FRESH

„I just don’t eat animals.“

Fresh ~ USA 2022
Directed By: Mimi Cave

Von Dating-App-Treffen hat Noa (Daisy Edgar-Jones) fürs Erste die Nase voll, nachdem der zuletzt frequentierte Typ (Brett Dier) sich abermals als die befürchtete Vollniete erwiesen hat. Als sie – ganz klassisch – den attraktiven Steve (Sebastian Stan) wie beiläufig im Supermarkt kennenlernt, ist sie daher umso begeisterter, zumal dieser das große Los abzugeben scheint. Nach ein paar romantischen Dates lädt Steve Noa dann zu einem Cottage-Wochenende ein. Entgegen allen Warnungen ihrer besten Freundin Mollie (Jojo T. Gibbs) sagt sie zu – und landet betäubt und angekettet im Keller eines schnieken Bungalows im Nirgendwo, wo ihr Steve seine wahren Beweggründe offenbart: Er verkauft Frauenfleisch an einen Zirkel höchst wohlhabender Kunden und delektiert sich allenthalben auch selbst gern an seiner exklusiven Ware. Noa wittert ihre einzige Chance zu überleben darin, den Kannibalen weiterhin zu becircen…

Als deftige #MeToo-Satire, die übergriffiges Männerverhalten bis ins wahrscheinlich letztmögliche Extrem treibt, passt „Fresh“ sich der noch recht jungen Wokeness-Genre-Kultur an. In seinen besten Momenten erinnert er an die Filme von Jordan Peele, verbeißt sich aber dann doch immer wieder sehr grantig in seine alles umreißende „Männer sind Schweine“-Agenda und lässt es an der Innovation intrinsischer Verrücktheiten mangeln. Die aburteilende Mittzwanziger-Realität von Noa und Mollie wirkt dabei auf den sich unschuldig wähnenden, heterosexuellen Penisträger wenig einladend – wer keinen Insta- oder Twitter-Account hat, ist automatisch ein Verdachtsfall und jedwedes Ressentiment an männliche Adressaten bestätigt sich irgendwann im Laufe des Films. Das formulieren Cave und die Scriptautorin Lauryn Kahn allerdings so hübsch konsequent-kiebig und mit ausschließlichen maskulinen Widerlingen auf der Antagonistenseite, dass es dann doch wieder mancher Sympathien wert ist, zumal Daisy Edgar-Jones das Ganze mit einiger Chuzpe zu tragen vermag. Als ausgewiesener Horrorfilm wäre „Fresh“ indes weniger bemerkenswert; das terrorisierende Psychopathen-Keller-Kidnapping-Szenario wurde nicht erst justament („Alone“, „The Black Phone“ et. al.) dann doch allzu häufig durchexerziert und ermüdet den Nicht-Gelegenheitsgucker demzufolge geflissentlich. Bleiben die netten Fleischverarbeitungs- (und -konsumierungs) -Momente, ein paar lang nicht gehörte Achtziger-Heuler (Steve tanzt gern zu seichter Popmusik jener Ära), der alles in allem als gelungen zu wähnende metaphorische Ansatz sowie die rekordverdächtig späte Einarbeitung der Titelsequenz in der 33. (!) Filmminute.

7/10

TRIANGLE OF SADNESS

„I sell shit!“

Triangle Of Sadness ~ S/F/D/UK/TR/GR/DK/CH/MEX/USA 2022
Directed By: Ruben Östlund

Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) sind zwei ausgesprochen schöne, junge Menschen, demzufolge Models und auch ein Paar. Durch ihren Status als Influencerin ergattert Yaya für die beiden die Teilnahme an einer Mittelmeerkreuzfahrt auf einer Luxusyacht gemeinsam mit diversen anderen, reichen Menschen. Deren Crew setzt sich zusammen aus einem ständig besoffenen, in marxistischer Literatur vertieften Kapitän (Woody Harrelson), einer zur unbedingten Serviceerfüllung angehaltenen Uniformiertenstaffel unter Leitung der entsprechend gedrillten Chefstewardess Paula (Vicki Berlin) sowie der fast ausschließlich aus Philippinos bestehenden ArbeiterInnenschaft. Nach einem stürmischen Kapitänsdinner, das in einer Orgie aus Kotze, Dünnpfiff und Suff endet, wird das Schiff von Piraten gekapert und versenkt. Acht Überlebende stranden auf einer scheinbar verlassenen Insel: neben Paula, Yaya und Carl sind dies der App-Entwickler Jarmo (Henrik Dorsin), der dekadente Oligarch Dimitry (Zlatko Buric), die nach einem Schlaganfall teilgelähmte Theres (Iris Berben), der Pirat Nelson (Jean-Christophe Folly) und die Putzfrau Abigail (Dolly De Leon). Als einzige in händischer Arbeit erfahrene Person übernimmt in Anbetracht der desolaten Situation rasch Abigail die Führung über die kleine Gruppe und erklärt sich selbst zur Kapitänin. Eine ganz neue Erfahrung für sie.

Wo viel Hype ist, da ist naturgemäß auch immer viel Geraune. Und wie es so ist im Leben, positioniert man sich seiner individuellen Perzeption gemäß mal auf der einen und mal auf der anderen Seite. Im Falle „Triangle Of Sadness“, der seinem Regisseur Ruben Östlund neben diversen anderen Preisen bereits die zweite Palme d’Or eingetragen hat, stellt sich im Hinblick auf Meinungsdiversität rasch die primäre Frage nach „gelungener“ oder auch „treffender“ Satire, ähnlich wie bei der Netflix-Produktion „Don’t Look Up“ im letzten Jahr, deren zumindest ansätzliche Ausprägung der von Östlunds Film nicht unähnlich ist. In einer Zeit, da Menschen wie Elon Musk die globale Aufmerksamkeit bündeln und die Diskussion um das perverse Ungleichgewicht monetärer Mittel immer allgegenwärtiger wird, sind filmgewordene Spottschriften wie diese zunächst einmal eine offensichtliche Erscheinung. Nur: wie subtil und sophisticated haben sie zu sein? Oder darf es auch „in your face“ zugehen, laut, ordinär und vulgär gar? Der Weg, den „Triangle Of Sadness“ wählt, passt. In seiner ein ums andere Mal zutiefst abjekten Vorgehensweise trifft das Script vielleicht nicht jedes Mal punktgenau, meist aber doch sehr zielsicher ins Schwarze. Das buchstäblich aus dem Ruder laufende captain’s dinner auf der Yacht mit seiner anschließenden Kontrastierung aus humaner Komplettentleerung und moralöknomischer Grundsatzdiskussion im Vollrausch zweier Delirprofis empfand ich nicht nur himmelschreiend witzig, sondern darüberhinaus als komödiantischen Höhepunkt, der in einer Reihe steht mit den großen Slapstick- und Screwball-Szenarien von Chaplin über die Marx Brothers bis hin zu Jerry Lewis und vielleicht eines schönen Tages mit diesen in einem Atenzug genannt werden wird. Als gänzliches Juwel besteht „Triangle Of Sadness“ trotz dieser grandiosen Klimaxminuten allerdings nicht; die das Geschehen einfassende Beziehung von Yaya – Charlbi Dean makellos schön, mir zuvor gänzlich unbekannt und entsetzlicherweise schon so jung verstorben – und Carl karikiert zwar ganz hübsch die fahle Ausgehöhltheit solcher, von erschreckend-permanenter Selbstillustration geprägter Insta-Existenzen, taugt als Rahmung jedoch eher bedingt und lässt durchblicken, dass Östlund hier und da selbst nicht so recht wusste, was er da eigentlich genau aufs zu Korn nehmen gedachte. Ähnliches gilt für das natürlich mit Golding und Orwell kokettierendem Inselkapitel, das wohl die Frage nach Machtumverteilung, sowie deren adäquatem Ge- bzw. Missbrauch ausloten soll. Hier versagt sich der Film leider jene Geschlossenheit und Konsequenz, derer er als veritables Meisterwerk unerlässlich bedurft hätte. So bleiben exquisite Glanzlichter neben manchem Fragezeichen, wobei erstere ihre Dominanz in der Rückschau glücklicherweise stante pede verteidigen.

8/10

GLASS ONION: A KNIVES OUT MYSTERY

„I’ve learned through bitter experience that an anonymous invitation is not to be trifled with.“

Glass Onion: A Knives Out Mystery ~ USA 2022
Directed By: Rian Johnson

Gemeinsam mit einigen anderen mehr oder weniger wertigen Gästen findet sich der weltbeste Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf der sonnenverwöhnten, privaten Ägäis-Insel des exzentrischen Multimilliardärs Miles Bron (Edward Norton) wieder. Dieser hat seinen erlesenen Freundeszirkel für ein Exklusivwochenende in seinen luxuriösen Wohnkomplex „Glass Onion“ eingeladen, um dort ein gleichfalls partyseliges wie kriminalistisch herausforderndes Wochenende zu verbringen, mit ihm selbst als Mordopfer und der sich daraus ergebenden Frage um den Täter und dessen Motiv. Da mit Ausnahme des Detektivs alle Anwesenden gleichermaßen in einem perfiden Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem „Freund“ und Gastgeber stehen, kommt jeder in Frage, doch Blanc, der, wie sich bald herausstellt, mitnichten auf Brons Wunsch hin vor Ort ist, torpediert dessen Spiel kurzum und nonchalant. Bald jedoch gibt es eine wirkliche Leiche…

Benoit Blancs wiederum von Rian Johnson geschriebenes und inszeniertes zweites Filmabenteuer wird aktuell direkt von bzw. via Netflix lanciert, was eigentlich auch ganz gut passt zu dem sich bereits jetzt als strukturgewohnt abzeichnendem Kriminal-Serial. Seine satireaffine Poirot-Liebe bringt Johnson abermals in Höchstmaßen zu Geltung; wer die Kinostücke um Peter Ustinov kennt, weiß grob umrissen bereits, was Daniel Craig alias Benoit Blanc zu bieten hat: mondäne Schauplätze, luxuriöses Ambiente, spektakuläre Architektur und Interieurs. Dazu ein zumindest halbwegs prominent besetztes Ensemble, das genussvoll eine Schar grober, von Egozentrik, Gier und Arroganz zerfressener Unsympathen darbietet, an deren Spitze – natürlich – das (in diesem Fall eigentlich nur potenzielle) Mordopfer steht. Als recht witzig entpuppen sich die diersen Seitenhiebe in Richtung der Covid-Pandemie und des zeitweiligen Umgangs mit ihr, die darüberhinaus zahllos okkurierenden Popkultur- (und Selbst-)referenzen zu entdecken, überlässt Johnson findigen Zuschauern noch als zusätzliches Bonmot. Wesentlich mehr jedoch bleibt sich über den allseitig professionell (und demzufolge gediegen überrschungsfrei) gehandhabten „Glass Onion“, der seinen etwas unsinnigen Untertitel wohl ausschließlich zur Steigerung des Wiedererkennungseffekts trägt, kaum zu sagen. Das Beziehungsgeflecht der illustren Beteiligtenschar nimmt sich ebenso vordergründig kompliziert wie obsolet aus und dient allein dem Alibi der großzügigen Erzählzeit. Es hagelt MacGuffins in Hülle und Fülle, sowohl in Objektform, als auch in narrativen Finten. Spaß macht „Glass Onion“ nichtsdestotrotz schon, zumal er in kommenden Jahren vielleicht als endgültige Initiation einer Art internationaler „Traumschiff“-Variante für die Festtagssaison gelten mag. Einen Blanc alle zwei, drei Jahre zu Weihnachten, hell, schick und ein kleines bisschen hohl, fände ich durchaus erträglich. Den als einziges Ingredienz völlig aus dem Rahmen fallenden, schlurrigen Kifferhippie Derol (Noah Segan), der erfreulicherweise gar keine Funktion besitzt (außer vielleicht die, findigen Freizeitdetektiven frustrierte Fragezeichen zu entlocken), sollte man allerdings als künftigen running gag gern beibehalten.

7/10

THE UNBEARABLE WEIGHT OF MASSIVE TALENT

„Nick… . FUCKIIIIIIIIING Cage!“

The Unbearable Weight Of Massive Talent (Massive Talent) ~ USA 2022
Directed By: Tom Gormican

Um seiner geflissentlich darbenden Karriere und dem damit einhergehend darbenden Bankkonto zu begegnen, nimmt Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage (Nicolas Cage) leicht widerwillig ein außergewöhnliches Engagement an: Er soll gegen eine Million Dollar als prominenter Geburtstagsgast des auf Mallorca lebenden Unternehmenschefs Javi Gutierrez (Pedro Pascal) erscheinen. Javi, ein glühender Verehrer von Cage und seinem Gesamtwerk, der jenen außerdem gern als Hauptdarsteller für sein erstes, eigenes Drehbuch gewönne, lockt den zunächst distanzierten Star mit Drinks und anderen Lustigmachern, woraufhin sich rasch tatsächliche Sympathien zwischen den beiden Männern entwickeln. Doch die putzige Harmonie trübt alsbald ein: Die CIA hat Javi im Visier als Kidnapper der Tochter (Katrin Vankova) des katalinischen Präsidenten und setzt ausgerechnet den überrannten Cage als Maulwurf gegen seinen Gastgeber ein. Tatsächlich jedoch ist ohne dessen Wissen Javis Cousin, der Mafioso Lucas (Paco Léon) für die Entführung verantwortlich. Dies rettet zwar die Freundschaft der beiden männer, macht ihre Gesamtsituation jedoch nicht weniger lebensgefährlich…

Dass Hollywood-Schaffende sich immer wieder selbst spielen, bildet zwar keine Seltenheit; dass sie sich höchstselbst als Protagonisten eines fiktiven Abenteuers um ihre eigene Person zur Verfügung stellen, darf man jedoch nach wie vor als kleine Rarität erachten. Vor diesem Hintergrund stellen sich dann auch mehr oder weniger unweigerliche Assoziationen zu einer anderen, noch sehr viel grotesker aufgezogenen Selbstdemontage eines amerikanischen Weltstars ein, nämlich zu Spike Jonzes „Being John Malkovich“. Gegen den Wahnwitz von Jonzes und Charlie Kaufmans wahnwitziger Dramödie, die einst Malkovich himself zum Endgefäß für einen bizarren, mentalen Geburtskanal modelte, kommt „The Unbearable Lightness Of Massive Talent“ zwar nicht an, findet aber dennoch hübsche Wege, das Buddy-Duo Cage und Pascal vor der lichtdurchfluteten, mallorquinischen Kulisse in ein paar lustige, später auch actionreiche Episoden zu verstricken. Dabei gibt der Leinwand-Cage, ebenso wie damals der Leinwand-Malkovich freilich, eine Alternativversion seines tatsächlichen Selbst; so werden ihm etwa eine fiktive Ex-Frau (Sharon Horgan) und Teenagertochter (Lily Mo Sheen) herbeigedichtet, die er durch seine arrogante Selbstherrlichkeit verprellt.
Im weiteren Hergang outet sich der Film schließlich als ähnlich versiert in punkto Cage-Facts wie seine zweite Hauptfigur Javi Gutierrez; es kommt erwartungsgemäß zu diversen title drops und Reminiszenzen an frühere Beiträge aus dem umfangreichen Œuvre des Darstellers, der unterdessen allenthalben von seinem eigenen, jüngeren alter ego aus der Ära „Wild At Heart“ heimgesucht und traktiert wird. Das nimmt sich alles recht amüsant und tragfähig aus, verzichtet jedoch nicht auf die eine oder andere Redundanz. Am komischsten empfand ich dabei dabei jene Szenen, in denen Cage, intoxiniert durch diverse Rauschmittel von Alkohol bis Acid (einmal sogar durch ein hochpotentes Spionage-Sedativ), torkelnd oder sonstwie diffus durch die mediterrane Gegend laviert. Nicht, dass der Film unter späterem Verzicht auf derlei Sperenzchen gegen Ende hin geerdeter würde; es bleibt angenehm bescheuert. Trotzdem – auf den ganz großen Anarcho-Irrsinn, die totale Cage-Kirmes gewissermaßen, wird wohlweislich verzichtet. Schade.

7/10

THE FRIGHTENERS

„Death ain’t no way to make a living!“

The Frighteners ~ NZ/USA 1996
Directed By: Peter Jackson

Seit einem Autonunfall vor einigen Jahren nebst persönlicher Nahtoderfahrung, bei dem auch seine Ehefrau Debra (Angela Bloomfield) starb, hat der Ex-Architekt Frank Bannister (Michael J. Fox) die vormalige Profession aufgegeben und arbeitet seither, stets kurz vor der Pleite stehend, als Geisteraustreiber. Möglich machen im dies seine tatsächlich hinzugewonnene Fähigkeit, Kontakt mit verstorbenen Seelen im Zwischenreich aufzunehmen sowie drei befreundete Zwischengänger: der in den Siebzigern verblichene, straßenweise Hustler Cyrus (Chi McBride), der bereits seit rund vierzig Jahren tote Student Stuart (Jim Fyfe) und ein aus dem Alten Westen stammender, schießfreudiger Richter (John Astin). Das derangierte Trio sucht zum Schein die Häuser unbedarfter Bürger heim, die dann in ihrer Not Bannister, den die meisten Ortsansässigen für einen spinnerten Scharlatan haltan, herbeirufen, um sich von ihm helfen zu lassen. Jüngst sorgt dieser dafür, das spießige Eigenheim des Ehepaars Lynskey „reinigen“ zu dürfen, nachdem Frank zuvor unfällig deren Vorgarten umgepflügt hat. Gesagt, getan, doch kurz darauf stirbt Ray Linskey (Peter Dobson) an einem Herzanfall. Nur einer von einer ganzen Reihe fast identisch gelagerter Todesfälle, die Bannister bald unter handfesten Verdacht stellen. In Wahrheit steckt jedoch eine ganz andere, jenseitige Entität hinter der Mordserie. Nunmehr ist es an Frank und Rays Witwe Lucy (Trini Alvarado), den wahren Killer dingfest zu machen. Kein leichtes Unterfangen, zumal auch der wirre FBI-Agent Dammers (Jeffrey Combs) ihnen diverse Steine in den Weg rollt…

Man muss sich kaum kognitiv ins Zeug legen, um „The Frighteners“, Peter Jacksons erste, von Robert Zemeckis protegierte Studioproduktion (Universal) nach einem Trio ebenfalls in Neuseeland entstandener, rasch zu anarchischen Underground-Lieblingen aufgestiegener Indie-Liebhaberstücke sowie einem feuilletontauglichen Coming-of-Age-Drama, als teures, familienkompatibles und inhaltlich verkomplexiertes, respektive andere motivische Schwerpunkte setzendes Remake seines eigenen Drittfilms „Braindead“ auszumachen. Ein junger Mann, einsam, traumatisiert und in seinem kleinen sozialen Mikrokosmos als Sonderling geltend, erlebt seine dräuende Alltagsmorbidität bald zu zusehends unkontrollierbarem Eigenleben erwacht. Der unfreiwillige Flirt mit Tod und modriger Vergänglichkeit bestimmt bald seine gesamte Existenz, bringt bei aller Turbulenz auch eine wahrhaft mörderische, monströse Bedrohung hervor und kann erst durch die heilende Kraft der Liebe von Erlösung und Neuanfang abgelöst werden. Soweit eine grobe Zusammenfassung beider Inhalte. Selbst einzelne Nebencharaktere erleben ihre Analogisierung oder zumindest eine Art „Remix“. Während „Braindead“ allerdings noch gezielt das Konzept des Splatterfilms dermaßen ad absurdum führte, dass jenes sich zugleich mit seinem eigenen, postmodernen Finalpunkt konfrontiert sah, rudert „The Frighteners“ zumindest in Bezug auf seine ästhetische Entfesselung wieder zurück. Oder anders gesagt: er substituiert die manuell beförderten und entleerten Gallonen von Kunstblut und -eingeweiden durch aufwändige, von Jacksons eigener, damals erst drei Jahre junger Firma „WETA Digital“ erstellte Computeffekte. Diese galten zeitgenössisch schon aufgrund ihres inflationären Einsatzes als ziemlich sensationell, was sich heuer eher beiläufig zur Kenntnis nehmen lässt. Das bei Jackson übliche vintage flair der Erzählung beschädigen sie jedenfalls glücklicherweise nicht, sondern hofieren den etwas stoffeligen Charme des comicesken, an die „Tales From The Crypt“-Comics angelehnten Plots, der zwanzig, dreißig Jahre zuvor gewiss auch einem William Castle kreative Höhenflüge entlockt hätte. Das dehnt sich zuweilen etwas und mag nicht immer auf den narrativen Überhang verzichten – eine originelle Arbeit aber ist „The Frighteners“ allemal und bestimmt dient er sich auch trefflich dazu an, Jacksons damals noch wesentlich prägnanter okurrierende Qualitäten als auteur zu identifizieren.

7/10

THE FLORIDA PROJECT

„I can always tell when adults are about to cry.“

The Florida Project ~ USA 2017
Directed By: Sean Baker

Der Sommer hält Einzug in Kissimmee, Florida, was bedeutet, dass jetzt noch mehr Touristenströme in den hiesigen Disney-World-Park pilgern. Für die sechsjährige Moonee (Brooklynn Kimberly Prince), die mit ihrer Mom Halley (Bria Vinaite) im angrenzenden „Magic-Castle“-Motel wohnt, ändert sich dadurch allerdings wenig. Moonees Alltag und der ihrer Freunde Scooty (Christopher Rivera) und Dicky (Aiden Malik) bewegt sich weiter in den gewohnten Bahnen, die daraus bestehen, lustige Abenteuer zu erleben, kleine und große Streiche zu spielen und ihren semierwachsenen Bezugspersonen, die unterhalb des Existenziminimums vegetieren, die Liebe zu erhalten.

Sean Bakers erschütterndes Kindersoziogramm inmitten einer jedweder Vorhersehbarkeit entsagenden Mutter-/Tochter-Geschichte bewegt gerade deshalb zutiefst, weil es von wenigen, notwendigen Ausnahmen abgesehen, seine dediziert infantile Perspektive wahrt und sich der eigentlich naheliegenden, bleiernen Tragik einer allzu analytischen Vivisektion der dazugehörigen Prekariatsexistenz strikt verweigert. Für Moonees noch kurze Jahre ist das Leben nicht schlecht. Die warme Sonne Floridas scheint, sie kann die meiste Zeit des Tages tun und lassen wozu sie Lust hat und die pastellgetünchten Wände des Magic Castle und der anderen umliegenden Motels fassen die bonbonfarbene Scheinrealität in ein äußerlich wohlig anmutendes Alternativamerika. Dass Moonees Mama, im Prinzip selbst noch ein Kind, ihr somit sehr viel mehr große Schwester als Mutter ist und nichts gelernt hat mit der Ausnahme, sich irgendwie durch die nächsten zwölf bis vierundzwanzig Stunden zu lavieren – geschenkt. Es gibt immerhin ständig Fast Food oder Eiscreme, irgendwie erschnorrt, erbettelt, durch Kleinkriminalität oder Prostitution finanziert. Die naheliegenden Sümpfe oder die Zeitzeugen des letzten Börsencrashs in Form leerstehender Immobilien ergeben großartige Abenteuerspielplätze, die die Imagination in wesentlich komplexerer Form anheizen als die benachbarten und doch unerreichbaren Fahrgeschäfte und Touriattraktionen aus Blech und Plastik. Und die müßig scheinenden Sorgen der Erwachsenenwelt? Die werden immerhin semipermeabel abgeschirmt; unter anderem vom Motelmanager Bobby (Willem Dafoe), eigentlich sehr viel mehr Sozialarbeiter als Hausmeister. Irgendwann sind dann jedoch auch Bobbys Ressourcen erschöpft, der Traum von Mutter und Tochter gegen den Rest der Welt ist ausgeträumt und die Flucht nach vorn, nämlich die vor den bösen MitarbeiterInnen vom Jugendamt, wird eine kurze werden. Warum zuvor so viel Merkwürdiges passiert ist; warum etwa Halley anderen gegenüber so oft zwischen Bettelei und Wut changiert, warum Moonee manchmal mit lauter Musik im Kopfhörer in der Wanne sitzen muss, warum Bobby einen komischen, älteren Kauz (Giovanni Rodriguez) vom Motelgelände verjagt, oder warum ihre Mom sich so gnadenlos mit deren bester Freundin Ashley (Mela Murder) verkracht und sie danach nicht mehr mit Ashleys Sohn Scooty spielen darf – das alles wird Moonee vielleicht erst Jahre später verstehen. Bis dahin bleibt ihr die Gnade der vergänglichen Wahrnehmung der frühen Kindheit.

10/10

ELECTRIC DREAMS

„It’s my party. And Moles, you’re not invited.“

Electric Dreams ~ USA/UK 1984
Directed By: Steve Barron

Der eher dröge, aber nichtsdestotrotz visionäre Jungarchitekt Miles (Lenny von Dohlen) schafft sich einen Heim-Personalcomputer an, der ihm helfen soll, „organisierter“ durch den Alltag zu kommen. Parallel dazu fühlt sich Miles zu seiner neuen Nachbarin, der Cellistin Madeline (Virginia Madsen), hingezogen. Als Miles sein unterdessen mit diversen Haushaltsgegenständen vernetztes, technisches Wunderwerk überlastet und den daraus resultierenden Brand mit Champagner löscht, beginnt „Edgar“ (in der EDV-Terminologie ein Akronym für Electronic Data Gathering, Analysis, and Retrieval System), wie sich der Computer bald nennt, ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Bald „interessiert“ sich Edgar, der neben diversem Anderen auch Musik kreieren und komponieren kann, ebenfalls für die aparte Madeline. Zwischen Mensch und Chipgehäuse entbrennt ein mit harten Bandagen ausgetragener Eifersuchtskampf…

Von all den verrückten Liebesgeschichten, die die diesbezüglich überaus erfindungsreichen 1980er Jahre auf die Leinwand zauberten, besteht „Electric Dreams“ als eine der bemerkenswertesten und schönsten. Passenderweise im Orwell- und Macintosh-Jahr entstanden, bildete der Film inmitten einer Unzahl stilprägender Musikvideoclips Steve Barrons erste Kinoregie.
Der nicht als reines Spiel- und Freizeitmedium genutzte (Heim-)Computer bekleidete innerhalb der gesellschaftlichen Alltagsnomenklatur zu jener Zeit eher noch den reichlich diffus konturierten Bestandteil einer etwaigen Sozialutopie, so dass eben auch die vorliegende Geschichte um eine autoinitiierte K.I. noch sehr viel mehr Fiction denn Fact präservierte. Dementsprechend ausladend gestaltet sich die Genrebandbreite, die „Electric Dreams“ tangiert. Dass sukzessiv vermenschlichte Computer infolge ihres artifiziellen Elektronengehirns zur omnipotenten Bedrohung werden können, hatten zuvor bereits maßstäbliche Gattungsbeiträge wie „2001: A Space Odyssey“, „Colossus: The Forbin Project“ oder „The Demon Seed“ demonstriert, von den vielen bösen respektive „durchgedrehten“ Androiden, Robotern und Cyborgs der Ära ganz abgesehen. Auch Edgar, im Original mit der Stimme von Bud Cort und in der deutschen Synchronfassung mit der von Stephan Remmler versehen, entwickelt sich für seinen Besitzer und somit Meister allmählich zur Nemesis, die sich durch immer weitreichendere Datenvernetzung Zugang zu Miles‘ (von Edgar ebenso stetig wie despektierlich „Moles“ tituliert) Privatleben verschafft und etwa seine Konten sperren lässt. In dieser Phase überschreitet „Electric Dreams“ klammheimlich die Grenze von der romantischen Satire hin zur dystopischen Horrorvision, die katastrophal zu enden droht, bis Edgar schließlich einsieht, dass er trotz aller Bestrebungen nicht mit Fleisch und Blut konkurrieren kann und sich selbst aufopferungsvoll aus dem Spiel nimmt – nicht ohne die westliche Welt noch ein letztes Mal (mit der Unterstützung von Giorgio Moroder und Phil Oakey freilich) zum Grooven zu bringen.

8/10

TOUCH

„Controversy is the oxygen I breathe.“

Touch ~ USA 1997
Directed By: Paul Schrader

Nachdem er vergeblich versucht hat, sich mit evangelikalem Kirchenpomp eine goldene Nase zu verdienen, macht der Glücksritter Bill Hill (Christopher Walken) in Wohnmobilen. Durch Zufall wird er eines Tages auf einen jungen Ex-Franziskaner namens Juvenal (Skeet Ulrich) aufmerksam, der wundersame Heilkräfte zu besitzen scheint und nunmehr in einer Suchtklinik für Alkoholiker lebt und arbeitet. Mithilfe seiner früheren Mitstreiterin Lynn Faulkner (Bridget Fonda) als Lockvogel macht sich Bill an den verschlossenen Juvenal heran. Lynn, die sich prompt in den tatsächlich Charlie Lawson heißenden Wunderheiler verliebt, stellt fest, dass dieser nicht nur tatsächlich über jene Fähigkeiten verfügt, sondern im Zusammenhang mit deren Gebrauch auch immer wieder kurzfristig blutende Stigmata aufweist. Während Bill Juvenal groß in den Medien herausbringen will, sieht der misogyne Glaubensfanatiker August Murray (Tom Arnold) in ihm den neuen Messias…

Basierend auf einem zehn Jahre zuvor erschienenen Roman von Elmore Leonard, der um diese Zeit mit den wesentlich populärer gewordenen (und deutlich spekatakuläreren) Adaptionen „Jackie Brown“ und „Out Of Sight“ ohnehin eine kleine Verfilmungsrenaissance erlebte, schrieb und inszenierte der hinsichtlich christlicher Metadiskurse ohnehin stets umtriebige Paul Schrader mit „Touch“ seine zehnte Regiearbeit für das Kino. Wiederum großartigst besetzt bis in die Nebenrollen blieb die kleine Indieproduktion jedoch stets eine Fußnote in Schraders Œuvre. Tatsächlich erinnerte mich der Film in seiner meist distanziert bis artifiziell anmutenden Form und Atmosphäre noch am ehesten an „The Canyons“, der ebenfalls sehr viel mehr Kopfgeburt als Herzensangelegenheit zu sein scheint. Das Sujet ist längst kein Unbekanntes – es geht um einen ebenso einsamen wie gütigen Altruisten und Humanisten, der als postmoderne Reinkarnation Christus‘ auf kalifornischem Boden wandelt und seine entsprechend persönliche, augenzwinkernde Passionsgeschichte durchlebt. Analog zum Finden und Leben der ersten, wahren großen Liebe fallen auch – wenngleich nur vorübergehend – seine göttlichen Fähigkeiten, denn Menschwerdung bedeutet zugleich stets auch einen Fall von der Gnade. Diverse Interessenparteien sind Juvenal flugs auf den Fersen und versuchen, ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, flankiert von einer Menagerie bizarrer Nebencharaktere, die von Paul Mazurskys als schmierig-kalauerndem Musikproduzenten über eine von Gina Gershon gespielte, überkandidelte Talkshow-Tussi bis hin zu einem semi-inkontinenten Altgeistlichen (Mason Adams) reichen. Freilich wendet sich im Laufe der obskuren, vornehmlich fremdgesteuerten Odyssee Juvenals vom naiven Klerusexoten hin zum aufgeklärten Liberalen doch noch alles zum Guten. Er darf, sämtliche Westküsten-Wirrnisse hinter sich lassend, mit seinem Mädchen nach Iowa abdampfen und dort ein glückliches US-amerikanisches Bible-Belt-Leben führen.
Hätte Jesus vor zweitausend Jahren bestimmt auch gern gemacht.

7/10

HARLEM NIGHTS

„Kiss my entire ass!“

Harlem Nights ~ USA 1989
Directed By: Eddie Murphy

Harlem zur Prohibitionszeit: Seit er ihm als kleiner Junge (Desi Arnez Hines II) das Leben rettete, ist Vernest Brown alias Quick (Eddie Murphy) gleichberechtigtes Mündel des Nachtclubbesitzers Sugar Ray (Richard Pryor). Jahre später führt jener sein Etablissement, in dem neben Alkoholausschank auch andere Trostspender vom Jazz über das Glücksspiel bis hin zur Prostitution florieren, hinter der legalen Fassade eines Konfektgeschäfts. Dem sich immer breiter machenden Gangsterboss Bugsy Calhoune (Michael Lerner) derweil ist der Club Sugar Ray ein Dorn im Auge, weshalb er mithilfe des korrupten Polizisten Phil Cantone (Danny Aiello) Sugar Ray und Quick zusehends unter Druck sitzt. Während der junge Heißsporn Quick sich zum Krieg bereit macht, zieht der weitaus besonnenere Sugar Ray es vor, das Feld zu räumen und die Stadt zu verlassen – freilich nicht, ohne Calhoune und Cantone gehörig über den Tisch zu ziehen…

Mit einer Art afroamerikanischer Variationsmelange aus George Roy Hills „The Sting“ und Francis Ford Coppolas „The Cotton Club“ versuchte sich Eddie Murphy, damals auf dem Zenit seine stardoms, zum bis dato ersten und einzigen Mal als Regisseur und gewissermaßen auch als auteur. Ganz Murphys höchstpersönliches Baby, setzt sich „Harlem Nights“ mit einigem übersteigerten Selbstbewusstsein ziemlich breitärschig zwischen alle Stühle. Der schwarzen New Yorker Unterweltkultur der zwanziger und dreißiger Jahre zollt der insofern nicht immer ganz treffsichere Film ebenso Tribut wie den etwas aufgelockerteren Blaxploitation-Beiträgen der Siebziger (etwa „Cotton Comes To Harlem“) und vermengt diese Einflüsse mit Murphys derbem Bühnen-Stand-Up-Duktus. Murphy demonstriert zudem offenherzig, dass er in Sachen pointierten Leinwand-Humor-Timings einiges von John Landis gelernt hat, dem er ja immerhin zwei seiner Hits aus den Vorjahren verdankt und der ironischerweise mit seinem „Oscar“-Remake kurz darauf eine ganz ähnlich strukturierte Gangsterfarce vor historischem Setting ablieferte.
Der nicht eben kostengünstige „Harlem Nights“ legt viel Wert auf sein mit einigem Chic inszeniertes Zeitkolorit; auf augenfällige Requisiten und Kostüme, derweil die urbane Außendarstellung völlig bewusst artifiziell gehalten ist und ganz wie die Warner-Filme der frühen Tonära auf gut als solche identifizierbare Studio- und Atelieraufnahmen zu setzen scheint. Was die Figurenzeichnung anbelangt, konzentriert sich Murphy derweil vor allem auf die liebevolle Konturierung schillernder Nebencharaktere, darunter Redd Foxx und Della Reese als grantelndes, alterndes Ehepaar oder Vic Polizos als liebeskranker Richie Vento, die die schönsten Szenen abbekommen. Andere Auftritte, wie der hoffnungslos enervierende von Arsenio Hall etwa, laufen blinden Auges ins Leere.
Murphys Film lanciert weit von jeder Art Formvollendung entfernt, dafür ist er schlicht zu ungeschlossen und weiß manchmal selbst nicht recht wohin mit sich. Dennoch lässt sich bescheinigen, dass „Harlem Nights“ den über weite Strecken amüsanten Versuch eines von seinem unbändigen Erfolg selbstberauschten Aufsteigers markiert, sein kreatives Spektrum zu erweitern, wenngleich jener damit auf imposante Weise scheitert.

7/10

DOG EAT DOG

„I warned you, Dog.“

Dog Eat Dog ~ USA 2016
Directed By: Paul Schrader

Troy (Nicolas Cage), Mad Dog (Willem Dafoe) und Diesel (Christopher Matthew Cook) bilden ein Trio krimineller Knastvögel, das sich in vielerlei Hinsicht bestens ergänzt. Alle drei bergen ein unberechenbares, hochaggressives Potenzial, sind nicht die Hellsten, frönen allem, was ungesund ist und rennen irrationalen Träumen vom ganz großen „Gig“ nebst sorgenfreiem Leben hinterher. Ein alter Bekannter von Troy, El Greco, der Grieche (Paul Schrader) vermittelt ihnen kleine Coups, mit deren Erlös sie ihren unstillbaren Bedarf an Nutten, Alkohol und Drogen zumindest kurzfristig stillen können. Schließlich soll es aber doch einmal richtig lukrativ werden: 750.000 Dollar gilt es abzustauben für einen Auftrag, der die Entführung des Babys eines säumigen Schuldners (Louis Perez) vorsieht. Das Ganze endet in Chaos und Tod.

Peu à peu möchte ich mich gern endlich dem in meiner Kopfsammlung noch verbleibenden Regieœuvre Paul Schraders widmen und plane diesbezüglich chronologisch rückwärts vorzugehen. „Dog Eat Dog“ nun ist als Schrader-Werk zumindest auf den ersten und wahrscheinlich auch zweiten Blick nicht a priori identifizierbar. Zwar ist auch dieser, vorrangig von einer aus Filmstudenten bestehenden Crew in Minimalzeit abgedrehten Edward-Bunker-Adaption eine gewisse maskuline Melancholie inhärent, insgesamt jedoch gefällt sich der Film in der zutiefst absurd abgerissenen (und insofern zugleich immens komischen – ich musste oft sehr lachen) Darstellung einer scheiternden, kriminellen Großaktion, deren Handlangertrio krachend an der eigenen Inkompetenz scheitert. Cages Troy berichtet den Hergang der Geschichte via voiceover, was jedoch bekanntermaßen längst kein Garant mehr für einen wie auch immer zu erwartenden Ausgang darstellt. Im Prinzip bilden die drei Protagonisten dabei die drei Achsen eines gleichseitigen Dreiecks. Die in solchen Erzählungen naheliegende Volte, das Versagen des Plans infolge der üblichen Unwägbarkeiten vor Ort dem größten Psychopathen im Bunde anzulasten, greift hier wiederum bestenfalls an der Oberfläche. Auch garantiert weder seine Erzählstimme noch sein längster Überlebensstatus nicht unbedingt Troys vorrangige diegetische Position; vielmehr widmet sich die auktoriale Perspektive allen drei Gangstern relativ gleichberechtigt. Alles beginnt mit einer Mad Dog zentrierenden Eingangssequenz, die bereits das groteske Timbre der kommenden 90 Minuten zielgenau umreißt. Wie er sein Antlitz, vom Schnee und H in andere Sphären versetzt, als amorphes Zerrbild im Spiegel betrachtet, das muss man sehen. Der unschätzbare Willem Dafoe als Mad Dog bildet womöglich ohnehin die vorrangigste Darstellung als koksender Junkie, der längst jeden Bezug zum Irdischen eingebüßt hat, dies jedoch zugleich auch recht bestimmt einschätzen kann. Cooks Diesel derweil ruht als tickende Zeitbombe die meiste Zeit in sich und vollbringt es via kaum exponiertem Kraftaufwand, sich irgendwie im Zaum zu halten. Am ehesten an die Schrader-Typologie des vergebens seiner Erlösung nachjagenden Verlierers angelehnt ist dann doch Troy, wobei auch dieser die oftmals mit dem Wahnhaften liebäugelnde Normativität des schraderschen Antihelden mit ungewohnten Extremen auskleidet. Zehn, zwanzig Jahre zuvor hätte „Dog Eat Dog“ im Fahrwasser all der Tarantino-Epigonen es gewiss deutlich schwerer gehabt, zumal eindeutige Analogien, die sich im teils unablässig vorgetragenen, gestelzten Knacki-/Gangsterdialog äußern, absolut eklatant sind. Auch ein Guy Ritchie ist da nicht weit. Mir gefällt jedoch viel besser der Vergleich mit John Cassavetes‘ „Husbands“, von dem Schrader gewissermaßen eine postmoderne, aufgegrellte Variation darbietet, die jedoch, ganz wie das große Vorbild, von destruktiven Irrwegen kriselnden, männlichen Selbstverständnisses berichtet.

8/10