LEATHERFACE

„You messed with the wrong family.“

Leatherface ~ USA 2017
Directed By: Alexandre Bustillo/Julien Maury

Texas, 1955. Als die durchweg aus Psychopathen bestehende Kannibalenfamilie Sawyer unter dem Vorsitz von Matriarchin Verna (Lili Taylor) ausgerechnet Betty (Lorina Kamburova), die Tochter des hiesigen Sheriffs Hal Hartman (Stephen Dorff), auf ihre Speisekarte setzt, sieht der bereits seit Langem nach Gerechtigkeit strebende Gesetzeshüter rot und sorgt dafür, dass Vernas Jüngster, der kleine Jedidiah (Boris Kabakchiev), in der geschlossenen Nervenheilanstalt landet. Zum jungen Mann (Sam Strike) herangereift, gelingt Jed, der sich nun Jackson nennt, gemeinsam mit drei anderen Insassen (Sam Coleman, James Bloor, Jessica Madsen) und einer gekidnappten Krankenschwester (Vanessa Grasse) die Flucht aus jener Institution, derweil Sheriff Hartman bereits darauf lauert, den Sawyers endgültig den Garaus zu machen…

Die Auslöschung von Identitäten zugunsten unguter Substitute schwebt allgegenwärtig dräuend über „Leatherface“. Um es gleich vorwegzunehmen ist dieser jüngste Beitrag zum langlebigen Chainsaw-Franchise nach Kim Henkels drittem 94er-Sequel zugleich der bis dato schwächste, was sich besonders in Anbetracht einiger dem Projekt zur Verfügung stehender, personeller Ressourcen sehr bedauerlich ausnimmt. Mit den Regisseuren Alexandre Bustillo und Julien Maury gewann man immerhin zwei mehr denn vielversprechende Repräsentanten der harten Horror-Nouvelle-Vague und mit Lili Taylor und Stephen Dorff darüber hinaus auch recht ungewohnte darstellerische Prominenz. Was die so durchaus konstruktiv gestartete Chose dann aber so überaus unelegant durchkreuzt, ist das magere Script des Newcomers Seth M. Sherwood, der seinen Ansatz, dem ikonischen Character Leatherface einen psychologisch fundierten Unterbau zu verabreichen, völlig vergeigt.
Zu Beginn nutzt der Film nahezu exakt dieselbe Startbahn wie Rob Zombies „Halloween“-Remake; ein durch sein dysfunktionales Familienumfeld nachhaltig gestörter Junge kommt in ein infolge inkompetenter Belegschaft extrem kontraproduktiv geführtes Sanatorium für psychisch kranke, juvenile Gewaltverbrecher und bricht als junger Erwachsener dort aus. Doch damit ist der Werdegang hin zum späteren, verstummten Sägenschwinger Leatherface noch längst nicht vollendet – der gewaltsame Tod des besten Freundes, die Verbissenheit des ihn jagenden Sheriffs, schließlich eine unfällige Verunstaltung seines hübschen Antlitzes und ein schwelender Mutterkomplex ergeben schlussendlich jene ungute Mixtur, die den als Kind noch in „errettbarer Verfassung“ befindlichen Jed Sawyer zu unser aller liebstem Hautmaskenträger avancieren lässt. Das alles wird so forciert, hanebüchen und demystifizierend aufgetragen, so ohne Gespür für die die Chainsaw-Filme üblicherweise kennzeichnende, pathologische Atmosphäre oder für das ursprünglich so maßgeblichg apostrophierte Zeitkolorit (dem ja selbst herbeibeschworenen Umstand, dass die ganze Geschichte sich 1965 ereignen soll, wird letzten Endes zu keiner Sekunde Rechnung getragen), dass selbst die gewohnt gediegene und eigentlich treffliche Inszenierung der beiden „Exil-Franzosen“ das immens eklektische Konglomerat zu keiner befriedigenden Gesamtbilanz zu führen vermag. Es hat indes fast den Anschein, als wäre die (häufig dem DTV-Segment zuzurechnende) Wahl kostensparender Produktionsmittel, die Bulgarien als Drehort nebst vornehmlich einheimischem Stab, symptomatisch für das beinahe allseitige Misslingen.
Vor allem um Bustillo und Maury, deren stilistische Signatur trotz allem noch immer präsent scheint, muss es einem leid tun – man kann nur hoffen, dass die beiden sich nicht wie so viele immigrierte Filmkreative vor ihnen vom Moloch Hollywood aufzehren lassen und sich stattdessen in Zukunft wieder ihren sehr viel fruchtbareren Wurzeln als auteurs besinnen.

4/10

RANSOM

„I’ll have your head on a fucking pike!“

Ransom (Kopfgeld) ~ USA 1996
Directed By: Ron Howard

Der Airline-Chef Tom Mullen (Mel Gibson) ist in den Massenmedien als pr-bewusster Selfmade-Millionär kein Unbekannter. Jedoch gereichen ihm die jüngsten Schlagzeilen um seine Person weniger zum Vorteil: er soll den Gewerkschaftsvertreter Jackie Brown (Dan Hedaya) geschmiert haben, um einen drohenden Streik abzuwenden. Mitten in diese Krise hinein platzt dann auch noch die Entführung von Toms kleinem Sohn Sean (Brawley Nolte), hinter der der neurotische Cop Shaker (Gary Sinise) nebst vier Verbündeten (Lili Taylor, Liev Schreiber, Donnie Wahlberg, Evan Handler) steckt. Mullen schaltet das FBI ein, doch auch der engagierte Agent Hawkins (Delroy Lindo) kann mit Ausnahme steter Beschwichtigungen wenig für ihn und seine nicht minder besorgte Frau Kate (Rene Russo) tun. Der Versuch einer ersten Geldübergabe scheitert und Tom kann sich des immer stärker werdenden Gefühls, dass Sean ohnehin ermordert werden wird, nicht erwehren. Verzweifelt dreht er den Spieß um und setzt die von den Kidnappern verlangte Lösegeldsumme öffentlich als Kopfgeld für die Bande aus.

Ron Howards Remake eines exakt 40 Jahre älteren Thrillers mit Glenn Ford kommt nur selten über das eher fade Prädikat ‚routiniert‘ hinaus. Zwar leistet sich „Ransom“ alles in allem keine eminenten Fehler, er leidet jedoch unter anderen Kinderkrankheiten, die eine wirklich tiefgehende Beziehung zu ihm unmöglich machen. Daran trägt allerdings weniger Howards emsige Inszenierung Schuld; der Regisseur macht weithin das Beste aus den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, verpasst nur selten einen sich nähernden Spannungsbogen und schlägt sich daher mit wenigen Schnitzern wacker. Die Einbußen liegen anderswo. Da wären zunächst Mel Gibson und Rene Russo als reiches Ehepaar. Die Leute haben Geld, sogar sehr viel, und der mit Vorliebe gegen die Hochfinanz wetternde Jimmy Shaker als eine Art fehlgeleiteter Arbeiterheld somit eine deutlich sympathischere, berechtigtere Agenda als die nicht immer moralgetreu mit ihren Milliönchen jonglierenden Mullens. Dieser Turnus im Bereich der Charakterzeichnung durchaus interessant, wird jedoch vom Script leider überhaupt nicht weiterverfolgt. Inhärent bleiben die Mullens trotz der fragwürdigen (aber natürlich erfolgreichen) Strategie des Vaters, die Kidnapper mit seiner Lösegeldanpreisung zu entzweien und gegeneinander aufzuhetzen, stets Sympathieträger, derweil Shaker als eifersüchtiger, sadistischer und geldgieriger Bösewicht über klischierte Stereotypen nie hinausragt. Gibson, das weiß man, kann vor der Kamera ganz phantastisch leiden und eine Menge an Weltschmerz in seine Mimik einfließen lassen. Auch Howard war dieses Talent seines Hauptdarstellers ganz offensichtlich bekannt und so lässt er ihn gleich mehrfach taumeln und schließlich zur Gänze zusammenbrechen, bevor er sich dann im (unvermittelt heftigen) Showdown endlich Mann gegen Mann beweisen kann. Tom Mullen ist phasenweise gar nicht mal weit sonderlich entfernt von Max Rockatansky, Martin Riggs und William Wallace, nur dass er über eine deutlich dickere Geldbörse verfügt als seine Kinoahnen und Kampfesbrüder im Geiste. Rene Russo in der Rolle der Blanko-Ehefrau fungiert derweil einzig als moralisches Rückgrat für ihren Gatten, unterschreibt letzten Endes aber sowieso alles, was er ihr anträgt. Wirklich herausragend sind derweil Gary Sinise und die sowieso immer tolle Lili Taylor, die „Ransom“ wirklich etwas zu geben haben, nämlich Mehrdimensionalität und darstellerische Facetten.

6/10