MALICE

„You want something done right, you call a teacher.“

Malice ~ USA 1993
Directed By: Harold Becker

Grundschullehrerin Tracy (Nicole Kidman) und ihr Gatte, College-Dozent Andy Safian (Bill Pullman), versuchen, sich, wenngleich nicht sonderlich wohlhabend, als junges Ehepaar gemeinsam eine solide Existenz in einem kleinen Städtchen Massachusetts aufzubauen. Einzig ihr Kinderwunsch mochte sich bislang noch nicht erfüllen. Zudem trübt sich das junge Glück dergestalt, dass ein verrückter Serientäter junge Studentinnen angreift und teilweise ermordet. Als jedoch ein früherer Highschool-Mitschüler von Andy, der mittlerweile als höchst renommiert geltende Chirurg und Filou Jed Hill (Alec Baldwin), sich in ihrem Haus als Untermieter einnistet, beginnt das eigentliche Unglück. Tracy, die seit längerem unter starken Unterleibsschmerzen leidet, muss eines Nachts von Hill notoperiert werden. Der Eingriff resultiert in einer unfreiwilligen Sterilisation Tracys, die daraufhin das Krankenhaus erfolgreich auf hohen Schadenersatz verklagt und Andy gekränkt verlässt. Doch dieser gibt sich mit dem frustrierenden Ausgang der Dinge nicht zufrieden, zumal er feststellt, dass sich einiges an der ganzen Angelegenheit als höchst nebulös entpuppt. Er sucht Tracys früheren Frauenarzt auf und erlebt eine herbe Überraschung…

„Malice“ ist eine schicke, oberflächenglänzende Noir-Variation, wie es sie in der ersten Hälfte der Neunziger zu Dutzenden gibt – ein aus ausschließlich hochbefähigten professionals bestehendes Team hinter und vor der Kamera garantiert für Krimi-Kurzweil ohne jedwede Nachhaltigkeit. Der nach Rob Reiners lehrbuchmäßig gescriptetem „A Few Good Men“ just reüssierende Aaron Sorkin verfasste hierfür sein zweites Drehbuch, Regisseur Harold Becker hatte seine Qualitäten unter anderem durch drei hervorragende Polizeifilme, zwei davon nach Joseph Wambaugh, unter Beweis stellen können. Der Score mit einigem Wiedererkennungswert geht auf das Kerbholz eines wie zumeist brillanten Jerry Goldsmith und Gordon Willis, ein Schlüssel-dp New Hollywoods, photographierte das Ganze. Ein Trio aufstrebender, gut aussehender Jungstars, darunter Nicole Kidman auf dem peak ihrer sexyness, dürfte derweil ein größeres Publikum attrahiert haben, derweil ihr Support aus einer Mischung von Altstars (Anne Bancroft, George C. Scott) in Kleinstrollen sowie frischen Gesichtern mit Zukunftspotenzial (Gwyneth Paltrow, Tobin Bell) bestand. Dass ein solch gerüttelt Maß an Hollywood-Power einen dennoch bestenfalls mediokren Film zuwege brachte, dürfte unter anderem ein Indiz für die Irrwege jener oftmals lust- und motivationslos werkelnden Studioära sein, die – oftmals verzweifelt – versuchte, mit Serienkiller- und/oder Erotikthrillern eine sich rasch totlaufende Genrenische zu bedienen. „Malice“ lebt zuvorderst von seinem selbstberauscht-„genialen“ Twist, der Jed und Tracy als couple fatal offenbart, dass einen siebenstelligen Millionenbetrag absahnen und damit durchbrennen will, derweil der brave, moralisch intakte Uni-Professor mit ausgebeulten Cordhosen und herausgerissenem Herzen in die Röhre gucken soll.
Eine Storyklitsche, die, mit Ausnahme ihrer perfiden Durchführung vielleicht, wahrhaftig kein kriminalistisches Neuland aufzubieten weiß. Damit nicht genug baut Sorkin zur Streckung der Spielzeit einen überkandidelten Subplot um besagten Mörder ein, als welcher sich Campus-Hausmeister Tobin Bell mit mehreren lockeren Schrauben entpuppt. Jener wird natürlich um die Mitte des Plots von Andy entlarvt und gestellt, derweil die ganze Sache im Prinzip bloß die eine Funktion hat, eine bedeutsame Spermaprobe hervorzuzaubern. Bei aller Konstruktionsfreude lässt Sorkin es auf der anderen Seite immer wieder an Schlüssigkeit und Logik vermissen, was schlussendlich für ein geradezu ärgerlich anmutendes Missverhältnis der Dinge sorgt.

5/10

PALM SPRINGS

„Its one of those infinite time loop situations you might have heard about.“

Palm Springs ~ USA/HK 2020
Directed By: Max Barbakow

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit ist Nyles (Andy Samberg) in einer Zeitschleife gefangenen, die dazu führt, dass er den 9. November bewusst immer wieder und wieder erleben muss. Dabei handelt es sich gleichfalls um den Hochzeitstag von Tala (Camila Mendes), der besten Freundin seiner enervierenden Partnerin Misty (Meredith Hagner), der in einem kleinen Hotel im sonnendurchfluteten Palm Springs stattfindet. Die Erklärung für die quantenphysische Extravaganz: In einem nahegelegenen Felsengebirge gibt es eine Höhle nebst mysteriösem Energiefeld, das jede Person, die sich ihm nähert, zu ebenjener Endlosrepetierung der immerselben letzten 24 Stunden verdammt. Nachdem Nyles bereits vor längerem während eines ausgiebigen, gemeinsamen Drogentrips den aus Irvine stammenden Hochzeitsgast Roy (J.K. Simmons) mit zur Höhle und somit in die Zeitschleife genommen hat, landet auch die Brautschwester Sarah (Cristin Milioti) eines Nachts versehentlich darin. Während für Nyles, der insgeheim schon seit längerem in Sarah verliebt ist, die unverhofft eingeweihte Begleitung eine willkommene Abwechslung vom alltäglichen Einerlei darstellt, mag sich seine neue Gespielin nie ganz mit der ausweglosen Situation abfinden. Zwar verliebt sich auch Sarah irgendwann in Nyles, doch gewisse Gründe veranlassen sie trotz ihrer Gefühle dazu, nach einer wissenschaftlich probaten Lösung für ihr Problem zu suchen…

Der Zeitschleifen-Topos stellt bereits länger, als man gemeinhin vermuten möchte, ein festes SciFi-Subgenre dar, dessen literarische und filmische Umsetzungen in der Regel noch eine zusätzliche, untergeordnete Erzählgattung bedienen, seien es die (romantische) Komödie, Thriller- und/oder Action-Storys. Weltberühmt wurde das Sujet natürlich endgültig durch Harold Ramis‘ unsterblichen Klassiker „Groundhog Day“, in dem es für Bill Murray als Hauptfigur Phil Connors gilt, über den Schatten seines unermüdlichen, lakonischen Zynismus‘ zu springen und jenen einen, ausnahmslos idealen Tag zu verbringen, um sich ins reale Morgen retten zu können. Derlei moralinsaure Metaphysik spielt in Max Barbakows „Palm Springs“ ebensowenig eine (allzu eminente) Rolle wie wahlweise die Aufklärung eines Kriminalfalles oder irgendwelche Mindfuck-Volten, wie sie andere Exempel vor ihm längst mit diesbezüglich deutlich intensiverem Interesse durchgespielt haben. „Palm Springs“, der mir mit etwas Sichtungsabstand etwas wie eine westgewandte, weniger kantige und weichere, philanthropischere Behauung der letzten beiden Korine-Filme vorkommt, könnte man vielmehr als postmodernistische time loop romcom bezeichnen: er wähnt seine mündige Zuschauerschaft als in bester Kenntnis befindlich um die zahllosen Möglichkeiten und Fallstricke, die das Erlebnis des sich permanent wiederholenden Tages beinhaltet und gibt sich erst gar keine Mühe damit, das, was Bill Murray einst noch als existenzielle Besonderheiten erlebte, auch nur im Mindesten sensationalistisch wieder aufzurollen. Dass jede noch so vermeintlich grenzwertige Aktion keinerlei nachhaltigen Effekt aufweist, da der nächste Morgen (im vorliegenden Fall) pünktlich um 9.01 a.m. wieder „auf Null“ schaltet, haben auch Nyles und der ihn völlig zu Recht als seine ultimative Nemesis wähnende Roy bereits zu Beginn des Films längst internalisiert.
Das Publikum derweil wird an die Seite der mit ihm frisch in der pikanten Situation befindlichen Sarah gestellt, einer sympathischen, aber etwas lose vor sich hin lebenden Mittdreißigerin, die, ebenso, wie der sich seiner besonderen Lage längst ergebende Nyles, bis dato noch nicht die wahre existenzielle Erfüllung gefunden hat. Am Ende rettet sie beide schließlich der unbedingte Wille zur Konsequenz und dazu, sich der persönlichen Zukunft emotional wohlgerüstet zu stellen, freilich mit Sarah als initiierendem Faktor. Zuvor gibt es allerlei Gelegenheiten sowohl zum aufrichtigen Verlieben als auch zu mal mehr, mal weniger schwarzem Humor mit – auch das freilich ein beliebtes traditionelles Element – multipler Todesfolge; mal mehr, mal weniger einkalkuliert. Besonders liebenswert daran sind die überaus schöne Paarung Samberg – Milioti, dazu passend einige typisch SNL-lastige Bonmots und eine exzellente Songauswahl. Könnte mit mehrfacher Betrachtung noch wachsen.

8/10

BOB ROBERTS

„The times they are a-changin‘ back.“

Bob Roberts ~ USA 1992
Directed By: Tim Robbins

1990 startet Bob Roberts (Tim Robbins) seinen Wahlkampf für die Republikaner um den Senatorenposten von Pennsylvania, wobei ihn ein Dokumentarist (Brian Murray) mit der Kamera begleitet. Aus mittleren Verhältnissen stammend, parallelisiert Roberts seine politische Karriere mit der als Country- und Folksänger, was ihm gesteigerte Sympathien bei den potenziellen Wählern einbringt und deutlich attraktiver dastehen lässt als seinen liberalen Gegenkandidaten Brickley Paiste (Gore Vidal). Dabei ist Roberts‘ politische Agenda so klar wie einfach strukturiert: Er wettert gegen parasitäres Schmarotzertum und Drogenmissbrauch, plädiert dafür, das Staatsbudget statt ihn Sozialprogramme lieber in den Ausbau des Militärs zu investieren, lobpreist US-Interventionen in Übersee wie gerade jetzt am Golf und bekundet seine uneingeschränkte Liebe zu konservativen Werten wie Gott, Kirche und Familie. Doch immer wieder kreuzt ein unangenehmer Störenfried auf, ein Journalist namens Bugs Raplin (Giancarlo Esposito), der Roberts und seinem Mentor Lukas Hart (Alan Rickman) Veruntreuung von Spendenfonds und die Verwicklung in Kokaingeschäfte mit Lateinamerika nachweisen will. Schließlich inszeniert Roberts ein Attentat auf seine Person, das ihn vermeintlich in den Rollstuhl zwingt und zum Märtyrer befördert. Raplin wird von einem Fanatiker erschossen und Roberts gewinnt die Wahl zum Senator, was ihm womöglich auch den Weg ins Weiße Haus ebnet.

Trotz seiner bereits 23 Jahre zurückliegenden Entstehung gerade jetzt der Film zur Zeit, erschreckend aktuell und im Grunde bildendes Pflichtprogramm nicht nur für jeden US-, sondern auch für jeden deutschen Bürger im wahlberechtigten Alter. In einer Ära wie unserer, die brandgefährlichen Demagogen, Populisten und Rechtsradikalen wie Lutz Bachmann oder Björn Höcke nachgerade unsägliche Exponierungsmöglichkeiten bietet, sollte entlarvende Satire wie diese in inflationärem Maße durch die Massenmedien schwappen. Bob Roberts, das ist der personifizierte Politalbtraum, aufgebaut, heroisiert und gestützt von einem vielleicht sogar noch diabolischer strukturierten Stab im Rücken. Als Militarist, Kapitalist, Christ und Beschwörer darwinistischer Allerweltsformeln wird Roberts zum geschickten Bauernfänger. Er plagiiert gnadenlos offensichtlich Folklegenden wie Bob Dylan und verkehrt deren Verdienste für Freiheit und Aufklärung ins Gegenteil, indem er sie einfach für seine Zwecke diametralisiert und missbraucht. Die 68er, die Bürgerrechtsbewegung, Studentenproteste, Feministen, Friedensmärsche, das alles, so Roberts, sei ein bedauernswerter „schwarzer Fleck“ in der Geschichte Amerikas. Er intrigiert hemmungslos, lügt, verschleiert seine eigenen, kriminellen Umtriebe und sät stattdessen Zweifel und Hass. Slums und Penner, das sei nicht seine Zielgruppe, sondern die, die den amerikanischen Traum ganz unverzagt als Mittel zur privaten Bereicherung begriffen. Seine Anhänger findet Roberts ebenda, in der ungebildeten, leicht beeinflussbaren Kaste mittelständischer Halbidioten und Xenophobiker, die ihm stramm auf dem Fuße folgen und sich sogar bereitwillig als Erfüllungsgehilfen funktionalisieren lassen. Das traurige Echo der Geschichte scheint nicht nur einmal hörbar. Dass Männer wie Bob Roberts nebst ihrer durchaus berechenbaren Erfolgsgeschichten kein Hirngespinst sind, sollte spätestens seit dem vorvergangenen Jahrhundert kein Geheimnis mehr sein. So ist „Bob Roberts“ beinahe weniger Politgroteske denn realistische Horrorvision, eine Art „The Dead Zone“, nur ohne das erlösende Attentat.
„Vote!“ hinterlässt der Abspann dieses meisterhaften Films als finalen, unzweideutigen Imparativ für sein Publikum. Dem ist nichts hinzuzufügen.

10/10