„The truly dangerous people are the ones who follow orders.“
Dying Of The Light / Dark ~ USA/BAH 2014/2017
Directed By: Paul Schrader
Seit der CIA-Agent Evan Lake (Nicolas Cage) vor zweiundzwanzig Jahren von dem Islamistenführer Muhammad Banir (Alexander Karim) einem Folterverhör unterzogen wurde, ist er von dem Gedanken besessen, seine alte Nemesis dingfest zu machen. Nach dem Zugriff der Agency galt Banir offiziell als tot, Lake jedoch ist überzeugt davon, dass er sich noch irgendwo unter anderem Namen versteckt hält. Als Lake erfährt, dass er unter FTD leidet, einer besonders aggresiven Form von Demenz, setzt er alles daran, seine letzte persönliche Mission noch durchführen zu können, wird aber umgehend in den Ruhestand versetzt. Lakes Kollege Milton Schultz (Anton Yelchin) erhält derweil brandaktuelle Informationen, die über Umwege zu dem sich in Mombasa versteckt haltenden Banir führen: Offenbar leidet auch dieser an einer tödlichen Krankheit namens Thalassämie, für die er ein spezielles Medikament benötigt, das er aus Bukarest bezieht. Lake und Schultz reisen nach Rumänien und finden heraus, dass ein Doktor Cornel (Serban Calea) Banirs medizinische Versorgung übernommen hat. Lake nimmt Cornels Identität an und stellt sich Banir in Kenia.
Geht es um „Dying Of The Light“, ist dessen unrühmliche Herstellungs- und Veröffentlichungsgeschichte unumgänglich. Der beinahe fertige Film, der ursprünglich von Nicolas Winding Refn mit Harrison Ford und Channing Tatum hatte inszeniert werden sollen, wurde Regisseur Schrader während der Postproduktionsphase aus den Händen gerissen, umgeschnitten, mit neuer Musik sowie einem veränderten color grading versehen mit dem Ziel, die sperrige Fallstudie des Protagonisten für ein größeres Publikum kommensurabel und somit kommerziell attraktiver zu gestalten. Schrader, Cage, Yelchin, Refn und etwas später auch dp Gabriel Kosuth distanzierten sich daraufhin öffentlich von dem Film infolge der Art und Weise, wie ihr künstlerisches Engagement mit Füßen getreten wurde, sie durch einen Knebelvertrag zur Kommentarenthaltung gezwungen und ihnen dennoch die Möglichkeit verwehrt wurde, ihre Namen aus dem Projekt zurückzuziehen. Das Thema ließ Schraders künstlerische Inegrität freilich nicht los und er erstellte drei Jahre später nochmals eine reeditierte Fassung mit dem Titel „Dark“, eine Art fragmentarisch anmutende Rumpf- oder Torsovariation seines ursprünglich geplanten Films. Für die Arbeit daran befleißigte er sich einiger aus der Produktionsphase stammender Workprint-DVDs, da ihm das originäre Digitalmaterial nicht zur Verfügung stand. „Dark“, ursprünglich ausschließlich zur Vor-Ort-Betrachtung in drei amerikanischen Filmarchiven vorbehalten, allerdings längst via semilegale Kanäle beschaffbar, ist fast zwanzig Minuten kürzer als „Dying Of The Light“ und von wesentlich herausfordernder Gestalt, was sowohl seine Form als auch seine inhaltliche conclusio anbetrifft. Den allgemein verfügbaren Produzentenschnitt empfinde ich dabei keineswegs als jenes Volldebakel, zu dem er immer wieder gern deklariert wird. Gewiss, Schraders Signatur ist darin kaum mehr identifizierbar. Der Film lebt beinahe ausschließlich von der sukzessiven Verspiegelbildlichung der Antagonisten Lake – Banir und wirkt ansonsten wie ein in jeder Hinsicht glattgebügelter, risikoloser Agententhriller, der sich vermutlich nicht eklatant von dem Rest von Cages zu dieser Zeit inflationär herausgehauenem DTV-Œuvre abheben dürfte. Anders verhält es sich mit „Dark“, bei dem sich Schrader und sein Cutter Benjamin Rodriguez Jr. unter spürbar avantgardistischer Ägide austobten. In diversen Szenen signifikant kürzer, völlig anders montiert, dabei vollgepfropft mit Farbverfremdungen, Bild-im-Bild-Zooms und vor allem einem an „2001: A Space Odyssey“ gemahnenden, psychedelischen Farbrausch zum Ende, manifestiert sich in diesem Projekt wohl vor allem der – durchaus gelungene – Versuch einer Satisfaktion, eine Veranschaulichung dessen, was grundsätzlich möglich gewesen wäre. Das finale Duell zwischen Lake und Banir, das „Dying Of The Light“ noch ausformuliert (in Form eines aktionsreich inszenierten Terroranschlags auf das Hotel von Lake und Schultz, einem anschließenden, mit der Tötung Banirs endendem Zweikampf sowie Lakes Freitod auf der Straße), wandelt sich in „Dark“ in die vor gleißenden Farb- und Formspektren berstende Reise in ein perzeptives Nirwana, das offenbar Lakes endgültigen geistigen Zerfall im Angesicht seiner kurz vor ihrem Ziel stehenden Reise veranschaulicht. Unter welchen Umständen Lakes Grabstein auf den Arlington-Friedhof kommt, bleibt dann hier wie dort ein Mysterium.
Im Nachhinein empfand ich es als überaus gewinnend, beide Varianten unmittelbar hintereinander sehen zu können, da sich darin eine noch immer halbwegs analytische Vergleichsmöglichkeit feilbietet und sich sowohl Differenzen als auch Gemeinsamkeiten recht zielgenau in Relation setzen lassen.
Zur erhellenden und tiefergehenden Weiterbeschäftigung mit dem Thema möchte ich potenziellen Interessenten noch ein Essay von Lukas Foerster für den Filmdienst, der sich auf höchst lohnenswerte Weise mit Schraders Spätwerk im Allgemeinen, über weite Strecken jedoch primär mit dem Phänomen „Dying Of The Light“/“Dark“ befasst, ans Herz legen sowie einen Beitrag zum Regisseur, den Dominik Graf 2018 im Schatten des Baseler „Bildrausch-Festivals“ für die F.A.Z. (kostenlose Registrierung erforderlich) veröffentlicht hat.