darauf noch mit einem Erdbeben herumplagen, der geneigte Cineast weiß jedoch längst, dass Los Angeles noch mit ganz anderen Sachen fertigwerden kann. Es sind also die eher unspektakulären, leiseren Nuancen, die Schultz‘ Arbeit am Ende bedingt sehenswert machen – allem voran der unbedingte Wille, das potenziell hämegefährliche Sujet nie der Lächerlichkeit preiszugeben, aber auch die unablässig grandiose Kameraarbeit von Juan Ruiz Anchía sowie die durchweg erfrischende Besetzung nebst einer in jenen Tagen tatsächlich noch sympathisch wirkenden Hauptdarstellerin, dem noch angesagten Michael Biehn und natürlich Prochnow, der als in die Weltgegenwart katapultierter, bartloser Jesus Christus vielleicht eines der besten Leinwandporträts der ikonischen Figur liefert. Doch auch die Nebenfiguren, der kecke Kabbala-Student Avi (Manny Jacobs), der mit Trisomie 21 geborene Todeszellenkandidat Jimmy Szaragosa (John Taylor) oder der Torwächter und ewige Wanderer Cartaphilus (Peter Friedman), der nunmehr als Vater Lucci für den Vatikan arbeitet und sein Ende herbeisehnt, bereichern.

7/10

LICORICE PIZZA

„I love you, Gary.“

Licorice Pizza ~ USA/CA 2021
Directed By: Paul Thomas Anderson

San Fernando Valley im Frühsommer 1973. Während die Porträts fürs High-School-Jahrbuch aufgenommen werden, entdeckt der fünfzehnjährige, extrovertierte Gary Valentine (Cooper Hoffman) die zehn Jahre ältere Alana Kane (Alana Haim). Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick, sie verschmäht jedoch die offenen Avancen des frechen Teenagers. Dennoch werden sich ihre wege in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder kreuzen und eine enge Freundschaft entstehen. Gary, der sich, ähnlich wie die lebensunentschlossene Alana, allenthalben mit kleinen Schauspielengagements über Wasser hält und dabei stets vom großen Durchbruch träumt, schreckt vor keiner verrückten Marketingidee zurück. So versucht er, unterstützt von Alana, im großen Stil Wasserbetten zu verkaufen und eröffnet später eine der ersten Flipper-Spielhallen in der Region. Ohne es wahrhaben zu wollen, kommen Gary und Alana sich immer näher, derweil alle Flirts und Versuche der beiden, anderweitige Liebesbeziehungen aufzubauen, regelmäßig scheitern.

Lange dauert’s manchmal bis zur Erkenntnis und noch länger vielleicht bis zum Geständnis. Umso schöner, wenn sich dann affirmative Gegenseitigkeit einstellt. Paul Thomas Andersons neunter und neuer Film „Licorice Pizza“, der Titel gleichfalls Slang-Terminus für eine Vinyl-Schallplatte und Name einer zeitgenössischen Record-Store-Kette, erzählt seine ostentativ unspektakuläre Liebesgeschichte als Sommermärchen jener Ära so luftig-leicht und unverschroben und entsperrt wie keine seiner anderen Regiearbeiten zuvor. Nachdem die Pynchon-Adaption „Inherent Vice“ und die bizarre Romanze „Phantom Thread“, wie alle seine Werke seit „There Will Be Blood“ von großer Akkuratesse getragene period pieces, bereits vermuten ließen, dass Andersons Eigenwilligkeit immer geraumer geschlagene Pfade beansprucht, liebäugelt „Licorice Pizza“ eher mit thematisch anverwandten Arbeiten von Amy Heckerling, Richard Linklater oder Cameron Crowe. Es langt also doch noch zu der einen oder anderen Überraschung in einem hoffentlich noch lange fortschreitenden Œuvre. Beinahe alles an diesem gewiss nicht eben erzählzeitknappen, jedoch keinerlei Szenenredundanz aufweisenden Zeitporträt besteht dabei aus gleichermaßen augenzwinkernden wie eherbietigen Reminiszenzen an Ära- und Lokalkolorit. Ein paar alternde, allmählich verblassende Hollywood- und Showgrößen wie Lucille Ball und William Holden (der von Tom Waits gespielte „Rex Blau“ scheint eine Art Mixtur aus John Huston und Sam Peckinpah abzugeben) erleben augenzwinkernde, nominell teils kaum abgewandelte Auftritte; der ehemalige Starfriseur und spätere Filmproduzent Jon Peters (Bradley Cooper) und der Lokalpolitiker Joel Wachs (Benny Safdie) erhalten sogar „unverfälschte“, nichtsdestotrotz höchst augenzwinkernde Hommages an ihre ehedem schillernde Präsenz. Analog dazu erfreuen sich auch die Arrangements vermeintlich sublimer Details von Innenraumdekors über Architekturen und Autos bis hin zu der sorgfältig getroffenen Songauswahl höchster Perfektion. Hinsichtlich all dieser Facetten nimmt „Licorice Pizza“ sich dann am Ende vielleicht doch wieder komplexer aus, als es zunächst den Anschein hat, obschon zumindest seine Narration und seine von handverlesenen Newcomern interpretierten Protagonisten doch so ungewohnt liebenswert und zugänglich daherkommen. Ein Film somit, der in seiner aufrichtigen Schönheit und Pracht noch häufig gesehen sein will.

9/10

MODERN VAMPIRES

„With a good commercial lubricant we could go for hours…“

Modern Vampires (Revenant – Sie kommen in der Nacht) ~ USA 1998
Directed By: Richard Elfman

Im Hollywood der Gegenwart kreuzen sich die Wege von Graf Dracula (Robert Pastorelli), der hier mit seiner Vampir-Community dekadente Clubpartys feiert, dem letzten Van-Helsing-Spross Frederick (Rod Steiger), dem eigensinnigen Nachwuchsvampir Dallas (Casper Van Dien), mit dem Van Helsing eine private Rechnung offen hat, und Dallas‘ amnesischen Opfer Nico (Natasha Gregson Wagner), die seit einiger Zeit auf der Straße lebt und einsame Freier aussaugt. Da der Graf das entfesselte Treiben im Sinne einer geordneten Vampir-Subkultur nicht gut heißt, will er die mittlerweile zu Dallas‘ Schützling gewordene Nico aus dem Weg haben, was wiederum Dallas, Van Helsing und vier Crips-Mitglieder (Gabriel Casseus, Victor Togunde, Cedrick Terrell, Flex Alexander) zur Zweckallianz gegen den Obervampir zusammenführt.

Leider musste Richard Elfmans verrückte kleine Horrorkomödie im Status eines TV-Films produziert werden, dabei wäre ihr ein Kinoeinsatz so sehr vergönnt gewesen. Wobei sich die berechtigte Frage stellt, ob überhaupt – und wenn ja, wie – ein von lahmen Blockbustern eingenordetes Endneunziger-Mainstream-Publikum „Modern Vampires“ wohl rezepiert hätte. Auf Anbiederungen jedweder Art verzichtet das gute Stück nämlich überaus vorsätzlich. Danny Elfmans Bruder Richard, vornehmlich als exaltierter Musiker (Oingo Boingo), Journalist und im Bühnenfach tätig, hatte sich nach seinem bizarren Musical und Midnight Movie „Forbidden Zone“ erstmal lange Jahre aus dem Filmgeschäft ferngehalten und kam erst in den Neunzigern wieder dazu, einige Off-Studio-Projekte zu inszenieren, zuletzt das vorliegende.
Für den sich als ebenso eigensinnige wie geschmacklose Satire begreifenden „Modern Vampires“ konnte er eine überaus stattliche Besetzung vor der Kamera versammeln, die durchweg mit einigem Einsatz ans Werk geht und somit ihr Herz und Engagement für Elfman und sein Werk transparent werden lässt. Im zunehmenden Verlauf seiner Spielzeit spitzt sich die Absurdität des Geschehens immer weiter zu und spätestens, wenn der altehrwürdige Van Helsing mit den vier zugedopten Crips im Fond seines Vans über den Sunset Boulevard tuckert und von der Polizei angehalten wird, weiß man endgültig, in welchem Hause man hier zu Gast ist. Zudem erfährt der Zuschauer mancherlei Dinge betreffs des altehrwürdigen Vampirmythos, die er sich vorher nie zu erfragen wagte (oder wollte), so etwa, dass man sich durch koitalen Verkehr mit einer Vampirin selbst zum Blutsauger wird. Eine freidrehende Vergewaltigungsszene, in der sich das Gangmitgliederquartett über die hässlich mutierte Kim Cattrall hermacht und im Nachhinein erstmal das große Kotzen kriegt, dient zur diesbezüglichen Illustration. Überhaupt hat „Modern Vampires“ nicht nur ein großes Herz fürs erlesen Abjekte, sondern auch für seine zähnebleckenden GesellInnen, zumindest für jene, die auf verkrustete aristokratische Strukturen zu verzichten und sich stattdessen als lebensbejahende Libertins einzurichten pflegen.

7/10

LETHAL WEAPON 4

„Flied lice? It’s fried rice, you plick.“

Lethal Weapon 4 ~ USA 1998
Directed By: Richard Donner

Im Zuge eines Einsatzes gegen einen verrückten Pyromanen verraten sich die beiden best buddies und LAPD-Sergeants Martin Riggs (Mel Gibson) und (Roger Murtaugh) gegenseitig, dass ersterer in Bälde Vater wird und letzter Großvater, wobei der Vater des Enkels noch unbekannt ist. Kurz vor der Niederkunft der werdenden Mütter bekommen die zwei Helden es mit einer Triade zu tun, die Menschenschmuggel betreibt, Blüten herstellt und gleich vier gefangenen Bossen aus Hong Kong zur Freiheit verhelfen will.

Ihr vierter und vorerst letzter gemeinsamer Einsatz vereint die zusehends größer werdende Freundesfamilie um die zwei Haudegen Riggs und Murtaugh zum ersten Mal gegen einen veritablen Superbösewicht, den Triadenboss Wah Sing Ku, gespielt vonChina-Haubitze Jet Li. Nachdem die uninteressante Figur ihres letzter Widersachers im dritten Teil des Franchise, ein recht profilloser und langweiliger Immobilienbetrüger, bereits den beständigen Wechsel der Filme hin vom harten Actionfilm zur Buddy-Komödie personell untermauerte, geht Donner diesmal zumindest wieder im knüppligen Showdown in die Vollen, der die beiden alternden Herren abermals nur via echtem Teamwork reüssieren lässt. Ansonsten setzt sich jedoch breitpfadig der bereits mit dem Erstsequel etablierte und manifestierte, überkandidelte Stil der Reihe fort: Der dauerquasselnde, von den zwei Protagonisten großherzig tolerierte, aber stets gefoppte Leo Getz (Joe Pesci) betätigt sich nunmehr als Privatdetektiv in spe, der wie gewohnt etwas anstrengende Chris Rock muss als zusätzliches comic relief herhalten und diverse, wie beiläufig erzählte Miniepisödchen aus der screwball facility, darunter die (späte) Eröffnung, dass Rogers Gatin Trish (Darlene Love) ein Vermögen als heimliche Kitschromancière verdient (die plötzliche Wohlfahrt der Familie legt man dem ehernen, sich wie üblich schämenden Bullen bereits als Korruption aus) und eine völlig entfesselte Zahnarztsequenz mit Lachgas-Impact, sorgen neben den abermals spektakulären Actionszenen für Tempo. Spielte der makellose Erstling noch periodisch in der Weihnachtszeit, ist „Lethal Weapon 4“ mit seinem ausgesprochenen Zuckerguss-Finale nebst Doppel-Baby-Bescherung und der choralen Versicherung „We are family!“ der eigentliche Weihnachtsfilm der Serie und als solcher zugleich ein wohlfeiler Abschluss. Mit Donners Tod im Sommer diesen Jahres sollte ein weiteres potenzielles, immer wieder diskutiertes Sequel eigentlich endgültig passé geworden sein, was der mit dem vorliegenden Film auf mehrerlei Ebenen vollendeten Tetralogie ihres bestehenden Gesamteindrucks betreffs vermutlich ohnehin zupass käme. Tatsächlich jedoch vermeldete Mel Gibson, wie ich just erfuhr, dass er die Regie einer weiteren Fortsetzung zu übernehmen trachte, abermals mit sich selbst (65) und Danny Glover (75) in ihren vielgeliebten Rollen.

7/10