RUN ALL NIGHT

„Tell everyone to get ready. Jimmy’s coming.“

Run All Night ~ USA 2015
Directed By: Jaume Collet-Serra

Nachdem der irischstämmige New Yorker Jimmy Conlon (Liam Neeson) viele Jahre als Killer für seinen besten Freund, den Syndikatsboss Shawn Maguire (Ed Harris) gearbeitet hat, fristet er sein Leben als dauerbesoffener Schnorrer und Tagedieb. Sein Sohn Mike (Joel Kinnaman), verheiratet und Vater zweier Kinder, will von ihm nichts wissen. Shawn hat derweil seinerseits Probleme mit dem eigenen Filius Danny (Boyd Holbrook), einem koksenden, lauten Störenfried, der seinen Vater gern in Geschäfte mit der albanischen Heroinmafia einspannen würde. Als dieser ablehnt und Danny jede weitere Hilfe versagt, erschießt dieser die beiden entsandten Albaner (Radivoje Bukvic, Tony Naumovski) kurzerhand, wird dabei jedoch durch einen dummen Zufall von deren Chauffeur, Mike Conlon, beobachtet. Nunmehr macht Danny Jagd auf Mike. Jimmy erfährt von der Sache und rettet Mike das Leben, indem er Danny tötet. Der vor Wut schäumende Maguire Senior vergisst alle Freundschaft und will weder Vater noch Sohn Conlon lebend davon kommen lassen. Ihn und seine Leute, einen übereifrigen Police Detective (Vincent D’Onofrio) und einen psychopathischen Profikiller (Common) auf den Fersen, erwartet die Conlons eine lange Nacht.

Einen der kaum mehr überschaubar vielen Genrefilme, auf die sich Liam Neeson im Alter und wohl beginnend mit Pierre Morels „Taken“ verlegt hat. Auch gemeinsam mit dessen Regisseur, dem spanischstämmigen Jaume Collet-Serra, hat Neeson nunmehr bereits vier Filme gemacht, wobei ich „Run All Night“ immerhin hinreichend ansehnlich fand, mir die übrigen drei in Kürze auch anschauen zu wollen. Nun darf man von diesem, einem grundsätzlich amttlich gecrafteten Gebrauchsfilm immerhin, keine sonderliche Innovation erwarten. Collet-Serras diverse neo-klassische Elemente aus Action- und Gangsterkino fusionierendes Werk schippert auf den ersten Blick im direkten Fahrwasser von Chad Stahelskis „John Wick“: Ein verzogener Gangsterfilius weckt durch sein koksinduziertes, egomanisches Verhalten einen eigentlich zu allseitiger Milieuberuhigung lange schlafenden Hund, der sein vormaliges Handwerk reumütig an den Nagel gehängt glaubt. Der aufgrund fehlgeleiteter Familienehre gekränkte Bossvater entfesselt daraufhin eine leichenreiche Hatz, deren Verlierer am Ende zwangsläufig er selbst und seine Organisation sein müssen, da die sie mitreißende Ein-Mann-Naturgewalt allzu entschlossen agiert. Soweit das Grundprinzip eben auch von „Run All Night“, der insofern noch interessant ist, als dass er sich ein wenig in die Subkultur irischen Migrantentums vortastet und mit Ed Harris einen diesbezüglich ja hinlänglich beschlagenen Antagonisten aufbietet. So ist es vor allem das Väterduell der beiden alternden Stars, das das Herz das Films schlagen lässt. Davon unabhängig, dass der eine der beiden, zumindest bezogen auf ihren gegenwärtigen Clinch, auf der moralisch sicheren Seite steht, hat Jimmy Conlon freilich allzu viele Sünden auf dem Kerbholz, um dem im Morgengrauen und upstate angesiedelten Finale als Katholik noch lebend entweichen zu dürfen – zu viele Opfer sind dem zeitweilig als „The Gravedigger“ Berüchtigten ehedem vor den Lauf geraten. Dabei sühnt Jimmy im Inneren bereits seit vielen Jahren. Vom Gewissen erdrückt, dem Sohn entfremdet und dem Suff verfallen, ist er seinen alten Kumpanen bestenfalls noch für schäbige Scherze gut und darf gerade noch volltrunken den Weihnachtsmann auf Shawns Familienfeier darbieten. Doch wehe, es wird persönlich (und das wird es) – Jimmy ist schneller nüchtern als die nächste Whiskeyflasche entkorkt und türmt im Nullkommanichts Leichen auf wie zu seinen besten Zeiten.
Collet-Serra inszeniert diesen doch relativ austauschbaren Plot dynamisch und wendungsreich; dabei gefällt er sich durch mäßig aufregende, um nicht zu konstatieren redundante Regiesperenzchen wie gewaltige time lapse shots durch das nächtliche New York, die dem eigentlichen Wesen des Narrativs als kammerspielartiger Doppelvendetta eher zuwider laufen. Dennoch bietet „Run All Night“ summa summarum noch immer genug an brauchbaren Elementen, um im leicht überdurchschnittlichen Qualitätssektor bestehen zu können.

7/10

THE LODGE

„Confess your sins! Repent!“

The Lodge ~ UK/CA/USA 2019
Directed By: Veronika Franz/Severin Fiala

Als Richard Hall (Richard Armitage), Erfolgsjournalist, Ehemann und Vater der zwei Kinder Aidan (Jaden Martell) und Mia (Lia McHugh), seiner Noch-Gattin Laura (Alicia Silverstone) unmissverständlich bedeutet, dass er endgültig die Scheidung wünscht, nimmt die ohnehin depressive Frau sich das Leben. Schon seit Längerem pflegt Richard derweil eine Beziehung zu der jüngeren Grace (Riley Keough), die durch eine grauenhafte Vergangenheit als Kind in den Fängen einer Sekte von Christenfanatikern traumatisiert ist. Um erste Kontakte zwischen Grace und den Kindern anzubahnen, plant Richard ein gemeinsames Weihnachtsfest in einer abgelegen Winterlodge, wo er die Drei zunächst aus geschäftlichen Gründen ein paar Tage allein lassen und später dazustoßen will. Aidan und Mia jedoch machen nicht nur ihren Vater und Grace mittelbar für Lauras Suizid verantwortlich, sie sind auch in keiner Weise daran interessiert, eine „Ersatzmutter“ zu akzeptieren. Also hecken sie einen gemeinen Streich aus, der ungeahnte Folgen hat…

Für das österreichische Regieduo Franz/Fiala, das mit dem eindrucksvollen „Ich seh ich seh“ bereits eine sehr spannende psychologische Studie über die Entfremdung zwischen Kindern und ihren erwachsenen Bezugspersonen sowie gemeinhin über verhängnisvolle infantile emotionale Störungen vorlegen konnte, dürfte allein die Aussicht, mit seinem Zweitprojekt unter dem renommierten Genredach der britischen Hammer Films arbeiten zu können, von vielversprechender Anmutung gewesen sein. So entpuppt sich „The Lodge“ dann auch zumindest inhaltlich als nachgerade klassischer Thrillerstoff, wie die Hammer ihn auch problemlos innerhalb ihres von Jimmy Sangster gescripteten Sechzigerjahre-Kleinverschwörungszyklus hätten veröffentlichen können. Die Motive darin ähnelten sich in der Regel ja doch recht eklatant – zumeist ging es um ein psychisch bereits stark angegriffenes und/oder traumatisiertes Individuum, das von ränkeschmiedenden, bösen Verwandten, Erbschleichern oder sonstigem Kroppzeug in die völlige Unzurechnungsfähigkeit getrieben und so von Haus und Grund gejagt werden sollte. Üblicherweise gingen die Pläne des oder der Intriganten am Ende dann aber ab einer gewissen „Sollbruchstelle“ nach hinten los und drehten ihnen auf die eine oder andere Art selbst den Strick. Wer anderen eine Grube gräbt… etc.pp., man kennt das. Auch Gimmick-Filmer William Castle nahm sich gern dieses immer wieder ergiebigen Sujets an.
Nun sind Franz und Fiala nicht bloß sorglose Geschichtenerzähler und Suspenseverbreiter, sondern bemühen sich, das lässt sich spätestens jetzt, nach ihrem zweiten Film sagen, um eine spezifische inszenatorische Handschrift. „The Lodge“ ist voll von Symbolen, Bildern und Zeichen, die Anlass zu diversen Spekulationen liefern und das bevorstehende Unheil bereits erahnen lassen. Ob übernatürliche Elemente im Spiel sind, das Jugendtrauma der Protagonistin oder die Handlungsmotivation der unzufriedenen Kinder den maßgeblichen Ereignismotor bilden, lässt sich über weite Strecken nur mutmaßen. Das eindringliche Finale schließlich, dem, soviel darf man an dieser Stelle wohl festhalten, ohne allzuviel auszuplaudern, ein buchstäblich animalischer Trigger vorgeschaltet ist, weckt schließlich warme Erinnerungen an das Traditionshandwerk des oben genannten Studios. Nicht ganz so vereinnahmend wie „Ich seh ich seh“ gelang Franz und Fiala mit „The Lodge“ doch ein ihren bisher eingeschlagenen Weg weiterbeschreitender Film, der sich, zumal für Hammer-Kenner und -Liebhaber, absolut lohnen dürfte.

7/10

36.15 CODE PÈRE NOËL

Zitat entfällt.

36.15 Code Père Noël (Deadly Games) ~ F 1989
Directed By: René Manzor

Thomas de Frémont (Alain Lalanne) ist neun Jahre alt, liebt reaktionäre amerikanische Actionfilme, Spiele aller Art und betätigt sich bereits als Nachwuchsprogrammierer. Thomas‘ Mutter Julie (Brigitte Fossey) arbeitet als Kaufhausmanagerin und ist daher auch an Weihnachten noch schwer beschäftigt, sein Großvater (Louis Ducreux) kümmert sich jedoch rührend um den Jungen. Thomas‘ größte Herausforderung zum Fest der Liebe besteht darin, die Existenz des Weihnachtsmannes zu beweisen. Zu diesem Zweck hat der Tüftler die gesamte, heimische Provinzvilla mit Kameras versehen. Der Herr (Patrick Floersheim) jedoch, der im Nikolauskostüm durch den Kamin herabkommt, ist mitnichten der liebe „Père Noël“, sondern ein mörderischer Psychopath, der just zuvor wegen einer Übergriffigkeit von Julie entlassen wurde. Allein in dem riesigen Anwesen muss sich Thomas gegen den tödlichen Weihnachtsmann zur Wehr setzen…

Als finsteres Märchen mit kindlichem Protagonisten, das sich dennoch an ein primär erwachsenes Publikum richtet, verortet sich „36.15 Code Père Noël“ irgendwo in der Genealogie zwischen Filmen wie „Night Of The Hunter“, „Something Wicked This Way Comes“, „Lady In White“ und „The Reflecting Skin“, in denen jeweils halbwüchsige Helden mit furchtbaren Erfahrungen und somit traumatischen Erkenntnissen über die Schattenseiten der Existenz konfrontiert werden. Auch Manzors Film, für dessen Genuss man als mündiger Zuschauer ein gerüttelt‘ Maß an Akzeptanzflexibilität aufbringen muss, gestattet sich dabei trotz aller Konsequenz immer wieder auch notwendige, ironische Brüche. Schon die Anfangssequenz, die mit einer abgewandelten Variation von „Eye Of The Tiger“ unterlegt ist, zeigt Thomas, wie er sich am Heiligmorgen martialisch ausstaffiert, um im Zuge eines seiner Kriegsspiele (die heimische Villa fungiert dabei für ihn wie ein gigantischer Abenteuerspielplatz) den Hund als Gegner zu jagen. Die Sequenz verbindet in einer Eins-zu-Eins-Montage einstellungsgetreu die beiden „Präparationsszenen“ aus „Rambo: First Blood Part II“ und „Commando“, in denen sich Stallone bzw. Schwarzenegger unter schwitzigem Muskelspiel waffenstarrend ausstaffieren, um sich hernach ihrer jeweiligen Mission widmen zu können. Zugleich ist Thomas bei aller technischen wie intellektuellen Hochbegabung jedoch auch noch ganz kleiner Junge, der sich den Zauber des Weihnachtsfests durch den festen Glauben an Père Noel, wie der Nikolaus in Frankreich gerufen wird, weiterhin präserviert. Sein ehrgeiziger Versuch, dessen Existenz zu beweisen, endet jedoch in der schlimmstmöglichen Bestrafung, die ein derartiger Frevel, also die radikale Konfrontation von Glauben und Vernunft, nach sich zu ziehen vermag: Die erste Handlung des eingedrungenen, psychotischen Weihnachtsmanns besteht darin, Thomas‘ Hund abzustechen. Was Manzor bereits zuvor als latente Bedrohlichkeit zeichnete, bricht sich hier endgültig Bahn; der Killer, der zu diesem Zeitpunkt bereits die Familie des Verwalters auf dem Gewissen hat, wird nicht davor zurückschrecken, in mörderischer Absicht auch auf Thomas und seinen halbblinden Großvater loszugehen. Einzig die Findigkeit des Jungen und seine wiederum kindlich bedingte Gabe, das Duell gegen den Irren wie eine seiner vielfach erprobten, kombattanten Spielsituationen zu begehen, helfen ihm, den Kampf erfolgreich durchzustehen. Wie und ob Thomas sich nach dieser gewaltsam-abrupten Negation aller infantilen Magie psychisch gesund weiterentwickeln soll, daran dürften nach Filmende berechtigte Zweifel bestehen.

7/10

DADDY’S HOME TWO

„Why didn’t het let go?“ – „Because he’s an idiot!“

Daddy’s Home Two (Daddy’s Home 2 – Mehr Väter, mehr Probleme) ~ USA 2017
Directed By: Sean Anders

Nachdem es Brad Whitaker (Will Ferrell) und Dusty Mayron (Mark Wahlberg) gelungen ist, ihre Differenzen beizulegen, ist so etwas wie echte Freundschaft zwischen den ungleichen Vätern entstanden. Kleinere Zipperlein wie das dezentralisierte, jährliche Weihnachtsfest lassen das Patchwork-Leben jedoch noch immer etwas kompliziert erscheinen, was besonders die Kinder trifft. Um auch diesen Zustand zu optimieren, sollen in diesem Jahr Brads und Dustys Väter eingeladen werden, ersterer (John Lithgow) ein ewig gut gelaunter Weltverbesserer und Idealist der alten Schule, zweiterer (Mel Gibson) ein Ex-Astronaut und unrettbarer Schürzenjäger mit höchst tradierten Gendervorstellungen, der sogleich die Gelegenheit nutzt, zum Fest ein schickes Chalet zu mieten, in dem die komplette Familie Platz hat. Gibt es unter der höchst heterogenen Mischsippe nicht bereits genug Sticheleien und böses Blut, eskaliert die Situation endgültig, als Dustys „Vorgänger“ Roger (John Cena) vor Ort auftaucht…

Dafür, dass nicht bevorzugt eine der verdienteren Ferrell-Komödien wie „Step Brothers“ oder „The Other Guys“ eine Fortsetzung erfahren durfte anstelle des etwas braver geratenen „Daddy’s Home“, mag es triftige Gründe geben. Ich selbst hätte dergleichen bevorzugt, kann aber auch mit „Daddy’s Home Two“ gut leben.
Nachdem sich Ferrell und Wahlberg im ebenfalls von Sean Anders kreierten Vorgänger bereits Einiges an hochnotpeinlichen Schlagabtäuschen zu liefern hatten, spitzt sich die Situation im Sequel quasi noch mehr zu, indem die – natürlich völlig erwartungsgemäß metaklischiert charakterisierten – Erzeuger der Erzeuger auftauchen und ein Maximum an Unruhe in den zuvor so filigran austarierten Familienhaushalt bringen. Die Kunst Anders‘ liegt darin, den vier männlichen Protagonisten jeweils hinreichend Bühne zu bereiten und nicht einen von ihnen im Regen stehen zu lassen. Dies gelingt ihm zwar nicht immer ganz zuverlässig, funktioniert jedoch über weite Strecken recht reibungslos. Die Senioren Lithgow und Gibson erweisen sich als Erste Wahl für die völlig diametralen Opas, wobei besonders der gebürtige Australier allerlei Gelegenheit erhält, seine Eskapaden der letzten Jahre und sein infolge dessen lädiertes öffentliches Image fürstlich aufs Korn zu nehmen, indem er seinem Part die ultimative Mischung aus konservativem Hardliner und reaktionärem Macho verleiht, der als Vater (und Großvater) natürlich ein völliger Versager ist, jedoch viel zu sehr eingefleischter Egomane, um selbiges überhaupt noch zu bemerken. Dennoch, wenn Gibson sich über Whitaker Junior und Senior lustig macht, kann man nicht anders, als es ihm gleich zu tun, worin der Film die schönsten Momente seiner sonst oftmals nur angedeuteten Doppelbödigkeit entwickelt.
Ansonsten setzt sich die zuletzt beobachtete Tendenz, derzufolge Ferrells Humoresken  zunehmend entschärft und auf eine familientauglichere und politisch sensitivere Ebene gehievt werden, neuerlich beobachten. Echten Biss entwickelt „Daddy’s Home 2“ nur ganz selten, und dann beinahe wie zufällig. Er begreift sich vermutlich eher als traditionsbewusster Beitrag zum beliebten, klassischen Subgenre der amerikanischen Weihnachtskomödie. Und dass die in den allermeisten Fällen harmonisch und versöhnlich ausfällt, gehört zu ihrem ureigenen Impetus.

7/10

WHITE CHRISTMAS

„How much is „wow“?“

White Christmas (Weiße Weihnachten) ~ USA 1954
Directed By: Michael Curtiz

Während seines überseeischen Einsatzes im Zweiten Weltkrieg lernt der Broadway-Star Bob Wallace (Bing Crosby) den musikalisch ebenfalls höchst begabten Phil Davis (Danny Kaye) kennen, der ihm eines Abends das Leben rettet. Nach Kriegsende bilden die beiden ein schwer erfolgreiches, vollbeschäftigtes Gesangsduo. Durch eine Zufallskette geraten sie kurz vor den Weihnachtsfeiertagen gemeinsam mit den ebenfalls singenden Schwestern Betty (Rosemary Cloones) und Judy Haynes (Vera-Ellen) von Florida nach Vermont, wo sie ihren alten General Waverly (Dean Jagger) wiedertreffen, der mittlerweile Besitzer eines Hotels ist. Jenes ist vom Schließen bedroht, da das eigentliche Winterparadies Vermont in diesem Jahr traurig grün geblieben ist. Als auch noch Waverlys Reaktivierungsgesuch abgelehnt wird, entschließen sich Bob und Phil, dem alten Haudegen aus der Patsche zu helfen…

Hurra, die Army ist da! „White Christmas“, die erste Paramount-Produktion, die deren neues VistaVision-Breitformat flankierte, ist so uramerikanisch wie Coca Cola und McDonald’s; er kombiniert die schwungvollen Musical-Nummern Irving Berlins mit einem im Grunde nicht vorhandenen Plot, der einzig dazu dient, die von den vier Showgrößen vorgertragenen Schlager lose miteinander zu verkleistern, verbrät mit Michael Curtiz einen großen Hollywood-Meister und filmischen Alleskönner und singt ein schnittiges Heldenlied auf die Jungs vom Militär und ihre Meriten drüben gegen die Krauts, das unter großem Hallo im Stück „Gee, I Wish I Was A Soldier Again“ mündet. Der Titelsong derweil wird als Einrahmung (ebenso wie mittendrin die Nummer „Sisters“) gleich zweimal vorgetragen, nämlich am Anfang in einer winterlichen Bombenruine irgendwo in Europa und zum Abschluss mit putzigen Kindern und gewaltiger Nordmanntanne. Dabei hatte Crosby ihn bereits zweimal zuvor auf der Leinwand geschmettert, zwölf und acht Jahre zuvor. Was die Liebesromanze zwischen Crosby und Clooney und deren zwischenzeitliche Krise anbelangt, so kommt das Ganze alberner daher als jede Bollywood-Animosität. Im Gegensatz zu den Filmmusicals von Vincente Minnelli, Stanley Donen oder später Bob Fosse, die als omnipotente Kunstwerke eine wesentlich universellere Sprache sprechen, liefert „White Christmas“ also tatsächlich und vor allem anderen amerikanisches Kulturgut und lässt sich als solches im Prinzip auch einzig und allein begreifen und konsumieren. Wie eine Zwei-Liter-Flasche Coke auf Ex, zuvor vom rotwangigen Weihnachtsmann persönlich mit drei goldenen Schleifchen drum auf seinem fliegenden Rentierschlitten durch den Kamin abgeliefert.

7/10

THE LONG KISS GOODNIGHT

„The last time I got blown, candy bars cost a nickel.“

The Long Kiss Goodnight (Tödliche Weihnachten) ~ USA 1996
Directed By: Renny Harlin

Trotz einer retrograden Amnesie, die ihr gesamtes Leben bis vor acht Jahren völlig vernebelt, lebt die brave Hausfrau Samantha Caine (Geena Davis) glücklich mit Lebensgefährten (Tom Amandes) und Töchterchen (Yvonne Zima) in einer beschaulichen Kleinstadt in Pennsylvania. Ein Autounfall sorgt für erste, bruchstückhafte Erinnerungen an ihr früheres Dasein, parallel dazu findet auch der von Samantha beauftragte Privatdetektiv Mitch Hennessey (Samul L. Jackson) Hinweise auf ihre tatsächliche Biographie. Als ein einäugiger Verrückter (Joseph McKenna) Samantha in ihrem Haus attackiert, macht sie sich mit Mitch auf die Suche nach ihrem früheren Selbst. Die Wahrheit erweist sich als bleihaltiger denn befürchtet: Samantha ist in Wirklichkeit eine CIA-Killerin namens Charly Baltimore (Geena Davis), die einst während der Erfüllung eines Auftrags ins Meer stürzte und die Erinnerung verlor. Ihr damaliges Zielobjekt „Daedalus“ (David Morse) arbeitet jetzt mit der CIA zusammen. Diese plant, zu Zwcken der Budgeterhöhung durch den Kongress, einen islamistischen Terroranschlag vorzutäuschen. Samantha/Charly, die zwischenzeitlich wieder ganz ihre alte, knallharte  Persönlichkeit wiederentdeckt hat, und dem verdutzten Mitch bleiben nurmehr Stunden, um das „hausinterne“ Attentat zu verhindern…

Renny Harlins achte Regiearbeit, nach dem katastrophal gefloppten Piratenabenteuer „Cutthroat Island“ ein abermaliges Geschenk an seine damalige Ehefrau Geena Davis, hatte ich bis dato nur einmal, nämlich bei seinem damaligen Videostart, gesehen und fand ihn ehedem recht albern und blöd. Jetzt bekam ich Lust, ihn mir nocheinmal anzuschauen und gehe doch unerwartet versöhnt aus dem Wiedersehen hervor. „The Long Kiss Goodnight“, den, wie ich vor einiger Zeit in einem Interview mit ihm gelesen habe, Samuel L. Jackson als von all seinen Filmen als seinen ihm liebsten bezeichnet, was ja doch einer mittelschweren Adelung gleichkommt, fiel mir heuer vor allem als Baby des Scriptautors Shane Black ins Auge. Dieser kombinierte seinerzeit ja stets und in der Regel recht erfolgreich explosives und über die Maßen gewalttätiges Actionkino mit obligatorischer Heldenfolter durch die Bösewichte sowie trockenstem Humor und entsprechend knackigem Dialog, der sich hier insbesondere durch eine großzügige Sprüchekaskade seitens Jacksons sympathischer Figur abzeichnet. Dieser Mitch Hennessey, ein korrupter Ex-Cop, der sich nicht entblödet, sein schmales Privatdetektivs-Einkommen durch das eine oder andere krumme Geschäft aufzubessern, ist trotz Geena Davis‘ kaum minder intensiver Darstellung das eigentliche Herz des Films. Gerade aus der Buddy-Partnerschaft dieser beiden höchst gegensätzlichen Charaktere, die zwischenzeitlich sogar Ansätze einer möglichen (im Sinne der Storyline jedoch wiederum unmöglichen) Romanze zum Anklingen bringen, bezieht „The Long Kiss Goodnight“ viel von seinem Reiz. Doch auch sonst darf ich nunmehr konstatieren, dass Harlins Film zu den Vorzeigeexemplaren des im Vergleich zur Vorgängerdekade an Höhepunkten eher bescheidenen Actionkinos der Neunziger zählt, der wohl nicht zuletzt aufgrund der Herkunft des Regisseurs einen gesunden „europäischen“ Touch und damit eine recht spezifische Signatur besitzt und nur selten durch kleinere Redundanzen (damit meine ich den xten Moment, in dem Geena Davis als ihren Gender-Konterparts überlegene, knallharte Superkillerin mit lockerem Mundwerk veräußert wird sowie die eine oder andere rückblickend eher bescheiden in den Bildkader integrierte Kunstexplosion) an Qualität einbüßt. Diese Ausgrabung hat sich durchaus gelohnt.

7/10

BAD SANTA

„Fuck me, Santa!“

Bad Santa ~ USA 2003
Directed By: Terry Zwigoff

Jedes Jahr zu Weihnachten lässt sich der versoffene Safeknacker Willie T. Stokes (Billy Bob Thornton) von seinem kleinwüchsigen Kumpan Marcus (Tony Cox) für einen Kaufhaus-Coup anheuern. Der Plan ist jedesmal derselbe: Willie und Marcus arbeiten vor Ort als Weihnachtsmann und Wichtel und räumen dann irgendwann kurz vorm Fest den prall gefüllten Tresor leer. Doch in diesem Jahr ist etwas anders: Der höchst verschrobene, dicke Zehnjährige Thurman Merman (Brett Kelly) begegnet Willie und erweicht, ganz gemächlich und unversehens, das Herz des bösen Zynikers…

Ich oute mich jetzt mal als erklärter Nichtfan dieser allzu offensichtlichen, in Wahrheit keineswegs „bösen“, sondern sich im Gegenteil sogar als höchst philanthropisch deklarierenden Weihnachtskomödie. Mal ganz ehrlich: Wenn man plant, einen Film über einen ausgesprochenen Arschloch-Weihnachtsmann herzustellen, dann kann man sich allerlei unappetitlichen, wirklich hundsföttischen Schabernack einfallen lassen – oder auf Nummer Hundertpro gehen und ein bombensichers Lehrbuchscript wie dieses zur Hand nehmen. Es beginnt schon damit, dass Thornton nicht böse ist, sondern bloß ganz normal lässig. Jesses, der Mann flucht, säuft, vögelt und hasst die Welt – was soll daran Anstoß erregen in Zeiten, die Mafiosi, Killer, Dealer und Serienmörder zu liebenswerten Film- und TV-helden deklarieren?
Ach, man kann sich eigentlich kurz fassen: Da dies ein Weihnachtsfilm ist – und, ich kann mich da nur wiederholen, gewiss keiner, der nicht etwa im Geiste sämtlicher klassischen, amerikanischen Weihnachtsgeschichten seit anno dunnemals stünde – wird der fiese Möpp schlussendlich natürlich geläutert und darf bald seine lustige, neue Patchworkfamilie in die Arme schließen. Das ist kein Weihnachts-Antidot und keine zynische, oder gar böse Anarchokomödie, sondern just das Gegenteil von alldem: eine brave, biedere Spießerausgeburt nämlich, klammheimlich schmalzig und kleingeistig und damit so ziemlich das Gegenteil von dem, was mir die meisten Leute in ihm zu sehen glauben.

5/10

DON’T OPEN TILL CHRISTMAS

„I have a reasonable suspicion!“

Don’t Open Till Christmas (Fröhliche Weihnacht) ~ UK 1984
Directed By: Edmund Purdom

Ein maskierter Irrer streift durch das weihnachtliche London und bringt wahllos jeden als Weihnachtsmann verkleideten Zeitgenossen um, dessen er habhaft wird. Die junge Kate Briosky (Belinda Mayne), deren Vater (Laurence Harrington) zu den Opfern des Killers zählt, macht sich auf, Scotland Yard bei der Tätersuche zu unterstützen. Dabei kommt sie einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur…

Ein Film, an dem so ziemlich alles sonderbar bis wunderlich ist. Von eher italienisch anmutender Provenienz beseelt, würde man eigentlich zu keiner Sekunde erwarten, hier einer englischen Produktion ansichtig zu werden – und doch, auch die Briten verließen hier und da die hochnäsigen Pfade ihrer im Regelfalle kultivierteren Kinofabrikation, um dann einmal so richtig die Sau durchs Dorf zu treiben. Exemplarisch geschehen im Falle dieses vollranzigen Exploiters, der einzigen Regiearbeit des vom vielversprechenden Nachwuchs-Hollywoodstar auf Euro-Abwege geratenen Edmund Purdom. Von Mankiewicz über Curtiz und Thorpe bis hin zu Aristide Massaccesi und Sergio Martino führte seine illustre Filmkarriere – und bis zu diesem zweifelhaften Höhepunkt der buchstäblichen Selbstinszenierung. So erklärt sich die Genese des Films immerhin zumindest ansatzweise: Joe D’Amato hat Edmund Purdom hypnotisiert und nicht mehr aufwachen lassen!
Das Script zu „Don’t Open Till Christmas“ ist ein Musterexempel an Brüchen und Fehlerbehaftung; teilweise wird der Zuschauer mit absolutem Nonsens konfrontiert, den er dann rigoros zu schlucken gezwungen ist. Der Schmier tropft aus allen Ritzen und irgendwie erweisen sich diese ganzen vollkommen versoffenen und notgeilen Weihnachtsmänner dann auch als so widerwärtig, dass man dem Mörder nurmehr alles Gute wünscht beim Großreinemachen. Wie Caroline Munro als Sängerin einer Popgruppe mit einer einzigen Dialogzeile sich zu ihrem Gastauftritt überreden ließ, wäre dann noch zu klären. Oder auch nicht.
Dass jedenfalls soviel exorbitanter Schund gar nicht anders kann, denn sich bald als liebenswertes Artefakt seiner Zeit zu erweisen, muss kaum gesondert erwähnt werden. Seien Sie dabei! Mindestens so deliziös wie eine madenverseuchte, schimmlige Weihnachtsgans aus dem Römertopf! Sehen, hören, staunen!

5/10

YOU BETTER WATCH OUT

„But if you’re bad boys & girls, your name goes in the ‚Bad Boys & Girls‘ book, and I’ll bring you something… horrible!“

You Better Watch Out (Teuflische Weihnachten) ~ USA 1980
Directed By: Lewis Jackson

Seit er als kleiner Junge (Gus Salud) mitansehen musste, wie sein als Weihnachtsmann verkleideter Vater (Brian Hartigan) seiner Mom (Ellen McElduff) in unmittelbarer Nähe des geschmückten Baumes einen gepflegten Cunnilingus verabreichte, ist Harry Stadling (Brandon Maggart) nachhaltig traumatisiert. 33 Jahre später bricht sich seine Neurose dann Bahn: Als Santa Claus ausstaffiert fährt Harry durch seine weihnachtliche Heimatstadt und schickt sich an, seine ihm auferlegte Mission zu erfüllen – die Braven zu beschenken und die Bösen zu bestrafen…

Lewis Jacksons arriviertes Indie-Schmuckstück hat sich zu einem kleinen Dauerbrenner des 42nd-Street-Cinema entwickelt, und dies durchaus berechtigt. Ähnlich wie die ebenfalls um diese künstlerisch überaus fruchtbare Zeit entstandenen, kantigen Loner-Porträts „The Exterminator“, „Maniac“ und „Ms. 45“, die wiederum allesamt Scorseses großmächtiger Großstadtstudie „Taxi Driver“ verpflichtet sind, kreist auch der tiefschwarzhumorige „You Better Watch Out“ um einen mental angegriffenen Zeitgenossen, der dem Wahn anheim fällt, gewisse, schiefgelaufene Dinge wieder gerade rücken zu müssen. In Harry Stadlings Fall ist dies die verlorene Unschuld des Weihnachtsfests. Seit er ehedem feststellen musste, dass dieses mitnichten als kinderzentrierte Veranstaltung in den Herzen der Menschen wohnt, hat sich bei ihm eine Schraube gelöst. Als Erwachsener nun bietet er all seine Kraft auf, Weihnachten seine ursprüngliche Altehrwürdigkeit zurückzuerobern. Er schläft im Weihnachtsmann-Kostüm, arbeitet in einer Spielzeugfabrik, führt sorgsam Buch über die Kinder der Nachbarschaft. Umso ungelegener kommen da ein dreister Kollege (Joe Jamrog), der Harry seine Schicht aufs Auge drückt oder ein Nachwuchsmanager, der sich mit der angeblichen Karitativität der Firma schmückt. Harrys Sicherungen brennen endgültig durch und er wähnt sich fortan als Santa Claus nebst mörderischer Agenda. Als ein solcher beschenkt er ebenso freudestrahlende Kinder wie er mit Schnittwerkzeug auf versnobte Erwachsene losgeht.
Harry Stadling entpuppt sich im Laufe des Films als alter ego Lewis Jacksons. Auch diesen wurmte offensichtlich der verlorene Geist der Weihnacht und die sich ausweitende Ironisierung des Fests, die proportional zum Alter der Beschenkten ansteigt. Was an dieser Stelle fehlt, ist ein Mann mit mehr denn handfesten Argumenten und ein solcher erwächst in Harry Stradling. Jener findet sich am Ende sogar rückhaltlos mythifiziert – nachdem sein ihn seit eh und je heimlich hassender Bruder (Jeffrey DeMunn) Harry erwürgt hat, fährt auf wundersame Weise neues Leben in den vermeintlich Verblichenen und er braust mit seinem alten Van hoch in die Lüfte, vermutlich gen Nordpool. Auch wenn es einige Menschenleben gekostet hat: Der Weihnachtsmann ist wieder da und auch im nächsten Jahr wird mit ihm zu rechnen sein…

7/10

MOVING TARGET

„Forgive me, father.“

Moving Target ~ CA/USA 1996
Directed By: Damian Lee

Kopfgeldjäger Sonny McClean (Michael Dudikoff) kommt aus den Nöten nicht heraus: Seine schwangere Freundin Casey (Michelle Johnson) erwartet, dass er sein gefährliches Gewerbe drangibt und sie endlich ehelicht; zudem sind ihm der Russenmafia-Pate Tuzla (Len Doncheff) und sein tollwütiger Filius Lazlo (Peter Boetzki) auf den Fersen. Sonny soll Lazlos Neffen Jonish (Patrick Gallagher) umgelegt haben. Tatsächlich hatte Sonny einen lukrativen Privatauftrag von Jonishs angeblichen Eltern angenommen, ihren Sohn rückzuüberführen, fand sich jedoch böse gelinkt. Allmählich kristalliert sich für Sonny und seine beiden Polizistenkumpels Jake (Ardon Bess) und Racine (Billy Dee Williams) die Wahrheit heraus: Der eifersüchtige Lazlo hat Jonish getötet und lässt Sonny vor seinem Vater als Sündenbock dastehen. Nun gilt es für Sonny, die Wahrheit ans Licht zu bringen und seine Unschuld zu beweisen.

Ein umständlich erzähltes, geradezu aufreizend lahmarschiges Spät-Dudikoff-Vehikel haben wir hier, dessen Regisseur viel schlampiger kaum hätte arbeiten können. Es beginnt bereits mit blamabelsten Fehlerquellen: „Moving Target“ spielt, wie er gern und mehrfach unterstreicht, in und um die Zeit des weihnachtlich-verschneiten Dezembers; einige Gebäude-Außenaufnahmen zeigen jedoch saftigstes Sommergrün. Das knappe Budget wird sein Übriges beigetragen haben; beinahe alles in Damian Lees kleiner Gurke ist drittklassig, von den allermeisten Nebendarstellern über die auf TV-Serienniveau befindliche Montage der bisslosen Actionsequenzen bis hin zu der Behauptung, „Moving Target“ spiele in New York, wo er doch, ohnehin ein gern exerzierter, fauler Filmemachertrick, gut ersichtlich im deutlich kostengünstigeren, vorstädtischen Toronto gedreht wurde. Erfreulich fand ich hingegen das Wiedersehen mit Billy Dee Williams, dessen Szenen dem Film deutlich mehr Glanz verleihen als er verdient, zudem rettet Dudikoffs Präsenz das Ganze noch ganz knapp auf grenzakzeptables Niveau; ihn wird vordringlich bestimmt die Option gelockt haben, vom Superninja und -armisten weg und hin zum altersangemesseneren, bodenständigen, nichtsdestotrotz traditionsbeflissenen Typen des hart schuftenden Bail-Bond-Hunters geführt zu werden, einem eher alltäglich kolorierten, hart arbeitenden Helden, der Verletzlichkeit demonstrieren sowie offene Romantik an den Tag legt und bei seinem Job auf mitunter fiese Tricks und Kniffe angewiesen ist. Die großen Vorbilder von Steve McQueen bis hin zu Robert De Niro lugen erwartungsgemäß um jede Ecke, laufen jedoch garantiert nie auch nur eine Nuance weit Gefahr, von ihrem ungleich ehrwürdigerem Sockel gestoßen zu werden.

4/10