PREY

„I’m smarter than a beaver.“

Prey ~ USA 2022
Directed By: Dan Trachtenberg

Die Great Plains, 1719. Das Komantschenmädchen Naru (Amber Midthunder) ist mir ihrem determinierten Sozialstatus als Heilerin alles andere als glücklich. Vielmehr will sie sich als geschickte Jägerin beweisen, ganz wie ihr Bruder Taabe (Dakota Beavers), dessen Freunde bloß Spott für Narus Ambitionen hegen. Schon bald bekommt Naru jedoch hinreichend Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren – sie muss sich gegen einen Predator (Dane DiLiegro) zur Wehr setzen, der das gesamte Territorium zu seinem Jagdrevier macht und nicht nur Narus Stammesbrüder dezimiert, sondern auch eine Gruppe von Voyageurs, die sich in der Gegend aufhalten. Schließlich ist es ausschließlich an Naru, dem ruppigen Alien Einhalt zu gebieten.

Die Vorschusslorbeeren für diesen, exklusiv bei Hulu bzw. Disney+ gestarteten, jüngsten Beitrag zum „Predator“-Franchise waren ja doch recht beträchtlich – so hieß es etwa, Trachtenbergs Film könne es durch die Darbietungen seiner Eins-Zu-Eins-Duellsituation sowie seines Wald-/Wiesen-Settings sogar mit John McTiernans mittlerweile 35 Jahre altem Original aufnehmen. Nun sind derlei Lobpreisungen rund um den Premierentermin keine Seltenheit und relativieren sich in der Regel recht bald. Auch „Prey“ wird es dereinst so gehen, denn natürlich hält er erwartungsgemäß keinem Vergleich mit „Predator“ Stand. Gewiss mag man den Einfall, einen historischen Überbau für das storytelling zu wählen, grundsätzlich schätzen, zumal die zuletzt zum grenzalbernen Spektakel aufgeblähte Reihe diesbezüglich bereits arg ins Schleudern zu geraten drohte. Dennoch nimmt sich „Prey“ schon infolge seiner Protagonistin eher wie ein mit sanften Gänsehaut-Avancen liebäugelnder Abenteuerfilm für ein dezidiert jugendliches Publikum aus, der die einst von McTiernan so vortrefflich sezierten Genrewurzeln gezielt konterkariert und stattdessen so gänzlich wie ironiebefreit auf Gegenwartsbezüge setzt. J. F. Cooper mit Außerirdischem, gewissermaßen. Längst umweht den Predator, eine popkulturell ja komplett etablierte Gestalt, schon nicht mehr der Hauch des Monströsen oder gar Geheimnisvollen; seine Ziele sowie seine technologischen Fertigkeiten sind hinlänglich bekannt und lediglich ein paar neue Gadgets unterscheiden den hier auftretenden Extraterrestrier von seinen Vorgängern. Umso weniger bedrohlich wirkt seine Präsenz. Ansonsten kreist das Narrativ des Films um Zivilisationskritik (die Franzosen, ohnehin eine durchweg garstige Meute, schlachten eine Büffelherde ab und charakterisieren sich dadurch als noch weitaus schlimmer und barbarischer denn der Predator), Coming of Age und Genderdiskurse, die es, so versichert uns „Prey“, auch schon bei den American Natives vor 300 Jahren gab und die dort ähnlich schwer zu lösen waren wie heute, ohne sich dabei allerdings um sonderliches Geschick zu bemühen. Zudem verkneift sich das Script Redundantes ebensowenig wie Unpassendes. Ich bin sonst kaum interessiert an der (realististischen) Qualität von CGIs, aber die hier vorliegenden kamen selbst mir recht unorganisch vor und ließen mich einmal mehr wehmütig an den (zudem erst jüngst nochmal geschauten) Urfilm denken und mit welch rundum perfektionierter Finesse dieser, zumal im direkten Vergleich, doch gestaltet ist.

6/10

THE NORSEMAN

„Row!“

The Norseman ~ USA 1978
Directed By: Charles B. Pierce

Im 11. Jahrhundert segelt der Wikinger Thorvald (Lee Majors) mit einigen tapferen Mannen über den Atlantik, um die Spur seines bereits vor längerer Zeit übergesetzten Vaters, des Königs Eurich (Mel Ferrer), zu verfolgen. Die Reise wird schriftlich dokumentiert von Thorvalds jungem Bruder Erik (Chuck Pierce Jr.). An der fremden Küste angelangt, tauft Thorvald die unbekannten Gestade „Vinland“. Flugs werden die rauen Nordmänner von den feindlich gesinnten Ureinwohnern mit Pfeil und Bogen attackiert. Trotz des ungemütlichen Empfangs beschließt Thorvald, eine nahe Flussmündung hinaufzusegeln. Wie sich herausstellt, hat der fremde Stamm König Eurich und einige seiner Expeditionsteilnehmer gefangen genommen und geblendet. Winetta (Susie Coelho), ein bei dem eifersüchtigen Häuptling Kiwonga (Jerry Daniels) in Ungnade gefallenes Mädchen, hilft Thorvald, die Arretierten zu befreien.

„The Norseman“, für Sam Arkoffs A.I.P. und von Hauptdarsteller Lee Majors co-produziert, bildet gewissermaßen das bucklige Stiefkind in Charles B. Pierces Œuvre als Regisseur. Inmitten seiner ausgesprochen schönen (Indianer-)Western-Tetralogie quasi als deren verstoßener Bastardsohn entstanden, frönt Pierce darin scheinbar reuelos einer recht käsig anmutenden Camp-Attitüde, die man aus seinen sonstigen Arbeiten dieser Schaffensphase in dieser Form nicht kennt. Zwar sind auch etliche von Pierces üblichen standards enthalten – zu nennen wären da einige seiner gewohnten Ensemble-Mitglieder wie Jack Elam und Jimmy Clem, die für jene Hollywoodphase eher den großen Studiofilmen vorbehaltene Panavision-Breitwand-Photographie, der Einsatz eines Kindes (wie gehabt gespielt von Pierces Filius Chuck Jr.) in einer elementaren Rolle und die an Peckinpah angelehnten SloMo-Montagen – was jedoch überaus unüblich daherkommt, sind oftmals unfreiwillig komisch bis albern gestaltete Scriptpassagen und insbesondere die mangelnde Sorgfalt und Oberflächlichkeit im Zuge der Figurenzeichnungen, die unwillkürlich den Eindruck hinterlassen, als habe Pierce sich das Ganze mal eben zwischen zwei Gläsern Bourbon aus den Fingern gesogen. Die natives, sonst ja durchaus Pierces Sympathieträger, fungieren in „The Norseman“ mit einer Ausnahme einzig als Stichwortlieferanten für wechselseitig aufgebauschte Aggressionen und sehen alle erschreckend uniform aus mit ihren gelben Lendenschürzchen. Ähnliches gilt für die Wikinger; insbesondere über Majors mit feinrasierten Schnurbärtchen in der Titelrolle wurde sich zurecht schon mannigfaltig mokiert. Einen weiteren Gipfel der fimemacherischen Lethargie erreicht Pierce schließlich, indem er seinem Publikum das sonnenverwöhnte Florida als raues Neufundland anzudrehen trachtet.
Es empfiehlt sich in Anbetracht all dessen, „The Norseman“ (wie in meinem Falle auch) mit gebührlichem Abstand zu seinem ansonsten weitaus beseelteren Werk jener Ära, nominell des kleinen Meisterwerks „The Winds Of Autumn“, anzusehen, um nicht ziemlich rüde aus der ansonsten durchaus obligatorisch zu nennenden Qualitätsarbeit dieses Ausnahme-Auteurs herausrupfen zu lassen.

4/10

NEWS OF THE WORLD

„Straight forward.“

News Of The World (Neues aus der Welt) ~ USA/CN 2020
Directed By: Paul Greengrass

Texas, 1870. Während der Grenzstaat noch immer unter den schweren Nachwehen des verlorenen Sezessionskriegs darbt, zieht der frühere Drucker und Konföderierten-Offizier Jefferson Kidd (Tom Hanks) von Stadt zu Stadt, um den Leuten Zeitungsgeschichten vorzulesen. Auf seinem Weg überland entdeckt er ein kleines Mädchen (Helena Zengel), das er als Siedlerstochter „Johanna Leonberger“ identifizieren kann. Von ihrem „früheren Ich“ weiß Johanna so gut wie nichts mehr – sie lebte als einzige Überlebende eines Indianerüberfalls sechs Jahre und damit mehr als die Hälfte seines Lebens bei den Kiowa und soll nun im Auftrag des Büros für indianische Angelegenheiten zu ihrem Onkel und ihrer Tante verbracht werden. Da sein vormaliger Eskorteur rassistischer Lynchjustiz zum Opfer fiel und sich sonst niemand für sie verantwortlich, erklärt sich Kidd bereit, das zutiefst verängstigte und misstrauische Kind nach Südtexas zu begleiten. Auf der gefährlichen Reise erlebt das ungleiche Paar ein Land, dessen Bewohner den rechten Weg zwischen Verlust und Neuorientierung noch nicht gefunden haben.

Nun hat also endlich auch Tom Hanks seinen überfälligen Western bekommen – ein Filmgenre, das vermeintlich nicht nur bis heute im Œuvre eines jeden veritablen Hollywood-Qualitätsakteurs mindestens einmal reflexartig aufploppen sollte, sondern das zumal Hanks als inoffiziellem Jimmy-Stewart-Epigonen unbedingt zukommt. Doch Spaß beiseite – wer Bedenken hat, dass der Mittsechziger Hanks der amerikanischsten aller Kunstgattungen nicht gerecht werden könnte, der darf sich getrost entspannen. Mit der ihm eigenen, melancholischen Routine und Professionalität trägt Hanks als in mehrerlei Hinsicht kriegsversehrter Veteran, der einen neuen Sinn im Leben findet, auch Greengrass‘ schönen, gemächlich inszenierten Filmüber weite Strecken. Wobei man über Hanks ja in Bezug auf „News Of The World“ hierzulande ohnehin kaum etwas hört; den hiesigen Qualitätsgratmesser bestimmt vielmehr „unsere“ Nachwuchsdarstellerin Helena Zengel, seit Nora Fingerscheidts „Systemsprenger“ eine Hausmarke berührenden Kinderschauspiels. Mit „News Of The World“ betritt sie gleichsam die Weltbühne, wird gleich für die höchsten Preisweihen ins Spiel gebracht und bringt daheim Pilawa nebst übrigen erwachsenen Gästen zum Schmunzeln. Hier gibt sie „a real wild child“, mindestens so bös traumatisiert wie die kleine Benni, allerdings in einer Zeit und Welt, deren zivilationsentledigtes Gefüge erst gar keinen Atem aufbringt, sich um Traumakinder zu kümmern. Johanna Leonberger, die bei den Kiowa „Zikade“ hieß, muss als Wanderin zwischen den Welten selbst sehen, was sie aus sich und ihrem jungen Leben macht. Captain Kidd, physisch wie psychisch gezeichnet, weist diverse charakterliche Parallelen zu seinem unfreiwilligen Mündel auf – sein Vorkriegsleben zunächst tapfer ignorierend, hat er zwar eine neue Berufung gefunden (die ihm – nebenbei – wie vielen klassische Westernhelden der gefürchteten Sesshaftwerdung entbindet), mag sich den Dämonen der Vergangenheit jedoch nicht stellen. Anders als die Kiowa, die das Leben als ewigen, sich selbst erfüllenden Kreislauf betrachten, hat er sich für die Linearität entschieden, den Blick stets nach vorn gerichtet. Dass Greengrass seinen beiden ProtagonistInnen und auch uns, dem Publikum, ein denkbar märchenhaftes Ende gestattet, mag man so oder so sehen. Mir gefällt der zugegebenermaßen recht törichte Gedanke, dass mit Tom Hanks‘ und Helena Zengels „News Of The World“ beschließendem, gemeinsamen Ankommmen in der adoptiven Zweisamkeit auch ihren jeweiligen, früheren Film-Konterfeits Michael Sullivan und Benni Klaß die verspätete, ersehnte Erlösung gegönnt wird.
Das ist dann schon einiges an Balsam für die geschundene Filmromantikerseele.

8/10

TERROR IN A TEXAS TOWN

„What are you talking about take it easy? Didn’t we agree to stick together?“

Terror In A Texas Town (Sturm über Texas) ~ USA 1958
Directed By: Joseph H. Lewis

Als der Walharpunier George Hansen (Sterling Hayden), Sohn des schwedischen Einwanderers Sven Hansen (Ted Stanhope), nach 19 Jahren auf See zurück nach Prairie City, Texas kommt, muss er sogleich die erschütternde Nachricht über den gewaltsamen Tod seines Vaters erfahren. Es dauert auch nicht lange, bis Hansen sich einen Überblick über die relativ klaren Verhältnisse vor Ort verschafft hat: Der reiche Großgrundbesitzer McNeil (Sebastian Cabot) reißt sämtliche Grundstücke der hiesigen Kleinfarmer an sich, da er ahnt, dass darunter Ölvorkommen lagern. Wer nicht freiwillig verkauft und verschwindet, wird von dem gedungenen Mörder Johnny Crale (Nedrick Young) und seiner Gang kurzerhand erschossen, so auch Georges Dad. Der Sheriff (Tyler McVey) steht ebenfalls auf McNeils Lohnliste. Dieser muss rasch erkennen, dass Hansen sich nicht mit ein paar schnellen Dollars abspeisen lässt und hetzt Crale auf ihn. Hansen jedoch lässt nicht locker. Schließlich erschießt Crale noch Georges einzigen Freund, den mexikanischen Einwanderer Mirada (Victor Millan), der seinerseits Zeuge vom Mord Sven Hansen war. Während die übrigen Farmer weiter kuschen, greift George greift zur Harpune…

Joseph H. Lewis, zu seiner Schaffens-Blütezeit vornehmlich Schöpfer von films noirs und Western, zählt zu den weithin unbesungenen, für kleines Geld arbeitenden Hollywoodregisseuren, die Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre zu Studienobjekten der französischen Filmkritik und somit auch der damals florierenden Auteur-Theorie avancierten. „Terror In A Texas Town“ bildete Lewis‘ letztes Engagement als Filmemacher, bevor er sich ausschließlich auf unkomplizierte Routinejobs beim Fernsehen kaprizierte. Das Script zum Film stammt vom damals noch auf der Blacklist befindlichen und daraus resultierend unkreditierten Dalton Trumbo (offiziell wurde Ben Perry genannt). Ebenso war Nedrick Young, selbst Drehbuchautor und Darsteller des schwarzgewandeten Todesengels Johnny Crale, vom HUAC geschasst worden, derweil Hauptdarsteller Hayden noch darunter litt, Jahre zuvor vor McCartyhs Komitee ausgesagt zu haben. „Terror“ steht also – nicht nur personell – ganz im Zeichen der „Red Scare“-Phase, die gerade in Hollywood tiefe Furchen hinterließ. Lewis scherte sich wenig um dieses Faktum, da seine Retirierung vom Film eben bereits feststand. Interessanterweise ist sein Finalwerk nicht der einzige Western jener Ära, der ein dezidiert linkes Timbre präserviert, eindeutig antikapitalistisch und auf den Status des einzelnen, aufrechten Dissidenten als treibende Kraft setzt. Man denke etwa an Zinnemanns „High Noon“, der gewissermaßen den Vorreiter dieses besonders verdienten Subgenres darstellte, oder Allan Dwans phantastischen „Silver Lode“, der sich mit „Terror“ nicht nur seinen ebenso intellektuellen wie subtil formulierten Furor teilt. Wie Dwans kleines großes Meisterwerk ist auch „Terror“ von besonders knapper Erzählzeit (er bleibt unter 80 Minuten), infolge dessen inhaltlich wie dramaturgisch extrem verdichtet, dabei von einer psychologisch beispielhaft sorgfältig ausgearbeiteten Figurenzeichnung beseelt und vor allem absolut klar in seiner mutigen Intention. Der 1,96-Mann Sterling Hayden, der über die Jahre sowieso einer meiner vordersten Lieblingsschauspieler wurde, walzt sich zunächst noch sanft und schließlich dann doch einer entfesselten und nunmehr unbeirrbaren Naturgewalt gleich durch das bittere Geschehen, greift jedoch im finalen Duell nicht zur üblichen Schusswaffe, sondern zu seinem wohlfeil beherrschten Arbeitsinstrument, der Harpune. Dass Trumbo dabei – und gewiss nicht allein dabei – Herman Melville im Kopf gehabt haben wird, scheint mir nicht allein aufgrund dessen mehr denn eklatant.

9/10

ESCORT WEST

„The war is over.“

Escort West (Patrouille westwärts) ~ USA 1959
Directed By: Francis D. Lyon

Kurz nach dem Sezessionskrieg ist der vormalige Konföderierten-Captain Ben Lassiter (Victor Mature) mit seiner kleinen Tochter Abbey (Reba Waters) quer durch Nevada unterwegs gen Westen. Man begegnet einem Kavalleristenregiment, das Beth (Elaine Stewart) und Martha Drury (Faith Domergue), zwei Schwestern von der Ostküste, in die selbe Richtung eskortiert. Beth ist mit dem Offizier Poole (William Ching) verlobt, zu dem sie gebracht werden soll. Zeitgleich treibt eine Gruppe marodierender Modocs unter dem Renegaten Tago (X Brands) ihr Unwesen in der Region. Während Poole und seine Leute bereits von den Indianern eingekesselt sind, werden auch die die Schwestern geleitenden Soldaten überfallen und aufgerieben. Lassiter nimmt sich der beiden überlebenden Frauen und des alten Scouts Walker (Rex Ingram) an. Während Beth sogleich Sympathien für den Ex-Rebellen entwickelt, lässt Martha, die ihren Mann während des Krieges verloren hat, ihn ihren ganzen Hass spüren. Zwei weitere überlebende Kavalleristen (Leo Gordon, Ken Curtis) interessieren sich derweil vornehmlich für die ebenfalls in Sicherheit gebrachte Regimentskasse…

Ein sehr schöner, wenngleich sehr kurz geratener Scope-Western ist dem vornehmlich im B-Film-Sektor tätigen Regisseur Francis D. Lyon mit „Escort West“ geglückt. Das Script entwirft ein klassisches Genreszenario mit nicht mit minder klassisch angelegten Genrefiguren, das ganz bewusst gegen einige mehr oder weniger etablierte Klischees angeht: Im Mittelpunkt steht der mit allen Wassern gewaschene Südstaatler Lassiter, dem die ganze Sympathie der Geschichte gehört. Lassiter ist natürlich ein mit allen Wassern gewaschener Profi, der sich rührend-liebevoll um seine zehnjährige Tochter kümmert. Ihre Frau und Mutter ist offenbar ein Opfer des Krieges geworden, weshalb man die verbrannte Erde im Osten gemeinsam verlässt. Dennoch hat Lassiter jedweden (berechtigten) Hass gegen die Menschheit abgelegt – im Gegensatz zu den Unionisten, die ihm mit weiterhin Aggression und Häme begegnen. Seinen eigentlichen Konterpart findet Lassiter allerdings in der ebenfalls verwitweten Nordstaatlerin Martha Drury, einer hasserfüllten, verhärmten Frau, die auf Lassiter ihren gesamten (Über-)Lebenszorn projiziert. Überhaupt genießt „Escort West“ seine Aushebelungen und ironischen Verkehrungen – während Lassiter alles daran setzt, den wiederum alles Vergangene vergebenden, ihm freundschaftlich zugetanen, farbigen Walker zu retten, besteht Martha darauf, den verletzten Scout zurückzulassen, da dieser sie nur aufhalte. Selbst die natives stehen in keinem grundsätzlich negativen Licht da: Tago und seine Leute sind lediglich ordinäre Verbrecher, die ihrem Stamm entsagt haben und auf eigene Faust morden und brandschatzen. In eigentlich anachronistischen, dafür umso eindrucksvoller genutzten Schwarzweißbildern lässt Lyon seine vorzügliches Ensemble – neben Victor Mature (mit jedem weiteren Film, den ich mit ihm genießen darf, ohnehin zunehmend einer meiner Lieblingsschauspieler) sind auch einige Ford-Usuals darunter, durch seine Außensets. Auch die biestige Faith Domergue ist toll, während Elaine Stewart und ihr Verhältnis zu Mature eher blass bleiben. Hier wäre ein wenig mehr Schürung emotionaler Brandentfachung sicher nützlich gewesen, doch der Film, dem ein paar Minuten mehr durchaus gut getan hätten, begnügt sich eben mit seiner wie knapp bemessenen Erzählzeit, in der er dann doch alles Wesentliche berichten kann.

8/10

THE PROUD ONES

„Pride can kill a man faster than a bullet.“

The Proud Ones (Die Furchtlosen) ~ USA 1956
Directed By: Robert D. Webb

Mit den ruhigen Tagen ist es vorerst vorbei in der Kansas frontier town, in der Cass Silver (Robert Ryan) als Marshal tätig ist. Die ersten Viehtriebe erreichen die Stadt und auch die Eisenbahn wird nicht mehr lang auf sich warten lassen. Für die Stadtverwaltung und die kleinen Geschäftsleute verspricht diese Entwicklung eine Menge Geriebenes, Silver aber weiß aus Erfahrung, dass viele Menschen immer auch viel Ärger bedeuten. Unter anderem taucht mit dem jungen Cowboy Thad Anderson (Jeffrey Hunter) ein Bursche auf, der Silver für die Ermordung seines Vaters verantwortlich macht. Silver betont dem aufgebrachten, aber grundsympathischen Jungspund gegenüber jedoch mehrfach, dass dessen alter Herr, anders als die Leute behaupten, bei dem fraglichen Ereignis sehr wohl bewaffnet gewesen war und Silver somit in Notwehr habe handeln müssen. Und es naht noch weitaus größerer Ärger – mit dem Spielbankier John Barrett (Robert Middleton) eröffnet ein alter Intimfeind Silvers ein Casino in der Stadt. Es dauert nicht lang, bis sich darin der erste betrügerische Croupier (I. Stanford Jolley) hervortut. Als dann bald auch einige von Barretts Männern in Silvers Gefängnis landen, holt dieser sich zwei gunslinger (Rodolfo Acosta, Ken Clark) zur Unterstützung. Thad lässt sich derweil als Hilfssheriff einstellen. Doch kann Silver ihm wirklich vertrauen…?

Aus dem Super-Westernjahr 1956 stammt diese Fox-Produktion, die der hauseigene Vertragsregisseur und Handwerker Robert D. Webb fertigte und vom großen Lucien Ballard in schickem CinemaScope ablichten ließ. „The Proud Ones“ feierte im Mai des Jahres und damit in etwa zeitgleich mit John Fords „The Searchers“ Premiere. Dem Kinopublikum offerierte sich damit die Gelegenheit, Jeffey Hunter abermals in der tragenden Coming-of-Age-Rolle eines rebellischen, aber umso aufrechteren Nachwüchslers zu sehen, der seinem alternden, langsam aus der Zeit fallenden Mentor die im Grunde längst überfällige Nachfolge abnimmt. Nun entbehrt andererseits Cass Silver gewiss der psychologischen Komplexität eines Ethan Edwards, wenngleich Webb mit Robert Ryan zwar nicht der ikonischere Star, aber doch der bessere Schauspieler in der Hauptrolle zur Verfügung stand. Silver repräsentiert zwar ebenfalls ein tradiertes Männerbild, jedoch (noch) kein überkommenes. Einen gewissen beruflichen Fanatismus, einen Hang zur Selbsträson, auch einen sich bisweilen im Übermaß äußernden, dem originalen Filmtitel zupass kommenden Stolz und wiederum in Verbindung damit vielleicht auch eine Tendenz zur emotionalen Abschottung mag man ihm nicht absprechen, dafür ist er kein Rassist und seine prinzipielle Agenda, die Wahrung von Recht und Ordnung im Angesicht sich verändernder Zeiten nämlich, eine durchweg ehrenvolle. Dass Silver auch ein sehr moralischer Zeitgenosse ist, wird spätestens anhand eines hübschen kleinen Monologs deutlich, den das Script Ryan gegen Ende gestattet und in dem er die Gier und Bigotterie der first citizens, die ihn, von Barrett beeinflusst, zu schassen versuchen, mit deutlichem Vokabular aufs Korn nimmt. Immerhin fungiert diese Ansprache auch als unbewusstes, letztes notwendiges Mittel Silvers, um den unschlüssigen Thad Anderson von seiner Integrität zu überzeugen. Der Film findet dann einen ziemlich gelungenen Abschluss, wenn er den jungen Anderson zunächst zur unverzichtbaren, strategischen und kombattanten Flanke des sehbehinderten Silver erwachsen lässt, um ihn dann endgültig Silvers „Erbe“ als Gesetzeshüter antreten zu lassen. Dabei wird Anderson gewissermaßen noch zusätzlich in jener neuen Funktion defloriert, indem er sich just derselben Situation gewachsen zeigen muss, die einst zum Tode seines Vaters geführt hat. Nun ist „The Proud Ones“ nicht ganz frei von Unebenheiten. Das gepfiffene Titelthema (Lionel Newman) etwa wirkt, zumal infolge seiner manchmal albernen dramaturgischen Einsätze, etwas dick aufgetragen, tolle Nebenfiguren wie der von Walter Brennan gespielte Hilfssheriff Jake werden beinahe leichtfertig verschenkt und auch Virginia Mayo als Verlobte des Helden bietet wenig mehr denn Staffage. Hier wäre etwas Mut zum erzählerischen Ausschmücken und zur Profilschärfe, kurzum: etwas mehr, ausnahmsweise tatsächlich einmal auch mehr gewesen.

7/10

THE SISTERS BROTHERS

„We have enough money to stop for good.“

The Sisters Brothers ~ F/E/RO/BE/USA 2018
Directed By: Jacques Audiard

Oregon, 1851. Die beiden Sisters-Brüder Eli (John C. Reilly) und Charlie (Joaquin Phoenix) betätigen sich als Laufburschen für den reichen Geschäftsmann „Commodore“ (Rutger Hauer), der sie stets dann mobilisiert, wenn es besonders dreckige Jobs ohne Nachfragen zu erledigen gilt. Aktuell sollen sie einen Chemiker namens Hermann Kermit Warm (Riz Ahmed), der just auf dem Weg nach San Francisco ist, in die Zange nehmen. Der sich privat gern in melancholischer Schreiberei ergehende Privatdetektiv John Morris (Jake Gyllenhaal) wurde ebenfalls engagiert, um die Vorarbeit zu leisten, Warm also ausfindig zu machen und den Sisters seinen Aufenthaltsort zu übermitteln. Während die Brüder einen beschwerlichen Ritt voller Zwischenfälle in Richtung Kalifornien auf sich nehmen, schließen Warm und Morris Bekanntschaft und freunden sich an. Morris erfährt von Warm den tatsächlichen Grund für das Interesse des Commodore an seiner Person: Er hat eine stark ätzende Säure entwickelt, die Gold in Gewässern sichtbar macht. Warm ist jedoch mitnichten daran interessiert, sich mittels der Formel privat zu bereichern; sein eigentlicher Traum sieht vor, mit dem zu erwartenden Erlös in Texas eine Enklave zivilisierter Liberaler aufzubauen, die als Musterbeispiel für eine zukünftige Gesellschaftsform dienen könnte. Als die Sisters die beiden bereits auf Goldsuche befindlichen Partner treffen, lassen sie sich auf deren Seite ziehen und entscheiden sich gegen ihren vormaligen Auftraggeber. Der zögert nicht lange und hetzt ihnen seine Killer auf den Hals…

Internationaler als zuvor wurde Jacques Audiard bereits mit seiner letzten Regiearbeit „Dheepan“, in der es um tamilische Migranten in Frankreich ging. Für „The Sisters Brothers“, seinen achten Film und den ersten, dessen Script in englischer Sprache verfasst ist, konnte er nunmehr auf eine recht eindrucksvolle US-Besetzung zurückgreifen, mit der im Schlepptau er sich naheliegenderweise eines uramerikanischen Stoffes annahm – eines Western. Ausschließlich gedreht an europäischen Schauplätzen (wie es diverse kontinentale Regisseure auch in jüngerer Zeit, die sich dem Genre widmen, ebenfalls zu praktizieren pflegen), vornehmlich in Rumänien und Spanien, spiegelt „The Sisters Brothers“ dennoch diverse klassische Gattungstopoi in teils immens metaphorisierter Form wider. Allgegenwärtig zeichnet sich etwa der akuter werdende Konflikt ab zwischen dem abenteurlichen, maskulinen Hang, die atavistische Wildheit der frontier towns zu bewahren und dem der Zivilisation des Ostens entspringenden Bedürfnis, eine sichere Existenzgrundlage in Form einer streng demokratisch organisierten Gesellschaftsreform zu errichten. Hermann Kermit Warm, Wissenschaftler, Philosoph, Pazifist und Träumer, steht symbolisch für einen möglichen Aufbruch in eine solche Utopie. Er hat bereits konkrete Pläne entwickelt, wie diese zu realisieren wäre und dem eigenen Bekunden nach bereits eine umfassende Loge aus Geistesverwandten mobilisiert. Sein Schlüssel ist jene chemische Formel, um Gold zu finden, wohl eine Art Königswasser. Auf Warms Weg ins Sozialparadies liegen jedoch die unwägbaren Stolpersteine der von außen heranströmenden Gier und Gewalt; man will seiner Erfindung unter Anwendung von Gewalt zunächst habhaft werden und weiß später nicht, adäquat mit ihr Maß zu halten. Auftritt Sisters Brothers. Die beiden nicht gänzlich ungebildeten (sie sind immerhin alphabetisiert), aber doch recht tumben Brüder stecken voller psychischer Untiefen. Charlie hat einst den prügelnden, dauerbesoffenen Vater getötet und ist nun selbst halber Alkoholiker, dem Mord und Gewalt zur zweiten Natur wurden. Eli, der Ältere der beiden, einer verflossenen Liebe tief nachtrauernd, sehnt sich insgeheim nach Sesshaftwerdung und Bürgerlichkeit, fühlt sich jedoch für Charlie verantwortlich. Die Begegnung mit Warm und Morris, die bereits in langen Gesprächen ihrer mittlerweile gemeinsamen Vision nachhängen, wird für sie zu einer biographischen Zäsur. Tatsächlich entwickeln die Brüder Verständnis und Sympathie für die beiden Gewalt verabscheuenden Männer und sind bereit, zu ihren Gunsten der vormaligen Loyalität zu entsagen. Eine ganz wunderbare Szene zeigt Eli und Morris, wie sie sich bei der morgendlichen Zahnpflege begegnen. Eli hat seine Zahnbürste nebst Fluorpulver erst vor kurzem in einem Krämerladen erworben und ist noch ganz verzückt von der ungewohnten, neuen Oralhygiene. Seine Reaktion, als er Morris ebenfalls beim Zähneputzen erblickt, spricht Bände – er fühlt sich, überglücklich lächelnd, dem traurigen Poeten nun inniglich verbunden, während jener lediglich ein kurzes Kopfnicken für Eli erübrigt.
Charlies Gier durchkreuzt schließlich alle Träume und mündet in ein humanes und ökologisches Fiasko, als er die Indikatorsäure maßlos in das gestaute Flussbett kippt. Nach dieser schlimmen Schlappe bleiben zudem noch die Häscher des Commodore, die den Sisters keine ruhige Minute mehr lassen. Ironischerweise führt sie am Ende, nach getaner Arbeit, der Weg wieder zurück ins heimische Nest, zur Mutter (Carol Kane), wo ein letztes kleines Sanktuarium des Friedens und der Harmonie wartet.
So wandelt „The Sisters Brothers“ leicht, sanft ironisch und behende zwischen finsterem Humor und Tragödie, wenn er seine beiden liebens- zugleich aber zutiefst bemitleidenswerten Protagonisten durch eine mit Irrwegen gepflasterte Welt schickt, zu deren nachhaltiger Mitbestimmung sie trotz aller ungestümen Versuche keine noch so winzige Nuance beitragen können.

8/10

RAVENOUS

„Bon appétit.“

Ravenous ~ UK/USA/CZ/MEX 1999
Directed By: Antonia Bird

Sierra Nevada, Kalifornien, 1847: Nach einer Auszeichnung, die Captain John Boyd (Guy Pearce) infolge einer eher unfällig vollzogenen Heldentat in den letzten Tagen des Amerikanisch-Mexikanischen Krieges zuteil wird, entsendet man ihn nach Fort Spencer, einen kleinen, militärischen Außenposten am Fuß des Gebirges, der von dem gesetzten, sympathischen Colonel Hart (Jeffrey Jones) kommandiert wird. Eines Abends taucht ein halberfrorener Fremder (Robert Carlyle) in Spencer auf, der sich als Siedler namens Colqhoun vorstellt und eine furchtbare Geschichte erzählt: Er sei mitsamt fünf Mitreisenden infolge eines Schneesturms wochenlang in einer Höhle in den Bergen gefangen gewesen, wo der Hunger sie schließlich in den Kannibalismus gedrängt hat. Colqhoun habe noch fliehen können, bevor der wahnsinnig gewordene Colonel Ives auch ihn hatte töten und verspeisen können. Ives und eine Witwe seien noch vor Ort. Eine kleine Abordnung macht sich auf den Weg, der Frau zur Hilfe zu eilen, doch in der Höhle finden sich nurmehr die abgenagten Gerippe von fünf Leichen. Colqhoun entpuppt sich als der Hauptübeltäter und tötet bis auf Boyd alle Soldaten. Boyd kann sich mit gebrochenem Bein verstecken und ist schließlich selbst zum Verzehr eines seiner toten Kameraden (Neal McDonough) gezwungen, um zu überleben. Wie durch ein Wunder meistert er den Weg zurück nach Fort Spencer, wo sich just ein neuer Kommandeur vorstellt: Colonel Ives alias Colqhoun…

„Ravenous“, die vierte von bislang fünf Kino-Regiearbeiten der Londoner Filmemacherin Antonia Bird, könnte man als die groteske, mit Horrorelementen hybridisierte Paraphrase eines klassischen frontier western bezeichnen. Die Storyprämisse ist dieselbe wie sieben Jahre zuvor bei Kevin Costners Meisterwerk „Dances With Wolves“ – ein dem Tode geweihter Offizier rettet sich selbst durch einen mirakulösen Akt des Heldentums doch noch selbst das Leben, wird dafür perplexerweise ausgezeichnet und in westliches Niemandsland entsandt, wo er das Grauen einer barbarisierten Zivilisation erlebt. Indianische Kultur und Mystizismen nehmen in „Ravenous“ allerdings lediglich eine periphere Rolle ein: Boyd hört die Geschichte des „Wendigo“, eines gierigen Geistes, der, einmal dem Kannibalismus verfallen, einen unstillbaren, suchtartigen Hunger auf Menschenfleisch entwickelt, sich jeweils die Kraft des verzehrten Opfers aneignet und so selbst immer stärker wird. Jene Legende erweist sich im weiteren Verlauf als nur allzu zutreffend. Ives berichtet später, selbst von ihr gehört und sich hernach gezielt der Anthropophagie zugewandt zu haben, um seine Schwindsucht und seine Depressionen zu überwinden – höchst erfolgreich, wie er hinzufügt. Auch Boyd und Hart lernen die unheimliche, heilsame (und lebensspendende) Kraft kennen, die das Verspeisen von humanen Artgenossen mit sich bringt. Beiden gelingt es, dem sicheren Tod von der Schippe zu bringen. Ives hat derweil längst den Plan entwickelt, Fort Spencer zum Zentrum einer aus auserwählten (damit sind ranghohe Offiziere des Militärs gemeint) Mitgliedern bestehenden, kannibalischen Subkultur zu machen und sich dort künftig an Richtung Westen durchreisenden Siedlern zu delektieren. Die Symbolik dahinter ist so trefflich wie evident: Der Imperialismus frisst sich selbst. Den Wendigo könnte man ebensogut auch als Rachewerkzeug der im Rückzug befindlichen, indigenen Bevölkerung am Weißen Mann erachten; wenn schon die unrechtmäßige Landnahme stattfinden muss, dann zumindest nur unter grauenvollsten Entbehrungen. Den Kannibalismus schaltet Antonia Bird infolge dessen gewissermaßen gleich mit dem Vampirismus: Wie Blutsauger durch den Lebenssaft ihrer Opfer Unsterblichkeit und Unverletzlichkeit um den Preis der Entseelung erlangen, scheint auch die Anthropophagie (zumindest in den unerschlossenen Gefilden des amerikanischen Westens) einen ganz ähnlichen Effekt auf ihre Nutznießer auszuüben. Und doch lässt sich nicht abschließend klären, wo die Grenze zwischen Wahn und Spiritualität verläuft, denn gänzlich unsterblich, mit dieser beruhigenden Erkenntnis entlassen Antonia Bird und ihr Autor Ted Griffin uns aus ihrem ebenso schönen wie gewitzten Film, sind selbst Kannibalen nicht. Dafür können vermeintliche Feiglinge immer auch Helden sein.

8/10

THE PROFESSIONALS

„You bastard.“ – „Yes, Sir. In my case an accident of birth. But you, Sir, you’re a self-made man.“

The Professionals (Die gefürchteten Vier) ~ USA 1966
Directed By: Richard Brooks

Der reiche Rancher Grant (Ralph Bellamy) heuert vier Söldner unter dem Vorsitz des Strategen, ehemaligen Revolutionskämpfers und Villa-Sympathisanten Rico (Lee Marvin) an, seine gekidnappte Frau Maria (Claudia Cardinale) aus den Händen des mexikanischen Rebellen Jesus Raza (Jack Palance) zu befreien. Auch Ricos drei mit angeheuerte Kollegen sind jeweils Experten auf ihrem Gebiet: Für das Dynamit und seinen möglichst effektiven Gebrauch ist der charmante Lebemann und Womanizer Dolworth (Burt Lancaster) zuständig, der melancholische Ehrengart (Robert Ryan) ist Pferde-Profi und der wortkarge Sharp (Woody Strode) eine Koryphäeim Gebrauch von Waffen aller Art. Bis zu Razas Versteck, einer verfallen Hazienda jenseits der Grenze, dringen die Vier relativ problemlos vor – im Versteck des vermeintlichen Kidnappers angekommen, erleben sie jedoch eine unvorhersehbare Überraschung, die sie alle nach und nach die moralische Rechtmäßigkeit ihrer Mission überdenken lässt.

Für Richard Brooks‘ besten, zweiten (und somit mittleren von insgesamt drei) Western „The Professionals“ gilt: nomen est omen. Durchweg exzellent in der Ausführung ist Brooks ein handwerlich perfekter Genrebeitrag vor dem in den späten Sechzigern auch infolge der italienischen Ableger beliebten Hintergrund der mexikanischen Revolution gelungen, der mit Fug und Recht zu seinen besten Regiearbeiten gezählt werden muss. Die Prämisse, vier absolute, nicht mehr ganz junge, einsame Profis, Söldner natürlich, denen mittlerweile nurmehr Geld das abgeklärte Leben verschönern kann, auf eine Reise zu schicken, an deren Ziel sie mit ihren vormaligen (falschen) Idealen gebrochen haben werden, ist motivgeschichtlich gewiss betagt, was aber nichts am herben, zuweilen rustikalen Charme dieses ausgesprochenen Männerfilms ändert. Speziell das Protagonisten-Quartett bürgt für höchste Einsatzfreude: Lancaster bleckt, trotz zwischenzeitlicher Visconti-Erfahrung und inmitten allerlei sehr existenschwer beladener Rollen, nochmal die Kauleisten wie zu seligen „Crimson Pirate“-Zeiten (freilich mit pausenlosem Rauchwerksgenuss), Marvin, der als Leiter und Anführer des Kommandounternehmens wie stets cool as cool can ist, der imposante, einmal mehr eine unglaubliche Dignität an den Tag legende Strode und schließlich der – gemessen an manch lauter und böser Schurkenrolle von einst („The Naked Spur“, „Bad Day At Black Rock“) – geradezu betreten leise Ryan bilden ein vorzügliches Action-Kleeblatt. Dazu die sepiafarbene Prärie in feinster Breitwand und Technicolor (Conrad Hall) voller magic hours, dusks und dawns und Maurice Jarres Klänge, die dem von den umliegenden Lean-Epen akustisch verwöhnten Betrachtergehör einige Déjà-écoutaits bescheren – alles von vorn bis hinten von einer traumwandlerischen Perfektion und cineastischem Hochgefühl, von Luxus und Erhabenheit gesäumt, wie man sie heute in solch altehrwürdiger Form nicht mehr antrifft.

10/10

¡THREE AMIGOS!

„Do you have anything here besides Mexican food?“

¡Three Amigos! (Drei Amigos!) ~ USA 1986
Directed By: John Landis

Im Jahre 1916 stattet der gemeine Bandit El Guapo (Alfonso Arau) dem kleinen mexikanischen Dorf Santo Poco regelmäßige Besuche ab, um die dort lebenden Bauern zu terrorisieren und zu berauben. Die Farmerstochter Carmen sucht daher nach ein paar Revolverhelden, die El Guapo vertreiben sollen. In der Kirche sieht sie einen Stummfilm mit den „Drei Amigos“ (Chevy Chase, Steve Martin, Martin Short) und schickt ihnen ein Telegramm nach Hollywood. Da die drei just von ihrem Studioboss Harry Flugleman (Joe Mantegna) gefeuert wurden, kommt ihnen der Auftrag, den sie irrtümlicherweise für ein reines Entertainment-Engagement halten, gerade recht. In Mexiko angekommen, bemerkt man jedoch bald, dass die hiesige Luft mit echtem Blei gesäumt ist und will sich zunächst klammheimlich aus dem Staub machen. Doch nach kurzen Bedenken wird den Amigos klar: Ihre heroische Integrität darf kein Leinwandmythos bleiben.

Das war noch John Landis at his best. Für seinen Metafilm, der im Gewand einer Klamaukgeschichte von der Geschichte des Kinos selbst erzählt und von der Vermischung von Realitätsschichten, scheute sich der Regisseur keineswegs, neben überdeutlich verkitschten Sequenzen auch echte Genredramaturgie zu befleißigen. „¡Three Amigos!“ arbeitet auf multiplen Ebenen für die Rezipientenschaft und mit ihr, erfordert gewissermaßen mediale Kompetenzen und landissches Humorverständnis zugleich. Der Westernfreund lauscht begeistert den Klängen Elmer Bernstein, seines Zeichens bereits Komponist der unsterblichen Melodien aus „The Magnificent Seven“ (das Hauptinspirationsreservoir für die „Amigos“), für den Anhänger gepflegter Neo-Satire gibt es ein paar Songs von Randy Newman, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hat (seine einzige Arbeit auf diesem Sektor). Kombiniert mit der Improvisationskunst dreier SNL-Genies kann dabei nur eine Komödie von edelstem Blute herauskommen. Und Landis als Regisseur schließlich verstand es, ein lupenreines Metaartefakt über die Traumfabrik zu liefern, das sich zur selben Zeit nicht scheut, die zuweilen schmierenkomödiantischen Wurzeln seiner Gattung hemmungslos offenzulegen. Die Musicalszene in der Pseudowüste, in der die Amigos – in einem mickrigen Studio hockend – „Blue Shadows“ (aus Newmans Feder) zum Besten geben, umringt von Pappkakteen, diversen Prärietieren und einer beispiellosen Sonnenuntergangskulisse, gehört in Landis‘ persönlichen Regieolymp, bringt sie doch „¡Three Amigos!“ wahrscheinlich am Stringesten auf den Punkt. Meisterwerk, punktum!

10/10