…tick…tick…tick…

„I’m the sheriff. Not the white sheriff. Not the black sheriff. Not the soul sheriff. But the SHERIFF!“

…tick…tick…tick… ~ USA 1970
Directed By: Ralph Nelson

Jim Price (Jim Price) ist der neue, offiziell mehrheitlich gewählte Bezirkssheriff von Colusa County, einem prototypischen Südstaatennest. Widerwillig bis frustriert räumt sein Vorgänger John Little (George Kennedy) am Tag von Prices Amtsantritt seinen lange polierten Stuhl im Office; weniger, weil er Missgunst oder Neid empfindet, sondern weil Little ganz genau weiß: Mit Price als Sheriff steht Ärger ins Haus. Selbiger ist nämlich Afroamerikaner, eine Ungeheuerlichkeit in der noch immer halbheimlich von den guten alten Dixie-Werten und dem Einfluss des Ku-Klux-Klan geprägten Kleinstadt, in der people of colour zwar die Bevölkerungsmajorität stellen, jedoch wenig bis gar nichts zu melden haben. Und tatsächlich schlagen Price von Minute Eins an beinahe ausschließlich Ressentiments und Despektierlichkeiten entgegen: die vormaligen Deputys quittieren johlend den Dienst, die übrigen Weißen schauen ungläubig bis ablehnend drein. Vor allem der vormalige Hilfssheriff Springer (Don Stroud) mag sich so gar nicht mit dem neuen Ordnungshüter anfreunden. Und als Price „seiner“ Community versichert, er sei kein verlängerter Black-Power-Arm, ist er auch bei dieser untendurch. Als er einen betrunkenen Raser (Robert Random) aus dem Nachbarbezirk, der infolge eines selbstverursachten Unfalls ein kleines Mädchen auf dem Gewissen hat, festnimmt und einsperrt, gerät Price endgültig in Bedrängnis. Der Fahrer entpuppt sich als jüngster Filius des reichen und darüberhinaus rassistischen Patriarchen Braddock (Karl Swenson), der glaubt, über dem Gesetz zu stehen, zumal, da dieses vor Ort durch Price repräsentiert wird. Nunmehr ist jener nicht nur auf die Unterstützung seines frischgebackenen Deputys John Little angewiesen, sondern auf die sämtlicher Menschen der Kleinstadt, denn Braddock naht bereits mit einer Riesenkolonne, um den Sohnemann herauszuhauen…

Als durchaus domestizierter Anti-Rassismus-Polizeifilm in der Nachfolge zu Norman Jewisons „In The Heat Of The Night“ (aus dem gleich noch der hagere Anthony James zurückkehrt), dem man trotz der protagonistischen Mitwirkung des später genau in jenem Sektor reüssierenden Ex-Footballers Jim Brown kaum nachsagen kann, die gerade im Anrollen begriffene Blaxploitation-Welle zu antizipieren, bleibt „…tick…tick…tick…“ eher eine künstlerische Fußnote im Gesamtwerk seines Regisseurs Ralph Nelson. Mit dem nur etwa acht Monate später nachgeschobenen Western „Soldier Blue“, nicht zuletzt ja auch eine berühmte My-Lai-Paraphrase, trat Nelson mittels eines ungleich wütenderen und graphischeren Films nach, der seine Kritik am weißen amerikanischen Selbstverständnis völlig gnadenlos jedweder Versöhnlichkeit entledigte und Filmfiguren wie Publikum mit blankem Hass auf die fahlhäutigen Schlächter zurückließ. „…tick…tick…tick…“ wirkt da im Vergleich beinahe antithetisch; er predigt Akzeptanz, Toleranz, Verständnis und die Überwindung von Vorurteilen; Werte, die das gepflegt unglaubwürdige Finale nochmals gewinnend unterstreicht. Mit Ausnahme des unverbesserlichen Redneck-Proleten Springer helfen nämlich sämtliche Colusa-Männer, egal ob schwarz oder weiß, bei der (erfolgreich gewaltfrei praktizierten) Abwehr der üblen, frechen Selbstjustizler aus dem benachbarten County. Einigkeit macht, soviel immerhin darf als gesichert gelten, stark, zumal gegen die noch blöderen Hillbillys von jenseits des Flusses. Das erkennen sogar der greise Major Parks (Fredric March) und sein Hausboy Homer (Ernest Anderson), die insgeheim längst die Zeichen der jüngsten liberalism era erfasst haben. Mit Besonnenheit und Objektivität erwirtschaftet sich Sheriff Price also sein allseitiges Scherflein Respekt, dafür ganz ohne Häme oder gar Waffengewalt. Eine fromme, manchmal sogar zu verschmitzter Komik neigende Utopie, deren stets ausgleichend balancierende Liebenswürdigkeit die Realität, aber auch diverse Beteiligte und Nachzügler rasch Lügen straften: Nelson lieferte besagten „Soldier Blue“, Brown mischte unter anderem als waffenstarrender p.i. Jim Slaughter gleich zweimal weiße Mafiosi auf und Terence Young setzte vier Jahre später mit „The Klansman“ sein höchst persönliches, zutiefst versoffenes Südstaaten-Kleinstadt-Porträt nach, das zwar ungleich räudiger, aber auch wesentlich vitaler als „…tick…tick…tick…“ daherkam. Mit dem tatsächlichen Colusa in Kalifornien hat der Filmschauplatz trotz vor Ort abgelichteter Originalsets nebenbei nichts zu tun. Hier befinden wir uns zweifelsohne irgendwo in Kentucky, Georgia, Alabama oder Mississippi.

6/10

ROMEO IS BLEEDING

„You don’t own love. Love owns you.“

Romeo Is Bleeding ~ USA/UK 1993
Directed By: Peter Medak

Der im Zeugenschutzprogramm tätige Jack Grimaldi (Gary Oldman) gehört zur schlimmsten Sorte korrupter Cops. Gegen saftiges Entgelt verrät er die Aufenthaltsorte brisanter Kronzeugen an die Mafia und nimmt dafür auch in Kauf, dass bei den anschließenden Exekutionsaktionen seine eigenen Kollegen dran glauben müssen. Seine Ehefrau Natalie (Annabella Sciorra) betrügt er derweil mit der naiven Kellnerin Sheri (Juliette Lewis). Als Grimaldi von Berufs wegen die russische Profikillerin Mona Demarkov (Lena Olin) kennenlernt, gerät er zwischen alle Fronten. Während Mafiaboss Falcone (Roy Scheider) die Demarkov, mit der er früher ein Techtelmechtel hatte, tot sehen will und Grimaldi erpresserisch nötigt, den Auftrag auszuführen, verführt diese den irrlichternden Beamten und bringt ihn dazu, ihr dabei zu helfen, ihren eigenen Tod zu fingieren. Doch nicht nur, dass sie sich hernach weigert, Grimaldi zu bezahlen, wird die psychotische Mörderin für ihn selbst zur tödlichen Gefahr…

„Romeo Is Bleeding“ entstand im Zuge der Neo-Noir-Welle in den frühen bis mittleren Neunzigern, während derer eine ganze Reihe in Aficionadokreisen beleumundeter Filmemacher der allmählich aufziehenden Ratlosigkeit des zusehends blasierter werdenden Blockbuster-Kinos entsprechende Werke entgegensetzten. Loner und Drifter waren deren Antihelden, betrügerische Femmes fatales und korrupte Bullen, mutige Kleinstadtsheriffs, unbeirrbare Killer, obercoole Gangster und Pärchen auf der Flucht. Die gezeigte und suggerierte Gewalt nahm sich häufig übermäßig aus und selten kam es zu glücklichen Abschlüssen für die ProtagonistInnen. Quentin Tarantino profitierte bekanntermaßen ganz besonders von dieser Strömung, avancierte zu everybody’s darling und hernach zu deren vorderstem Leitwolf und Stichtwortgeber, indem er die zuvor noch bierernst durchgespielte Nostalgie der relativ dicht an die klassischen hardboiled stories angelehnten Krimis ironisch aufbrach und seinem ausgesprochen kalifornischen Märchengauneruniversum einverleibte. Zuvor jedoch gab es Filme wie den vorliegenden von Peter Medak, in dem der ungebremste, tiefe Fall der Hauptfigur im Zentrum steht, gänzlich unkomisch und ergänzend mit dem diegetischen Pathos des Off-Kommentars versehen.
Jack Grimaldi wird von Gary Oldman wie eine Art Vorstudie zu seinem kurz darauf interpretierten, noch hundertmal toxischeren Polizisten Stansfield aus Luc Bessons „Léon“ angelegt. Dessen endgültige Gewissenlosigkeit und haltlose Diabolik muss sich Grimaldi erst noch aneignen, vielleicht wird er später unter anderem Namen bei den New Yorker Narcs anfangen. Dabei ist sein abwärts gerichtetes Schicksal rundheraus selbst verschuldet: Dieser Polizist lügt, betrügt, übervorteilt und verkauft die eigene Seele, bis er allein in irgendeinem Kleinstadtkaff vergeblich auf die unter Garantie niemals eintretende Erlösung wartet. Dabei meint es auch das Fatum selbst alles andere als gut mit ihm; der sinistren Cleverness seiner Widersacherin etwa ist Grimaldi völlig unterlegen. Sie bringt ihn dazu, seine Frau aufzugeben, sein Betthäschen und später noch den hiesigen Paten umzubringen. Von seinen sorgsam angehäuften, im Garten verscharrten Müllsäcken mit schmutzigem Cash wird er nichts mehr haben. Der letzte Akt der Abrechnung schließlich kommt so verzweifelt wie persönlich daher, doch auch dieser kann Grimalds tote Träume nicht wieder zum Leben erwecken.

7/10

DIAZ – DON’T CLEAN UP THIS BLOOD

Zitat entfällt.

Diaz – Don’t Clean Up This Blood ~ I/RO/F 2012
Directed By: Daniele Vicari

Genua, in der Nacht vom 21 auf den 22. Juli 2001. Die wegen ungeheuerlicher Vorgänge im Polizeiapparat bereits ins Röcheln geratene Demokratie gerät für die kommenden 72 Stunden in einen todesgleichen Atemstillstand: Die Esuola Diaz ist während des tags zuvor zu Ende gegangenen G8-Gipfels für Demonstrierende geöffnet. Etliche verschiedene Sprachen sind zu hören, die teilnehmenden Globalisierungsgegner, von denen die allermeisten bereits abgereist sind, kommen aus aller Herren Länder. Auch Indymedia, eine Erste-Hilfe-Station und Rechtsberater für angeklagte Protestler gastieren im Gebäude. Die vornehmlich jungen Leute liegen größenteils bereits friedlich schlummernd auf ihren Isomatten und in ihren Schlafsäcken, als um die Mitternachtsstunde eine große Gruppe italienischer Polizisten das Gebäude stürmt und mit ihren Gummiknüppeln wahllos auf alles eindrischt, was nach Mensch aussieht. Am Boden Liegende werden mit Fußtritten traktiert. 60 DemonstrantInnen werden teils schwer verletzt auf Tragen in umliegende Hospitäler verbracht. Andere landen in der Polizeikaserne Nino Bixio im Stadtteil Bolzaneto. Dort werden sie per Filzstift mit X-en markiert, sämtlicher Bürgerrechte beraubt, erniedrigt und gefoltert. Erst viele Stunden später erhalten die Gefangenen wieder die Möglichkeit, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Ein Skandal, der bis heute nicht zufriedenstellend aufgearbeitet wurde.

Der in Dokumentationssachen bereits erfahrene Daniele Vicari arbeitete mit seinem fünften Spielfilm „Diaz – Don’t Clean Up This Blood“ eine der größten politischen Ungeheuerlichkeiten im Westeuropa unseres noch jungen Jahrtausends auf. Für die kurze Zeit des von der Regierung Berlusconi damals stolz ausgerichteten G8-Gipfels fand sich ein altes, längst verdrängtes Schreckgespenst reanimiert – das des Faschismus. Die beiden Episoden um die Diaz-Schule und die Nino-Bixio-Kaserne stehen dabei im Zentrum von Vicaris wütendem Zelluloidpamphlet, einem, soviel gleich vorweg, Meilenstein des politischen Kinos. Gewissermaßen kulminiert in jenen etwa 72 Stunden all das, was zuvor durch das Innenministerium und einen entsprechend gebrieften und angespitzten Polizeiapparat emsig vorbereitet wurde. Durch diverse Zeitzeugen ist belegt, dass der vermeintliche „Schwarze Block“ von Polizeiagenten mindestens durchsetzt war. Die vermummten Chaosstifter, unter denen sich auch rechte Hooligans der internationalen Szene befanden, konnten ihr Zerstörungswerk, darunter brennende Autos und zerstörte Ladenfassaden, unter den Augen der längst großräumig angerückten Polizei und von dieser unbehelligt entfesseln. Vereinzelt wurde beobachtet und dokumentiert, wie angebliche Autonome Rücksprache mit Polizisten hielten und in einem Fall sogar eindeutig Befehle erteilten. Da die übrigen, von vielen Zehntausenden organisierten und besuchten Demonstrationen eher einem friedlichen Happening mit allerlei Kunst und Folklore glich, musste das unbedingte Durchsetzungsvermögen der rechtsregierten Staatsgewalt ergo in anderer Weise veranschaulicht werden. Der zunächst unfassbare Schluss liegt somit nahe, dass die Polizei in Gemeinschaft mit gewaltbereiten Faschisten höchstselbst für das Gros der Zerstörungen verantwortlich und die hernach gegen die de facto unbewaffneten Restdemonstrierenden gerichtete Vergeltungsaktion nichts anderes war als eine vormals gezielt provozierte Strafexpedition. Dafür sprechen auch gefälschte Beweise in Form zweier von der Polizei höchtselbst in der Diaz-Schule deponierten Molotov-Cocktails, die in direkter Folge öffentlichkeitswirksam ausgesstellt wurden und als Hauptanklagepunkt fungieren sollten. Die Situation in der Nino Bixio glich nach dem blutigen Überfall auf die unbewaffneten Nachtgäste schließlich der in südamerikanischen Militärgefängnissen unter Pinochet oder Videla, binnen derer die vor Ort befindlichen BeamtInnen sich unverblümt als Neonazis zu erkennen gaben.
Mit dem hohen aufklärerischen Anspruch etwa eines Costa-Gavras beackert Vicari diese schlimmen Ereignisse, fokussiert sich dabei nach höchst sorgfältiger Vorbereitung in Form von etlichen Stunden Protokollsichtungen und Interviews blitzlichtartig auf einige wenige Opfer und Beteiligte, deren Filmfiguren jeweils andere Namen, aber dieselben Initialen tragen wie ihre realen Pendants. Chronologische Sprünge dienen dabei keineswegs als selbstgerechte, formale Extravaganzen oder gar der Zuschauerverwirrung, sondern arbeiten in kongenialer Weise nach und nach unterschiedliche Schwerpunkt- und Schlüsselereignisse auf, wie die Erschießung des 23-jährigen Demonstranten Carlo Giuliani durch einen drei Jahre jüngeren Carabiniere oder die Involvierung ranghoher Politiker in die Geschehnisse. „Diaz – Don’t Clean Up This Blood“ steht somit trotz des großen zeitlichen Abstands in seinem Bestreben um fiktionalisierte, aber dennoch minutiöse Aufbereitungsarbeit und Wachrüttelung in direkter Tradition zu Costa-Gavras‘ politischem Hauptwerk und erreicht dabei mindestens denselben Grad an Zuschauerinvolvierung. Gerade wegen der Authentiziät des Geschilderten erreicht sein Film eine selten gewordene Intensität, die das Publikum gleichermaßen abholt wie niedermäht. Wenn es so etwas gibt, wie politdidaktisches Pflichtkino zur Demokratieerziehung – „Diaz – Don’t Clean Up This Blood“ wäre einer der vordringlichsten Kandidaten. Ergänzend zum Film lohnt ferner die nachträgliche Betrachtung der preisgekrönten 2002er-WDR-Dokumentation „Die Stoy: Gipfelstürmer – Die blutigen Tage von Genua“, die hier auf youtube angesehen werden kann.

10/10

LA CRIME

Zitat entfällt.

La Crime (Wespennest) ~ F 1983
Directed By: Philippe Labro

Der renommierte Wirtschaftsanwalt d’Alins (Jacques Dacqmine) wird in seinem Büro im Justizpalast von zwei als Gendarmen verkleideten Killern (Charlie Nelson, Bernard Tixier) erschossen. Commissaire Martin Griffon (Claude Brasseur), Vorsitzender einer Sonderabteilung, macht sich im direkten Auftrag des Innenministeriums an die hochbrisanten Ermittlungen. Dabei wird ihm als Anstands-Wauwau sein alter Kollege Rambert (Jean-Claude Brialy) zur Seite gestellt. Während d’Alins‘ linkischer Sohn Philippe (Daniel Jégou) den Anschein erwecken möchte, sein Vater sei das Opfer irgendeines rachsüchtigen, früheren Klienten geworden, ist Griffon rasch davon überzeugt, dass wesentlich mehr hinter der Sache steckt. Gemeinsam mit der Jungjournalistin Sybille (Gabrielle Lazure) beginnt er tiefer zu bohren und stößt auf eine gewaltige Mauer des verschleiernden Widerstands, die noch weitere Tote mit sich bringt.

Ein sonderbarer Film ist Philippe Labros „La Crime“, und das ganz gewiss nicht aufgrund seines durchaus konventionellen Kriminalplots nebst allem Dazugehörigen von Verschwörung über Korruption bis hin zum Verrat. Vielmehr wirkt er wie der leicht irrläufige Versuch, den klassisch-finsteren Polar der Vorgängerdekade an die insbesondere durch Delon und Belmondo stark modifizierten, kommerzialisierten Genrestrukturen der achtziger Jahre zu adaptieren. Claude Brasseur als Hauptdarsteller steht ganz für die innere Zerrissenheit von „La Crime“: in einer Mischung aus systembedingter Resignation, persönlicher Depression und Lakonie als Selbstschutz bewegt er sich, belgisches Bier trinkend (jede Flasche wird mit den Zähnen geöffnet), Kette rauchend und hustend von Setting zu Setting, interviewt, verhört, verachtet lässt jede/n seine rotzige Geringschätzigkeit spüren mit Ausnahme eines jungen, aufrechten Kollegen (Luc-Antoine Diquéro), der als einziger noch seinen Anstand wahrt. Das Ganze inszeniert Labro mit einem beinahe analog scheinendem Eklektizismus: manche Einstellungen wirken beinahe aufreizend unbetreiligt bis lustlos, gerade so, wie für eine x-beliebige TV-Serie inszeniert, wieder andere scheinen ultradramatischen Seufzern gleich, so etwa die, in der die Prostituierte Suzy (Dayle Haddon), just, als sie auf dem Wege ist, um reinen Tisch zu machen, in einem Fahrstuhl mit Benzin übergossen und angezündet wird, untermalt vom berühmten 2. Satz aus Beethovens 7. Sinfonie. Typen wie der verzweifelt strampelnde Philippe d’Alins, der einmal eine Dose Eierravioli serviert, wirken beinahe wie ein comic relief, derweil Trintignant nach einem prägnanten Kurzauftritt Seppuku mit einem Schälmesser begeht.
„La Crime“, immerhin ein sehr interessantes, durchaus launiges Werk (und von Dominik Graf wohl sehr geschätzt), lässt also schon das eine oder andere Fragezeichen aufploppen, die sich dann auch bewusst aller Antwort verweigern.

7/10

POLICE

Zitat entfällt.

Police (Der Bulle von Paris) ~ F 1985
Directed By: Maurice Pialat

Während er gegen einen aus tunesischen Migranten bestehenden Dealerring ermittelt, lernt der Pariser Polizist Mangin (Gérard Depardieu) Noria (Sophie Marceau), die Freundin eines der Verdächtigen, des in U.-Haft wandernden Simon Sinan (Jonathan Leïna) kennen. Die junge, opportunistische Frau spielt ihr ganz eigenes Spiel und knüpft Kontakte und Liebesbeziehungen, wie sie ihr gerade zupass kommen, sei es zu Simons windigem Anwalt Lambert (Richard Anconina) oder eben zu Mangin, dem es auf Biegen und Brechen nicht gelingen mag, eine neue Frau fürs Leben zu finden. Als Noria dem Gangsterclan eine Tasche prallgefüllt mit Bargeld und Kokain stiehlt, begibt sie sich in tödliche Gefahr.

Das Script zu „Police“ stammt in Kooperationsarbeit von der Ausnahmefilmerin Catherine Breillat und gibt sich so offensiv sperrig und unzugänglich, wie man es von ihren eigenen Regiearbeiten gewohnt ist. Garantiert keine der zentralen Hauptfiguren dient sich zur Publikumsidentifikation an – Mangin, den wir die meiste Erzählzeit durch das verworrene Beziehungsdickicht begleiten, wirkt etwa wie der reinkarnierte Protagonistenarchetyp aller hardboiled-Polizeigeschichten der Welt. Ein Zyniker durch und durch, bullig und eigenbrötlerisch, bisweilen zu spontaner Gewalt neigend, nach Liebe und Zärtlichkeit gierend und doch unfähig, selbige zurückzugeben. Auch er lässt sich, wohl gezwungenermaßen, durch die Stadt treiben wie eines ihrer übrigen millionen von Zahnrädchen, weiß als beständiger Kämpfer gegen Windmühlen, dass selbst seine Position als sogenannter Gesetzeshüter kein Fünkchen von Besserung gewährleistet und wird, vielleicht aus einer irrationalen Bequemlichkeit heraus, ewig so weitermachen wie bisher. Insofern unterscheidet sich die wesentlich jüngere Noria [allein innerhalb des Filmgeschehens die dritte Frau, mit der er versucht, Beziehungsbande zu knüpfen nach der Hure Lydie (Sandrine Bonnaire) und der Nachwuchskommissarin Marie (Pascale Rocard)], was ihre bereits vorgealterte Lebensweisheit und ihre amoralische Abgeklärtheit anbelangt, am Ende überraschend wenig von Mangin – auch sie nimmt die Abzweigungen, die ihr jeder neue Tag bietet, mit der steten Contenance der Vertrauensverweigerung. So mäandern die beiden durch einen im Prinzip völlig beliebigen Kriminalplot, eine urbane Allerweltsgeschichte, in der es nichtmal Tote gibt, wenngleich zumindest entsprechende Versuche stattfinden. Doch selbst die stets an der Grenze zur Parodie entlangschrammenden Tunesier wirken mit ihrem überkommenen muslimischen Ethos als relativ unbeholfene, beinahe inkompetente Kriminelle, die erst lernen müssen, mit dem befremdlich-entmoralisierten Habitus der nordwestlichen Großstädter klarzukommen. Eine scheinbar unerhebliche Nebenepisode verdeutlicht, wie beiläufig und realitätsverwurzelt „Police“ im Kern eigentlich ist: Ein junger Schläger, dem Mangin während eines Verhörs kurzerhand die Nase bricht, taucht gegen Ende des Films wieder auf und lädt ihn zu einem Schnaps ein. Man erwartet bereits, dass jetzt etwas Tragisches passieren muss, eine späte Rache vielleicht, ein Heckenschuss aus der Nacht, – doch: nichts. „Police“ endet so, wie er begonnen hat: mittendrin.

8/10

COPYCAT

„I’m not on duty. Neither is my brain.“

Copycat (Copykill) ~ USA 1995
Directed By: Jon Amiel

Nachdem die Psychologin und Serienkiller-Spezialistin Helen Hudson (Sigourney Weaver) kurz nach einer Vorlesung trotz Polizeischutzes von dem wirren Daryll Lee Cullum (Harry Connick Jr.) attackiert und beinahe getötet wird, verschanzt sie sich in ihrer Wohnung. Fortan leidet sie unter Agoraphobie und heftigen Panikattacken, die sie mit Alkohol, Medikamenten und der Unterstützung ihres treuen Faktotums Andy (John Rothman) in Schach zu halten versucht. Ein gutes Jahr nach ihrem Erlebnis – Cullum sitzt mittlerweile in der Todeszelle – macht ein neuer Serienmörder namens Peter Foley (William McNamara) San Francisco unsicher. Trotz ihrer Handicaps fühlt Helen sich in der Verantwortung, sich bei der Polizei zu melden, um ihre Profiling-Expertise abzugeben, was das Ermittlerduo MJ Monahan (Holly Hunter) und Ruben Goetz (Dermot Mulroney) veranlasst, Helen wider Willen auch zur weiteren Zusammenarbeit zu nötigen. Bald findet man gemeinsam heraus, dass der Nachwuchskiller sich als emsiger Epigone populärer Vorbilder von Albert de Salvo bis hin zu Jeffrey Dahmer befleißigt und es längst auch auf Helen abgesehen hat…

Experimenteller Revisionismus bei der Filmbetrachtung ist zuweilen, eigentlich sogar meistens, eine lohnenswerte Angelegenheit, denn mit der Rezeption von Kunst im Allgemeinen und Film im Besonderen ist es ja wie mit dem sprichwörtlichen Fluss: so wie man nie zweimal in denselben springt, sieht auch dieselbe Persönlichkeit nie zweimal dasselbe Artefakt. Allzu viele Einflüsse verhindern diese Option, das eigene Älterwerden und Altern; die zahllosen äußeren und inneren Umstände der Wahrnehmung. Oftmals gewährt einem die Erfahrung neue, andere, tiefere Einblicke und Verständnisebenen, was gleichsam eine differenziertere Auseinandersetzung ermöglicht. Ebenso kommt es jedoch vor, dass vermeintlich obsolete Urteile sich nochmals manifestieren. Jon Amiels „Copycat“, nach 25 Jahren nun zum zweiten Mal geschaut, ist und bleibt ein hoffnungslos unterprivilegiertes, um nicht zu sagen: zutiefst unsympathisches Unterfangen. Das Script kokettiert mit seiner sich offenbar „brillant“ wähnenden Prämisse, den Killer als emsigen Studenten und Fan prominenter Vorgänger zu Werke gehen zu lassen. Amerika liebt ja seit eh und je seine Serienmörder und damit einhergehend deren kulturellen Impact, was sich nicht allein anhand breit gefächerter literarischer Abhandlungen, sondern vor allem diverser, häufig biographisch angelegter Kino- und TV-Filmproduktionen sowie mehr oder weniger reißerischer Dokumentarformate ablesen lässt. So dürfte das Wissen um Menschen wie David Berkowitz, Ted Bundy, Henry Lee Lucas oder John Wayne Gacy und auch deren Modi Operandi insbesondere beim potenziellen Zielpublikum von Filmen wie „Copycat“ zur Weltbildung gehören. Wohl als zusätzliches Insider-Bonmot pflegte man noch den Namen des deutschen Peter Kürten ein. Soweit die inhaltliche Konstruktion, vor der eine ganze Riege von Protagonisten bar jeder Inspiration agiert. Jede einzelne Figur wirkt wie ein gewaltiger Klischeefokus, allen voran die ebenso geniale wie psychisch gebeutelte Helen Hudson, die unentwegt mit einem halbgefüllten Cognac-Schwenker durch ihre schnieke Wohnung tigert. Holly Hunter als selbstbewusste Polizistin MJ Monahan muss sich indes permanent gegen ein sie schon von Berufswegen unterschätzende und geringschätzende Patriarchat zur Wehr setzen, wobei ihr Partner, der von Dermot Mulroney gespielte, smarte ladies‘ man Ruben Goetz sie durchaus auch erotisch attrahiert (wie übrigens auch die sexuell darbende Helen) , schließlich aber durch ihre Teilschuld das Zeitliche zu segnen hat. Komplett aus ist der Ofen jedoch in Anbetracht der Charakterisierungen der beiden Serienmörder – der eine ein hässlicher, perverser und gar nicht mal allzu bildungsentlehnter Hillbilly mit Gottkomplex, der andere ein hübscher, jedoch von tiefer pathologischer Misogynie gebeutelter Computernerd, der bereits das Machtpotenzial des Internet ausreizt, bevor die meisten überhaupt wussten, was das ist. Thomas Harris‘ Hannibal-Romane (oder deren Adaptionen?) ferner wurden offenbar nicht nur einmal durchgeackert; so findet sich der einsitzende Cullum, der nicht nur mit Foley brieflich korrespondiert, wie weiland Dr. Lecter zum großen Killerpaten stilisiert, der immer weiter fleißig danach trachtet, seine reziproke Nemesis Helen Hudson noch vor sich selbst tot zu sehen.
Viel gestohlen, viel plagiiert ergo, „Copycat“ eben. Das Ganze auch noch ohne jedweden Witz oder Esprit, ohne jemals einen Hauch echter Originalität zu entwickeln; ein gleichsam geradezu aggressiv spannungsloser Beitrag zu seinem Subgenre, der zumindest mich auch beim Wiedersehen weitaus mehr verägert hat als zufriedenzustellen.

3/10

THE ORGANIZATION

„God may help these poor bastards who did it.“

The Organization (Die Organisation) ~ USA 1971
Directed By: Don Medford

Detective Virgil Tibbs (Sidney Poitier) untersucht den Mord am Manager eines als Fassade für einen global operierenden Heroinvertriebsring fungierenden Teppich-Import-Unternehmens. Kaum dass er den Tatort begutachtet hat, nimmt eine mehrköpfige Gruppe junger Revoluzzer Kontakt zu Tibbs auf: Mit dem Tod des Geschäftsführers habe man nichts zu tun, dafür jedoch mehrere Kilo des Rauschgifts aus dem Firmensafe entwendet. Tibbs lässt sich entgegen seiner üblichen Vorgehensweise überreden, inoffiziell mit den jungen Leuten, die allesamt eine persönliche Agenda gegen den Drogenhandel vorschützen, zusammenarbeiten, um an die wahren Mörder zu kommen. Doch die mächtige Organisation hinter dem schmutzigen Geschäft kennt keinerlei Skrupel.

Sein dritter und letzter Kinofall führte Virgil Tibbs in die Halbwelt des drug traffic, in der jeder der Beteiligten sich sein eigenes Stück vom großen Opiatkuchen sichern möchte. Eher umständlich und emotional wenig involvierend erzählt, darf der Zuschauer den diesmal ausnahmsweise seine Kompetenzen überschreitenden Tibbs dabei begleiten, wie er sich nach und nach ein kompaktes Bild der gegnerischen Übermacht verschafft und am Ende scheitern muss – als kleiner Bulle aus San Francisco kann er nichts gegen das bestens vernetzte Kartell unternehmen, das sich sämtlicher empfindlicher Störfaktoren brutal und vor allem endgültig zu entledigen pflegt. Einen kleinen Fahndungserfolg, dem sogar eine zwischenzeitliche Suspendierung vorausgeht, kann Tibbs zwar verbuchen [er findet heraus, dass die Witwe (Sheree North) eines ermordeten Wachmanns (Charles H. Gray) als Verteilerin arbeitet und kann sie nötigen, die beiden Vertreter der Organisation vor Ort zu denunzieren], doch die hitmen des Kartells arbeiten gründlich. Schlussendlich steht Tibbs nurmehr mit Leichen da. Die bittere Erkenntnis, nichts wirklich Fruchtbares gegen organisierte Kriminalität ausrichten zu können, führt die Trilogie noch etwas tiefer in den nüchternen Fatalismus der frühen siebziger Jahre – im „Dirty Harry“-Jahr 1971 muss sich auch der üblicherweise unbeugsame Detective Tibbs eingestehen, dass jedweder persönlicher Idealismus nurmehr an den Mechanismen des internationalen Drogenhandels scheitern kann. Ein recht unbequemer Schlusspunkt für die kurze Leinwandkarriere von Poitiers liebenswerter Figur, wobei der sich parallel dazu einstellende, serielle Charakter von Medfords Inszenierung gleichfalls den Schluss zulässt, dass es fraglich ist, ob Tibbs‘ Typologie überhaupt noch hinreichendes Potential für weitere Fortsetzungen aufzuweisen gehabt hätte. Sein Sohn Andy (George Spell) ist mittlerweile Pfadfinder und somit wohl endgültig eingebordet im Sinne einer konservativen Erziehung und auch sonst gibt es aus Tibbs‘ Privat- und Familienleben kaum mehr Aufregendes zu berichten. „The Organization“ lässt sich, zumindest unter historischer Perspektive, zwar noch immer als solider Polizeifilm seiner Ära goutieren, nimmt sich jedoch vergleichsweise müde und desinteressiert aus. Routine, wie ein unauffälliger Tag im Polizeibüro.

5/10

THEY CALL ME MISTER TIBBS!

„A case is never solved until a judge says it is.“

They Call Me Mister Tibbs! (Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs) ~ USA 1970
Directed By: Gordon Douglas

Die junge Prostituierte Joy Sturges (Linda Towne) ist in ihrem Appartment erschlagen worden. Detective Virgil Tibbs (Sidney Poitier) vom SFPD wird mit dem Fall betraut. Ein anonymer Anrufer, hinter dessen Identität sich der schmierige, halbseidene Hausbewohner Rice Weedon (Anthony Zerbe) verbirgt, behauptet gegenüber der Polizei, Tibbs‘ Freund, den auch politisch engagierten, liberalen Reverend Logan Sharpe (Martin Landau) in der Nähe des Tatorts gesehen zu haben. Dieser versichert Tibbs, mitten im Endspurt eines Wahlkampfes steckend, die Ermordete zwar gut gekannt, mit ihrem Tod jedoch nichts zu tun zu haben. Tibbs ermittelt dennoch in alle Richtungen, derweil ihm privat sein renitenter Sohn Andy (George Spell) zunehmende Sorgen bereitet…

Drei Jahre nach Norman Jewisons ausgezeichnetem Südstaaten-Polizeifilm „In The Heat Of The Night“ schlüpfte Sidney Poitier erneut in die Rolle des so überaus nüchtern agierenden Ermittlers Virgil Tibbs. Das archaische Milieu des ewig gestrigen Südens hinter sich lassend, hat der stets besonnene Detective sein Einsatzgebiet nunmehr in der Westküsten-/Hippie-Metropole San Francisco, in der Rassismus und Segregation zumindest keine wesentliche Alltagsrolle mehr bekleiden. Analog dazu weicht Quincy Jones‘ vormals bluesige, schwitzige Musik zeitgenössischeren Funk- und Soul-Klängen. Zumindest Tibbs‘ unverwechselbarer Charakter wird jedoch aus dem Orginal mit herübergetragen; Professionalität und Ratio prägen nicht nur seinen beruflichen Werdegang, sondern erschweren ihm auch den Umgang mit den Wogen des Lebens. Filius Andy, just in einer unleidigen Sturm- und Drang-Phase, versucht mit allen Mitteln, sich von der elterlichen Autorität zu emanzipieren, was allenthalben zu scharfen Vater-/Sohn-Konflikten führt und Tibbs seine ohnehin schwierigen Untersuchungen nicht eben erleichtert. Bezeichnenderweise ist die dramaturgisch mit Abstand stärkste Szene jene, in der Tibbs zu einer drakonischen Erziehungsmaßnahme greift und daran selbst verzweifelt.
Der ein berühmtes Dialogzitat des Vorgängers titulär aufgreifende „They Call Me Mister Tibbs!“ hat trotz der versierten Inszenierung Gordon Douglas‘ nicht mehr den durchschlagenden Impact von „In The Heat Of The Night“, der seine historische Geltung nicht nur als wesentlicher Markstein des antirassistischen Films hält, sondern auch dem buddy movie unerlässliche Impulse verlieh. Douglas‘ gediegene Arbeit bietet derweil nicht mehr und nicht weniger als einen für seine Ära weitgehend repräsentativen Polizeifilm, der zwischen Peter Yates‘ „Bullitt“ und Don Siegels „Dirty Harry“ einen weiteren unbestechlichen San-Francisco-Cop bei der protagonistischen Arbeit zeigt, der im Vergleich zu seinen archetypischen „Kollegen“ allerdings eine weitaus ehernere Systemtreue an den Tag legt und – unverwechselbares Kennzeichen – eben Afroamerikaner ist. Das wichtigste Verdienst des Films liegt darin, ebendieses Faktum als völlig normal und gegeben hinzunehmen und keinerlei Aufhebens darum zu machen; anno 1970 leider noch keine Selbstverständlichkeit.

7/10

LETHAL WEAPON 4

„Flied lice? It’s fried rice, you plick.“

Lethal Weapon 4 ~ USA 1998
Directed By: Richard Donner

Im Zuge eines Einsatzes gegen einen verrückten Pyromanen verraten sich die beiden best buddies und LAPD-Sergeants Martin Riggs (Mel Gibson) und (Roger Murtaugh) gegenseitig, dass ersterer in Bälde Vater wird und letzter Großvater, wobei der Vater des Enkels noch unbekannt ist. Kurz vor der Niederkunft der werdenden Mütter bekommen die zwei Helden es mit einer Triade zu tun, die Menschenschmuggel betreibt, Blüten herstellt und gleich vier gefangenen Bossen aus Hong Kong zur Freiheit verhelfen will.

Ihr vierter und vorerst letzter gemeinsamer Einsatz vereint die zusehends größer werdende Freundesfamilie um die zwei Haudegen Riggs und Murtaugh zum ersten Mal gegen einen veritablen Superbösewicht, den Triadenboss Wah Sing Ku, gespielt vonChina-Haubitze Jet Li. Nachdem die uninteressante Figur ihres letzter Widersachers im dritten Teil des Franchise, ein recht profilloser und langweiliger Immobilienbetrüger, bereits den beständigen Wechsel der Filme hin vom harten Actionfilm zur Buddy-Komödie personell untermauerte, geht Donner diesmal zumindest wieder im knüppligen Showdown in die Vollen, der die beiden alternden Herren abermals nur via echtem Teamwork reüssieren lässt. Ansonsten setzt sich jedoch breitpfadig der bereits mit dem Erstsequel etablierte und manifestierte, überkandidelte Stil der Reihe fort: Der dauerquasselnde, von den zwei Protagonisten großherzig tolerierte, aber stets gefoppte Leo Getz (Joe Pesci) betätigt sich nunmehr als Privatdetektiv in spe, der wie gewohnt etwas anstrengende Chris Rock muss als zusätzliches comic relief herhalten und diverse, wie beiläufig erzählte Miniepisödchen aus der screwball facility, darunter die (späte) Eröffnung, dass Rogers Gatin Trish (Darlene Love) ein Vermögen als heimliche Kitschromancière verdient (die plötzliche Wohlfahrt der Familie legt man dem ehernen, sich wie üblich schämenden Bullen bereits als Korruption aus) und eine völlig entfesselte Zahnarztsequenz mit Lachgas-Impact, sorgen neben den abermals spektakulären Actionszenen für Tempo. Spielte der makellose Erstling noch periodisch in der Weihnachtszeit, ist „Lethal Weapon 4“ mit seinem ausgesprochenen Zuckerguss-Finale nebst Doppel-Baby-Bescherung und der choralen Versicherung „We are family!“ der eigentliche Weihnachtsfilm der Serie und als solcher zugleich ein wohlfeiler Abschluss. Mit Donners Tod im Sommer diesen Jahres sollte ein weiteres potenzielles, immer wieder diskutiertes Sequel eigentlich endgültig passé geworden sein, was der mit dem vorliegenden Film auf mehrerlei Ebenen vollendeten Tetralogie ihres bestehenden Gesamteindrucks betreffs vermutlich ohnehin zupass käme. Tatsächlich jedoch vermeldete Mel Gibson, wie ich just erfuhr, dass er die Regie einer weiteren Fortsetzung zu übernehmen trachte, abermals mit sich selbst (65) und Danny Glover (75) in ihren vielgeliebten Rollen.

7/10

SPIRAL: FROM THE BOOK OF SAW

„Wait, I thought the Jigsaw Killer was dead.“ – „He is.“

Spiral: From The Book Of Saw (Saw: Spiral) ~ USA/CA 2021
Directed By: Darren Lynn Bousman

Jahre nachdem John Kramer und seine Vasallen das Zeitlich gesegnet haben, beginnt ein weiterer Nachahmer, das grausame Werk des Serienmörders mit der moralisch verqueren Agenda wiederaufzunehmen. Die Opferschaft rekrutiert sich diesmal ausnahmslos aus der Abteilung des Polizisten Ezekiel „Zeke“ Banks (Chris Rock), der es als „ehrlicher“ Detective mit seinen korrupten und karrieregeilen Kolleginnen und Kollegen selbst nie einfach hatte. Als schließlich auch Banks‘ neuer Partner William Schenk (Max Minghella) tot aufgefunden wird und sein Vater (Samuel L. Jackson), ein renommierter Ex-Cop, verschwindet, nimmt der Fall zunehmend persönliche Züge für den Ermittler an.

Mit diesem erstmals seit dem dritten Sequel wieder von Darren Lynn Bousman inszenierten, mittlerweile neunten Zugang des „Saw“-Franchise, erhält selbiges seinen bislang zugleich schwächsten Beitrag. Die von James Wans Original einst quasi mitbegründete Welle des seinerzeit als so abschätzig wie hilflos bezeichneten „torture porn“ ist zumindest in ihrer originäen Ausprägung bereits seit längerer Zeit wieder abgeebbt, was zugleich auch die ausgeklügelten Folterfallen des Jigsaw-Killers gewissermßen zu einem Anachronismus macht. Dennoch bleiben diese in ihrer vergleichsweise raren Aussäung das interessanteste Element von „Spiral“, während die weiteren Versuche, der Reihe ein kleines Maß an Innovation zu verschaffen, ziemlich kläglich im Kielwasser der Bemühtheit verkluckern. Chris Rock als Heldenfigur und Antagonist des jüngsten Kramer-Schülers soll gleichfalls kecken Humor und innere Zerrissenheit vermitteln, ein Ansatz, der infolge der nunmehr jahrzehntelang kultivierten Selbsttypologie Rocks als Stand-up-Comedian frontal vor die Wand rauscht. Flotte Sprüche in Kombination mit einer inflationär mit Vier-Buchstaben-Wörtern gesäumten Sprache und Autorferenzen mögen Rocks gewünschter Signatur entsprechen, bremsen den ursprünglichen Charakter der Serie jedoch bloß in beschädigender Weise aus. Bousman müht sich zudem nach Kräften, dem gewohnt modrigen Industrial-Ambiente einen konträren Stil aus lichtdurchfluteter, grellgelber Urbanität entgegenzustellen, was am Ende als auch kaum mehr denn angestrengt im Gedächtnis bleibt. Schließlich entpuppt sich der sich clever wähnende twist, der natürlich um die wahre Identität des neuen Trittbrettfahrers kreist, als allzu offensichtlich bis nachlässig arrangiert. Ich war geradezu erleichtert, als der omnipräsente, personell scheinbar unverzichtbare Samuel L. Jackson im Finale von Kugeln durchsiebt wird – zumindest bleibt dieser somit einer eh kaum vermeidbaren, weiteren Fortsetzung erspart.
Wobei bei „Saw“ ja andererseits wiederum doch mit allem zu rechnen sein muss. Erstmals in den nunmehr siebzehn Jahren, in denen es nun heißt „I want to play a game“ spüre ich allmählich reelle Ermüdungserscheinungen. Kein gutes Zeichen…

5/10