AMERICAN MADE

„I’m the gringo who always delivers.“

American Made (Barry Seal: Only In America) ~ USA/J 2017
Directed By: Doug Liman

Der etwas einfältige TWA-Pilot Barry Seal (Tom Cruise) wird in den frühen Achtzigern eines Tages überraschend von einem CIA-Agenten namens Monty Schafer (Domhnall Gleeson) rekrutiert. Seal soll heimlich illegale Erkundungsflüge über Nicaragua durchführen und dabei Fotos von Sandinisten-Camps schießen. Vor Ort kommt er bald in Kontakt mit dem Medellín-Kartell und lässt sich von diesem als Kokainschmuggler anheuern. Die CIA bekommt bald Wind von Seals Doppeltätigkeit. Anstatt ihn jedoch fallenzulassen, verschafft ihm die Behörde einen abgelegenen Flughafen in Arkansas, den Seal ganz bequem als Umschlags-Hauptquartier für Escobars Kokain nutzen kann. Im Gegenzug für seine Schmuggelaktivitäten muss Seal Contra-Guerilleros aus Nicaragua zur militärischen Ausbildung in die Staaten und danach wieder zurückbringen. Es dauert nicht lange, bis Seal und seine Familie im Geld schwimmen. Als das Weiße Haus vorschnell von Seal gemachte Photos veröffentlicht, die eine klare Verbindung zwischen Medellín-Kartell und den Contras offenlegen, steht der einstige Schmuggelkönig auf der Abschussliste von Escobar. Trotz zunächst erfolgreicher Fluchtmaßnahmen wird Seal bald aufgespürt…

„American Made“ lohnt sich vor allem im Doppelpack mit dem zuvor aufgefrischten „Blow“ von Ted Demme; die beiden Filme weisen nicht nur eine starke thematische Konnexion zueinander auf, sondern sind auch strukturell recht eng miteinander verwandt. Wie George Jung war auch Barry Seal nicht nur Familienvater, sondern auch einer der national erfolgreichsten Kokain-Importeure der frühen achtziger Jahre; wie Jung scheffelte Seal Millionen und Abermillionen, die er teils in Panama deponierte, teils bar zu Hause hortete und nach seiner Dingfestmachung verlor. Beide Filme funktionieren nach dem etablierten „Rise-&-Fall“-Prinzip; typische Handlungsraffungen und Überblendungssequenzen werden, auch das längst Standard, mit exquisit kompilierten, zeitgenössischen Musikstücken unterlegt und es bereitet natürlich insgeheim diebische Freude, den beiden Antihelden jeweils beim Scheffeln, Anhäufen und Ausgeben ihrer Koksmillionen zuzuschauen. Allerdings gibt es ebenso klare Unterschiede, die vor allem in der direkten Verwebung Seals in die illegalen Interventionsaktivitäten der Reagan-Administration liegen. Während Jung sich quasi völlig autark und aus eigenem Antrieb zum Koksbaron hochgearbeitet hatte, waren Seals Anstrengungen in diesem Metier nicht nur eine indirekte Folge seiner vom Geheimdienst eingeforderten Aufklärungsflüge, sondern wurden zudem noch geduldet und stellenweise sogar forciert. Dass Seal schließlich ein eher typisches zeitnahes, gewaltsames Ende erwartete, zeigt indes, wieviel Glück im Unglück sein „Kollege“ Jung eigentlich hatte.
Wie man es von Liman gewohnt ist, bereitet er seine stark satirisch gefärbte Geschichte ferner hübsch temporeich, angemessen poppig und mit hoher Schnittfrequenz auf. Seine zweite Kollaboration mit Scientology-Sunnyboy Cruise verzichtet demzufolge auf die „Blow“ inhärente Tragik des kriminellen Irrläufers wider Willen – Barry Seal hat keine Zeit zur Reue, er betrachtet sich selbst vielmehr als unkonventionellen Dienstleister in einer moralisch ohnehin übersättigten Welt. Da gibt es dann doch noch die nötige Trennschärfe, die Limans Werk ihren für einen wirklich durchweg sehenswerten Film notwendigen, unikalen Status sichert – zumindest, sofern man bereit ist, über die historisch nicht immer akkurate Legendenbildung, derer sich „American Made“ befleißigt, großzügig hinwegzusehen.

7/10

BLOW

„Everything I love in my life goes away.“

Blow ~ USA 2001
Directed By: Ted Demme

Gemeinsam mit seinem besten Freund Tuna (Ethan Suplee) geht der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende George Jung (Johnny Depp), angewidert von den banalen Spießerstreitigkeiten seiner Eltern (Ray Liotta, Rachel Griffiths) und besonders der herrischen Art seiner Mutter gegen Ende der sechziger Jahre von Massachusetts nach Kaliofornien. Dort lernt er bald die Stewardess Barbara Buckley (Franka Potente) und die Vorzüge von cannabinoiden Rauschmitteln kennen. Mit der Unterstützung des ortskundigen Derek Foreal (Paul Reubens) entwickelt George sich rasch zu einem der führenden Grasdealer der Westküste und fährt gewaltige Gewinne ein. Doch mit der Idylle iust es bald vorbei: Barbara stirbt an Krebs und George landet im Knast, wo er Freundschaft mit seinem Zellengenossen Diego Delgado (Jordi Mollà) schließt. Dieser pflegt wiederum Kontakte zum Medellín-Kartell und damit zu Pablo Escobar (Cliff Curtis). Nach seiner Entlassung zieht George gemeinsam mit Delgado und Foreal als geheimem Verteiler eine Kokain-Connection für Escobar auf, die ihm und seiner neuen Frau Mirtha (Penélope Cruz) und Töchterchen Kristina (Emma Roberts) immense Gewinne bescheren. Doch auch dieser flüchtige Traum vom sorglosen Leben endet jäh…

Der noch immer lebende, reale George Jung ist einer der zahlreichen Repräsentanten des glamourösen Lebensstils und anschließenden, tiefen Falls, den anfällige US-Kriminelle, die in den siebziger und achtziger Jahren in den Dunstkreis des Medellín-Kartells gerieten und für Escobar Kokain in die USA schafften beziehungsweise dort verkauften, zu durchleben hatten. Jungs spezieller Fall als vermutlich arbeitsamster Koksschmuggler seiner Ära wird dabei von der Tragik überschattet, ein im Grunde herzlicher Charakter zu sein, der bis zu einem gewissen Grad auch ein Opfer seiner persönlichen Disposition wurde: Die Kleingeistigkeit seines Elternhauses, die Verlockungen des schnellen Geldes und schließlich der eigene Drogenkonsum in Verbindung mit falsch gelagerter Vertrauensseligkeit brachte ihn schließlich für Jahrzehnte ins Gefängnis und kostete ihn die Liebe seiner Tochter. Anders als frühere große Filmepen um Kokainzaren und allgemein drogenaffine Gangster wie „Scarface“ oder „Goodfellas“, deren gesetzter Typologien und Formalia sich „Blow“ als einer ihrer späten Erben recht behende bedient, rückt „Blow“ die Vulnerabilität und Fragilität seines Protagonisten durchweg überproportional in den Mittelpunkt. Schicksalsschläge wie der Krebstod Barbara Buckleys oder der der Verlust guter Freunde, den George Jung im Laufe seines Lebens aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder durchlebt machen ihn psychisch anfällig, depressiv und zum Opfer seines zunehmenden, eigenen Unvermögens, Kausalitäten abzuwägen. Schneller Reichtum und Erfolgslügen erweisen sich indes als die maßgeblichen Motivationsfaktoren seiner Lebensgestaltung. Demme und Co-Autor Nick Cassavetes, die, ebenso wie Depp vor, während und nach der Entstehung seines letzten Films permanent intensive Gespräche mit Jung führten und versuchten, zum Menschen hinter den vielen, reizvollen Geschichten und Anekdoten vorzustoßen, können zwar der Verlockung zeitweiligen Enthusiasmus‘ angesichts Jungs Geldscheffeleien und dreister Schmuggelaktionen nicht ganz widerstehen, tragen im letzten Viertel des Films jedoch ebenso seinem Versagen auf ganzer Linie Rechnung, wenn sie den immer weiter Scheiternden am Boden liegend zeigen. Nach der Absetzung Noriegas verliert Jung sein bei einer panamaischen Bank liegendes Millionenvermögen; er wird zum ärmlichen Schatten seiner Selbst, versucht, mit Mühe und Not einen Neuanfang für sich und Kristina möglich zu machen, geht dem FBI ins Netz und verliert darüber hinaus Freiheit und das letzte Quäntchen Zuneigung seiner Tochter. Jung überlebt als einer der Wenigen seine Zeit, ist jedoch ein gebrochener Mann.
Insofern ist „Blow“ trotz seiner höchst kinetischen, ersten drei Akte wahrscheinlich ein sehr viel moralischerer Gangsterfilm als es das Gros der Gattung von sich behaupten darf.

7/10