EVE’S BAYOU

„To a certain type of woman, I am a hero.“

Eve’s Bayou ~ USA 1997
Directed By: Kasi Lemmons

In den 1960ern lebt die zehn Jahre junge Eve Batiste (Jurnee Smollett) mit ihren Eltern Louis (Samuel L. Jackson) und Roz (Lynn Whitfield), ihren beiden Geschwistern, dem jüngeren Bruder Poe (Jake Smollett) und der älteren Schwester Cisely (Meagan Good) sowie der Großmutter (Ethel Ayler) in einem von Creolen-Nachfahren besiedelten, sumpfnahen Ort in Louisiana. Auch Eves bereits dreifach verwitwete Tante Mozelle (Debbi Morgan), die übersinnliche Fähigkeiten hat, ist ein festes Mitglied des Hausstands. Den Batistes geht es in materieller Hinsicht gut; Louis gilt als ein anerkannter Landarzt in der Region und wird von der afroamerikanischen Community vor Ort sehr respektiert. Doch binnen der eigenen vier Wände bröckelt das Idyll beträchtlich, Louis ist nämlich auch ein unverbesserlicher Schürzenjäger und Gigolo, der nicht allein medizinische „Behandlungen“ an seinen Patientinnen vornimmt. Eines Abends ertappt Eve ihn in der Scheune mit seiner Geliebten (Lisa Nicole Carson) und beginnt von diesem Tage an, den zuvor vergötterten Vater in einem anderen Licht zu sehen. Als die pubertierende Cisely später von einem ungeheuerlichen, nächtlichen Erlebnis mit Louis berichtet und zu Verwandten abreist, beschließt Eve, dem Leben ihres Vaters mittels Voodoo-Magie ein Ende zu setzen und wendet sich an die Hexe Elzora (Diahann Carroll)…

Amerikanische southern gothic tales haben, wenn sie mit dem nötigen Maß an Regionalromantik und Charakterempathie erzählt sind, stets etwas zutiefst Magisches. Klassischerweise von renommierten weißen Dichtern wie Bierce, Faulkner oder Williams ersonnen, fristen derweil die vornehmlich oder gar ausschließlich von people of colour berichtenden Geschichten – Toni Morrisons „Beloved“ kommt einem sofort in den Sinn – nach wie vor ein unverdientes Nischendasein. Eine ebenso prächtige wie berückende Filmausnahme bildet dieses Regiedebüt der zuvor als Nebenrollenschauspielerin aufgefallenen Kasi Lemmons, das, zugleich von ihr geschrieben, als elementares Spätwerk der New-Black-Cinema-Welle erachtet werden muss. Als eine Art afroamerikanisches Gegenstück zu Harper Lees „To Kill A Mockingbird“ und gleichermaßen ein Heimatfilm, zentriert „Eve’s Bayou“ die rückblickend aus ihrer sich sukzessive entzaubernden Kindheit erzählende Protagonistin Eve Batiste, deren Name auf den von der lokalen community verehrten Gründervater der Ortschaft zurückgeht. Wie einst die kleine Scout Finch hat auch Eve im Zuge eines schicksalhaften Sommers einige bittere Lektionen zu lernen, die sie auf Ab- und Umwegen ins unschuldsberaubte Erwachsenendasein tragen werden. Hier sind diese allerdings allerhöchstens indirekt mit Vorurteilen und Rassismus verknüpft. Zwar leben die Batistes ein wenig nach dem Vorbild weißer Dynastien des vorvergangenen Jahrhunderts, indem sie ihren Wohlstand außenwirksam leben und genießen, weißhäutige Menschen kommen in ihrem Mikrokosmos jedoch nicht vor, zumindest nicht, soweit es Eves kindliche Wahrnehmung anbelangt. Eve pendelt zwischen Frauen, zwischen ihrer gehörnten Mutter, ihrer mysteriösen, als verschroben geltenden Tante, ihrer alles zerredenden Großmutter und ihrer Schwester. Während Eve in ihrem Vater bislang ein von ihr abgöttisch idealisiertes Mannsbild sah, zerbricht diese Projektionsfläche bald in tausend Scherben, eine Erkenntnis, die sie auf zerstörerische Weise langfristig mit Desorientierung und Gewissenschuld belasten wird. Denn seine gesellschaftliche Stellung ist Louis Batiste wie vielen erfolgreichen Männern längst zu Kopf gestiegen. Von der Hybris übermannt, erachtet er seine permanenten außerehelichen Fehltritte, darunter selbst die offen zur Schau getragene Affäre mit der Gattin seines besten Freundes (Roger Guenveur Smith), als die lässlichen Streiche eines unverbesserlichen Filous, derweil zu Hause die Seelen seiner Liebsten bersten.
Lemmons nutzt diese Grundkonstellation zur Erzählung einer zu Herzen gehenden Coming-of-Age-Geschichte, die in ihrer ausgesprochen entklischierten Ausprägung zig etablierte Hollywoodformeln mit Füßen tritt und somit beinahe wie ein Stück aus einer Parallelrealität wirkt. Jede Figur erhält ihre Zeit, flankiert von verschrobenen Wegbegleitern wie der Voodoo-Magierin Elzora oder Mozelles mysteriösem, jüngsten Galan Julian Grayraven (Vondie Curtis-Hall), die vor allem den latenten, sanften magischen Realismus des Geschehens verstärken. Ein wunderbarer Film, der, nunmehr vierundzwanzig Jahre alt, einen Samuel L. Jackson noch ohne den typologischen Ballast der späteren Ära offeriert und auch sonst kein bisschen betagt wirkt.

8/10

AFTER DEATH

Zitat entfällt.

After Death (Das Böse ist wieder da – After Death) ~ I 1989
Directed By: Claudio Fragasso

Rund zwanzig Jahre, nachdem ein rachsüchtiger Voodoo-Priester (James Sampson) die Toten auf einer Karibik(?)-Insel zum Leben erweckt hat, um den Leukämie-Tod seiner Tochter zu ahnden, für den er eine Gruppe weißer Wissenschaftler verantwortlich macht, kehrt Jenny (Candice Daly), die einzig Überlebende von damals und ehedem noch ein kleines Mädchen (n.a.) auf das Eiland zurück. Auch die zufällig in ihrer Gesellschaft befindliche Gruppe von Vietnam-Veteranen, Söldnern und Glücksrittern können ihr nicht gegen die alsbald aufwallenden Zombie-Horden helfen, die ein ebenfalls die Insel bereisendes Trio durch das Verlesen einer Zauberformel zu unheiligem neuen Leben erweckt.

Claudio Fragasso, Freund, Kreativmündel und oftmaliger Kollaborateur des seligen Bruno Mattei, schaffte es sogar, die enthusiastische Albernheit, die sein Mentor oftmals walten ließ, mühelos in den Schatten zu stellen. Sein Selbstverständnis als Auteur und Künstler zeugt dabei bis heute von ungebrochenem Stolz und wird zudem stets flankiert von seiner tapferen Gattin, Gesinnungsgenossin und Hausautorin Rossella Drudi, die auch für „After Death“ frohgemut in die Schreibmaschinentasten langte.
Wie todesmutig nun „After Death“, der auch unter dem Titel „Oltre La Morte“ („Mehr als der Tod“) firmiert und der bei uns ferner gern als „Zombie IV“ vermarktet wurde, auf dem immerwährenden Grat zwischen inszenatorischem Anarchismus und hoffnungsloser Imbezilität herumhüpft, das kann aber ohnehin nur begreifen und nachvollziehen, wer den Mut aufbringt, diesen schier unglaublichen Film selbst einmal in Augenschein zu nehmen. Ringt man bereits bei dem Versuch, dem Plot so etwas wie Stringenz oder Kausalität abzutrutzen, erfolglos mit dem hehren Vokabular der Geistesräson, so offenbart sich in Anbetracht von Dramaturgie, Dialog (die deutsche Synchronfassung, die unter anderen immerhin mit Wolfgang Kühne und Michael Pan aufwartet, offenbart lieblichsten Schwachsinn) und, Himmel, hilf, rudimentärster Logik, erst der volle künstlerische Anarchismus Fragassos. Sämtliche der Untoten erinnern an Lepraopfer und sind in graue Lumpen gewandet, schlurfen bisweilen, können sich aber auch ebensogut grazil wie Ninjas bewegen, ballern und sogar dämlich dahersalbadern, dass es eine inkonsistente Lust ist. Die Besetzung schließlich, die diese einzigartig melangierte Versuchsanordnung aus Söldneraction und karibischem Zombiespuk, kongenial flankiert, reitet auch noch den letzten Rappen in den Stinkesumpf: Die Protagonistin Candice Daly, eine Kalifornierin, die mit nur 38 Jahren an polytoxischer Vergiftung verstarb, kann man nicht wirklich als Schauspielerin bezeichnen. Ihr Konterpart, der muskulöse Chuck Peyton, reüssierte ansonsten vorrangig unter dem Pseudonym Jeff Stryker in Schwulenpornos und verfügt über eine ähnlich mattierte Strahlkraft wie die Daly. Die eigentliche Schau bietet der tolle Nick Nicholson, eine Art Hippie mit Struppelbart, der ein wenig aussieht wie der kariöse Zwillingsbruder von Al Cliver. Wahres method acting, bleibt da nur festzuhalten. Kleine, stets mit viel Wiedersehensfreude empfangene Lieblinge wie Massimo Vanni, Ottaviano Dell’Acqua, Romano Puppo, Don „The Dragon“ Wilson und natürlich Jim Gaines vervollständigen die illustre Schar darbender Geschäftsaufstrebender, die die allseits und allzeit dräuende Entscheidungsfrage „Bullshit or not?“ für sich längst voller Selbstbewusstsein entschieden haben.
Träumschen.

5/10

RIGET

Zitat entfällt.

Riget (Kingdom – Hospital der Geister) ~ DK/SW/NW/NL/D/F/I 1994/97
Directed By: Lars von Trier/Morten Arnfred

Kopenhagens größtes Hospital, das Reichskrankenhaus, hat eine lange Geschichte. Einst erbaut auf Moorland, das im Mittelalter Bleichern und Färbern als Arbeitsstätte diente, ist der altehrwürdige Gebäudekomplex vor allem ein Symbol des wissenschaftlichen Fortschritts, für den Übergang zur Neuzeit im Zeichen der Aufklärung.
In der neurochirurgischen Abteilung der Klinik geht es heuer drunter und drüber. Die alte Dauerpatientin Sigrid Drusse (Kirsten Rolffes), deren gemütlicher, bierliebender Sohn Bulder (Jens Okking) hier als Pfleger arbeitet, hat Kontakt zur Welt der Geister. Ein kleines, totes Mädchen namens Mary (Annevig Schelde Ebbe), bedeutet ihr aus dem Jenseits, die Umstände seines Todes zu ermitteln. Wie alles andere im Haus geht sie auch dem aus Schweden herversetzten Oberarzt Helmer (Ernst-Hugo Järegård) immens auf die Nerven, der vor Kurzem einen schweren Operationsfehler bei einem jungen Mädchen (Laura Christensen) verursacht hat und diesen mit allen Mitteln zu vertuschen sucht. Noch mehr fühlt sich Helmer demzufolge von Chefarzt Moesgaard (Holger Juul Hansen) bedrängt, einem hochgradigen Neurotiker, der in permanenter Angst vor der Krankenhausleitung und dem Gesundheitsamt die „Aktion Morgenluft“ entwickelt hat, welche einen betont freundschaftlichen Umgang sämtlicher Stationsmitarbeiter erzielen soll. Der drogenaffine Assistenzarzt Krogshøj (Søren Pilmark) ist derweil nicht nur damit befasst, allerlei Equipment verschwinden zu lassen, sondern zudem über sämtliche Umtriebe genauestens Bescheid zu wissen und sie bei Bedarf für seine persönlichen Zwecke zu verwenden. Seine Liebe zu der Kollegin Petersen (Birgitte Raaberg) wandelt sich bald in blanke Angst, als er erkennt, dass der Vater des Babys, welches sie erwartet, eine Reinkarnation des bösen Dämons Åge Krüger (Udo Kier) ist, vor vieleLn Jahren Krankenhauschef, unehelicher Vater und Mörder der kleinen Mary und nunmehr höllischer Bösewicht. Das alsbald geborene Kind (Udo Kier) entwickelt sich binnen kurzer Zeit zu einem grotesken Monster, widersteht jedoch tapfer dem Einfluss seines Vaters. Moesgaards nutzloser Sohn Mogge (Peter Mygind) steht indes kurz vor seiner Facharztprüfung, interessiert sich jedoch einzig und allein für die deutlich reifere Schlafforscherin Camilla (Solbjørg Højfeldt).Mogges Lehrer, der Pathologe Bondo (Baard Owe) derweil besessen von seinen Forschungen zum Bereich Leberkrebs, was ihn zu extremen Maßnahmen treibt.

„Riget“ besteht aus zwei, im Abstand von drei Jahren entstandenen, vierteiligen Staffeln, die chronolgisch nahtlos aneinander anknüpfen und sich mit Ausnahme winziger Details (Vorspann) auch in der Wahl ihrer eigenwilligen Form durchweg gleichen. Obschon Lars von Trier dafür teilweise auf seine „Dogma 95“-Statuten zurückgreift – vor allem die verschmierte, rostbraune Kamera nebst der haltlos verwackelten Einstellungen und jump cuts hinterlässt ihre notorischen Spuren – hält er deren maßgebliche Strenge nicht vollends durch. So gibt es etwa eine Musikstonpur und auch die diversen, phantastischen Inhalte pflegen eine eindeutige Genreanbindung. Ein Trisomie-21-Pärchen (Vita Jensen, Morten Rotne Leffers), im Krankenhaus als Spülkräfte beschäftigt, fungieren als allwissende Kommentatoren im Stil der griechischen Tragödie nach Sophokles, die zwei- bis dreimal pro Episode kryptische Hinweise liefern. Zudem tritt am Ende jeder Folge von Trier höchstpersönlich neben den laufenden Abspann und resümiert das soeben Gesehene als Gastgeber des Publikums. Allerdings entsprechen die Avancen in Richtung der Gattung Horror, sofern man von dieser überhaupt sprechen mag, eher Ausflüge in den Bereich der grotesken Komik. Im Gedächtnis bleibt unweigerlich vor allem Udo Kier als monströs mutierter Dämonenhalbling „Brüderchen“ mit immens verbauten Gliedmaßen und eben dem Kopf von Kier, der bald nurmehr in einem Spezialgestell hängen kann, um durch sein gewaltiges Eigengewicht nicht in sich zusammenzufallen. Brüderchens Auftritte erinnern teils an Lynchs „Elephant Man“, sind andererseits jedoch von genüsslich ausgedehnter Widerwärtigkeit. Sehr viel nachhaltiger als das Trara um paranormale Erscheinungen im und ums Reichskrankenhaus ist vielmehr der brillante Ansatz, die Parodie einer x-beliebigen Krankenhaussoap zuwege zu bringen. Die zahlreichen Charaktere bieten hinreichend Projektionsfläche für eine fasziniernde Sammlung unterschiedlichster Kauzigkeiten. Inhaltliche Wendungen und Enthüllungen, wie sie zum üblichen Konzept einer jeden soap opera gehören, erweisen sich als betont absurd. Obgleich es nicht eben leichtfällt, sich eine Lieblingsfigur auszusuchen, kann man eigentlich gar nicht anders, als den unglaublichen Stig Helmer dazu zu küren. Helmer ist ein Fiesling und Misanthrop, wie er vollendeter gar nicht sein könnte, ein selbsträsonistisches Arschloch, nationalistisch, eitel und dazu noch beruflich inkompetent. Järegård spielt diesen Hundsfott mit solch genüsslicher Leidenschaft, dass man wirklich jeden einzelnen Aufzug mit ihm förmlich aufsaugt. Wie er sich im späteren Verlauf um eine Voodoo-Medizin bemüht, um den verhassten, ihn erpressenden  Krogshøj gefügig zu machen (was natürlich gründlich danebengeht), das nimmt sich wahrlich sagenhaft aus. Dicht gefolgt findet sich Helmer von Chefarzt Moesgaard, der mehr oder weniger unwillkürlich an den vertrottelten Commandant Lassard (George Gaynes) aus den „Police Academy“-Filmen erinnert, dessen professionelle Schwachbrüstigkeit jedoch wundervoll ausformuliert. Moesgaard nimmt jeden noch so hanebüchenen Rat an, um seiner Neurosen Herr zu werden und gerät an den verrückten Therapeuten Ole (Erik Wedersøe) und dessen widersinnige Behandlungsmethoden. Gleichauf mit Moesgaard: Der Pathologe Palle Bondo, der völlig davon besessen ist, das Lebersarkom eines sterbenden Patienten zu konservieren und dafür soweit geht, sich das nekrotische Organ zwischenzeitlich selbst einpflanzen zu lassen, um es nur ja nicht zu verlieren.
Zu den Höhepunkten dieses grandiosen Narrenzirkus‘ gehören auch die Sequenzen um die Sitzungen der Geheimloge der betagteren Mediziner des „Riget“: Was eigentlich eine einflussreiche Gruppe in der Tradition der Freimaurer sein sollte, erweist sich als eine abstruse Ansammlung sich eindeutig viel zu wichtig nehmender, alter Kindsköpfe, von denen man keinen einzigen ernst nehmen kann.
„Riget“, ein vitaler Quell scharfen bis abseitigen Humors, ist ungebrochen großartig und ein Musterexempel dafür, was Fernsehen zu leisten im Stande ist, wenn man es nur lässt.

9/10

THE KISS

„What do you want?“ – „A kiss…“

The Kiss (Der Kuss) ~ CA/USA 1988
Directed By: Pen Densham

Seit sie ein Kind (Priscilla Mouzakiotis) war, ist Felice (Joanna Pacula) von einem afrikanischen Katzendämon besessen, den dereinst ihre jenem Wesen vormals als Wirt dienende Tante (Céline Lomez) auf sie übertragen hat. Nun, 25 Jahre später, benötigt der Dämon wieder einen neuen Körper, denn der von Felice beginnt langsam zu zerfallen. Also taucht Felice erstmals und urplötzlich im Leben ihrer Verwandten auf. Nachdem sie sich mithilfe ihrer Voodoo-Fähigkeiten zunächst ihrer seit damals im Bilde befindlichen Schwester Hilary (Pamela Collyer) entledigt hat, macht sich Felice an Hilarys Mann Jack (Nicholas Kilbertus) und ihre sechzehnjährige Nichte Amy (Meredith Salenger) heran. Amy ist es auch, die der Dämon sich als neuen Wirtskörper ausersehen hat. Doch das clevere Mädchen ahnt von Anfang an, dass mit Felice etwas nicht stimmt und begegnet der „neuen“ Tante mit wachsendem Misstrauen. Als Felice dann ihr wahres Gesicht offenbart, ist es fast schon zu spät.

80s-Horror wie ich ihn mag. Hübsch flächig und mit wenigen echten Höhepunkten inszeniert folgt „The Kiss“ unbeirrt seiner traditionsverhafteten Dramaturgie. Abermals gibt es ein ebenso hübsches wie gescheites teenage girl, das zusammen mit dem sie seelisch unterstützenden Publikum in der screcklichen Situation leben muss, die herannahende Katastrophe als einzige zu ahnen und parallel dazu mit der blinden bis aggressiven Ignoranz aller übrigen Individuen um sie herum gestraft ist. Gibt es dann doch mal mögliche Vertraute, wie Amys potenziellen Galan, den Konditorenlehrling Terry (Shawn Levy), so werden diese natürlich gleich von der bösen Dämonin aus dem Wege geräumt. Immerhin gibt es am Ende noch die wahre Ersatzmutter und toughe Nachbarin Brenda (Mimi Kuzyk), die das Ruder noch gerade eben herumreißen kann.
Ferner lässt sich wohl festhalten, dass „The Kiss“, obschon er einiges an netter Effektarbeit von Chris Walas aufweist, ein wenig in Vergessenheit geraten ist und dies wohl auch nicht ganz zu Unrecht. Es finden sich nämlich, was der Innovativität der Story geflissentlich im Wege steht, etliche Motive aus anderem zeitgenössischen Genrewerk in ihm verwurstet: Die dämonisierte Bedrohung durch selbstbestimmte, weibliche Sexualität, die Angst vor der Katze als Symboltier des Übernatürlichen, in der afrikanischen Folklore verwurzelte Voodoo-Magie und schließlich das sich als ekliger, parasitärer Fäkalwurm entpuppende Monster. Das gab’s alles irgendwie auch anderswo, nur dann eben auf sich selbst konzentriert und nicht zu gemischtem Brät durchgedreht. Macht aber eigentlich nichts weiter; der historisch zugeneigte Aficionado wird an „The Kiss“ seine Freude haben.

6/10

THE WORLD’S GREATEST ATHLETE

„I’ve never seen anything like this in my entire illustrious career!“

The World’s Greatest Athlete (Big Boy – Der aus dem Dschungel kam) ~ USA 1973
Directed By: Robert Scheerer

Als Trainer für diverse Collegeteams ganz unterschiedlicher Provenienz sind Coach Sam Archer (John Amos) und sein depperter Assistent Milo Jackson (Tim Conway) zwei veritable Vollnieten. Während eines Erholungsurlaubs in der Wildnis von Sambia erblickt Archer dann sein privates achtes Weltwunder: Das weiße Findelkind Nanu (Jan-Michael Vincent), Allround-Ass in sämtlichen Sportarten. Wenn Archer sich jemals gesundstoßen kann, soviel ist sicher, dann nur mithilfe von Nanu. Doch dieser will gar nicht weg aus seinem Urwald und so erfindet Archer einen ziemlich üblen Trick, um Nanu zum Mitgang in die Staaten zu bewegen. Nachdem dieser dort zusammen mit seinem Haustiger Harry angekommen ist, wird er sogleich von Archer als Stipendiat an der Provinz-Uni Merrivale untergebracht und bald zur College-Leichtathletik-Meisterschaft angemeldet, wo er sämtliche Zehnkampf-Disziplinen bestreiten soll. Doch zwischen Nanus Supertriumph und Archers Höhenflug stehen noch der eifersüchtige Leopold (Danny Goldman) und Nanus Patenonkel Gazenga (Roscoe Lee Browne)…

Wenn man semivergessene Lieblingsfilme aus Kindertagen wiederentdeckt, fällt die Revision manchmal recht ernüchternd aus. Im Erfolgsfall lokalisiert man jedoch neue Facetten, die die alten überstrahlen oder kratzt optimalerweise eine verloren geglaubte Liebe frei. Der von Disney produzierte „The World’s Greatest Athlete“, über dessen beschränkten deutschen Titel gepflegt das Mäntelchen des Schweigens gelegt werden sollte, besitzt gewiss kein Gardemaß innerhalb des Comedy-Genres. Als „Tarzanade“, in der – wie aus der Gattung gewohnt – ein archaisch aufgewachsener Weißer mit der korrupten Zivilisation konfrontiert wird und am Ende frustriert, aber umso klüger in die Wildnis zurückkehrt, fällt er in jene Periode, in der Disneys vormals bereits zu Legendenstatus gelangte Zeichentrick-Sektion im Abklingen begriffen war und sich neu zu erfinden hatte. Scheerers Film ist im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Studio-Produktionen sichtbar günstig produziert, arbeitet mit schlechten bis peinlichen Gadgets wie miesen Rückprojektionen und artifiziell aussehenden Atelierkulissen. Die Kamera bleibt häufig statisch, die Inszenierung behäbig, die Kadrage unausgegoren. Doch all das verpufft flugs zu Nichtigkeiten angesichts des grandiosen Scripts von Gerald Gardner und Dee Caruso und der nicht minder vorzüglich aufgelegten Darsteller Amos, Conway und Browne. „The World’s Greatest Athlete“ hält bald mühelos ein gleichbleibend komisches Niveau mit etlichen gelungenen Gags, die vor allem auf den Rücken der drei genannten Darsteller ausgetragen werden. Der vollgefressene (oder trächtige, das kann man sich wohl aussuchen) Tiger ist super, besonders, wenn er verkleidet wird, um ihn an der kurzsichtigen Vermieterin (Nancy Walker) vorbeizuschmuggeln. Es gibt eine bravourös-witzige Miniaturisierungssequenz, die wohl am Ehesten entlarvt, weshalb Tim Conway an Platz 1 der Besetzungsliste steht und der Showdown mit noch mehr Voodoozauber und rund um den geschwätzigen Kommentator Howard Cosell, der seine Kollegen partout nicht zu Wort kommen lässt, verdient seinen Namen vollauf. Sehr fein passt dazu auch Marvin Hamlischs treibende Musik.
Ich habe diesen urkomischen, leider viel zu unbekannten Film, von dem eine hiesige, digitale Veröffentlichung noch immer auf sich warten lässt, nach einer Pause von bestimmt 25 Jahren wiedergesehen und war doch mittelschwer von seiner liebenswerten, erfrischenden Erscheinung angetan. Könnte ich gleich nochmal schauen.

8/10