SUR MES LÈVRES

Zitat entfällt.

Sur Mes Lèvres (Lippenbekenntnisse) ~ F 2001
Directed By: Jacques Audiard

Die fast taube Carla (Emmanuelle Devos) arbeitet als Angestellte in einem mittelständischen Bauunternehmen in Paris. Mit 35 ist sie noch immer alleinstehend, obwohl ihre geheimen Sehnsüchte eine ganz andere Sprache sprechen. Ihr schüchternes, affirmatives und biederes Wesen verhindert jedoch offene oder gar intime Kontakte zu Männern, derweil ihre Freundin Annie (Olivia Bonamy), deren kleines Kind Carla allenthalben babysittet, umso wilder durch die Betten tobt. Als der auf Bewährung entlassene Ex-Knacki Paul (Vincent Cassel) Carla als Bürounterstützung zugeteilt wird, entwickelt sich nach und nach ein ambivalentes Verhältnis zwischen den beiden outcasts, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Carla fühlt sich auf seltsame Weise von Paul abgestoßen und zugleich für ihn verantwortlich. Der Kleinkriminelle wiederum plant bereits die Flucht nach vorn, indem er den Nachtclubbesitzer Marchand (Olivier Gourmet) abzocken will. Ausgerechnet Carla, die aufgrund ihrer Behinderung hervorragend von Lippen lesen kann, soll ihm bei der Durchführung behilflich sein…

Eine ungewöhnliche Romanze hat Jacques Audiard mit seiner dritten Langfilm-Regiearbeit vorgelegt: das schicksalsbedingte Zusammentreffen zweier vereinsamter Individuen, die sich geradezu determinstisch brauchen und verdienen, für die Erkenntnis dieses Faktums jedoch erst diverse, nicht selten bizarre Umwege und Nebenstraßen benötigen. Audiard kleidet diese Odyssee vom Suchen und Finden in einen wie beiläufig erzählten Kriminalplot mit Noir-Elementen nebst antiklimaktischer Conclusio, die zum Ende hin nochmal unterstreicht, wie zweckdienlich die vermeintlichen Genreavancen eigentlich sind. Als sehr viel elementarer für seine Anordnung erweisen sich die ungeheuer sorgfältig ausgearbeiteten Charakterisierungen seiner Hauptfiguren Carla und Paul, wobei vor allem erstere eine sukzessive Wandlung vom unbeachteten, einsamen Mauerblümchen hin zur selbstbestimmten Frau durchlebt mit dem kaum minder verloren wirkenden Paul als Emanzipationstrittbrett. Eine erste unbeholfene Annäherung seinerseits, die ohnehin eher als unbeholfene Form der Gegenleistung gedacht ist, erweist sich als im schlechtesten Wortsinne unfruchtbar; erst Carla selbst findet eine Form, den bisherigen Existenzversager für ihre (karrieristischen) Zwecke zu instrumentalisieren. Damit endet ihr wechselseitiges Engagement jedoch nicht; Paul führt Carla in „seine“ Welt ein, die der kleineren und größeren Gangster, des Nachtlebens und des wechselseitigen Übervorteilens. Darin inbegriffen ist auch, dass die Gefahrenlage zuweilen beinahe tödliche Ausmaße annimmt, ebenso, wie sie zwei Solitäre zusammenschweißen kann. Trotz des verdienten happy ends lässt Audiard die Kehrseite amourösen Großstadtfatums nicht außer Acht: ausgerechnet Pauls ehern scheinender Bewährungshelfer (Olivier Perrier) verbirgt hinter seiner alternden Fassade die tiefsten Abgründe.

8/10

LES FAUVES

Zitat entfällt.

Les Fauves (Großstadthölle – Gehetzt und gejagt) ~ F 1984
Directed By: Jean-Louis Daniel

Stuntfahrer Christopher Bergham (Daniel Auteuil), genannt Berg, freut sich auf eine gemeinsame Zukunft mit seiner von ihm schwangeren Partnerin und Geliebten Bela (Gabrielle Lazure). Als unerwartet jedoch Belas psychotischer, ihr in inzestuöser Liebe verfallener Bruder Léandro (Philippe Léotard) auftaucht und damit droht, Berg zu töten, wenn sie nicht mit ihm käme, hat das Glück ein jähes Ende. Bela eröffnet Berg unter Tränen und ohne Angabe von Gründen, dass sie ihn verlassen müsse. Den nachfolgenden, gemeinsamen Todessprung vermasselt Berg mit Absicht, doch nur Bela verbrennt in dem verunglückten Wagen. Drei Jahre später arbeitet Berg, der das Geschehene nie verwunden hat, bei der privaten Pariser Sicherheitsfirma „La Veillance“. Deren Mitarbeiter, durchweg gescheiterte Existenzen mit ominöser Vergangenheit, patroullieren nachts durch die Metropole, um Straftaten zu verhindern. Als der rachsüchtige Léandro, den Berg nie persönlich gesehen hat, diesen ausfindig macht, heuert er ebenfalls bei La Veillance an. Eines Nachts versucht Jeff Garcia (Jean-François Balmer), einer von Bergs anderen Kollegen, die junge Bardame Mimi (Véronique Delbourg), auf die auch Berg ein vorsichtiges Auge geworfen hat, zu vergewaltigen. Auf einen Hinweis Léandros hin stellt Berg Jeff, nachdem sich Mimi losreißen konnte, schießt ihm in die Schulter und rast verwirrt davon. Kurz darauf erscheint Léandro, verpasst Jeff einen Kopfschuss und stellt das Ganze so hin, als habe Berg ihn hingerichtet. Unter der Führung des wutschnaubenden Keller (Farid Chopel) jagt das gesamte Team von La Veillance Berg und Sylvia durch die Pariser Nacht.

Ein buchstäblicher Wahnsinnsfilm, wie er in seiner finalen Ausprägung und Gestalt wohl nur in den frühen Achtzigern in Frankreich entstehen konnte. Das völlig freidrehende Script vereint der Reihe nach folgende motivische Blitzlichter: Autostunts, Inzest per Kindesmissbrauch, Totschlag aus enttäuschter Liebe, Rache, organisierte Bürgerwehr, sleazige Modeschauen, homosexueller Frust, Vergewaltigung, schlechte englischsprachige Rocksongs, Amoklauf, Selbstjustiz, Verfolgungsjagden und ganz allgemeinen Irrwitz. Jean-Louis Daniel inszeniert all das deutlich weniger exploitativ als man annehmen möchte, dafür jedoch mit dem unerschütterlichen Selbstverständnis eines Künstlers, der sich just im Begriff wähnt, der Nachwelt etwas ganz Großes zu verehren. Daniel, einem spärlich arbeitenden, jedoch bis heute aktiver Regisseur mit einem recht schillernden Œuvre, merkt man unweigerlich an, dass er sich wenig um freiheitsbeschränkende Erschwernisse wie dramaturgische Schieflagen oder gar inhaltliche Unzulänglichkeiten scherte; was ihn interessiert, sind sein Ensemble und der bloße Sinn für möglichst prominent inszenierte Einsätze von scheinbar bedeutungslosen Details, Momenten, Schauplätzen. Der Ratio gilt es ergo zu entsagen. Dann erlebt man einen noch jungen Auteuil, der seine völlig stoische Mimik zur oberen schauspielerischen Maxime deklariert und vor allem den wunderbaren Philippe Léotard, der mir in letzter Zeit schon häufig begegnet ist mit seinem seltsam verkniffen wirkenden Antlitz. Über den alles andere als klassisch schönen Darsteller ist auf die Schnelle nicht allzu Umfassendes in Erfahrung zu bringen, außer, dass er keine 61 wurde, aus einer politisch aktiven Familie stammte, wechselnde Beziehungen zu Frauen pflegte und wohl zeitlebens mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen hatte, auch dergestalt, dass er Mitte der Neunziger wegen Kokainhandels verurteilt wurde. Ein faszinierender Typ, für den „Les Fauves“ auch ein kleines Denkmal markiert: Als inzestuös veranlagter Provinzpsycho, dem die Großstadt über den Kopf wächst, schwitzt er trotz winterlichen Szenarios so unentwegt stark, dass die Kameralinse zu beschlagen droht, verdreht allenthalben delirant die Augen, hat die dreckigsten Hände der Welt und spielt unvermittelt das ewigselbe Thema auf einer Querflöte (augenscheinlich eine Reminiszenz an Charles Bronson in Leones „C’Era Una Volta Il West“). Ob er wirklich drauf war, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, aber es sieht verdammt danach aus, als habe Daniel ihn einfach machen lassen. Jedenfalls lohnte der komplett durchgeknallte „Les Fauves“ bereits allein seinetwegen. Und noch wegen manch anderem.

7/10

LE CHOC

Zitat entfällt.

Le Choc (Der Schock) ~ F 1982
Directed By: Robin Davis

Der seit Jahren für eine kriminelle Organisation tätige Auftragskiller Martin Terrier (Alain Delon) plant, sich zur Ruhe zu setzen, worüber sich sein Chef Cox (François Perrot) alles andere als erfreut zeigt. Es kommt, wie es kommen muss: Cox akzeptiert Terriers Entschluss nicht, zumal eine weitere brisante Mission ansteht. er lässt ihm nachstellen, wovon sich Terrier jedoch recht unbeeindruckt zeigt. Der zieht es vor, sich erstmal vorübergehend auf eine entlegene Truthahnfarm in der Bretagne zurückzuziehen, die seine Freundin und Geldverwalterin Jeanne (Stéphane Audran) ihm als Anlagemöglichkeit gekauft hat. Vor Ort begegnet er der unglücklich mit dem Farmverwalter Félix (Philippe Léotard) verheirateten Claire (Catherine Deneuve). Man verliebt sich ineinander und plant bereits durchzubrennen, da erscheint ein Trio deutscher Terroristen auf dem Hof, das sich für ein altes Attentat Terriers rächen und an sein erspartes Vermögen will. Es gelingt Terrier und Claire, alle drei zu beseitigen. Auch Félix stirbt. Nunmehr auch auf der Flucht vor der Polizei, wählt Terrier den offenen Kampf gegen Cox und einen weiteren Gegner, der sich bisher nicht offenbart hat…

„Le Choc“, mit dem der nominelle Regisseur Robin Davis dem Vernehmen nach völlig überfordert war, zumal die divenhafte Deneuve ihn nicht akzeptieren mochte und den Delon daher in Teilen selbst inszeniert hat, genießt kein sonderlich positives Renommee, was ihm nach meinem Dafürhalten nicht gerecht wird. Der Film passt sich nahtlos an das übrige, zeitgenössische Œuvre Delons an und ergibt mit „Pour La Peau D’Un Flic“ und „Le Battant“, beide ja ebenfalls zugleich Regiearbeiten des Hauptdarstellers, gewissermaßen eine inoffizielle Trilogie, als deren Nachklapp man noch José Pinheiros 85er-Selbstjustiz-Kracher „Parole De Flic“ werten kann. Alle vier Werke bewegen sich nicht nur auf einem sehr ähnlichen Level was die Gestaltung des Protagonisten und auch die zwischen laxem Humor und roher Gewalt oszillierende Grundstimmung angeht; sie alle umreißen zudem hervorragend den neuen Heldentypus, den Delon in den Achtzigern sozusagen im Alleingang von sich installierte und etablierte. Ob Detektiv, Gangster, Killer oder Ex-Polizist – im Prinzip spielt der französische Star zwischen Mitte 40 und Anfang 50 stets mit denselben Charakteristika. Seine Antihelden sind ebenso lakonische wie coole Profis mit ungebleicht gebleckten Raucherzähnen und etwas glasig wirkendem Blick, die von einer sich überlegen wähnenden Übermacht herausgefordert und hernach von Delon mit rigoroser firepower in Grund und Boden gestampft werden. Alle sind sie zudem fast beiläufige Womanizer, die sich von deutlich jüngeren, immer wieder nackt ins Bild gesetzten Frauen, die gleichfalls problemlos Töchter der Hauptfigur sein könnten, geradezu schmachtend angehimmelt finden. Zumindest diesbezüglich bildet „Le Choc“ allerdings eine kleine Ausnahme: Mit Catherine Deneuve, die als wenig tief konturierte, aber charismatische Claire bald Terriers zuvor eingeführtes Liebchen Mathilde (Catherine Leprince) ablöst, steht ihm ausnahmsweise eine Frau „auf Augenhöhe“ zur Seite. Und (auch das wurde auf diesen Seiten just bereits umrissen): wo Delons zutiefst amoralisch agierende Figuren in den Vorgängerdekaden selbst ein gewaltsames Ende hätte erfahren müssen, dürfen sie nunmehr reüssieren und sich in exotischen Gefilden zur Ruhe setzen. „Le Choc“ bildet ungeachtet oben angeführter Querelen somit ein Kettenglied, das ebensoviel Freude macht wie seine Nachbarfilme, zumindest, wenn man sich an dem freilich völlig überkommenen Zeitgeist, den sie konserviert haben, nicht stößt.

7/10

THE DAY OF THE JACKAL

„What codename will you use?“

The Day Of The Jackal (Der Schakal) ~ UK/F 1973
Directed By: Fred Zinnemann

Im September 1962: Nachdem das Attentat von Petit-Calmart auf den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle gescheitert ist und dessen Mitinitiator Bastien-Thiry (Jean Sorel) zum Tode verurteilt wird, weigern sich die entkommenen, führenden Köpfe der rechtsnationalen OAS, kleinbeizugeben. Sie engagieren einen englischen Profikiller (Edward Fox), der fortan unter dem Codenamen „Schakal“ solitär die gesamte Organisation eines weiteren Anschlages plant. Minutiös und ohne Rücksicht auf zwischenzeitliche Hürden, dabei stets verfolgt von dem als besonders geschickt bekannten Ermittler Claude Lebel (Michael Lonsdale) und einer ganzen Batterie internationaler Unterstützer, bahnt sich der Schakal seinen Weg immer näher zu de Gaulle, bis er, fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem letzten Attentat, seine Mission zu erfüllen trachtet.

Der Killer als Held: Zur Entstehungszeit von „The Day Of The Jackal“, seiner drittletzten Regiearbeit, war der etwa 66-jährige Fred Zinnemann bereits ein recht spärlich arbeitender Filmemacher, der sich nurmehr noch vergleichsweise selten für ein Projekt einspannen ließ. Sieben Jahre zuvor hatte er für die Robert-Bolt-Adaption „A Man For All Seasons“ seinen zweiten Oscar gewonnen und war seither nicht mehr in Erscheinung getreten. Für diese Verfilmung eines Romans von Frederick Forsyth kehrte er auf den Inszenierungsstuhl zurück. „The Day Of The Jackal“ gliedert sich dabei passgenau in den umfangreicher werdenden Korpus zeitgenössischer, vornehmlich europäischer Thriller ein, die aus primär linker Perspektive mal mehr, mal weniger authentische Staatsstreiche, Verschwörungen und Politdystopien verhandelten. Nicht von ungefähr erinnert Zinnemanns hier befleißigter Stil häufig besonders an den von Costa-Gavras. Entgegen früherer, nicht selten von einer starken emotionalen Involvierung des Publikums geprägten Herangehensweisen ging Zinnemann diesmal nämlich höchst konzentriert und diszpliniert, mit fast asketischer Genauigkeit zu Werke. Eine beinahe dokumentarisch anmutende Akribie, eine allen Schmuckes entledigten Bildsprache nutzend und ohne Verwendung von extradiegetischer Filmmusik schildert er die sich über fast ein Jahr hinziehenden Vorbereitungen des Killers, der, trotz einer großen Menge ihn zentrierender Szenen für den Zuschauer ein biographisch und auch weitgehend psychologisch unbeschriebenes Blatt bleibt. Der damals noch unbekannte Edward Fox spielt die Titelrolle in einer ganz eigenen Mixtur aus Charisma, diabolischer Intelligenz und Zielstrebigkeit, die sein unnachgiebiges Vorwärtskommen glaubhaft werden lässt. Mehrfach einkalkulierte und durchgeführte Identitätswechsel zählen ebenso dazu wie die Fähigkeit, jeder noch so brisanten Situation zu entgehen. Dass er so schnell wie emotionslos tötet, wer ihm im Wege ist, lässt den Schluss zu, dass seine Skrupellosigkeit mindestens von soziopathischen Persönlichkeitszügen profitiert. Wer versucht, ihn zu übervorteilen, wie ein genuesischer Ausweisfälscher (Ronald Pickup), stirbt umgehend, zudem lotet der Schakal rigoros die Schwächen von WegeskreuzerInnen aus, um sie sich nutzbar zu machen. Eine nur oberflächlich kühle, ausgehungerte Strohwitwe (Delphine Seyrig), deren Landvilla der Killer als Unterschlupf ausersieht, muss daraufhin ebenso das Zeitliche segnen wie ein Homosexueller (Anton Rodgers), in dessen Pariser Wohnung er sich zwischenzeitlich versteckt hält. Sein Engagement wird ihm dabei irgendwann zur Privatsache, augenscheinlich sogar unabhängig von der Bezahlung seiner zweiten Auslobungshälfte: Zwischenzeitlich immer wieder eingekreist oder identifiziert, verzichtet der Schakal auf jede sich ihm bietende Option zur Flucht und behält die Erfüllung der Mission stoisch im Blick, was ihn letzten Endes das Leben kosten wird. Hernach wird er anonym in einem schmucklosen Grab beigesetzt, seinen erfolgreichen Widersacher Lebel als einzigen Beerdigungsgast.
Dabei liegt Zinnemanns paradoxestes Verdienst vielleicht darin, den villain, der so viel mehr sinistren Sex vorschützt als der schlaffe Lonsdale, zum dramaturgischen Helden zu deklarieren – vielleicht wünscht man dem Schakal nicht eben, dass es ihm gelingt, de Gaulle zu erschießen, dennoch tut es einem irgendwie leid um ihn, der sich doch über fast zweieinhalb Erzählstunden diese immense Mühe gemacht hat.

9/10

LE BATTANT

Zitat entfällt.

Le Battant (Der Kämpfer) ~ F 1983
Directed By: Alain Delon

Jacques Darnay (Alain Delon) kommt nach acht Jahren Haft vorzeitig aus dem Knast. Er saß wegen eines Überfälls auf den Diamantenhändler Chabry, der bei dem Bruch erschossen wurde. Auch der Tote ging zu Lasten Darnays, obwohl er diesen gar nicht wirklich auf dem Gewissen hat. Die Diamanten im Wert von sechs Millionen Francs sind seither verschwunden, im Gegensatz zur Gier früherer Verbündeter und neuer Widersacher, die sich die Steine unter den Nagel reißen wollen und zu diesem Zweck alles andere als zimperlich vorgehen. Nachdem bereits Darnays alter Freund Mignot (Michel Beaune) und seine Geliebte Clarisse (Marie-Christine Descouard) ermordet wurden, steht Darnay zusehends mit dem Rücken zur Wand. Doch der Kämpfer gibt nicht auf. Mithilfe seiner neuen Gespielin Nathalie (Anne Parillaud), die dem ruchlosen Kredithai Ruggieri (François Périer) entlaufen ist, eröffnet Darnay das Gegenfeuer.

Delons letzte von drei Regiearbeiten binnen drei Jahren (bei der mittleren davon, „Le Choc“, allerdings unkreditiert) widmet der Star zum Abspann „seinem Meister“ René Clement und bestätigt damit schlussendlich nochmals ausdrücklich die für „Le Battant“ gewählte Ausrichtung. Sein zeigefreudiges Liebchen Anne Parillaud aus „Pour La Peau D’Un Flic“ in einer ähnlich fragwürdigen Rolle mitführend, braucht auch Delon selbst keine großen charakterlichen Volten zu vollziehen, um aus dem Detektiv einen Gangster zu machen. Wie Choucas ist Darnay einer, der grundsätzlich reine Platte macht und, dem Titel gemäß, rigoros alles und jeden aus dem Weg räumt, der ihm ans Bein zu pinkeln versucht. Ohne konkret durchzublicken schafft Darnay es stets, souverän zu bleiben und aus jeder noch so unvorhersehbaren Situation als Gewinner hervorzugehen. Am Ende könnte er ohne weitere Komplikationen verschwinden, will entgegen der warnenden Worte Nathalies jedoch nicht auf seine finale, persönliche Rache verzichten. Eine solch unsinnige Aktion gehe im Kino stets ungut für den Helden aus meint Nathalie, doch Darnay belehrt sie eines Besseren: Dies sei bloß der (moralisch unabdingbaren) Zensur des Filmgeschäfts geschuldet. Und Delon wird Recht behalten, er selbst entlässt sich nach getaner Arbeit mit seiner jungen Schönen und den Klunkern nach Südamerika, ganz zum verschmitzten Vergnügen seines Publikums, das seinen Heros, anders als noch bei Melville etwa, nicht mehr zu betrauern hat. Flott.

7/10

POUR LA PEAU D’UN FLIC

Zitat entfällt.

Pour La Peau D’Un Flic (Rette deine Haut, Killer) ~ F 1981
Directed By: Alain Delon

Der Pariser Ex-Flic und jetzige Privatschnüffler Choucas (Alain Delon) erhält von der aufgebrachten Madame Piogot (Annick Alane) den Auftrag, ihre verschwundene Tochter, die blinde Marthe (Arielle Sémenoff), ausfindig zu machen. Nicht genug damit, dass sich fast parallel dazu der Polizist Coccioli (Daniel Ceccaldi) einschaltet und Choucas versichert, die Behörden hätten in der Sache bereits alles Menschenmögliche in die Wege geleitet, wird Madame Pigot kurz darauf bei einem geplanten Treffen mit Choucas in aller Öffentlichkeit erschossen. Choucas bemerkt bald, dass er es mit äußerst gefährlichen Gegnern zu tun hat, die ihm ans Leder wollen und zu diesem Zwecke unter anderem seine charmante Sekretärin Charlotte (Anne Parillaud) kidnappen. Doch Choucas kennt selbst keinerlei Skrupel, wenn es darum geht, sich zur Wehr zu setzen…

In seinem ersten (von insgesamt zweieinhalb) Regieversuchen kultiviert Delon parallel zu den kommerziell orientierten Filmen seines Kollegen Belmondo jener Ära seine Leinwand-Persona für die achtziger Jahre. Von der schweigsamen coolness früherer Genrefilmrollen, eventueller Angreifbarkeit oder den seine Figuren manchmal umgebenden Mysterien bleibt in „Pour La Peau D’Un Flic“ nicht mehr viel. Delons p.i. Choucas ist ein mit allen Wassern gewaschener Tausendsassa. Mit Mitte 40 bereits leicht angegraut, auf alle Autoritäten spuckend, frech wie Rotz, sexistisch, selbsträsonistisch und ohne Umschweife zur 45er greifend, verteilt er ebenso reichhaltig Blei wie er selbst kassiert. Die noch nichtmal halb so alte Sekretärin (eine zeigefreudige Anne Parillaud als unsterblicher Fan amerikanischer Filmklassiker) ist ihm natürlich längst verfallen – umso flotter hat sie diesen Ausbund an Maskulinität in den Federn und lässt sich vom eigenen Mann, offenbar ein Penner vor dem Herrn, scheiden. Eine Vergewaltigung steckt sie spurlos und mit einem lockeren Spruch weg; das Mädel ist nicht minder taff als ihr Boss. Mit Choucas‘ älterem Partner Haymann (Michael Auclair), ebenfalls Kriminaler a.d., als dritten im Bunde ergibt das ein schlagkräftiges, lustiges Trio mit einer Menge Blei im Anschlag. Es wirkt schon ein wenig kaltschnäuzig, wie Delon als psychologisch praktisch völlig unnuancierter Choucas seine Gegner von der Platte putzt, aber so war das damals eben noch. Spaß macht der mit eingermaßen zurückhaltender Brandt-Synchro versetzte, verwickelt erzählte „Pour La Peau D’Un Flic“ jedenfalls in großem Stil und auch wenn einige stilistische Fingerübungen Delons hier und da Fragezeichen hinterlassen, ist das Ganze doch schon eine veritable Hausnummer, zumal als Abbild seiner Zeit.

7/10

POLICE

Zitat entfällt.

Police (Der Bulle von Paris) ~ F 1985
Directed By: Maurice Pialat

Während er gegen einen aus tunesischen Migranten bestehenden Dealerring ermittelt, lernt der Pariser Polizist Mangin (Gérard Depardieu) Noria (Sophie Marceau), die Freundin eines der Verdächtigen, des in U.-Haft wandernden Simon Sinan (Jonathan Leïna) kennen. Die junge, opportunistische Frau spielt ihr ganz eigenes Spiel und knüpft Kontakte und Liebesbeziehungen, wie sie ihr gerade zupass kommen, sei es zu Simons windigem Anwalt Lambert (Richard Anconina) oder eben zu Mangin, dem es auf Biegen und Brechen nicht gelingen mag, eine neue Frau fürs Leben zu finden. Als Noria dem Gangsterclan eine Tasche prallgefüllt mit Bargeld und Kokain stiehlt, begibt sie sich in tödliche Gefahr.

Das Script zu „Police“ stammt in Kooperationsarbeit von der Ausnahmefilmerin Catherine Breillat und gibt sich so offensiv sperrig und unzugänglich, wie man es von ihren eigenen Regiearbeiten gewohnt ist. Garantiert keine der zentralen Hauptfiguren dient sich zur Publikumsidentifikation an – Mangin, den wir die meiste Erzählzeit durch das verworrene Beziehungsdickicht begleiten, wirkt etwa wie der reinkarnierte Protagonistenarchetyp aller hardboiled-Polizeigeschichten der Welt. Ein Zyniker durch und durch, bullig und eigenbrötlerisch, bisweilen zu spontaner Gewalt neigend, nach Liebe und Zärtlichkeit gierend und doch unfähig, selbige zurückzugeben. Auch er lässt sich, wohl gezwungenermaßen, durch die Stadt treiben wie eines ihrer übrigen millionen von Zahnrädchen, weiß als beständiger Kämpfer gegen Windmühlen, dass selbst seine Position als sogenannter Gesetzeshüter kein Fünkchen von Besserung gewährleistet und wird, vielleicht aus einer irrationalen Bequemlichkeit heraus, ewig so weitermachen wie bisher. Insofern unterscheidet sich die wesentlich jüngere Noria [allein innerhalb des Filmgeschehens die dritte Frau, mit der er versucht, Beziehungsbande zu knüpfen nach der Hure Lydie (Sandrine Bonnaire) und der Nachwuchskommissarin Marie (Pascale Rocard)], was ihre bereits vorgealterte Lebensweisheit und ihre amoralische Abgeklärtheit anbelangt, am Ende überraschend wenig von Mangin – auch sie nimmt die Abzweigungen, die ihr jeder neue Tag bietet, mit der steten Contenance der Vertrauensverweigerung. So mäandern die beiden durch einen im Prinzip völlig beliebigen Kriminalplot, eine urbane Allerweltsgeschichte, in der es nichtmal Tote gibt, wenngleich zumindest entsprechende Versuche stattfinden. Doch selbst die stets an der Grenze zur Parodie entlangschrammenden Tunesier wirken mit ihrem überkommenen muslimischen Ethos als relativ unbeholfene, beinahe inkompetente Kriminelle, die erst lernen müssen, mit dem befremdlich-entmoralisierten Habitus der nordwestlichen Großstädter klarzukommen. Eine scheinbar unerhebliche Nebenepisode verdeutlicht, wie beiläufig und realitätsverwurzelt „Police“ im Kern eigentlich ist: Ein junger Schläger, dem Mangin während eines Verhörs kurzerhand die Nase bricht, taucht gegen Ende des Films wieder auf und lädt ihn zu einem Schnaps ein. Man erwartet bereits, dass jetzt etwas Tragisches passieren muss, eine späte Rache vielleicht, ein Heckenschuss aus der Nacht, – doch: nichts. „Police“ endet so, wie er begonnen hat: mittendrin.

8/10

TCHAO PANTIN

Zitat entfällt.

Tchao Pantin (Am Rande der Nacht) ~ F 1983
Directed By: Claude Berri

Lambert (Coluche) beackert die Nachtschicht an einer kleinen Total-Tankstelle in Paris. Seine einsamen Stunden verbringt er mit Saufen und Spiegeleierbraten. Eines Nachts lernt er den jungen Youssef Bensoussan (Richard Anconina) kennen, der in der Nachbarschaft wohnt und in Bars Rauschgift für den arabischen Pusher Rachid (Mahmoud Zemmouri) vertickt. Lambert und Youssef freunden sich an, derweil der Junge versucht, bei der Punkergöre Lola (Agnès Soral) zu landen. Als Youssefs geheimes Drogendepot geplündert wird und er mit einer hohen Summe bei Rachid in der Kreide steht, nimmt sich dessen Gorilla Mahmoud (Mohamed Ben Smaïl) den Jungen vor, der daraufhin in Lamberts Armen stirbt. Dieser begibt sich auf einen privaten Rachefeldzug, derweil Lola ihm nicht mehr von der Seite weichen mag.

Selten war Paris im Film schmutziger, verwaschener und hoffnungsloser als in Berris zugleich doch so romantischem neo noir. Kaum ein Sonnenstrahl scheint jemals den verregneten, grauen Putz der maroden Häuserfronten zu passieren, die urbane Welt von Belleville wirkt wie ein Präludium zur Apokalypse. Inmitten dieses desolaten Betondschungels führt uns Berri ganz allmählich und bedachtsam an seine drei nicht minder prekären Helden heran, allesamt entwurzelte outcasts, die dem Tod näher als dem Leben stehen. Erst im späteren Verlauf der Geschichte offenbaren sich die Gründe für Lamberts väterliche Sympathie für Youssef: Einst Inspecteur bei der Polizei hatte er seinen eigenen Sohn an das Heroin verloren, danach den Dienst quittiert und wurde von der Frau verlassen. Seither treibt er als einsames, stilles Nachtphantom zwischen Tankstelle, Kneipe und Wohnung. In Youssef, der eigentlich doch vieles repräsentiert, was Lamberts reaktionärem Bild junger Großstädter seine Antipathie verleiht (er verdient seine paar Kröten als krimineller Tagelöhner und Kleinstdealer, raucht selbst Joints und ist zu allem Überfluss arabischer Herkunft), schließt er den Jungen als Ersatzsohn ins Herz, nur um ihn gleich darauf wieder zu verlieren. Nach dieser abermaligen Existenzzäsur wird Lambert nicht abermals resignieren, sondern ganz auf eigene Faust zur Waffe greifen und schließt dabei gleich noch mit seinem eigenen Leben ab, weiß er doch aus hinlänglicher Erfahrung, dass irgendwo weiter oben in der Gangsterhierarchie jemand sein Spiel nicht mitspielen wird. Die Polizei, repräsentiert durch den lethargischen Flic Bauer (Philippe Léotard), lässt Lamberts Selbstjustiz nicht nur heimlich gewähren, sondern gibt ihm noch einen entscheidenden Tipp und die deutlich jüngere Lola ihrerseits verliebt sich in den traurigen, unattraktiv scheinenden Hampelmann (dt. für „pantin“) Lambert und schenkt ihm ein paar erfüllte letzte Stunden, bevor die entfesselte Gewaltspirale auch ihn mit sich reißt.
Berri ist mit „Tchao Pantin“ ein wunderschöner Genrefilm am Bruch zu den gentrifizierten, chiquen, von Aerobic und Yuppies bevölkerten (vielleicht auch ein wenig entseelten) Folgeachtzigern gelungen, einfach und konzentriert in seiner Charakterzeichnung und doch so mitreißend und packend. Die Page-Adaption sieht sich zudem als Polar in der Tradition der Vorgängerdekade, bar jedweden Humors und konsequent fatalistisch, derweil Belmondo die Gattung immer weiter zur großpublikumsaffizierenden Stuntshow umformte. Sensationell natürlich insbesondere das viel zu früh verstorbene, menschliche Gesamtkunstwerk Coluche, der sich mit dieser ausnahmsweise (dafür aber richtig) ernsten Performance noch drei Jahre vor seinem Tod ein besonders formidables schauspielerisches Monument zu setzen vermochte.

9/10

37°2 LE MATIN

Zitat entfällt.

37°2 Le Matin (Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen) ~ F 1986
Directed By: Jean-Jacques Beineix

Die wilde Liebesgeschichte von Zorg (Jean-Hugues Anglade) und der wesentlich jüngeren Betty (Béatrice Dalle), die am sommerlich-heißen Mittelmeerstrand von Gruissan beginnt, Zwischenstation in Paris macht und in Marvejols tragisch endet.

Film und Buch (Philippe Dijan) beeinflussten ihren rasanten Aufstieg inmitten der achtziger Jahre reziprok; der Roman, in dem ein großer Teil der jugendlichen, mitteleuropäischen Leserschaft sich und ihr Lebensgefühl wiederzuerkennen glaubte, stand kaum abgekühlt in den Regalen, als Beineix bereits die Adaption vorlegte. Diese fand sich von der produzierenden Gaumont zum Start hin um ein gutes Drittel gekürzt, konnte, im Gegensatz zu Beineix‘ ein ähnliche Schicksal durchleidendem Zweitwerk und Vorgängerfilm „La Lune Dans La Caniveau“, jedoch später noch gerettet und wieder in seine gut dreistündige Integralfassung gebracht werden.
„37°2 Le Matin“ erzählt also die fatal(istisch)e Liebesgeschichte eines Bohémien-Pärchens, die schließlich unter der unaufgeschlüsselten Persönlichkeitsstörung der exaltierten Betty zerbrechen wird. „Die Welt ist zu klein für sie“, sagt Zorg einmal, um sich und seinem Kumpel Eddy (Gérard Damon) Bettys bizarre Ausraster transparent zu machen, und dies gilt vor allem auch im Umkehrschluss. Dabei gibt es soviel, was die beiden zusammenschweißt – sie haben erfüllenden, exzessiven Sex, lieben beide das planlose Leben in den Tag hinein, treffen oftmals irrational anmutende Entscheidungen und begeistern sich für dieselben Menschen und WegbegleiterInnen. Während Zorg jedoch seine negativeren Lebenserfahrungen im Schreiben und zynischen Gelegenheitsphilosophieren zu kanalisieren pflegt, fehlt der Kindfrau Betty eine etsprechende Gabe. Emotional herausfordernden Situation begegnet sie mit offener Gegenwehr, vor deren explosiver Veräußerung das jeweilige Gegenüber dann nurmehr kapitulieren kann. Diese Situationen sorgen für Konflikte und Konfrontationen mit dem Gesetz, die der besonnene Zorg dann zumindest zunächst jeweils auf mehr oder minder diplomatische Weise auflösen kann. Dabei gerät er im Laufe der Zeit auch selbst auf paradoxe Abwege – einmal überfällt er, als Frau verkleidet, eine Spedition und kauft Betty von der Beute ein Stückchen Land im Gévaudan. Als Betty jedoch die zerstörerische Erfahrung einer Scheinschwangerschaft machen muss, nimmt ihre latente Selbstverachtung irreparable Formen an – sie schneidet sich in Zorgs Abwesenheit selbst ein Auge heraus und landet, fixiert, sediert und katatonisch in der Psychiatrie. Für Zorg, der just endlich einen Verleger für sein Manuskript gefunden hat, ist damit klar, dass Bettys Feuer ein für allemal erloschen sein wird; die vitale, libertine Frau ist unwiederbringlich verloren. In einem Gnadenakt der Sterbehilfe verkleidet er sich abermals als sein feminines alter ego und erstickt Betty, genau wie einst der Indianer Bromden den lobotomisierten R.P. McMurphy, mit einem Kissen. Nunmehr wieder allein, verleiht ihm erst die Last der Einsamkeit die Flügel zum Schreiben zurück.
Inhaltliche Substanzlosigkeit wurde dem ausgesprochenen Sommerfilm „37°2 Le Matin“ angelastet, der sich darüberhinaus als typischer Vertreter des Cinéma du look auf bloße Oberflächenreize verlasse und kaum mehr denn eine Projektionsfläche für die bonbonfarbenen Impressionen seines Regisseurs sei. Dieser Vorwurf greift bei genauerem Hinsehen und insbesondere in Anbetracht des director’s cut natürlich überhaupt nicht (mehr). Der Film erzählt aufrichtig, leidenschaftlich und eng an seinen Hauptfiguren entlang die Episoden einer befristet erfüllten Partnerschaft, gesäumt von Lust, Leben und Lachen, bis hin zu ihrem Ende. Dessen recht spektakulärer Verlauf darf als Auswuchs literarischer Fabulierkunst gelten und macht erst all das zuvor Entblätterte umso nachvollziehbarer. Ist man bereit, Zorgs Perspektive einzunehmen und sich mit ihm durch sein von unvorhersehbaren Meilensteinen durchzogenes Künstlerleben treiben zu lassen, wird man sich – vielleicht ein wenig, vielleicht ein bisschen mehr – auch in die kaum einem modellhaften Schönheitsideal gerecht werdende, aber in all ihrer berserkerhaften Unschuld doch hocherotische Betty verlieben und Zorg um jede Minuten mit ihr, zumindest um jede glückliche, und derer waren die meisten, beneiden.

8/10

SUBWAY

Zitat entfällt.

Subway ~ F 1985
Directed By: Luc Besson

Der Gangster Fred (Christopher Lambert) erleichtert den reichen, anscheinend nicht ganz lupenreinen Untermehmer Raymond Kerman (Constantin Alexandrov) um einige wertvolle Dokumente – und verliebt sich dabei in Kermans Frau Héléna (Isabelle Adjani), die daher stellvertretend für Kerman die Rückgabeverhandlungen führen muss. Fred flüchtet sich in die Katakomben der Pariser Métro – ein unentwirrbares Labyrinth voller Verstecke und Nischen, das zudem eine buchstäbliche Sub-Kultur aus Obdachlosen, Kleinkriminellen, Punks und anderen gesellschaftlichen Außenseitern beherbergt. Kermans Gorillas und die U-Bahn-Polizei unter Commissaire Gesberg (Michel Galabru) auf den Fersen, begegnet Fred Héléna, die langsam selbst Gefühle für den Ganoven entwickelt, immer wieder und organisiert parallel dazu ein Guerilla-Konzert, bei dem seine neugewonnen Musikerfreunde aufspielen. Doch Freds und Hélénas amour fou ist kein glückliches Ende beschieden…

Als Musterexempel des vor knapp vierzig Jahren reüssierenden Cinéma du look mag „Subway“ gelten, eine ebenso komische wie märchenhafte Auseinandersetzung mit Genre, zeitgemäßem Chic und dem damaligen Gegenwartsstatus des französischen Kinos ganz allgemein. Mit dem vielbeschäftigten Christopher Lambert, der just ohnehin im Begriff war, zum internationalen Filmstar aufzusteigen („Subway“ entstand genau inmitten zweier persönlicher Lieblingsfilme, nämlich Hugh Hudsons Tarzan-Adaption „Greystoke“ und Russell Mulcahys „Highlander“) und Isabelle Adjani, deren Rolle der Héléna (nicht von ungefähr nach der griechischen Mythengestalt benannt) als motivatorische Stichwortgeberin und hilflose Heldenunterstützerin an die in Walter Hills ebenfalls als Versuchsanordnung angelegtem „Driver“ erinnert. „Subway“ nun kann auf rein emotionaler Ebene kaum fesseln; ganz bewusst arrangiert er sich als Kaleidoskop der Oberflächenreize und verharrt ganz auf diversen Metaebenen, die ihn zum rein audiovisuell interessanten, leider jedoch auch steril anmutenden Artefakt seiner Ära gerinnen lassen. Interessant sein mag er noch als Schlüsselwerk seines Regisseurs, dessen diverse thematische und stilistische Obsessionen sich in besonders eklatanter Weise identifizieren lassen – eine eigens eröffnete Parallelwelt als Ausschnitt der übrigen Realität, die als reine Visualisierung der Protagonistencharaktere firmiert, findet man darin ebenso, wie eine zum Scheitern verurteilte Liebe nebst tragischem Ende einer Hauptfigur sowie eine exzessiv stilisierte Bildsprache. Éric Serras obligatorische Musik, die um zwei hübsche Popsongs („It’s Only Mystery“ / „Guns & People“) herum arrangiert wurde, empfinde ich hierin allerdings noch deutlich angenehmer als eine späteren Topfschlagereien in den Neunzigern. Insgesamt schön, aber zugleich nicht ganz unanstrengend.

7/10